Der Tragödie achter Teil

Nachdem ich weitere vier Schulstunden überlebt hatte, ohne vor Langeweile zu sterben (Wuhuu!) saß ich an einem der achteckigen Holztische auf dem Schulhof und machte mich über ein Tomaten-Käse-Sandwich her, das ich mir an dem kleinen Kiosk in der Nähe unserer Schule gekauft hatte.

Ich liebte diese Tage am Ende des Sommers, wo die Sonne noch so richtig scheint, es aber trotzdem nicht zu heiß ist.

Während ich aß, ließ ich meinen Blick über den Schulhof schweifen. Einer der Jungen aus meinem Jahrgang fiel mir ins Auge. Nick Schulte stand nur wenige Meter von mir entfernt und trat nervös von einem Bein auf das andere.

Ich beobachtete ihn für einen Moment, doch nach kurzer Zeit hob er den Kopf und unsere Blicke trafen sich. Schnell wendete ich mich ab, beschämt darüber, dass er bemerkt hatte, wie ich ihn anstarrte.

Doch als ich nach kurzer Zeit wieder den Blick hob, um zu gucken, ob er noch immer nervös auf dem Schulhof rumstand, sah ich, dass er auf mich zu kam.

Als er an meinem Tisch angekommen war, deutete er unsicher auf den Platz neben mir. „Darf ich ... mich setzen?"

Ich nickte schnell. „Ehm klar."

Er lächelte dankbar und nahm neben mir Platz.

„Ist alles okay?", fragte ich. „Du wirkst irgendwie ein bisschen nervös."

Nick schüttelte den Kopf. Dann nickte er. Dann zuckte er mit den Schultern.
Er seufzte und eine hellbraune Haarsträhne fiel ihm ins Gesicht. Endlich begann er zu reden. „Naja, also, ich hätte dir vermutlich schon seit längerem etwas sagen sollen. Aber jetzt, wo ich weiß, dass du ... dass du lesbisch bist, ist es ja eh egal. Und darum dachte ich, dass ich mich jetzt endlich trauen kann, es dir zu sagen."

„Ich bin nicht -", setzte ich an, doch ich beendete den Satz nicht und kräuselte stattdessen die Stirn. „Was wolltest du mir sagen?"

Nick schien sich endlich ein Herz zu fassen und lächelte mich unsicher an. „Dass ich dich mag, irgendwie. Schon seit ziemlich langem."

Ich zog die Augenbrauen hoch. Nick und ich gingen seit der Fünften in die gleiche Klasse und ich hatte nie irgendwelche Anzeichen dafür bemerkt, dass er etwas für mich empfinden könnte.

„Ernsthaft?", kurz kam mir der Gedanke, dass Tristan ihn auf mich angesetzt haben könnte, aber wieso hätte er das tun sollen?

Nick nickte. „Ja ... sorry."

Es entstand ein unangenehmes Schweigen. Nick sah mich unsicher an, sagte jedoch nichts.

Ich seufzte. „Ich bin nicht lesbisch."

Sofort riss er die Augen auf und sah mich an als hätte ich ihm ins Gesicht geschlagen. Seine Überraschung war nicht zu übersehen. „Aber Tristan meinte doch ..."

„Tristan hat sich das nur ausgedacht", unterbrach ich ihn harsch. Ich hatte diese Worte im Laufe der Woche schon entschieden zu häufig benutzen müssen.

Nicks Gesicht lief rot an. „Das wusste ich nicht! Wirklich nicht! Denk jetzt bitte nicht, ich würde jetzt annehmen, dass wir zusammenkommen könnten oder so!"

Seine Worte überschlugen sich fast und ich musste ein Lächeln unterdrücken. Irgendwie war seine Unsicherheit ja ganz niedlich.
Ich wollte gerade den Mund aufmachen, um ihm das Typische zu sagen: Dass er wirklich nett war und definitiv eines Tages das richtige Mädchen finden wird, nur dass ich mir leider nicht mehr vorstellen könnte als Freundschaft - als mir ein Gedanke kam.

Was wäre, wenn ich mit Nick zusammenkommen würde? Niemand könnte mehr abstreiten, dass ich auf Jungen stand.

Augenblicklich überrollte mich das schlechte Gewissen. Nick war so lieb und ich kam auf die Idee, ihn zu benutzen, um ein Gerücht über mich aus der Welt zu räumen. Das wäre wirklich nicht fair.

Aber würdest du ihm nicht eigentlich einen Gefallen tun? Wenn er doch auf dich steht, würde es ihn dann nicht glücklich machen, wenn ihr eine Beziehung anfangt, auch wenn sie vielleicht nur ein Fake ist? meldete sich der kleine Teufel auf meiner Schulter zu Wort.

Es ist nicht okay, jemandem so etwas vorzuspielen! mischte sich der kleine Engel auf meiner anderen Schulter ein. Das ist moralisch einfach nur falsch!

Aber wieso denn? Es ist ja nicht so, als hätte Nick davon irgendeinen Nachteil ... wandte das Teufelchen ein. Was soll denn schon passieren? Es besteht keine Chance, dass er es je rausfinden könnte. Die zwei machen einfach irgendwann wieder Schluss und Nick hatte eine schöne Zeit und hat Erfahrungen mit Mädchen gesammelt und die Gerüchte über Themis sind auch weg. Eine klassische Win-win-Situation.

Bevor der kleine Engel noch irgendetwas sagen konnte, lächelte ich Nick vorsichtig an. „Schade irgendwie. Ich hatte nämlich kurz die Hoffnung, wir könnten, keine Ahnung, vielleicht mal auf ein Date gehen."

Nick riss überrascht die Augen auf. „Würdest du das wirklich wollen?"

Ich nickte. „Ich meine, ich finde dich auch ganz nett irgendwie."

Er strahlte mich an. „Wow, das ist so cool! Ich würde voll gerne mal was mit dir machen."
Er überlegte kurz. „Es läuft bald so ein neuer Film im Kino an, eine Komödie. Ich weiß nicht, ob du auf so etwas stehst, wenn nicht ist das voll okay, aber sonst könnten wir den ja vielleicht zusammen angucken."

„Klar, gerne, das klingt super", sagte ich schnell und lächelte. Ich hasste Komödien. Wir sprachen erst seit höchstens vier Minuten und ich hatte ihm schon zwei Lügen aufgetischt.

Du bist so ein schlechter Mensch! rief das Engelchen auf meiner Schulter lauthals.

Ich sah zu Nick. Er grinste über das ganze Gesicht und sah dabei aus, als wären Weihnachten und sein Geburtstag auf den gleichen Tag gefallen.

„Ich weiß", seufzte ich. Nick sah mich irritiert an, doch ich schüttelte schnell den Kopf. „Ich meine, ich weiß, es klingt wirklich super!"

Er nickte und sah dabei immer noch so aus, als wäre er der glücklichste Mensch der Welt.

Ich kam mir so, so mies vor.

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