11. Kapitel

Kapitel 11

"..okay, was ist passiert das du hier bei mir bist?", fragt Chan, sieht zu Minho, welcher sich wie ein Trauerklos, auf einen der Stühle setzt.
Absolut nachdenklich wirkt, aber nicht weiß wie er alles in Worte fassen soll, was ihn belastet.
So war Minho schon immer und meistens kam er dann zu Chan, da dieser auch ohne viele Worte zu verstehen scheint.

Etwas worüber er mehr als dankbar ist.
Der ältere ist sein bester Freund geworden, in den letzten Jahren..genauso wie sein Safeplace.
Er vertraut Chan alles an, was er niemandem sonst erzählen kann.

Zum Beispiel sein familiäres Verhältnis oder seine ganzen anderen Probleme.
Chan weiß einfach alles und verurteilt ihn nicht.
Hatte er schon erwähnt das er verdammt dankbar deswegen ist?
Was würde er nur ohne Bang Christopher Chan tun?
Sicherlich hätte er dann noch mehr scheiße gebaut, als mit ihm.

"Du tust ja so als würde ich nur zu dir kommen, wenn ich nicht mehr weiter weiß.", murrt der jüngere, dabei ist es auch genau so.
Er redet nicht viel...erst wenn es wirklich so schlimm ist, das er es alles, was ihm auf dem Herzen liegt, los werden muss.

Und nun ist es wieder so weit.
Er muss alles, von den letzten Tagen, los werden.
Dringend.
Eigentlich könnte er das auch bei Changbin und Seungmin, aber sie sind nicht Chan.
Seungmin würde alles ins lächerliche ziehen und Changbin hat eh schon genug Probleme.

"Weil es auch genau so ist.", schmunzelt Chan, reicht Minho eine Tasse mit Kaffee, setzt sich dann selbst. "..also was ist los? Was liegt dir so schwer auf dem Herzen? Was musst du los werden?"

"Jisung", murmelt Minho, starrt auf die dampfende Tasse vor sich, nimmt den Geruch des Kaffees auf.
Aber nicht einmal das kann ihn gerade glücklich machen.
Dafür macht er sich zu viele Gedanken um Jisung, dessen Verhalten und all seinen Wunden.
Die alten und die neuen.
Dieser Junge ist gestern einfach auf dem Jungsklo ohnmächtig geworden und Stunden später, rennt er einfach nach Hause, als wäre nichts gewesen?
Dieser Junge macht ihn fertig und er möchte nichts mehr als diesen helfen.
Ihn zu beschützen.

"Den Namen hab ich ja schon ewig nicht mehr aus deinem Mund gehört...Ich dachte ihr redet nicht mehr miteinander?", fragt Chan, nippt an seinem Kaffee, mustert Minho dabei genau.
Minho muss nicht viel sagen.
Auch nach all den Jahren weiß Chan, das der jüngere immer wieder nach Jisung gesehen hat.
Auch wenn es nur aus der Ferne gewesen ist.
Doch er wusste nicht das sie jetzt schon wieder miteinander sprechen.

"Haben wir auch nicht...bis er mich erwischt hat, wie ich ein Blowjob bekommen habe und danach als er mich weinend angerufen und er eine Woche bei mir gelebt hat...aber das war's auch schon. Ich meine das war's eigentlich nicht. Er hat panische Angst vor vielen Dingen, entschuldigt sich ständig und er wird verdammt oft verprügelt. Gestern ist er auf dem Jungsklo ohnmächtig geworden, als Felix ihn gefunden hat...und Stunden später ist er erst auf meinem Schoß wach geworden und dann...dann ist er urplötzlich blass geworden, meinte er müsste nach Hause und ist gegangen. Danach hat er auch nicht auf meine Nachrichten reagiert..und in der Schule war er heute auch nicht und...und meine Schwester meinte, das Jisung seine Mom im Krankenhaus sei...Hyung, ich glaube er wird Zuhause misshandelt.."

Chan blinzelt noch immer verwirrt, während er die Flut von Informationen verarbeiten will, die Minho ihm gerade offenbart hat. Seine Hände umklammern die warme Kaffeetasse etwas fester, als er tief durchatmet. Er sieht, wie Minho auf seinem Stuhl zusammengesunken sitzt, die Augen auf den Tisch gerichtet, aber die Verzweiflung deutlich in seinem Gesicht zu erkennen.

"Das... ist viel," murmelt Chan schließlich, seine Stimme leise, fast wie ein Flüstern.
"Aber wenn du denkst, dass Jisung wirklich misshandelt wird, dann müssen wir etwas tun. Wir können das nicht einfach ignorieren."

Minho nickt kaum merklich, aber sein Blick bleibt auf den Kaffeedampf fixiert, als würde er hoffen, dort eine Lösung zu finden.
"Ich weiß. Aber... wie? Was, wenn ich falsch liege? Was, wenn ich nur in etwas reininterpretiere, was gar nicht da ist?"
Seine Stimme klingt gebrochen, voller Zweifel und Schuld.
"Er hat mir nichts direkt gesagt. Ich weiß nur, dass er Angst hat, dass er leidet... aber ich habe keine Beweise. Was, wenn ich alles nur schlimmer mache?"

Chan sieht Minho fest an, seine Stirn in Sorge gefurcht. "Es geht nicht darum, Beweise zu sammeln, wie in einem Kriminalfall. Es geht darum, für ihn da zu sein. Wenn er verletzt ist, dann muss er wissen, dass er zu dir kommen kann, ohne Angst haben zu müssen, Minho."

Minho atmet schwer aus und fährt sich mit den Händen über das Gesicht.
Ist immer noch absolut überfordert.
Weiß gar nicht was er tun soll.
Wie also soll Chan das wissen?

"Aber warum? Warum kommt er nur in diese Situationen? Er ist ein fucking Engel...Ich verstehe es nicht, Hyung. Er ist so stark und gleichzeitig so... zerbrechlich. Wie kann jemand, der so viel Schmerz erträgt, trotzdem noch weiterkämpfen? Er hat mir nicht einmal irgendwas gesagt und doch...doch ist er der stärkste Mensch den ich kenne, Hyung. Seine Augen sind so leer, aber gleichzeitig so voller Tatendrang..voller Lebenswillen.."

Der ältere schweigt einen Moment, bevor er leise spricht: "Manchmal kämpfen Menschen nicht, weil sie stark sind, sondern weil sie keine andere Wahl haben...Vielleicht ist das bei Jisung so. Er hat sich irgendwie durchgeschlagen, aber das bedeutet nicht, dass es ihm gut geht, Minho. Manchmal ist es der Moment, in dem man aufgibt, der gefährlich wird...und sobald er anfängt aufzugeben, wirst du ihn nicht mehr retten können. Dann kannst du ihm, als seinen Anker, auch nicht mehr helfen. Du musst jetzt irgendwas tun, bevor es zu spät ist...ganz gleich ob er dir etwas erzählt oder nicht. Ganz gleich ob du Recht hast mit der häuslichen Gewalt oder nicht. Er braucht dich, auch wenn er es nicht sagt.."

Minho presst die Lippen zusammen. Er weiß, dass Chan recht hat, aber es fühlt sich trotzdem so unlösbar an.
Er will Jisung helfen, will ihn vor allem Leid beschützen – doch wie kann er das tun, wenn Jisung selbst ihn auf Distanz hält?

"Ich hab ihn nie wirklich losgelassen, weißt du," murmelt Minho schließlich.
"Das weiß ich", murmelt der ältere, weshalb Minho ein wenig rot um die Nase wird.
"..Auch als wir nicht mehr geredet haben. Ich hab immer an ihn gedacht, immer gehofft, dass es ihm gut geht. Aber jetzt... jetzt weiß ich, dass es ihm nicht gut geht, und ich fühle mich, als hätte ich ihn im Stich gelassen...Hab ich ihn im Stich gelassen, Hyung? Hätte ich mehr um unsere Freundschaft kämpfen müssen, als ich bemerkt habe, das etwas nicht stimmt? Wieso habe ich nicht etwas mehr gekämpft?"

Chan legt eine Hand auf Minhos Arm und drückt ihn sanft.
"Du hast ihn nicht im Stich gelassen. Du bist jetzt hier, für ihn da, und das ist alles, was zählt. Du kannst die Vergangenheit nicht ändern, aber du kannst ihm jetzt helfen...und er würde nicht zu dir gehen, dich kontaktieren, wenn er jemand anderes hätte. Er vertraut dir...das ist das was du dir merken solltest und nicht die Vergangenheit."

Minho nickt langsam, aber das Gefühl der Ohnmacht bleibt.
Wie soll er Jisung helfen, wenn dieser ihm nichts erzählt?
Wie soll er die Barrieren durchbrechen, die Jisung um sich herum aufgebaut hat?
Diesen ganzen Schutz den Jisung um sich herum gebaut hat...wie soll er dies je durchbrechen können?
Wie?
Diese Mauern um Jisung herum sind sicherlich zehn Meter groß und bestehen aus sonstigen Material...
Etwas was er nicht beklimmen kann.

All diese Gedanken kreisen in seinem Kopf, als Chan erneut spricht: "Vielleicht solltest du langsam auf ihn zu gehen. Ihn dazu bringen mit dir zu reden, ganz gleich worum es geht. Mach es langsam...irgendwann wird er dir alles erzählen...aber dafür brauchst du eine Menge an Geduld...wenn du Recht hast und er wirklich misshandelt werden sollte, dann wird Jisung sich nicht so leicht darauf einlassen...er wird nicht wirklich wissen was Liebe ist und vielleicht... vielleicht fragst du Kihyun... vielleicht hat dieser eine Idee was los ist."

"Vielleicht hast du Recht...danke Hyung."

"Dafür bin ich ja da..und Minho? Ich weiß du würdest alles für Jisung tun...aber vergiss dich nicht. Vergiss dich nicht dabei, weil du jemand anderes hilfst...wir wissen wie es beim letzten Mal fast ausgegangen wäre."

Minho nickt nur etwas, spielt mit dem Haargummi um seinen Arm, lässt es gegen seinen Arm schnippsen.
Bekommt so halbwegs wieder die Kontrolle über sich und seine Gedanken.
"Ich hätte sie retten können, Hyung."

"Du hättest sie nicht retten können, Minho. Sie wollte es auch nicht...aber sie wollte nicht, das du deswegen fast stirbst, weil du nicht mehr auf dich geachtet hast."
Chan streicht sanft durch Minho seine Haare. "..und vielleicht erzählst du Jisung auch etwas von dir...dann würde er dich sicherlich auch schneller etwas anvertrauen können."

"Wie kann ich ihn retten, Hyung?"

"Sei für ihn da, biete ihm deine Hilfe an...reiche ihm deine Hand. Irgendwann wird er sie annehmen und wenn nicht, dann kannst du ihn nicht dazu zwingen. Manche Menschen wollen gerettet werden und andere nicht...das ist etwas was wir People Pleaser unbedingt noch lernen müssen.", haucht Chan, hält Minho seine Hand dann fest.
So das dieser mit dem Haargummi nicht mehr um sein Handgelenk schnippsen kann.

"Wo ist eigentlich Jeongin?"

"Der ist mit Felix unterwegs. Wahrscheinlich am lästern und shoppen. Sicherlich mit etwas was mich heute Abend dazu bringen wird, ihn zu ficken."

"Hyung!", lacht Minho, schüttelt angewidert den Kopf, doch lockert das die Stimmung.
Jedenfalls ein wenig.

(...)

Zögerlich greift Minho nach seinem Handy, während er draußen sitzt und eine raucht.
Eigentlich raucht er nicht mehr...aber manchmal muss er das einfach.
Muss irgendwie wieder herunter kommen...und Nikotin wirkt Wunder dafür.

Doch bevor er überhaupt wirklich darüber nachdenken kann, hat er schon Jisungs Nummer gewählt, lauscht dem tuten.
Ob Jisung ran gehen wird?
Doch bevor er überhaupt weiter darüber nachdenken kann, hört er eine zittrige und leise, aber vertraute Stimme.

"M-minho?"

"Hay Sungie, störe ich dich gerade?", fragt er, schaut in den Sternhimmel, muss etwas lächeln.
Früher hat seine Mom ihm immer wieder was von den Sternen erzählt.
Fast jeden Abend...so lange bis sie sich das Leben genommen hatte.

"N-Nein, aber warum rufst du an? B-Brauchst d-du etwas?", fragt Jisung leise, aus Angst das sein Vater ihn hören wird.
Doch eigentlich ist es ihm auch egal.
Seine Oma ist da..für einige Tage, wie sie vorhin gesagt hatte.
Heißt sein Vater zeigt sich von der besten Seite und Jisung kann etwas aufatmen.
Als sie heute früh gesehen hat, wie scheiße er aussieht, hat sie ihn auch zurück ins Bett geschickt.
Den ganzen Tag hat sie sich um ihn gekümmert und es ist schön...
Es ist schön endlich Mal wieder so etwas wie Liebe, statt Schläge, spüren zu bekommen...
Wenigstens für ein paar Tage.

"Ich wollte deine Stimme hören...Was machst du gerade?", ertönt Minho seine Stimme wieder, weshalb Jisung sein Buch zu klappt, über das Cover streicht und tief durch atmet.

"L-Lesen... Seungmin hat mir heute zwei Bücher vorbeigebracht und da lese ich gerade den ersten Band.."

"Erzähl mir davon..oder ließ mir was vor.", murmelt Minho, genießt die Stimme des jüngeren zu hören.
Schon früher hatte Jisung einen beruhigenden Affekt auf den älteren.
Vielleicht wollte Minho deswegen immer in seiner Nähe sein...
Ach was weiß er schon.
Früher hatte er auch kurz gedacht er sei in den jüngeren verliebt gewesen.

"Wieso?", fragt Jisung zögerlich.
Man hört deutlich heraus das er Angst hat..
Angst hat etwas falsches zu sagen/ zu machen.
Wie sehr der ältere ihm diese Angst nur nehmen möchte...

"Einfach nur um deine Stimme zu hören..Sie ist so schön und beruhigend.", murmelt Minho, weshalb Jisung etwas rot wird.
Aber gleichzeitig auch besorgt.
"Bist du okay, Hyung? Brauchst du etwas?"

"Ich möchte nur deine Stimme hören...darf ich das?", fragt Minho leise, lässt Jisung sein Herz schneller schlagen.
Aber nicht aus Angst.
Es ist etwas anderes.
Etwas was er sich noch nicht ganz erklären kann.

"Ich lese dir... ähm...dann etwas vor..", murmelt Jisung, schlägt die Seite auf, welche er eben zugeschlagen hat, um Minhos Anruf anzunehmen.

Er atmet tief ein, bevor er mit leiser, zögerlicher Stimme beginnt zu lesen. "Der Wind heulte durch die verlassenen Straßen, während die einsame Gestalt durch die Dunkelheit schlich..."
Seine Stimme schwankt leicht, noch unsicher, doch er liest weiter, als würde der Klang der Worte ihn beruhigen.

Minho lauscht ihm aufmerksam, nimmt einen weiteren Zug von seiner Zigarette und lässt den Rauch langsam in die kühle Nachtluft entweichen.
Die Worte verschwimmen fast, es sind nicht die Details der Geschichte, die ihn fesseln – es ist die Art, wie Jisung spricht.
Seine Stimme hat etwas Zartes, Zerbrechliches, aber auch etwas, das Minho immer wieder anzieht. Fast so, als wäre sie ein sanfter Windhauch, der ihm durch die Seele streift.

"...und obwohl die Schatten ihn umgaben, fühlte er sich nicht mehr allein."
Jisung stoppt kurz, als würde er sich vergewissern, dass Minho noch zuhört.
Der ältere bleibt still, gibt ihm Raum, spricht nur dann, als Jisung innehält. "Mach weiter, Sungie. Ich hör dir zu."

  - ich werde dir immer zuhören.-

Jisung schluckt, seine Finger zittern leicht, als sie über das Papier gleiten. Er setzt erneut an, seine Stimme etwas fester jetzt. Die Angst, etwas falsch zu machen, scheint für den Moment in den Hintergrund zu treten, während er in die Geschichte eintaucht.

"Er wusste, dass er weitergehen musste, egal, wie schwer die Last auf seinen Schultern war. Jedes Geräusch in der Dunkelheit schien lauter, jeder Schatten länger. Aber er ging weiter... weil es keinen anderen Weg gab."

Minho schließt die Augen, lässt sich von Jisungs Stimme tragen. Die Worte, obwohl nur Teil einer Geschichte, scheinen eine tiefere Bedeutung zu haben.
Sie spiegeln wider, was Jisung selbst durchmacht – das Weitergehen trotz der Dunkelheit, das Ertragen des Schmerzes, weil es keine andere Wahl gibt.

Minho spürt einen Stich in seiner Brust.
Er hasst es, dass Jisung so viel durchmachen muss.
Jedes Mal, wenn er an ihn denkt, an die Angst, die Jisung durchlebt, an die Narben, die er innerlich und äußerlich trägt, fühlt er eine Wut in sich aufsteigen.
Wut auf die Welt, die so ungerecht zu ihm ist, und Wut auf sich selbst, weil er glaubt, nicht genug für ihn getan zu haben.

Jisung liest weiter, aber seine Stimme beginnt zu stocken. Minho merkt, dass er langsamer wird, die Worte leiser. "Sungie... alles okay?" fragt er behutsam, seine Stimme weich, fast flüsternd.

Jisung schweigt für einen Moment. Dann hört Minho ihn leise seufzen. "E-es ist nichts, Hyung... ich... ich wollte nur sicher sein, dass du wirklich zuhörst."
Seine Stimme ist noch immer unsicher, als würde er immer noch die Bestätigung suchen, dass er es richtig macht.

"Ich höre zu," bestätigt Minho sanft. "Jedes Wort. Deine Stimme... sie beruhigt mich, Sungie. Es ist schön, dir zuzuhören...Ich werde dir immer zuhören. Selbst wenn du mir nur eine Einkaufsliste vorliest.."

Jisung weiß nicht, wie er darauf reagieren soll.
Sein Herz schlägt jetzt noch schneller, und obwohl ihm Minhos Worte Wärme geben, bleibt die Angst in seinem Hinterkopf.
Die Angst, dass er nicht genug ist, dass er irgendwann doch alles falsch machen könnte.
Das er es nicht wert ist zu leben... geschweige überhaupt geliebt zu werden.
Wieso also hasst Minho ihn nicht?
Er hat ihn früher einfach von sich gestoßen..und kam wieder als er ihn brauchte...
Wieso ist Minho nicht wütend auf ihn?

"Wirklich?", fragt Jisung leise, fast als würde er es sich selbst nicht glauben.

"Ja," antwortet Minho sofort, ohne zu zögern. "Wirklich. Es hilft mir, runterzukommen... einfach, dir zuzuhören...Ich wünschte ich könnte öfters deine Stimme hören...hör bitte nie wieder auf mit mir zu sprechen, Sungie.."

Eine lange Stille entsteht zwischen ihnen, nur unterbrochen vom leisen Rascheln der Buchseiten und dem fernen Zirpen der Grillen draußen. Minho nimmt einen letzten Zug von seiner Zigarette, drückt sie dann aus und lehnt sich zurück. Die kühle Nachtluft umhüllt ihn, aber er fühlt sich nicht kalt – nicht in diesem Moment, in dem er mit Jisung verbunden ist, auch wenn sie weit voneinander entfernt sind.

"Minho...," murmelt Jisung plötzlich, seine Stimme brüchig, '...warum... warum bist du so nett zu mir? Nach allem?"

Die Frage trifft Minho unerwartet, aber er versteht sofort, was Jisung meint. Nach allem, was zwischen ihnen passiert ist – die Distanz, die Missverständnisse, das plötzliche Wiedersehen unter so chaotischen Umständen – fragt sich Jisung vielleicht, warum Minho immer noch da ist. Warum er sich noch um ihn sorgt.

Minho atmet tief durch, spricht dann los: "Weil du mir wichtig bist, Jisung. Weil ich dich nicht alleine lassen will, nicht in all dem... was auch immer du durchmachst." Seine Stimme ist ernst, durchdrungen von einer Tiefe, die er sonst selten zeigt. "Ich hab dich nie aufgegeben und das werde ich auch niemals...du bist mir viel zu wichtig, Han Jisung."

Jisung bleibt still, aber Minho hört das leise Zittern in seinem Atem. Minho weiß, dass es schwer für ihn ist, das zu hören – vielleicht sogar schwerer, es zu glauben.

"Du musst mir nichts erklären," fügt Minho hinzu, sanft, aber bestimmt. "Aber ich will, dass du weißt, dass du nicht alleine bist. Ich bin hier, okay? Egal, was passiert...ich bin immer nur ein Anruf, eine Nachricht entfernt. Rufst du mich, werde ich kommen. Brauchst du etwas, werde ich kommen...Brauchst du Hilfe, werde ich helfen.."

  - Lee Minho, das klingt schon wie eine Liebeserklärung.-

Jisungs Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern, als er schließlich antwortet: "Danke, Hyung."

Minho spürt, wie etwas in ihm nachlässt, ein Gewicht, das er seit Tagen auf seinen Schultern getragen hat.
Auch wenn Jisung es nicht in Worte fassen kann, auch wenn die Dunkelheit in seinem Leben noch lange nicht verschwunden ist, weiß Minho, dass dieser Moment zählt.

"Bedank dich nicht für so etwas..Ich..", Minho bricht ab, schluckt den Rest des Satzes herunter.

-..ich würde alles tun um dich zu beschützen, um dich wieder glücklich zu sehen, Han Jisung...Du bist trotz allem noch der wichtigste Mensch in meinem Leben.-

"Aber ich möchte mich bedanken, Hyung...ich habe dich nicht verdient."

"Du hast es nicht verdient, so behandelt zu werden, wie du es wirst, Jisung. Du bist ein Engel und...und du bist es Wert geliebt zu werden."

"..und wenn ich selbst nicht weiß was Liebe ist?", fragt Jisung, nach einigen Minuten der Stille, leise und gebrechlich.

"Dann werde ich es dir beibringen.", haucht Minho, lässt Jisung rot an laufen.
Was meint der ältere damit?
Wie möchte er es ihm beibringen?
Wieso ist Lee Minho, noch immer, so ein Rätsel für Jisung?
Und wieso macht Minho ihn nur so glücklich?
Fragen über Fragen die er selbst nicht versteht...aber gibt es darauf überhaupt antworten?
Er hat keine Ahnung... einzig was er weiß, ist das dieses Telefonat mit dem älteren, ihn in diesem Moment verdammt glücklich macht.

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