Epilog
Schlussendlich fuhren Sybille Lennard und ich mit nach Kiel, sehr zum Missfallen von Malin. Aber Pierre Sonntag, ein winziger Typ mit Hornbrille, hatte sich den Magen verdorben und seine Mutter ließ ihn nicht mehr aus seinem Bett.
Wie sich rausstellte, war Sybille, Billy, ein zierliches blondes Mädchen aus dem Jahrgang unter uns, die sich mit jedem gut zu verstehen schien, und ich hatte keine Ahnung, weswegen Malin sie so schrecklich fand.
Ich versuchte einmal, sie darauf anzusprechen, aber sie sah mich nur unter ihrem dichten schwarzen Pony hinweg wütend an und steckte sich dann Kopfhörer in die Ohren. Ein eindeutiges Zeichen, dass unser Gespräch damit beendet ist.
Das Turnier war ganz nett, aber wir verloren, was Malin merklich störte. Ich hätte nie gedacht, dass sie ein ehrgeiziger Mensch ist.
Mir war es ziemlich egal, dass wir nicht gewonnen hatten, denn zu meiner Überraschung waren nicht nur Juni, Maxine und Nick gekommen, die angekündigt hatten, mir seelischen Beistand zu leisten, sondern sogar mein Vater hatte sich frei genommen und war mit den Zwillingen hergefahren.
Während des gesamten Wettkampfes hatten Issy und At auf ihren Sitzen rumgehampelt und irgendwelche Grimassen geschnitten. Ich liebe die beiden über alles.
Ich befand mich als Letzte noch in dem Raum, der unserem Team zur Verfügung gestellt worden war, und stopfte meine Sachen in meine Tasche, als es an der Tür klopfte. Hatte irgendeiner meiner Teamkollegen etwas liegen gelassen? Ich drehte mich um und für einen Moment musste mir meine Überraschung deutlich ins Gesicht geschrieben gewesen sein.
„Hi", sagte Mae.
„Hi", sagte ich.
Sie betrat den Raum und ließ sich auf einen der grauen Stühle fallen.
„Ich hätte nicht erwartet, dass du kommen würdest."
„Yeah", sagte sie. „Ich auch nicht."
Mae musste irgendwann, während Nick und ich uns auf der Party umarmt hatten, weggegangen sein, ohne dass ich es bemerkt hatte. Ich war sie suchen gegangen, aber sie war nirgendwo zu finden gewesen. Seitdem haben wir kein Wort mehr miteinander gewechselt.
„Deine Haare sind violett." Vielleicht war das der Grund, weswegen es sich irrationalerweise so anfühlte, als wären seit dem Abend damals und jetzt Monate vergangen.
„Danke, Captain Obvious", es sah fast so aus, als würde sie ein kleines bisschen lächeln. Sie strich sich eine Strähne hinters Ohr. Eine von den braunen.
„Heißt das, dass du mich nicht mehr hasst?"
„Ich habe dich nie gehasst, Tammy."
„Nur ziemlich verabscheut."
„Ja, ziemlich verabscheut."
„Es tut mir leid."
„Ich weiß."
Wir schwiegen einen Moment.
„Als wir damals bei Caro in meinem Zimmer darüber gesprochen haben, dass es keine Lösung für unser Problem gibt, hättest du erwähnen können, dass du neben Juni noch eine zweite Freundin hast und dass die beiden quasi die gleiche Person sind."
Ich lächelte nun ebenfalls schüchtern. „Ich wusste damals doch überhaupt noch nicht, dass es um Juni geht."
„Na gut", sagte sie. „Macht Sinn."
Ich lächelte ein bisschen mehr. Es war ein offenes Geheimnis, dass Nick Gefallen an Maxine gefunden hatte und ich wusste, dass auch sie Interesse hatte. Vielleicht reichen zweieinhalb Freunde zum Empfehlen ja doch aus.
„Du hältst unser Dilemma also für gelöst?", fragte ich vorsichtig und lehnte mich an den Tisch hinter mir.
Mae stand auf und kam zu mir rüber. Ich spürte ihre Schulter an meiner, aber ich sah sie nicht an. Stattdessen blickten wir gemeinsam auf die Wand gegenüber von uns.
„Ich denke, wir können noch mal versuchen, Freunde zu werden."
„Freunde klingt gut."
„Vielleicht auch mehr als Freunde."
„Keine Ahnung", sagte ich, „vielleicht."
„Du bist anders als die anderen Mädchen, mit denen ich mich getroffen habe."
Ich zuckte leicht zusammen. „Um ehrlich zu sein, versuche ich gerade erstmal möglichst normal zu sein."
„Klingt fair." Ich sah sie immer noch nicht an, aber ich wusste, dass sie lächelte. „Aber eigentlich sind wir doch alle normal, oder nicht?"
Ich wusste nicht zu hundert Prozent, wie sie das meinte, aber vielleicht musste ich das auch gar nicht.
„Ich habe eben deine Geschwister kennen gelernt", ich spürte, dass sie mich nun doch ansah, also wendete auch ich ihr meinen Kopf zu. „Sie sind definitiv die coolsten Neunjährigen, die ich kenne."
„Ja", sagte ich. „Muss in der Familie liegen."
Mae lachte leise.
Vielleicht muss erstmal eine bisschen Scheiße passieren, damit man das Leben so richtig zu wertschätzen weiß. Und gerade in diesem Moment fand ich mein Leben ziemlich perfekt.
Mein Vater, die Zwillinge und meine Freunde waren gekommen, um mich anzufeuern und Mae hasste mich nicht mehr. Jetzt musste nur noch meine Mutter wie aus dem Nichts auftauchen und verkünden, dass sie zurück nach Deutschland zieht.
Ich spürte die Wärme von Maes Arm neben meinem.
Und dann wurde die Tür erneut geöffnet und Nick, Issy und At stürmten ins Zimmer, dicht gefolgt von Juni, Max und meinem Vater, die jedoch im Gegensatz zu den ersten Dreien nicht den Eindruck machten, eine Horde von Wasserbüffeln wäre hinter ihnen her.
Issy fiel mir um den Hals. „Oh mein Gott, ihr seid voll Zweite geworden!", kreischte sie mir ins Ohr.
Ich schlang meine Arme um sie und konnte ein breites Grinsen nicht unterdrücken. „Naja, wenn nur zwei Teams überhaupt im Finale sind, ist das aber auch keine besonders große Leistung, oder?"
„Ach Quatsch", mein Vater kam zu uns rüber, pflückte Issy von mir runter und schloss mich danach ebenfalls in die Arme. „Ihr wart super, ich bin sehr stolz auf dich."
Ich sah ihn an, ich sah die Zwillinge an, ich sah Nick, Max und Juni an und ich sah Mae an. Ich hatte unrecht gehabt, meine Mutter musste nicht zurückkehren. Meine ganze Familie war schon hier.
Als wir alle wieder nach draußen zurückkehrten, gingen Mae und ich Schulter and Schulter nach draußen. Keiner von uns beiden sagte ein Wort. Schweigend liefen wir nebeneinanderher, in dem stillen Übereinkommen, eine gute Zeit miteinander zu verbringen. Als Freunde.
Und das gefiel mir.
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