Nathan der Heiße auf Höllensexreise
Lange ist es her, dass ich eine Geschichte auf Wattpad verrissen habe und weil ich es so sehr vermisst habe, nehme ich diesmal nicht nur die ersten paar Kapitel eines Buches aus, welches mir vom unschlagbaren Algorithmus dieser Seite vorgeschlagen wurde, sondern direkt das gesamte Werk, welches in diesem Fall 129 Kapitel plus Pro- sowie Epilog und schätzungsweise einhunderttausend Wörter umfasst, jedoch kaum nennenswerten Inhalt.
Der Name dieses Werks, das augenscheinlich auf der New-Adult-Welle mitreiten will – immer schön locker aus der Hüfte – lautet »The Devil's Princess« und kann schon mal mit korrekter Rechtschreibung und Grammatik punkten. Die Autorin schreibt unter dem Nickname kyliesm8, was man wohl auf zwei Arten lesen kann. Entweder sie heißt Kylie, steht auf Sadomaso oder hat eine Konfektionsgröße zwischen 36 und 40 und mag die Zahl acht oder sie wäre gerne Schoßhündchen einer Frau namens Kylie (Minogue? Jenner?) oder ein australisches Wurfholz. So viele Optionen und ich fürchte, die Lektüre wird mir keine Rückschlüsse gewähren, welche davon die wahrscheinlichste ist, weswegen ich mich damit nicht weiter aufhalten, sondern mich direkt auf den Klappentext stürzen werde, denn das Cover mit, welches vom Standard-Wattpad-Tattoo-Typen, blutroter Schrift und einem eventuell sogar lizenzfreien Pentagramm geziert wird, ist keinen zweiten Blick wert.
Allerdings würde ich den Klappentext am liebsten auch überspringen, denn dieser wird von einem vermeintlichen Zitat aus dem Buch eingeleitet, dessen fiktiver Urheber nicht weiter erwähnt wird, bei dem es sich aber aller Wahrscheinlichkeit nach um das Love Interest handelt – welches wiederum der Teufel sein wird. Dieser wird durch die drei Sätze, welche nicht einmal im eigentlichen Buch Verwendung finden als besitzergreifend (»Du kannst versuchen, zu fliehen, dich vor mir zu verstecken oder gar mich zu bekämpfen, aber es wird dir nicht gelingen.«), narzisstisch (»Ich werde dich immer wieder finden, denn in meiner Welt ist meine Macht grenzenlos.«) und alles in allem Arschloch (» [...] wenn es heißt, dass ich deinen Willen brechen muss, um dich zu beschützen, dann werde ich dieses Risiko eingehen.«) charakterisiert.
Es folgt eine elliptische Beschreibung der Protagonistin Judy, die Dämonen sehen kann. Dann taucht noch ein Kerl namens Aiden auf, der sie vor ebendiesen beschützen will und eine ach so unbekannte, gefährliche sowie unter anderem titelgebende Macht will auch noch mitmischen. Die einzige Innovation, die diesem Klappentext noch folgen könnte, wäre ein flotter Dreier.
Ein solcher ist zunächst jedoch in weiter Ferne, denn das Buch beginnt mit etwa zweihundert Wörtern Geschwurbel über Judys erste »Beziehung« (drei Wochen Händchenhalten, Respekt!), ihren großen Freundeskreis (Spoiler: Sie hat an der Uni genau zwei Freundinnen, da mehr Statisten wahrscheinlich zu viel des Schlechten gewesen wären), ihren aktuellen Freund Ben und natürlich »sie« (die Dämonen aus dem Klappentext).
Dieser sogenannte Prolog hält nicht mehr Infos bereit, als man ohnehin schon haben sollte, weswegen ich davon ausgehe, seine Funktion könnte sein, jene Leser auf das Buch aufmerksam zu machen, denen die Schriftgröße der Kurzbeschreibung zu klein ist, was in einem Genre, das zum Teil auf verzweifelte Hausfrauen abzielt, durchaus der Fall sein kann.
Das erste Kapitel jedoch lässt nicht lange auf einen potenziellen potenten Paarungspartner warten, denn nach nur neun Sätzen taucht der blonde Ben in Begleitung von Judys beiden besten (und irgendwie einzigen) Freundinnen Cleo und Amber auf (und ich traue ihnen allen kein Stück weit über den Weg, denn sie wollen auf keinen Fall zur spät zur Vorlesung kommen. Das können keine Studenten sein.)
Bevor ich mich aber dem absolut plotirrelevanten Dialog zuwende, der folgt, werfe ich noch einmal einen Blick auf die neun (teils wieder elliptischen) Sätze, die dem Ganzen vorangehen. Hier erwähnt die Protagonistin die Dämonen, welche sie seit ihrem achtzehnten Geburtstag fast ununterbrochen verfolgen. Eine schon drei Tage anhaltende Ruhe vor den Viechern, welche von ihrem Verhalten im ersten Moment wie Mücken auf mich wirken, die eine Person mit besonders schmackhaftem Blut verfolgen, sei äußerst ungewöhnlich.
An dieser Stelle muss ich mich unwillkürlich fragen, wieso zur Hölle das Mädchen in über zwei Jahren noch nicht durchgedreht ist. Entweder sie kann irgendein Hormon nicht produzieren oder was für Gründe es auch sonst geben mag, nicht in ständiger Angst zu leben und Paranoia zu bekommen oder aber die Autorin wollte eine Protagonistin, bei der es als nicht ganz so immoralisch angesehen würde, sie nach nur wenigen Tagen Bekanntschaft fachgerecht flachzulegen. (Die Dämonen halten sich natürlich nur an das Datum im Kalender, das Judys Volljährigkeit verkündet und prüfen nicht erst, ob die nötige geistige Reife vorhanden ist.)
Zurück zum ersten Dialog, den ich bei näherer Betrachtung nicht weiter analysieren möchte, da er nichts außer der Information enthält, wie sehr Judy doch für ihren Ben schwärmt, der wahrscheinlich in den nächsten fünfzehn Kapiteln aus dem Weg geräumt wird. Auch das nächste Kapitel hält zunächst nicht viel bereit mit Ausnahme eines Professors, der Jane Austen für sexistisch hält und des ersten echsenartigen Dämons, der zugegebenermaßen wirklich gut beschrieben wird. Und da sie ja erst zwei Jahre lang mit solchen Begegnungen konfrontiert ist, ergreift Judy prompt die Flucht aus dem Hörsaal unter dem Vorwand, ihr gehe es nicht sonderlich gut.
Den Nachhauseweg wird genutzt, um den Ton für das restliche Buch zu setzen. Sätze wie »aus irgendeinem Grund war der Asphalt feucht, obwohl es seit Stunden nicht großartig geregnet hatte« sollen wohl unterbewusst auf das vorbereiten, was noch kommen mag.
Auch die nächste Begegnung mit einem Dämon im Hausflur wird genutzt, um das Fundament für spätere Begebenheiten zu legen. So wird Judys Verhalten in den meisten Lebenslagen durch »instinktiv kniff ich einfach die Augen zu und wartete wie ein erstarrtes Reh auf meinen Tod« deutlich zum Ausdruck gebracht.
Glücklicherweise muss das verschreckte Ding nicht selbst Herr der Lage werden (denn das würde nach den Maßstäben von »The Devil's Princess« eine Geschlechtsumwandlung fordern), sondern wird von einem mysteriösen Fremden (sie kennen sich irgendwie seit ihrer Kindheit, aber ihr Gedächtnis wurde ausgelöscht, was eh vollkommen unwichtig ist), haarfarbcodiert mit Hellbraun und anscheinend bestens mit ihr bekannt, gerettet und infolgedessen auf einen Kaffee eingeladen.
Die beiden begeben sich in ein Café, wo sich der schwertschwingende Dämonentöter nach dem Bestellen als Aiden aus dem Klappentext vorstellt. (Nein, er hat nicht die vierte Wand durchbrochen, aber da er anscheinend wie alle anderen Akteure keinen Nachnamen hat, fand ich es schöner ihm wenigstens einen Beinamen zu verpassen.) Zudem scheint er sich zu verhalten wie ein Stalker und jeden Winkel von Judys Leben zu überwachen. Natürlich ausschließlich wegen der Dämonen.
Bevor Judy ihn jedoch abservieren kann, wird ein Infodump aufgetischt, der großes enthüllt. Sie ist die Blutprinzessin.
Was das bedeutet? Diese Antwort wird uns noch erspart. Zumindest bis zum nächsten Tag, als Aiden Judy zur Widersacherin des Buches führt, seiner Mentorin Claire. Diese drückt sich jedoch ähnlich vage aus, weswegen die ganze Handlung über nur eines klar ist: Wer die Blutprinzessin vögelt und ihr Blut trinkt, wird unheimlich mächtig.
Damit wäre die Ausgangslage geklärt und es ist an der Zeit, den wahren Obermacker das Spielfeld betreten zu lassen (und das Tempo dieses Verrisses etwas anzuziehen). Doch halt! Da war noch was – beziehungsweise wer. Irgendwie muss Ben (zur Erinnerung: Judys fester, nach einem Jahr mit Ach und Krach die zweite Base erreicht habender Freund) aus dem Weg geräumt werden.
Das geschieht, indem er von einem Dämon eingenommen wird, Judy vergewaltigen will, natürlich von Aiden ausgeschaltet und daraufhin endgültig von Judy verlassen wird. Da dies erst in Kapitel 25 geschieht, hat er es tatsächlich geschafft, sich knapp ein Fünftel des Buches lang in seiner Position zu halten.
Doch das Rennen um Judys Geschlechtsteile soll einzig zwischen Aiden und dem Teufel höchstpersönlich ausgemacht werden. Und wo lernt man den Herrscher der Hölle am besten kennen? Natürlich auf einer Studentenparty, wo er seinen Drink aus einer Blümchentasse konsumiert, was Judy so sehr aus dem Konzept bringt, dass sie tatsächlich sein restliches Äußeres beschreibt, seine Haarfarbe, die bei den beiden bisher aufgetauchten Kerlen das herausstechendste Merkmal gewesen ist, aber nicht erwähnt. Die ist zunächst ohnehin nicht von Bedeutung, denn nachdem er immerhin die Höflichkeit besitzt, sich als Nathan vorzustellen, verabschiedet er sich von ihr, denn ihren Namen zu erfahren, ist nicht nötig, da er diesen längst weiß. Das reicht für ganze zwei Zeilen aus, um Judy zu Angst einzujagen, doch sie hält es für wichtiger, ihre beiden Freundinnen aufzuspüren, wird jedoch von Aiden abgegriffen, dessen Stalkerqualitäten wohl der Grund dafür sind, dass Nathan ihr nur wie ein mittelmäßiges Arschloch erschienen ist.
Doch auch Aiden ist noch nicht in Ungnade gefallen.
Die meisten kennen wahrscheinlich das Problem, Essen für sich zu beanspruchen, welches man nicht sofort zu sich nehmen will. Eine unter Kindern durchaus legitime (wenn auch nicht sonderlich erfolgreiche) Methode ist es, das entsprechende Nahrungsmittel abzulecken. Und was soll ich sagen, genau diese Strategie fährt Aiden auch. Leider nicht erfolgreich.
Nur wenige Kapitel später hat Ben sein erstaunliches Comeback und es scheint nichts so gewesen zu sein, wie es schien, denn er hat nur vorgetäuscht von einem Dämon besessen gewesen zu sein. In Wahrheit ist er die ganze Zeit über eine gewesen. Schockschwerenot! Dieser Plottwist ist so abwegig und absurd, das er sogar mir hätte einfallen können, um wenigsten auf irgendeine Art und Weise die Leserschaft zu unterhalten.
Nun, Dämonen-Ben entführt Judy, hält sie in irgendeiner Parallelwelt fest und die einzige Funktion, die diese Kapitel für die Handlung aufweisen, ist, dass Nathan zur Rettung eilen kann (und Ben wirklich und endgültig umgebracht wird, um ja nicht mehr dazwischenfunken zu können).
Nach diesen Gegebenheiten wird Judy vor vollendete Tatsachen gestellt. Sie muss den Herrscher der Hölle, Thanatos, oder kurz Nathan, ehelichen. Er lässt ihr selbstverständlich die freie Wahl, aber sie muss diese Pflicht unbedingt erfüllen. Ein heißer Traum in Kapitel 69 bestärkt sie darin, ihm seinen fordernden Wunsch zu erfüllen. Sie kann einfach nicht davon ablassen »Seine Eminenz« (anscheinend ist die Hölle eine eigene Diözese oder immerhin ein geeignetes Zuhause für einen teuflischen Kardinal oder aber die Autorin hat keine Ahnung, dass es sich bei Eminenz nicht um die Anrede für einen König handelt) heiß zu finden. Und ab da an passiert eigentlich nur noch dasselbe.
Nathan und Judy bandeln immer weiter an, Aidens Sichtweise wird hinzugefügt, um zu beschreiben, wie er plant, die Liebe seines Lebens aus der Hölle zu retten, ohne sie vergewaltigen zu müssen, damit der Teufel sich nicht ihrer Kräfte bemächtigen kann.
Doch seien wir ehrlich, Aiden, der zwar ein Trottel ist, aber einem aufgrund seiner Naivität schon leidtun kann, hat nicht den Hauch einer Chance, ein Schiff mit Judy zu besteigen und davonzusegeln. Dafür ist Nathan einfach zu mächtig und zu tätowiert. Zudem schafft er es, sich Judys Jungfräulichkeit in Kapitel 103 zu krallen. Das ansozialisierte Schamgefühl hat er jedoch schon vorher von ihr genommen und sie in eine Exhibitionistin verwandelt, denn sei es aus mangelnden Mitdenkens der Autorin oder aus voller Absicht, Judy vergisst des Öfteren nach dem Erfolgen sexueller Handlungen sich wieder anzukleiden. Ob es amüsant ist, sie sich in unpassenden Situationen nackt vorzustellen oder ob es nicht doch eine Nummer zu viel ist, bleibt jedem Leser selbst überlassen, der es sich so weit in dieses Werk vorgewagt hat.
Viel mehr passiert eigentlich auch nicht. Aiden schafft es mithilfe der befreundeten Dämonin Nabeshima in die Hölle vorzudringen, während seine Mentorin samt seiner Familie, deren einzige Funktion es ist, ihn zu hassen und fertigzumachen, ihren eigenen Staatsstreich gegen Nathan planen und damit beinahe Erfolg haben.
Doch nicht ohne den selbstlosen Teufel, auf dessen Prioritätenliste das Wohl aller Lebewesen direkt hinter seinen schrulligen Teetassen steht. Dieser nutzt die Kräfte, welche er durch den Koitus mit Judy erworben hat, um die Tore der Hölle zu versiegeln.
Unsere Protagonistin, deren Part im Ganzen durch und durch passiv bis submissiv war, wacht im Krankenhaus auf der Erde auf (ach ja, Nathan hat sie nach seiner Rettungsaktion in die Hölle verfrachtet, falls ich vergessen hatte das zu erwähnen) und kriegt zu hören, seit 1,5 Jahren im Koma gewesen zu sein.
Doch schlau wie sie ist (wenn der Plot es denn verlangt), bemerkt Judy, dass sie nach so langer Zeit im Bett gar nicht in der Lage sein sollte zu laufen bzw. sich allgemein nicht voll leistungsfähig fühlen sollte. Und sie ist sich vollkommen sicher, dass die Erinnerung an die letzten Wochen (denn Nathan konnte sie ja nicht sofort flachlegen, das wäre ja moralisch verwerflich gewesen) kein Traum sind, was Aiden ihr dann auch bestätigt, sie aber dennoch nicht dazu bringen kann, sich für ihn zu entscheiden.
Ein Happy-End gibt es trotzdem. Fünf Jahre später ist Judy festangestellte Lektorin eines Verlags und beschwert sich über die haufenweise Einreichung sogenannter »Mate«-Geschichten oder Erotikromanen über eine Protagonistin, die die erwählte Braut des Teufels ist. An dieser Stelle liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei »The Devil's Princess« um eine reine Troll-Geschichte handelt, aber mal ehrlich, wer schreibt so eine von dieser Länge?
Wie dem auch sei, Judy ist noch weniger self-aware als zuvor, kriegt aber immerhin einen neuen Boss, einen neuen Boss, der ihr mit Freuden seine Tassensammlung zeigt und sich als Nathan offenbart, der zum Mensch geworden ist, um mit ihr zusammen zu sein.
Ich hoffe sehnlichst, dass dies das endgültige Ende war und kein zweiter Teil folgt – es sei denn es handelt sich um eine Kurzgeschichte, wie Nathan verzweifelt versucht, seine Tassen heil aus der Hölle zu bringen. Oder wie er später als Vater lieber eine Tasse vorm Fallen bewahrt als sein Kind, das sich auf dem Wickeltisch zu viel bewegt hat.
Ich kann einfach nicht nachvollziehen, wie ein solches Buch Kommentare einheimst, die da zum Beispiel lauten: »Unglaublich! Dein Schreibstyl ist total fesselnd!!« oder »Dieses Buch war großartig und ich bin richtig froh über den Epilog <3«
Leider kann ich nicht behaupten, dass ich nicht verstehe, wie man sowas nur zu Ende lesen kann... Was soll ich sagen, ich liebe den Cringe! Vielleicht hält das nächste (schon angekündigte) Buch der Autorin ähnliches Facepalm-Potenzial bereit.
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