Der Tragödie sechsundzwanzigster Teil

Nach einigen Momenten der Stille stand Nick auf. „Ich glaube ich geh schwimmen."

Er zog sich sein Shirt über den Kopf und entblößte dadurch seine nackte Brust.
Ich war nicht komplett sicher, was ich erwartet hatte, wie er halbnackt aussehen würde – ich hatte mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht – aber irgendwie war es nicht das, was ich erwartet hatte.

Ich betrachtete seinen Oberkörper. Er war etwas muskulöser als er im angezogenen Zustand aussah.
Ich dachte kurz über die Frage nach, ob er dadurch in irgendeiner Form attraktiver auf mich wirkte. Fast schon etwas resigniert kam ich zu dem Schluss, dass er dies nicht tat.

Tammy, das wird nichts mehr mit euch. Mischte die fiese kleine Stimme in meinem Kopf sich ein. Aber ja vielleicht mit dir und seiner Schwester.
Am liebsten hätte ich losgeheult. ‚Mae und ich' stand nie zur Debatte. Es war schon lange bevor ich sie kennengelernt hatte unmöglich geworden. In dem Moment, in dem ich Nick zum ersten Mal eine vorsätzliche Lüge erzählt hatte, woraufhin wir beschlossen hatten, mal auf ein Date zu gehen.

Nick warf sein Shirt neben uns auf die blaue Decke. „Kommt wer mit?"

Ich schüttelte den Kopf und versuchte, dabei keinen allzu sehnsüchtigen Blick zu dem kristallklaren Wasser zu werfen. Denn ich wusste, wenn ich eins jetzt nicht auch noch gebrauchen konnte, war das, mich nach all dem, was in der letzten Stunde passiert war, vor Mae auszuziehen.

Sie ließ sich rücklinks auf die Decke fallen. „Ich stehe heute ganz bestimmt nicht mehr auf."

Nick verdrehte die Augen. „Fauler Sack."

Mae streckte ihm den Mittelfinger entgegen, während sie mit der anderen Hand nach der Schüssel mit den Erdbeeren tastete. „Wären die nicht so verdammt lecker, würde ich jetzt eine nach dir werfen."

Nick schüttelte amüsiert den Kopf und schlüpfte dann aus seinen Turnschuhen.

„Tja, euer Pech, wenn ihr das hier verpassen wollt." Er drehte sich um und rannte dann in das hellblaue Wasser, das sich vor uns ausbreitete und das Licht der Sonne widerspiegelte, die sich mittlerweile langsam daran machte, unterzugehen.

„Er sieht gar nicht mal so schlecht aus", sagte ich, nachdem Nick außer Hörweite war.

„Kann sein." Mae wich meinem Blick aus. „Ich will Eis."

„Interessanter Themenwechsel", kommentierte ich trocken.

Sie griff neben sich in die Wiese, riss eine Hand voll Gras aus und warf sie es mir aufs Knie. „Eis."

Ich pflückte die grünen Halme von meiner Hose. „Woher soll ich denn jetzt Eis bekommen?"

„Keine Ahnung." Sie rollte sich auf die Seite und sah mich dann mit ihren durchdringenden grünen Augen an. „Smash or pass?"

Ich fuhr ein Stück zurück.
„Was?! Dich?", fragte ich mit vor Entsetzen geweiteten Augen.

„Nick, du Einstein. Du meintest, dass er gar nicht mal so schlecht aussehen würde. Also, smash or pass?"

Ich war mir sicher, dass, egal was ich antworten würde, damit ein großes Risiko einging. Offiziell war ich schließlich immer noch Nicks Freundin und ich wusste ja nicht mal, ob ich mich nicht täuschte und Mae am Ende davon ausging, dass wir heute Abend über etwas komplett anderes reden würden, als ich erwartete.
Auf der anderen Seite könnte, sollte meine Theorie doch nicht so komplett abwegig sein, das hier ein Test sein, mit dem sie überprüfen will, dass sie nicht selbst falsche Theorien aufstellt.

„Es ist ganz schön respektlos so über seinen eigenen Bruder zu reden."

„Ich meinte doch nur ... du findest ihn wirklich attraktiv, richtig?" Sie zupfte ein dem blauen Stoff der Decke. „Ich meine, ich als seine Stiefschwester muss ja überprüfen, dass du es ernst meinst mit ihm."

Sie sah zu mir hoch und in ihrem Blick lag etwas beinahe Flehendes. „Du magst ihn, richtig?"

Ich antwortete nicht und wir sahen uns einfach nur eine Zeitlang schweigend in die Augen.

„Richtig?", wiederholte sie. Ihre Stimme klang brüchig.

„Heute Abend." Ich warf einen Blick zum Wasser, um zu überprüfen, dass Nick nicht unbemerkt zurückgekehrt war. Doch ich sah ihn noch in dem hellblauen Wasser schwimmen.
„Wenn ich mit meinen Fragen warten muss, musst du dich auch noch gedulden", schob ich schnell hinterher, um auf Nummer sicher zu gehen.

„Ich hasse das", Mae seufzte und ich hatte das Gefühl, dass sie damit nicht nur das Warten meinte.

„Ja", sagte ich. „Ich auch."

Sie nickte kurz und setzte sich dann wieder auf. Schweigend beobachteten wir eine Weile lang gemeinsam, wie Nick seine Bahnen durch das flimmernde Wasser des Sees zog.

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