7. Schnitzelparty im Kleingartenverein
Heute wende ich mich dem Horrorroman „Womans Body" zu. Der Titel in Verbindung mit dem Cover, das den Torso einer nackten Frau zeigt, deren private Stellen durch Hände bedeckt sind, lässt aber erstmal nicht auf Horror schließen und die Titelunterschrift „Oh Sweet Honey" lässt mir die Haare aus den falschen Gründen zu Berge stehen. Außerdem stört mich der fehlende Apostroph im Titel immens. Das ist noch schlimmer als im Deutschen bei Verwendung des Genitivs einen zu verwenden.
Der Klappentext beginnt mit den Worten „Was macht Mann wenn er zu viel Zeit und Geld hat?" und ist gefolgt von einer obszönen Szene, in der besagter Mann Blut von einem Messer leckt, was ihn offensichtlich anturnt. Dieser Prämisse nach sind also alle reichen Männer mit zu viel Freizeit Psychokiller. Das sind ja tolle Aussichten. Ich würde aber schon gerne wissen, wie man Geld und Freizeit gleichzeitig bekommt.
Der Protagonist, der aus der Ich-Perspektive erzählt ist ein Psychopath, der an so allerlei Dingen Freude findet. Zum Beispiel findet er, dass sein Opfer, das er zu Beginn des ersten Kapitels an einen Stuhl gefesselt hat „süß". Ein Wort, das eher in den Wortschatz eines Teenager-Mädchens gehört. Dem es ja auch entstammt. Ich frage mich, wie alt die Autorin ist, denn sie preist an, dass ihre Geschichte erst ab achtzehn ist...
Kennengelernt hat der noch namenlose Protagonist das unglückliche Mädchen am Vorabend und hat einen schönen One Night Stand mit ihm verbracht. Wenn ihm das doch Befriedigung verschafft, kann ich allerdings nicht nachvollziehen, weswegen er dann seine innere Erfüllung im Foltern sucht. Aber ich bin ja nicht vom Fach und es steht mir eigentlich nicht zu, darüber zu urteilen. (Der Autorin allerdings genauso wenig.)
Er leckt einen Tropfen Blut aus ihrem Gesicht und genießt „den eisigen Geschmack". Eisig heißt nicht, dass etwas nach Eisen schmeckt und da Menschen homoiotherm sind, wird das Blut nicht kalt sein, denn ein einer Kältekammer befinden sie sich auch nicht.
Aber der echte Spaß geht jetzt erst los. Er lässt sie frei, damit sie wegrennen und er sie jagen kann. Das geht aber anscheinend nur, wenn er sich vorher sein T-Shirt auszieht und über random gespawnte Klingen streicht, die auf einmal auf dem Tisch liegen. Er wählt sich ein scharfes Messer aus und meint, damit ein Haar spalten zu können. Das, mein Lieber, ist nicht schwer. Meine Haare schaffen das auch ohne jegliches Hilfsmittel von ganz allein und weisen des Öfteren zwei oder sogar mehr Enden auf.
Da sein Opfer eine hohle Nuss ist, rennt sie lieber panisch kreischend durch den Flur anstatt zu fliehen. Herr Psycho findet das auch komisch, aber immerhin hat er jetzt weniger zu tun. Er schleift sie an ihren Haaren hinter sich her, legt ihr Handschellen an, die er an einen „Harken" hängt. Ich gehe mal davon aus, dass der Fehler hier im Genus liegt und unser lieber Psycho leidenschaftlicher Hobbygärtner ist.
Er hat aber auch leider keinerlei erkennbares Muster in seinen Taten und es wirkt eher so, als wären alle Täter, die es in Criminal Minds jemals gegeben hat, wild zusammengewürfelt worden. Auf jeden Fall findet er jetzt auch noch Gefallen daran, seinem Opfer namens Jessica den Mund zuzunähen. Garten- und Handarbeit (Also das mit Nähen und Sticken, nicht das andere. Dafür hat er ja die Jessica da). Eigentlich ein echter Traummann, der nichts auf ein sexistisches Weltbild gibt und der weiteren Emanzipation der Frau freie Bahn bereitet, während Jessica sich aller Klischees einer schwachen weiblichen Person bedient. Will die Autorin in etwa mehr tun, als nur mit etwas Gesplatter zu schocken und in Wahrheit den Feminismus vorantreiben? Das, was den meisten Badboy-Geschichten auf Wattpad fehlt? Was denkt ihr?
Das wird aber noch nicht weiter aufgelärt, denn es folgt Folter, Folter, Folter. Es wird rumgeschnippelt was das Zeug hält und die ganze Zeit über ist der Psycho sich bewusst, dass das, was er da tut, eigentlich falsch ist. Es wirkt fast so, als empfände er Empathie und ich frage mich, wie man es schafft, so viele Widersprüche in einem einzigen Charakterprofil zu vereinen.
Kapitel 3 fängt an und unser Psycho nimmt erstmal ein ausgiebiges Bad und man erfährt so ganz nebenher, dass er einen „alten Butler" hat, der schon so um die fünfzig ist und der immer hinter seinem Boss herräumen darf. Seit zwanzig Jahren. Andere Leute wären zur Polizei gegangen oder hätten sich eine Stelle bei einem besseren Boss gesucht. Zum Beispiel bei Bruce Wayne, wo die Verstöße gegen das Gesetz immer noch moralisch falsch, aber immerhin irgendwie cool wären.
Der Psycho verdient sein Geld übrigens damit, dass er Clubbesitzer ist, denn die nächste Szene spielt in seinem Etablissement. Mehr erfahren wir aber nicht mehr, denn es kommt ein Perspektivenwechsel zu einer Frau. Nicht die, die noch in seinem Keller vor sich hinsiecht, sondern wahrscheinlich die, die sein Leben von Grund auf verändern und ihn zu einem besseren Menschen machen wird.
Ganz viel unnötiges Gelaber folgt, das weder zur Story beiträgt, noch die Charaktere weiter beleuchtet. Irgendwann stoßen Psycho und die Protagonistin Chloe dann zusammen, weil das ja eine mittlerweile obligatorische Szene ist und er will sie natürlich sofort haben, weil sie so schön neben Jessica aussähe. Da erkenne ich eindeutig den Blumenliebhaber in ihm. Die Konstante in seiner inkonsistenten Existenz.
Der nächste Morgen. Psycho sucht Chloe bei der Arbeit auf, kommt aber nicht drum herum ihre beste Freundin Michelle auch mit zu sich nach Hause zu nehmen. Findet er eindeutig zu blöd und auch sein Butler merkt an, dass das doch ein bisschen viel wäre. Also gleich zwei zu entführen, während noch eine im Keller hängt... Tztztz.
Aber Psycho weiß, was er tut. Auch wenn sein Butler ihm leid tut, denn er ist ja ein sehr empathischer Mensch, wie wir mittlerweile wissen.
Der ganze Entführungskram interessiert ja sowieso keinen, genauso wenig, dass er Jessica tötet und zwar ohne guten Grund, außer die Schuld Chloe in die Schuhe zu schieben und sie so gefügig zu machen. Zumindest ist das der Plan. Wie genau das funktionieren soll, ist mir schleierhaft. Dass Jess jetzt tot ist, juckt ihn aber auf einmal auch gar nicht mehr, denn er kann das gleiche Spiel ja jetzt mit Chloe spielen.
Die versucht immerhin zu fliehen und landet prompt in der Leichenkammer, wo tote Frauen an Fleischerhaken von der Decke hängen. Wahrscheinlich für den kleinen Hunger zwischendurch oder als Vorrat im Falle einer Zombieapokalypse. Kleine Anmerkung am Rande: Hier könnte man tatsächlich eisiges Blut vorfinden.
Die wahrscheinlichste Theorie diesen Raum betreffend ist aber wohl, dass man als Gartenfreund ja auch gerne mal grillt und wenn man schon die toten Frauen in Massen bei sich rumhängen hat, kann man die ja auch weiterverwerten.
Chloe schafft es übrigens zur Tür zu kommen, ihr fällt aber wieder ein, dass ihre Freundin ja noch irgendwo ist. Da kann man ja unmöglich weglaufen und bleibt natürlich freiwillig da, wo der Psycho die Chance hat, sie beide zu töten. Zu bleiben ist ja schließlich keine Garantie, dass er Michelle nicht trotzdem töten würde. Was tut man nicht alles für den Plot.
An dieser Stelle höre ich sehr frustiert auf zu lesen. Diese Hetze ist kein bisschen unterhaltsam geworden, sondern nur ein Sinnbild der Resignation, die mich beim Lesen solcher Dinge ereilt.
Ich frage mich, wie man sich anmaßen kann, aus der Sicht eines Psychopathen zu schreiben, seine Taten glorifizieren zu wollen, aber das natürlich nicht durchzieht.
Ein Blick in das letzte Kapitel verrät mir, dass der Psycho, der den Namen James trägt (okay, jetzt musste ich wirklich lachen, weil ich einen Charakter mit demselben Namen habe), Chloe zur Ehe gezwungen hat. So absurd es scheint, die Taten eines jeden Psychopathen ergeben aus seiner Sicht Sinn, aber das passt einfach nicht in sein psychologisches Profil. Nein, einfach nein. Der einzige, der sich treu bleibt, ist der Butler, der mal wieder nur ans Aufräumen denkt.
Immerhin taucht dann endlich mal die Polizei auf, der Psycho wird verhaftet und das nicht nur wegen seiner Gewaltverbrechen, sondern auch wegen Steuerhinterziehung. Applaus.
Ich würde ja jetzt wirklich applaudieren, weil es für die „Liebe" kein Happy-End gab, aber das kann ich leider nicht, denn es gibt noch zwei weitere Teile und Leser fordern schon einen vierten.
Ich habe heute einen weiteren Teil meines Glaubens an die Menschheit verloren und werde mich in meiner nächsten Hetze wieder den Badboys zuwenden, denke ich. Sonst halten meine Nerven das nicht aus.
Mein Buch hier heißt zwar Let's hetz, aber der Name ist mit einer gewissen Ironie zu lesen. Jetzt hätte ich aber schon irgendwie gern einen Lynchmob zu meiner Unterstützung hinter mir, den ich nach Lust und Laune gewissen Wattpad-Autoren auf den Hals hetzen kann, damit diese mal einen realen Bezug zu Themen wie Gewalt und Folter bekommen können.
Den vernünftigen unter euch wünsche ich noch einen schönen Tag und einen geringeren Hang zum Masochismus, was den Lesestoff angeht, als ich.
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