23. Kapitel
Kapitel 23
"Hey, du süße Schlafmütze," murmelt Minho, als Jisung aus dem Schlafzimmer in die Küche trottet. Der Ältere steht bereits am Herd, eine Pfanne mit Spiegeleiern vor sich. Jisung reibt sich die Müdigkeit aus den Augen und blinzelt verschlafen in die warme Küche, wo ein leichter Duft von frischem Toast und Kaffee in der Luft hängt.
"Hey… wie spät ist es?" fragt er mit leiser, rauer Stimme und schlingt die Arme um Minho, drückt sein Gesicht gegen dessen Rücken, als wolle er die restliche Wärme und Geborgenheit aus dem Moment ziehen. Minho schmunzelt und fährt Jisung sanft mit den Fingern durch den Lockenkopf, verstrubbelt absichtlich ein paar Strähnen mehr.
"Kurz vor sieben," antwortet er und deutet mit einem Nicken auf die Uhr an der Wand. "Ich muss jetzt auch gleich los zur Schule. Die beiden anderen Chaoten sind schon weg. Kommst du allein zurecht?"
Jisung nickt langsam, die Augen halb geschlossen. Ein leises "mhm" entweicht ihm, als wüsste er selbst noch nicht so genau, was der Tag bringen wird.
Ein paar Sekunden vergehen, in denen nur das sanfte Brutzeln der Eier zu hören ist. Schließlich hebt Jisung den Kopf, sieht zu Minho auf und murmelt: "Ich hab heute meine erste Sitzung bei Mingi."
Ein leichter Schatten huscht über Minhos Gesicht, aber er lächelt aufmunternd und schaut in Jisungs müde Augen. "Ich weiß, Sungie… du schaffst das," flüstert er, seine Stimme weich und voller Zuversicht. "Wenn die Stunde vorbei ist, schreib mir, ja?" Er beugt sich leicht zu ihm hinunter und drückt ihm einen sanften Kuss auf die Stirn – eine Geste, die fast zu Minhos täglichem Ritual geworden ist. Jisung fühlt die Wärme auf seiner Haut, die liebevolle Berührung, die ihm zeigt, dass er hier sicher ist.
Jisungs Blick wird für einen Moment klarer, als hätte dieser Kuss ihm ein wenig Kraft geschenkt. "mach ich," flüstert er.
"Sehr gut und jetzt musst du mich los lassen. Ich habe dir Frühstück vorbereitet."
"Danke", haucht Jisung, drückt ihm einen sanften Kuss auf die Wange.
Lässt dann den älteren los und widmet sich dem Rührei aus der Pfanne.
"Wir sehen uns dann später, schreib mir, Bye.", mehr sagt der ältere nicht, ist weg.
Etwas was Jisung kurz schmollen lässt, weil er selbst gerade keine Schule hat.
Seine Ärzte haben ihn krank geschrieben...und er langweilt sich jetzt schon zu Tode.
Das er jetzt auch noch das Schuljahr dann wiederholen muss, passt ihm absolut gar nichts...aber auf Schule hatte er zur Zeit noch weniger Kraft, als auf alles andere.
Keine Ahnung wie er vorher alles geschafft hatte...Wie zum Fick hat er alles schaffen können, ohne komplett durch zu drehen?
Er hat absolut keine Ahnung.
Tief atmet er durch, isst das Rührei, während er auf seinem Handy ein paar Tiktoks guckt.
Nicht mal dazu hat er so wirklich Motivation, aber irgendwie muss er sich ja beschäftigen, bis er sich fertig machen muss.
Minho hat ihm nämlich strengstens verboten, den Haushalt zu machen, den Changbin oder Seungmin machen soll.
Argh...ihm ist so langweilig!
Wann kann er endlich los?
Obwohl, mag er überhaupt zu seiner ersten Therapiesitzung?
Keine Ahnung...aber gestern hat er irgendwie den Drang gehabt, Mingi zu fragen, ob er zu ihm gehen darf.
Einfach nur um zu reden.
Er mag diesen Typen, irgendwie.
Seufzend legt er den Kopf in den Nacken, schaut an die Decke..
Wann hört das alles nur endlich auf?
Wann kann er endlich wieder normal sein, so wie jeder andere Teenager auch?
Die Gedanken wirbeln wild in seinem Kopf, während er versucht, die letzten Bissen seines Rühreis zu sich zu nehmen. Aber es schmeckt ihm kaum, die innere Unruhe breitet sich in ihm aus, wie ein Kribbeln, das er einfach nicht loswird. Frustriert schiebt er den Teller zur Seite und starrt auf sein Handy, das leise Benachrichtigungen anzeigt. Eine neue Nachricht von Minho:
KittyCat: Vergiss nicht, mir nach der Sitzung zu schreiben, okay?
Ein kleines Herz hängt an der Nachricht, was Jisung ein leichtes Lächeln auf die Lippen zaubert.
Doch dann ist er wieder allein mit seinen Gedanken. Es ist, als sei der Raum zu groß und zu leer für ihn. Er seufzt und schaut zur Uhr. Noch eine Stunde, bis er los muss. Die Sekunden scheinen sich endlos zu dehnen.
In einem Anflug von Unsicherheit steht er auf und streicht sich gedankenverloren über die Locken. Alles in ihm schreit danach, etwas zu tun, sich irgendwie abzulenken. Ein Blick in Richtung Spüle, wo noch ein paar Tassen vom Abend zuvor stehen, verlockt ihn kurz. Aber dann erinnert er sich an Minhos Worte:
"Ich hab dir strengstens verboten, den Haushalt zu machen."
Ein leises Lächeln huscht über seine Lippen. Minho meint es gut, auch wenn es Jisung fast den Verstand raubt, einfach nur herumzusitzen.
Noch ein Seufzer. Schließlich greift er nach seinem Handy und scrollt durch die Nachrichten, hält kurz bei Mingi, als würde das allein ihm helfen, ein wenig Ruhe zu finden. Er hatte sich freiwillig für die Sitzung gemeldet, ja, und doch – die Vorstellung, mit einem Fremden über all das zu reden, ist ungewohnt und bedrückend. Er weiß, dass er es braucht, aber ein Teil von ihm wünscht sich, einfach alles abschütteln zu können, zurück ins normale Leben zu springen, ohne die ganze Last.
Nach einer Weile merkt er, dass die Zeit tatsächlich vergangen ist. Er steht auf, atmet einmal tief durch und macht sich fertig.
-Ich schaffe das-, denkt er, wie ein Mantra, das er langsam in seinen Gedanken verankert.
Als er schließlich die Wohnung verlässt und den frischen Morgenwind auf seiner Haut spürt, fühlt er sich für einen kurzen Moment leichter. Die Straßen sind noch ruhig, und er beschleunigt seinen Schritt, als könnte das schnellere Gehen ihm Mut geben.
Vor der Praxis angekommen, bleibt er kurz stehen und atmet tief durch. Die Tür ist schwer und kühl unter seiner Handfläche, als er sie öffnet und die Rezeption betritt. Mingi wartet bereits, lächelt ihm beruhigend entgegen.
"Jisung, schön, dass du da bist," begrüßt er ihn, und diese Worte – simpel und ehrlich – lassen Jisung ein wenig entspannen. Ein kleines Lächeln huscht über seine Lippen, als er sich setzt, bereit, diesen neuen Schritt zu wagen.
"Hay Mingi..", murmelt er, schaut sich etwas im Raum um.
Es sieht irgendwie kahl, aber doch lebhaft aus.
Eine Couch, ein Tisch mit vier Stühlen.
Eine kleine Küche für Kakao und Kaffee oder Instantnudeln.
Ein paar kleine Pflanzen auf dem Fensterbrett...also eigentlich alles in allem.
Ein absoluter Therapieraum.
"Setz dich ruhig. Magst du Kaffee, Tee oder Kakao? Oder doch nur ein Wasser?", fragt Mingi, geht zu seiner Kaffeemaschine um sich neuen Kaffee zu machen.
Wie würde er nur ohne diesen überleben?
"Kakao", murmelt er, beißt sich auf die Lippe, setzt sich dann zögerlich auf die Couch.
"Hier", sagt der Therapeut, reicht ihm eine Tasse mit Kakao, setzt sich Jisung dann gegenüber, trinkt seinen Kaffee.
In den ganzen Malen wo er Mingi im Krankenhaus gesehen hat, hatte dieser auch immer Kaffee in der Hand.
Lebt er eigentlich nur davon?
"Danke", murmelt er nur, umgreift die Tasse fest, schaut auf den Inhalt.
"Ehrlich gesagt, bin ich ziemlich überrascht gewesen, das du mir so früh geschrieben hast.", sagt Mingi, nach einer kurzen Zeit der Stille, stellt seine Tasse ab.
"Magst du mir sagen was dich dazu veranlasst hat, heute herkommen zu wollen?"
"Ich weiß es ehrlich gesagt gar nicht...Ich hab schneller geschrieben und abgeschickt, als nachgedacht. Ich glaube ich habe einfach zu viel nachgedacht und keine Ahnung...Ich habe das Gefühl es ergibt nichts Sinn was ich sage."
Mingi lächelt nur sanft, greift nach seinem Notizbuch, öffnet eine Seite.
"Es ergibt immer alles einen Sinn, was man sagt. Manchmal muss man die Puzzleteile, die einen verlassen, nur zusammen packen. Wir bekommen das schon hin, Jisung. Magst du mir sagen wie du dich heute fühlst?"
"So wie sonst auch seid dem ich versucht habe mich umzubringen. Leer, müde. Energielos...es ist so als würden meine Gedanken alles rauben. Sobald ich allein bin, ist es schlimmer als mit meinen Freunden.. Sie..."
"Sie lenken dich ab und lassen dich kurz aufhören zu denken, nicht wahr? Dort fühlst du dich sicher, richtig?"
Zögerlich nickt Jisung, kratzt über seine Oberschenkel, sobald er die Tasse abgestellt hat.
Er kann nicht über sich reden.
Hasst es regelrecht.
Wieso...
Wieso dachte er gestern nur, dies sei eine gute Idee gewesen?
Er schafft das auch allein...hat es bis jetzt doch immer..
"Möchtest du mir erzählen, wieso du versucht hast dich umzubringen?"
"Oh...wir gehen heute also gleich aufs ganze?", fragt Jisung, welcher jetzt schon völlig entkräftet und müde ist.
Dabei reden sie vielleicht gerade mal eine Viertelstunde.
"Wir haben schon zweimal miteinander gesprochen.", schmunzelt Mingi, kratzt sich verlegen am Nacken. "Also entschuldige meine Neugier. Wir können natürlich auch mit etwas anderem weiter machen, wenn es dir noch zu viel ist.."
"Bist du eigentlich Therapeut geworden, damit du die Lebensgeschichten von anderen hören kannst?", fragt Jisung, versucht von der Frage abzulenken.
Kratzt mehr über seine Oberschenkel.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit blutet er schon, aber ist es ihm egal.
Er braucht diesen Schmerz.
"Also eigentlich stelle ich ja hier die Fragen, aber nein. Also doch irgendwie schon, aber ich bin Therapeut geworden, weil ich in deinem Alter, jemanden verloren habe. Diese Person wollte immer Psychologe werden und da er es nicht mehr konnte, habe ich es gemacht. Für ihn..und siehe da, es macht mir tatsächlich Spaß...Dazu möchte ich anderen Menschen helfen.. Ich denke, dass ist meine Bestimmung." , erklärt der ältere ruhig, schiebt seine Brille wieder richtig auf die Nase.
"Es macht dir also Spaß das Leidwesen von anderen Menschen anzuhören? Was bist du? Ein Sadist oder ein Masochist?"
"Ich denke eine Mischung aus beidem...Hay, wir schweifen hier komplett ab. Hier geht's nicht um mich sondern um dich.", sagt Mingi, trinkt seine Tasse aus, steht auf um sich eine neue zu holen.
Er lebt wortwörtlich nur davon.
Nicht gesund, aber das ist ja nebensächlich.
"Mist, ich dachte wirklich es würde helfen.", murmelt Jisung, hört den Therapeuten leise lachen.
"Also, möchtest du über deinen Selbstmordversuch reden oder über etwas anderes?", fragt dieser dann, setzt sich wieder Jisung gegenüber.
Mustert den Jungen, welcher mehr als nur gebrochen ist, vor ihm.
"Ich möchte nicht darüber reden...Ich kann es nicht. Noch nicht."
"Na gut, dann reden wir doch über deinen Freund, den Lockenkopf, der dich zum lächeln bringt.", sagt Mingi, möchte nun wirklich ein bisschen Gossip hören.
Bei dem was er gesehen hat im Krankenhaus.
"M-Minho?"
"Genau der...Er lässt dich mehr strahlen, nicht so müde wirken. Wie geht er damit um?"
"Er...Er ist die Geduld in Person", murmelt Jisung nachdenklich. "Er fragt nicht nach, lässt mir die Zeit die ich benötige und trotzdem ist er die ganze Zeit da. Er...Er gibt mir das Gefühl von Sicherheit und ich bin gern bei ihm... irgendwie klingt das lächerlich, laut ausgesprochen. Unsere Freunde ärgern uns schon damit, dass wir mehr als Freunde sind...aber stimmt das gar nicht. Wir sind Freunde und ich bin froh, das er wieder in meinem Leben ist.."
"War er dies eine Zeit lang etwa nicht?", fragt Mingi, legt den Kopf etwas schief.
"N-Nein, ich..ich habe ihn vor einigen Jahren von mir gestoßen und erst vor ein paar Wochen haben wir wieder angefangen miteinander zu reden...E-Er h-hat mich.."
Weiter kommt er nicht, kann es nicht sagen.
Kann nicht sagen das Minho ihn gerettet hat.
Ihn vor seinem eigenen Vater gerettet hat.
Sonst hätte sein Vater ihn in der Nacht zu Tode geprügelt gehabt.
Jisung spürt den Kloß in seinem Hals, die Worte bleiben ihm gefangen, als seine Finger unbewusst noch fester in seine Oberschenkel greifen.
Es ist dieser Teil der Geschichte, den er niemandem zumuten möchte. Minho ist seit Wochen sein einziger Anker, und es zu erzählen, hieße, sich der verletzlichen Erinnerung zu stellen, die immer noch sein ganzes Leben bestimmen.
Noch immer kann er nicht glauben das dies alles vorbei sein soll...
Und das er seinen Vater bald gegenüber stehen muss um eine Aussage zu tätigen...bringt ihn innerlich um.
Mingi beobachtet ihn in dieser Stille, lässt ihm den Raum, ohne zu drängen. "Du musst das nicht erzählen, wenn du nicht bereit bist, Jisung," sagt er leise, das Notizbuch beiseite legend. "Es reicht, dass du es in dir trägst und bereit bist, damit hierher zu kommen. Es gibt keine Erwartungen...ich warte bis du bereit bist zu reden."
Jisung nickt langsam, seine Schultern entspannen sich ein wenig. Vielleicht, denkt er, ist es genau das, was er gebraucht hat – jemanden, der ihm zuhört, ohne ihn zu drängen, ohne Urteil, nur mit einem ruhigen Verständnis...so wie Minho.
Ein paar Minuten vergehen, in denen beide nur ihren Getränken zugewandt sind.
Mingi scheint ihm Zeit geben zu wollen, zu entscheiden, was er preisgeben möchte. Schließlich hebt Jisung den Blick, seine Stimme ein wenig gefestigter, aber dennoch leise.
"Minho… er war einfach da," beginnt er schließlich, die Worte vorsichtig formend. "Er hat mich immer verstanden, ohne dass ich viel sagen musste. Ich wusste nicht, wie sehr ich das brauche, bis er wieder in meinem Leben war. Und jetzt… jetzt weiß ich manchmal nicht, was ich ihm geben kann im Gegenzug...Ich habe das Gefühl eine Bürde für ihn zu sein, auch wenn er das niemals sagen würde..ich hänge an ihm wie eine Klette...und doch beschwert er sich kein bisschen, zeigt mir täglich sein breites, wunderschönes lächeln...ist da für mich.."
Mingi nickt verständnisvoll. "Manchmal ist es genug, einfach füreinander da zu sein, ohne Bedingungen. Freundschaft oder Liebe – egal wie man es nennt – lebt davon, dass man einander so annimmt, wie man ist...und Minho scheint dich genauso anzunehmen. Das ist etwas wundervolles, Jisung."
Ein schwaches Lächeln huscht über Jisungs Lippen. "Er sagt das Gleiche. Dass ich ihm nichts schuldig bin. Dass er da ist, weil er es will...und das er mich gern um sich hat...aber mein Kopf..."
- mein Kopf sagt etwas anderes-
Mingi neigt leicht den Kopf, seine Stimme sanft. "Dann scheint er ein guter Mensch zu sein. Vielleicht hilft es dir, diese Verbindung zu ihm so zu sehen: als einen Ort, an dem du sicher bist, wo du dich fallen lassen kannst. Das ist oft genau das, was Menschen brauchen, wenn sie Heilung suchen."
"M-Minho ist also mein Ort der Heilung?"
"Ich denke schon...und ich merke auch, das du gern über ihn redest. Hast du ihm schon etwas erzählt von dem was alles passiert ist?", fragt Mingi, legt den Kopf schief.
"Die ganz kurze Zusammenfassung.", murmelt Jisung, "..es war kurz nach dem ich wieder aufgewacht bin, von meinem...meinem du weißt schon und dann habe ich es ihm erzählt.."
"Das ist ein Anfang, Jisung. Du vertraust ihm so sehr, das du es ihm erzählt hast..er bedeutet dir viel."
Jisung nickt leicht, blickt dabei aber zu Boden, als ob die Anerkennung seiner Gefühle für Minho ihn überfordert. Die Nähe, die sie teilen, ist ein Trost, aber auch eine Last. Das Vertrauen, das er Minho schenkt, fühlt sich wie ein ständiges Balancehalten an – etwas, das er so vorsichtig und unsicher meistert, als könnte es jeden Moment zerbrechen.
"Ja… er bedeutet mir viel," murmelt Jisung schließlich, kaum hörbar. "Aber… ich weiß nicht, ob ich ihm genug zurückgeben kann. Manchmal fühlt es sich an, als wäre ich einfach zu…" Seine Stimme bricht, und für einen Moment kann er nicht weitersprechen.
Mingi beobachtet ihn ruhig und nickt aufmunternd.
"Vielleicht reicht es, dass du einfach bei ihm bist. Manchmal sind es nicht die großen Gesten oder Worte, die zählen, sondern die kleinen Momente, in denen man sich verstanden fühlt."
Die Worte hallen in Jisung wider, als würde er sie zum ersten Mal wirklich verstehen. Es ist, als ob ein kleiner Teil der Last von seinen Schultern genommen wird, und doch bleibt da diese Schwere in seiner Brust. Er lächelt schwach und murmelt leise: "Danke."
Mingi nickt, legt das Notizbuch zur Seite und lehnt sich leicht nach vorn. "Ich glaube, das reicht für heute, oder?" Seine Stimme ist sanft und respektvoll, als würde er Jisung die Freiheit geben, diese Grenze selbst zu setzen.
Erleichtert nickt Jisung. Die Müdigkeit, die schon den ganzen Tag über ihm schwebte, scheint nun stärker zu werden, drückt seine Schultern nach unten. "Ja… danke, Mingi.."
Mingi lächelt, steht auf und begleitet ihn zur Tür. "Denk daran: Es ist okay, sich Zeit zu lassen. Und wenn du wieder reden möchtest, ich bin hier."
Jisung nickt, murmelt ein leises "Bis bald" und verlässt den Raum.
Kaum draußen, spürt er den kühlen Morgenwind auf seiner Haut, und für einen Moment fühlt es sich an, als könnte dieser frische Hauch die Schwere in ihm vertreiben. Aber es ist nur ein kurzer Moment, bevor die altbekannte Leere wieder in ihm aufsteigt. Die Welt um ihn herum erscheint grau und blass, die Menschen in der Stadt bewegen sich an ihm vorbei, als wären sie Teil eines Films, der ihn nicht wirklich berührt.
Er zieht sein Handy aus der Tasche und tippt eine kurze Nachricht an Minho:
'Die Sitzung ist vorbei. Bin jetzt auf dem Weg nach Hause.'
Er zögert, fügt ein Herz-Emoji hinzu, dann schickt er die Nachricht ab. Die Antwort kommt fast sofort:
KittyCat: Freut mich, dass du hingegangen bist, Sungie. Ruh dich ein wenig aus, okay? Ich bin später da. Ich hab dich lieb.
Die Worte lösen ein warmes, schmerzhaftes Gefühl in seiner Brust aus. Minho’s beständige Zuneigung und Fürsorge sind wie ein Licht in dieser Dunkelheit, und doch fühlt es sich auch unerreichbar an, wie etwas, das ihm nicht wirklich gehört. Jisung steckt das Handy wieder weg und macht sich auf den Weg nach Hause. Jeder Schritt fühlt sich schwerer an als der vorherige, als würde die Leere in ihm ihn immer weiter nach unten ziehen.
Als er schließlich die Wohnung erreicht, tritt er ein und lässt die Stille über sich hereinbrechen. Kein Minho, keine andere Idioten, kein Lachen, kein Gespräch. Nur er, allein mit seinen Gedanken, die wieder anfangen, wie ein dunkles Flüstern in seinem Kopf zu wühlen.
Er lässt sich auf sein Bett fallen, und sein Blick fällt auf Minhos Hoodie, der achtlos auf dem Stuhl neben ihm liegt. Der Stoff ist weich und riecht nach ihm – ein beruhigender Duft, der ihm das Gefühl von Sicherheit gibt. Jisung greift nach dem Hoodie, zieht ihn an, schließt die Augen und vergräbt das Gesicht im Stoff, als würde er dadurch Minhos Nähe spüren können.
Doch die Erleichterung, die er sich erhofft, bleibt aus. Stattdessen kommen die Tränen, langsam und unerbittlich, während die Einsamkeit sich wie eine kalte Hand um sein Herz legt. Er versucht, die Tränen zurückzuhalten, aber es gelingt ihm nicht. Die Erschöpfung, die Leere und die endlose Müdigkeit des Lebens – alles strömt in diesen Moment hinein und lässt ihn unaufhaltsam in ein Meer aus Dunkelheit sinken.
Er hält den Hoodie fest, als wäre er das letzte Stück Halt, das ihm geblieben ist. Schließlich, mit Minho’s Duft um sich und den letzten Tränen, die ihm über die Wangen laufen, schläft er erschöpft ein.
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