5. Eine Allegorie auf den Sonnenkönig?
Ich will ja möglichst viel Abwechslung hier reinbringen und wende mich heute einem Genre zu, das fernab aller Badboys sein sollte, den historischen Romanen. Hier auf Wattpad springt einem da sofort das Werk "Auserwählte des Königs" von Loli1234pop ins Auge. Ich habe also voller Neugierde daraufgeklickt, um zu wissen, um welchen König es sich denn dabei handelt und stelle fest, dass es sich mitnichten um einen historischen Roman handelt.
Es geht um Stella, die die Auserwählte des Königs ist und den aber nicht heiraten will. Warum sie das nicht will, wird im Klappentext leider nicht gesagt, aber vielleicht lese ich ja weit genug, um das zu erfahren. Grammatik und vor allem die Groß-und Kleinschreibung lassen mich aber jetzt schon daran zweifeln. Also auf in eines meiner Lieblingsgenres. Eigentlich.
Der Einstieg in die Handlung ist direkt und Stella, die Ich-Erzählerin wacht weder auf, noch starrt sie in einen Spiegel oder rennt in jemanden hinein. Stattdessen redet sie mit ihrer Mutter, die sich darüber beschwert, dass "Felecia" einen Auserwählten hat, während sie "in ihren Kaffee" rührt. Entweder das ist jetzt ein falsch gewähltes Pronomen oder die Autorin hat ein Wort vergessen. Was es jetzt ist, bleibt dem Leser überlassen.
Die Protagonistin findet dieses Gelästere anscheinend nervig und denkt lieber darüber nach, dass "Felicia" das nette Nachbarsmädchen ist. Dumm nur, dass ihre Mutter ja von "Felecia" geredet hat. Kleiner aber feiner Unterschied.
Stella wohnt offensichtlich in einem kleinen Dorf und "oben war das große Königreich". Wie darf ich mir das jetzt vorstellen? Schwebt das Königreich über der Erde wie Laputa und beschießt alles mit Feuer und Kampfrobotern oder liegt das Dorf unterhalb des Königreichs auf der Karte und gehört somit nicht dazu?
Auf jeden Fall ist das "Romage Königreich" - also ist es wirklich fiktiv - sehr mächtig und "[hat] immer wieder Veranstaltungen,wenn eine Schlacht gewonnen [wird], oder es Gründe Dazu [gibt]." Sehr interessant. Die haben also Geld wie Sau, das sie in Schlachten investieren. Mit wem diese geführt werden, wird noch nicht gesagt, aber anscheinend gibt es genug andere Völker, die man ausbeuten kann, um sich einen verschwenderischen Lebensstil zu gönnen.
Stella driftet in Gedanken über Felicia ab, die ja, wie wir schon wissen, verlobt ist. Die Gedanken sind kursiv gekennzeichnet. Dumm nur, dass es keine direkten Gedanken sind, sondern solche, die in den Text eingearbeitet sind und keiner weiteren Kennzeichnung bedürfen.
Wir erfahren, dass es am heutigen Abend wieder eine dieser ominösen Veranstaltungen geben wird, denn das Wort Feier oder ähnliche Synonyme scheinen im Wortschatz der Darsteller nicht zu existieren, und die Gelegenheit wird genutzt, um ein wenig den König schlecht zu machen, der dafür bekannt ist willkürlich Leute, die ihm nicht passen, aus dem Weg zu schaffen. Stella hat ihn aber noch nie getroffen und weiß daher auch nicht genau wie alt er ist, aber man sage sich, er sei sehr jung. Dass Geburtstage des Monarchen in der Regel riesig zelebriert werden, wird hier einfach über Bord geworfen.
Kapitel 2. Stella erzählt dem Leser, dass sie vor einem Jahr die Schule abbrechen musste, weil das Geld nicht mehr reichte. Dass sie die Schule überhaupt besuchen konnte, bis sie sechzehn war und das ein Privileg sein sollte, scheint nicht klar zu sein. Vor allem, da es sich um eine offensichtlich patriarchalische Gesellschaft handelt, in der Frauen in der Regel zur Zwangsheirat gezwungen werden. Hilft sie eben ihrer Mutter im Haushalt, die auch nichts tut, um Geld zu verdienen.
Da klopft es auch schon an der Tür und ein Mann steht vor der Tür, der das Sternchen mit fragendem Unterton fragt, ob das die "Corusi Familie" sei. Anstatt, dass Mademoiselle das bejaht, ist sie störrisch und stellt erstmal die Gegenfrage, wer das denn wissen wolle. Das macht sie mir direkt schon mal wieder zehnmal unsympathischer.
Als der Mann sich erklärt und er sagt, dass er Botschafter des Königs sei, schlägt unsere Mary-Sue ihm direkt die Tür vor der Nase zu.
Ich versuche jetzt mal, ihre Erklärungen zu ihrer Situation so genau wie möglich wiederzugeben. Das Dorf ist arm, das Königreich reich. Es gibt viel Krieg und es werden viele Leute umgebracht, was die Dorfbewohner natürlich aufregt. Jede Familie hat einen gewissen Status, manche höher und manche niedriger und es gibt die Zwangsehen nur, um diese Ungerechtigkeiten auszugleichen. Ähm ja. Dass das absolut fortschrittlich und gerecht ist und somit vermieden werden soll, dass sich Machtmonopole bilden, checkt Sternchen leider nicht, denn wir wissen, dass sie ja nur zehn Jahre Schulbildung genossen hat.
Die Mutter scheint aber noch einen Funken Intelligenz in sich zu tragen und öffnet dem Boten wieder die Tür, der in überraschend korrekter indirekter Rede, die sogar ich hier manchmal sträflich vernachlässige, dass die ganze Familie zur Veranstaltung eingeladen sei.
Kapitel 3. Es wird etwas Wichtiges nachgeholt. Ich hatte nämlich schon Angst keine Spiegelszene mehr zu bekommen und mir Stella gar nicht vorstellen zu können. Nochmal Glück gehabt. Die Beschreibung wird mit folgenden Worten eingeleitet, die ich an dieser Stelle niemandem vorenthalten möchte: "Ich sah mein zur Gegenüberliegenden Wand wo mein Spiegelbild mir entgegen kam."
Sie behauptet übrigens keine Figur zu haben, weil sie nicht fett, aber doch etwas dicklich ist. Komplexe hat sie also auch noch. Im Dorf wird sie aber nicht auf ihr Äußeres reduziert, denn sie ist bekannt dafür, immer ihre Meinung zu sagen. Dass sie davon keine differenzierte besitzt, ist ihr natürlich nicht bewusst.
Das Drama kommt in Gang, als Stellas schon mit der rechten Hand des Königs verlobte Cousine vor der Tür auftaucht und sagt, dass sie nicht mehr heiraten wird, weil sie unfruchtbar ist. Hätte ihr Verlobter den Namen Heinrich Tudor getragen, wäre sie vielleicht dafür geköpft worden, also kann die Welt, in der sie Leben gar nicht so brutal sein.
Kapitel 4 habe ich auch nach zweimaligem Lesen nicht so ganz verstanden. Stella rennt irgendwie zu ihrer Tante und trifft da auf Abgesandte eines anderen Königs, die da einfach mal auf potenziellem Feindesland rumchillen und ach ich weiß auch nicht. Irgendwie war der Verlobte nämlich die rechte Hand des anderen Königs oder so. Widerspricht sich zwar damit, dass die Gerechtigkeit im eigenen Königreich erhalten werden soll und sowas eher dem Raub der schönen Helena gleichkommt, aber wer bin ich schon, dass ich die Logik einer fiktiven Welt anzweifle *Augen verdreh*.
Auf jeden Fall ist Stella jetzt die einzige ledige Frau der Familie mit einem gebärfreudigen Becken und somit ist klar, dass sie jetzt heiraten muss.
Um ihr Unglück weiter zu betonen, hört sie dramatische Schreie von Felicia aus dem Nachbarshaus, die da von ihrem frischgebackenen Ehemann vergewaltigt wird. Stellas Mutter kommentiert das nur trocken und sagt, dass das völlig normal sei. Dass Sex auch was Schönes sein kann oder wenigstens nicht unerträglich ist, wenn man sich nicht völlig verspannt, wird natürlich nicht gesagt.
Die Veranstaltung ist auch anscheinend erst jetzt, etwa eine Woche später und Stella soll von ihren Eltern dorthin geschleift werden, beleidigt aber zuvor noch den König, was sie als "Imorovison" bezeichnet. Ich habe es mal schnell gegooglet und das einzige Ergebnis ist dieser Text. Ich habe weitergerätselt und tippe mal, dass es Improvisation heißen soll. Deswegen darf sie dann auch zu Hause bleiben.
Oh, ich bin ja schon in Kapitel 7. Das Bild ist hier ürbigens eines vom Mont-Saint-Michel bei Dämmerung. Ist eine Klosteranlage in der französischen Nordsee, bzw. im Ärmelkanal, die man nur bei Ebbe trockenen Fußes erreichen kann. Die Crêpes da sind sehr zu empfehlen.
Aber ich schweife ab. Wachen tauchen auf und wollen das widersetzliche Mädchen mitnehmen. Die fragt sich noch einmal, wieso ausgerechnet sie jetzt zum König geholt wird, sie ist doch ohne "Jedigliche Bedeutung".
Auf jeden Fall kommt sie dann in Kapitel 8 endlich im Schloss an, was sie natürlich optisch sofort umhaut. Ich meine, lest selbst: "Türme von Türmen Stapelten sich Im Palast,und die frische Luft eine Sees Strich über uns Hinweg." Ich glaube, ich brauche dazu nichts mehr sagen, außer dass ich jetzt denke, dass es sich beim Schloss um ein riesiges Real-Life-Tetrisspiel handelt. Dass ein See keine frische Luft verbreitet und höchstens anfängt vor sich hinzustinken, wenn er umkippt, erwähne ich mal nur am Rande, denn vielleicht meint sie ja doch "die See", wie auf dem Bild des Mont-Saint-Michels.
Zudem ist alles aus Gold. "Die Wände waren gold wo Gemälde mit Zahlen und irgendwelchen Bedeutungen" ist ein Satz, der zum einen den Reichtum Romages (oder Romanges, beides wurde benutzt) widerspiegelt und gleichzeitig noch einmal die leider mangelhafte Bildung Stellas beleuchtet, die sogar schon mit ein paar Zahlen Probleme hat. Nach nur zehn Jahren Schule ist das anscheinend selbstverständlich.
Aber es gibt nicht nur Bilder, sondern neben den Kronleuchtern hängen auch Vasen, Tischchen und Rosen in der Gegend rum. Das ist kein historisches, sondern eher schon ein futuristisches Bild, das hier den Kopf des Lesers gemalt wird.
Die Besucher der Veranstaltung sind allesamt reich und Stella missfällt das. Ihr gefällt die Ignoranz gegenüber der armen Bevölkerung nicht, denn schließlich ist ihre Familie so arm, dass sie gezwungen ist Himbeeren zu essen, für die man in einem deutschen Supermarkt übrigens zwei Euro für ein winziges Schälchen hinblättern muss. Bin ich etwa auch so arm dran, weil mir das viel zu teuer ist und ich ja auch nur zwölf Jahre zur Schule gegangen bin, was ja auch nicht viel mehr ist? Man sieht, es handelt sich hierbei um eine krasse Gesellschaftskritik, die sich vor nichts scheut.
Einfach "eckelhaft" diese gehobenen Bürger des Königreichs.
Und endlich ist der Moment gekommen. Wir treffen auf den König, der in seiner Beschreibung beinahe schon asketisch wirkt durch seine graue Hose und sein weißes Leinenhemd. Außerdem trägt er einen Drei-Tage-"Barth" inklusive Bartschatten und hat eine gerade Nase, die seine vollen Lippen betont. War da etwa ein Schönheits-Doc am Werk?
Als sie vor seinem Thron am Ende des Saals ankommt, in den sie geschleift wurde, senkt sie ihren Blick, wobei ihr die Haare ins Gesicht fallen. Es hätte jetzt sicherlich was hergemacht, wenn sie ihm gesagt hätte, dass er in sieben Tagen sterben muss, aber das tut sie leider nicht.
Irgendwie ist es gerade zu spannend, um aufzuhören und immerhin befinde ich mich schon in Kapitel 9, also ist das Kind schon in den Brunnen gefallen (ja, ich sehe mich dazu verpflichtet, die The Ring-Referenz weiter auszubauen).
Stella ist natürlich wieder die Rebellin gegen das System und sieht dem König erst nach deutlicher Aufforderung in seine eisblauen Augen. Ich weiß nicht, in welcher Welt die ganzen Badboys immer leben, aber sicherlich in einer, in der das Gen für blaue Augen nicht rezessiv ist.
Bla, bla, bla innerer Monolog, den man ähnlich formuliert schon dreimal im Laufe der letzten Kapitel gelesen hat. Er hebt eine Augenbraue und erhebt sich, sie blinzelt, weil sie das anscheinend die ganze letzte Woche nicht getan hat, sonst wäre es an dieser Stelle wohl nicht erwähnenswert.
Der immer noch namenlose König ist mindestens zwei Kopf größere als die 160cm kleine Stella. Der Kopf nimmt etwa ein Achtel der Gesamtkörpergröße ein. Einen Gruß an dieser Stelle an meinen ehemaligen Kunstlehrer. Wenn ich davon ausgehe, dass sie als Maß ihren Kopf nimmt, ist unser König also mindestens zwei Meter groß und dann auch noch breit und muskulös. Alles klar, wo kann ich ihn zum Kampf gegen Gregor Clegane anmelden?
Wie zu erwarten endet das Kapitel damit, dass er ihr offenbart, dass sie seine Auserwählte ist. Da ich der Geschichte chronologisch nicht mehr folgen will, wage ich mal ein kleines Experiment. Aktuell gibt es 43 Kapitel. Ich werde mich jetzt in Kapitel 36 begeben, um zu gucken, ob zu diesem Zeitpunkt schon sexuelle Handlungen erfolgt sind. Meistens hab ich was das angeht ein gutes Händchen.
Wenn dem nicht so ist, werde ich mich trotzdem freuen, denn dann wäre zumindest das Stockholm-Syndrom-Syndrom umgangen
Kapitel 36. Stella sitzt mit Cyrian, wie der Gute also heißt am Tisch und wird von seinen auf einmal ozeanblauen Augen niedergestarrt. Sie plant gerade offensichtlich ihn umzubringen oder zu fliehen, ist aber von Zweifeln geplagt, weil er ja schon ein guter Ehemann sein könnte. Er hält gerade sogar mit ihr Händchen, was ihr auch gefällt.
Sie konfrontiert ihn mit irgendwelchen Dingen, mit denen er ihr schon gedroht hat, er winkt ab und fragt sie, ob denn ihre "Fantasy" mit ihr durchgegangen sei, denn er liebe sie ja. Das sagt er aber nur, weil ihre Mutter am Tisch sitzt.
Es erfolgt ein Perspektivenwechsel und der König instruiert seine Wachen, seine Frau an einer möglichen Flucht zu hindern. Und jeden Mann umzubringen, mit dem sie redet, der nicht er ist. Ich stell mir das gerade echt lustig vor, wenn die Wachen anfangen mit Stella zu reden, falls irgendwas sein sollte und sich dann gegenseitig umbringen müssen. Hätte was vom Selbstmordkommando aus "Das Leben des Brian".
Ich halte fest. Keine sexuellen Handlungen, aber immerhin Händchen halten und ein Kuss auf die Stirn in einer Geschichte, die absolut kein historischer Roman ist und durch zig Grammatik- und Rechtschreibfehler ein einigen Stellen sowieso viel zu unverständlich ist, um sie zu lesen. Hut ab vor all jenen, die das bis zum Ende durchgezogen haben.
Mir hat das jetzt gereicht und ich flüchte mich jetzt in meine Ausgabe von "Die Säulen der Erde" oder ähnliches. Bis dann.
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