19. Fluch der Dämonenerektion

Manchmal wird man um eine Rezension gebeten, doch die Steilvorlagen für einen Verriss wollen einfach nicht aus dem Fokus der Aufmerksamkeit verschwinden, verfolgen einen, bis man dem Drang eines solchen endlich nachgibt. Ich denke, ich besitze ein hohes Maß an Selbstbeherrschung, aber beim folgenden Manuskript kann selbst ich mich nicht mehr zurückhalten. Wenn das hier ein Film wäre käme jetzt eine »viewer's (oder viewers'?) discretion advised«-Warnung, oder? Na ja, wie dem auch sei. Ich fang dann einfach mal an.

Wenn einem im Titel einer Geschichte schon ein ausgefallener Neologismus begegnet, heißt das entweder, man ist auf ein Werk erlesenster Originalität gestoßen oder aber es fehlt dem Autor an sprachlicher Expertise. Welche Option wohl »Curse of demons-Blutrose« von Hummingbird2303 zutrifft, wo entweder einfach nur ein großes »D« (nein, nicht Doppel-D) und zwei Leerzeichen abhandengekommen sind (dass da ein Binde- anstatt eines Spiegelstrichs steht, kann ich noch verkraften, da ein »–« im Browser nicht einfach so machen ist) oder aber die Wortneuschöpfung »demons-Blutrose« im Vordergrund der Handlung stehen wird, überlasse ich euch. Ich vermute übrigens, dass Blut wirklich für Blut steht und es sich bei »rose« um die zweite Form von »to rise«, zu dt. steigen oder auch anschwellen, also um eine Dämonenerektion, wenn mich nicht alle täuscht.

Die Indizien für die Formfehler verhärten sich allerdings, wenn man einen Blick in den Klappentext wirft, der jegliche Alleinstellungsmerkmale vermissen lässt und eher wie eine To-do-Liste zum Erstellen einer Pappaufstellerin mit leichtem Mary-Sue-Touch aussieht.

»Fey ist ein ganz normales 16 jähriges Mädchen«, welches anscheinend doch nicht so normal ist, was zum einen durch das obligatorische Mobbing gegen sie als Protagonistin und zum anderen das Erwähnen ihrer »dunkle[n] Seite« und Dämonen verdeutlicht wird. Aus ominösen Gründen wird nicht erklärt, in welchem Rahmen sich das Ganze abspielt, aber immerhin erfahren wir, dass sie auf die »Falsche bahn« geraten wird. Dadurch, dass das Adjektiv großgeschrieben wird, soll sich wahrscheinlich seine Betonung verstärken, wohingegen das Kleinschreiben des Nomens »Bahn« anscheinend das Gegenteil bewirken soll und somit verdeutlicht wird, dass es sich nicht um einen Zug, sondern eine zur Redewendung gewordenen Metapher handelt. Abgerundet wird der Klappentext durch zwei rhetorische Fragen, die ihre Wirkung nicht erfüllen, jedoch einen verstorbenen Bruder ins Spiel bringen, sowie am Rande noch »die Blutrose« aus dem Titel aufgreifen, auch wenn ich immer noch keine Ahnung habe, was das ist. Dieses Gefühl der Unwissenheit kann auch der suggestiv gesetzte bestimmte Artikel nicht wettmachen.

Daher stürze ich mich in das erste der beiden bisher veröffentlichten Kapitel, das mit dem Titel »Wie alles begann« verspricht, die offenen Fragen ansatzweise zu klären.

Die Protagonistin stellt sich formunschön mit »Hay [zu dt. Heu], Ich [hier wird wohl das Großschreiben des Ichs aus dem Englischen übernommen, weil sie entweder egozentrisch ist oder auf fancy Fremdsprachen steht] heiße Fay« vor und lässt meinen Blick wieder an den Anfang des Textes wandern, welchen ich gerade verfasse, denn ich bin mir sicher, dass sie sich eben noch mit »e« geschrieben hat. Ja, hat sie, aber egal, weiter im Text, dann ist sie eben eine Fee und nicht tuntig.

Wo war ich? Ach ja, die Protagonistin mit dem polymorphen Vornamen stellt sich vor und erzählt dem Leser jetzt ihre Jugendgeschichte, denn die war viel abnormaler als das Spießerleben mit Mann und Kind, das sie jetzt führt und ist anscheinend deswegen Wert, erzählt zu werden.

Da das gewöhnliche Leben anscheinend Überhand genommen hat, erfolgt der Einstieg so generisch wie nur irgend möglich mit einer Weckszene am Geburtstag der Hauptfigur. Einzig und allein, dass der Tag »regnerisch« ist, verleiht dem Ganzen den Versuch von Individualität, doch ein einzelnes Adjektiv kann da nichts ausrichten.

Wie dem auch sei, Mutter kommt zum Wecken, Fe/ay, die von ihrer Erzeugerin »Mäuschen« genannt wird und mir so weitere Rückschlüsse über ihren Namen verwehrt, wacht auch und fühlt sich superdupertoll, weil sie Geburtstag hat, fragt sich aber erstmal, ob sie sich auf einem Drogentrip befindet, denn da sie ganz schlimm gemobbt wird und ihr Vater vor einem Monat gestorben ist, bleiben ihr jegliche guten Gefühle kategorisch verwehrt. Also eigentlich hat sie gar keine Emotionen, wenn der Text ihre Empfindungen wiedergibt, denn weder über »tell« geschweige denn »show« erlangt man auch nur geringfügige Einblicke in ihr Seelenleben. Wie soll ich ihr also glauben, dass sie so arm dran ist? Das Mädchen ist eine Sozio-, wenn nicht sogar Psychopathin, wenn der weitere Handlungsverlauf dem Foreshadowing des Klappentexts entspricht.

Nicht mal die »etwas e-eh unförmige? Torte« (fragt mich bitte nicht, was das genau bedeutet) weckt irgendwelche Emotionen. Ebenso wenig wie das »Happy Birthday meine kleine!«, wo erneut die Bedeutung des Wortes durch eine Missachtung der, unter anderem im Duden festgehaltenen, Regeln der deutschen Rechtschreibung akzentuiert wird.

Es folgt eine Passage, in welcher der ungenießbare Kuchen gegessen wird und Fe/ay sich verabschiedet, um in die verhasste Schule zu gehen. Anstatt Gefühlen gibt's hier nur eine Frage, die sich die Protagonistin im Stillen selbst stellt und die auf mich den Anklang einer Schizophrenie hat, denn da wir uns ja schon in ihrem Kopf befinden, sollte da keine extra Stimme sein.

In der Schule passieren die üblichen Dinge. Fe/ay kommt ins Klassenzimmer, ist wütend, lässt so eine Fensterscheibe zerspringen, aber es juckt keinen, solange sie angemotzt werden kann, vor allem von ihrem Lehrer. Dann wird sie weiterhin gepiesackt und rammt dementsprechend einen Stift durch die Hand des hänselnden Klassenkameraden. Das ist dann doch eine kleine Reaktion wert.

Sie wird vor die Tür geschickt, nicht ohne vorher noch wie ein »Psychopad« gemustert zu werden. Ich weiß nicht genau, was das ist, vielleicht der kleine Marc Dutroux, Jeffrey Dahmer oder (wer's fiktiv mag) Dr. Lecter für zwischendurch in digitaler Form, aber wahrscheinlich kommt es sehr nah an meine fachlich inkompetente Diagnose von eben heran.

Es folgt eine Unterhaltung mit der Stimme im Kopf, die sie erst jetzt beginnt merkwürdig zu finden, die die Zeit überbrücken soll, bis sie zu Hause eintrifft, um dort ihre Mutter mit einer »Blutigen Rose« (denn auch Adjektive werden bei uns großgeschrieben und außerdem – ist das jetzt ein Euphemismus für eine Erektion oder nicht?) in der Hand vorzufinden. Und ach ja, bevor ich's vergesse zu erwähnen, weil es schon so offensichtlich ist: die Gute ist tot.

Blöd gelaufen, denn jetzt muss Fey, die sich auf einmal darüber im Klaren ist, wie man ihren Namen eigentlich schreibt, Rache für ihre Mutter, ihren Vater und den ungeborenen, toten Bruder üben, der jetzt zum ersten Mal erwähnt wird, der hoffentlich nicht dazu auserkoren war, Aiden zu heißen.

Das zweite Kapitel, welches da heißt »Die Begegnung«, wird mit dem Bild eines androgynen, blonden Kerls eingeleitet, um wohl vorzuwarnen, dass das Love Interest gleich um die Ecke kommen wird.

Doch erst einmal muss Fey wieder aufwachen, denn erstens ist das wohl der Nonplusultra-Einstieg für ein Kapitel, zweitens kann man so erneut die beunruhigende Stimme in ihrem Innern etablieren und außerdem betonen wie kalt sie das Ganze Dramalama eigentlich lässt.

Ob die Polizei benachrichtigt wurde? Ich weiß es nicht. Aber die sind eh alle Dilettanten, denn Google ist viel effektiver, wenn es darum geht, Verbrechen aufzuklären. Tatsächlich ploppen diverse Suchergebnisse auf, die Fey erzählen, dass eine »Blutrose« im Zusammenhang mit Dämonen steht. Klingt vernünftig, denn außerehelicher Sex ist ja Teufelswerk oder so.

Weitere Zeit zum Nachdenken bleibt aber nicht, denn in das Haus, in das schon jemand eindringen konnte, um die Mutter zu ermorden, kommt jetzt schon wieder ungebeten jemand herein (also nach mehrmaligem Klingeln, auf das die Protagonistin nicht reagiert, weswegen es ausgeschlossen ist, dass es sich um jemanden handelt, der sich vielleicht Sorgen um sie macht und sich nur Zutritt verschafft, um nach dem Rechten zu sehen).

Fey versteckt sich unter ihrem Bett, doch das Klingeln ihres Handys verrät sie. Wer da bei ihr anruft, wenn all ihre sozialen Kontakte tot sind? Wir erfahren es nicht, denn ein plot device zu rechtfertigen, ist auch wirklich zu viel verlangt.

Konzentrieren wir uns lieber auf die schwarzen Lederschuhe, die Fey davon überzeugen, dass es sich um einen Mann handelt. Liebe Leserinnen, verabreden wir uns doch mal, um unsere schwarzen Lederschuhe gemeinsam auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen, ja?

Wobei das mit den Schuhen vielleicht doch kein so großes Problem ist, denn der gutaussehende blonde Kerl, der sie unter dem Bett hervorangelt und »kristallblaue Augen« hat, ist wahrscheinlich das androgyne Wesen von dem Bild und trägt womöglich mehr Weiblichkeit in sich, als Fey das wahrnimmt, während sie damit beschäftigt ist um Hilfe zu schreien.

Long story short, er ist ein Dämonenjäger namens Luc und das zu erfahren beruhigt die Protagonistin in Sekundenbruchteilen. Sie hat auch kein Problem damit mit ihm »in einen Wald zu einem Waldhaus« zu fahren, das mit Fortschreiten des Kapitels letztlich zum Quasi-Palast upgegraded wird. Da kann man auch leichter hinnehmen, jetzt mit einem Katzenmädchen, einer Schlangenfrau (also die hat Schlangenaugen und »kann gift verabreichen«, von Verrenkungen ist da keine Rede) und einem Vampir (welcher nicht weiter beschrieben wird, weil ja jedem klar sein sollte, wie so ein Vampir zu glitzern hat) zusammenzuleben. Und dass Fey ein »halb Dämon« ist, schockiert auch nicht wirklich. Sie gehört damit nämlich zu den Guten. Nur die echten Dämonen sind böse und es macht deswegen auch total Sinn, dass sie Hybriden zeugen, die dann aus Gründen ganz andere Ansichten vertreten als sie selbst.

Wer braucht schon anständiges Worldbuilding, wenn er ein Luxuszimmer samt drei maßgeschneiderter Ballkleider hat? Im Wald!

Das Kapitel endet damit, dass Fey einen mysteriösen Brief erhält, welcher den Infodump wohl vom Dialog in noch unhandlichere Form umsiedeln soll, denn ohne Abwechslung wär's ja langweilig.

Was genau in der ominösen Mitteilung im Umschlag steht, wird sich für das nächste Kapitel aufgespart und ich kann meinen Verriss an dieser Stelle guten Gewissens beenden.

Eine richtige Rezension kriegt die Autorin beizeiten natürlich auch noch und ich denke, es ist ganz gut zu wissen, welches Potenzial ihr Text birgt. Nämlich das, mit so gut wie jedem Satz durch den Kakao gezogen werden zu können und das trotz eines generischen Plots, den ich auch schon viele Male zerrissen habe. Er hat es mir sogar ausgesprochen leichtgemacht.

Und während meine Playlist gerade von der »Frühpatrouille« zu »Kann es wirklich Liebe sein?« wechselt, verabschiede ich mich bis zum nächsten Verriss. Vielleicht suche ich mir dann mal etwas voller Frühlingsgefühle heraus (wobei Emotionen an sich ja schon mal ein guter Anfang wären).

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