8. das Hochzeitskleid
Nervös tippte Briec mit der Fussspitze auf den Boden. Er stand in seinem grauen Anzug vor dem Altar, hinter ihm sassen die Gäste und ein übereifriger Junge klimperte auf einem Cembalo ein und dieselbe Melodie – seit geschlagenen zehn Minuten in Dauerschleife. Der Pfarrer vor ihm schien ebenso unsicher zu werden wie Briec selbst. Die Gäste hinter ihm fingen an zu murren. Er konnte es verstehen. In dieser elendigen Kirche war es grässlich kühl. Oma Brighitte hüstelte schon demonstrativ und die kleinen Kinder, die man offensichtlich nur mit grösster Mühe in die Kleidchen und Fräckchen gebracht hatte, fingen an herumzuzappeln und zu quengeln. Schliesslich öffnete sich endlich die Kirchentür. Doch statt seiner Talaith kam ihre Freundin Dagmar die Treppe heraufgekeucht. Nun, Dagmar war eben nie die sportlichste gewesen. Sie las lieber in ihren Büchern. So eilig wie die kleine Frau nur konnte, hastete sie den Kirchengang entlang und ignorierte geflissentlich die verwirrten Blicke der Gäste. Schliesslich blieb sie vor ihm stehen. «Wo ist Talaith?», fragt Briec leise. Dagmar seufzte. «Komm mit, sie hat sich im Brautzimmer verschanzt. Vielleicht bringst du es fertig, sie herauszulocken.» Briec biss sich auf die Unterlippe. Langsam richtete er sich auf und blickte entschuldigend in die Menge. «Es tut mir leid, aber meine liebe Braut ist im Moment noch etwas... verspätet.» «Hat sie dich sitzen lassen?», foppte sein ältester Bruder ihn und grinste. Briec blickte böse zu ihm hinüber, beliess es aber bei einem Knurren. Einen solchen Kommentar konnte er nun wirklich nicht gebrauchen. Ohne ein weiteres Wort lief Briec Dagmar hinterher, die schon wieder auf dem Weg zurück war.
Dagmar führte ihn die langen Gänge entlang und hielt vor einer weissen Tür mit silberfarbenen Intarsien. Sie hob die Hand und bedeutete ihm, stehen zu blieben. Schliesslich klopfte sie fordernd. «Talaith, mach die Tür auf», verlangte Dagmar und ignorierte dabei den tadelnden Blick Briec'. Ein Schniefen war zu hören.
«Geh weg!»
«Warum sollte ich?»
«Weil ich so nicht rauskomme!», kam die scharfe Antwort. Briec atmete tief durch und schob Dagmar beiseite, bevor diese etwas antworten konnte. «Warum kommst du so nicht raus Talaith?» Talaith kickste überrascht. «Briec?» «Nein, Gideon», antwortete Briec sarkastisch. Leicht öffnete Talaith die Tür. Allerdings nur so weit, dass Briec einen schmalen Streifen ihres Gesichts sehen konnte. «Warum kommst du nicht raus?», wiederholte Briec seine Frage. Taliath schloss kurz die Augen. Als ob es sie alle Überwindung kosten würde, öffnete sie die Tür ganz. In seinen Augen sah Tailaith wunderschön aus. Ihr langes, weisses Kleid mit dem blauvioletten Schimmer, fiel elegant an ihr hinunter. Auch ihr Haar war seiner Meinung nach perfekt. Und jeder wusste, wie schwer es war, dass Briec etwas 'perfekt' nannte. «Warum?», fragte Talaith und drehte ihm den Rücken zu. Nun sah Briec, was seine perfekte Braut meinte. Ihr Kleid war bis kurz unter ihren Rippen offen und liess sich nicht schliessen. Die Schnüre hatten sich hoffnungslos ineinander verheddert. «Ich wollte perfekt für dich aussehen», murmelte Taliath und senkte den Kopf. Briec lächelte. «Du siehst für mich immer perfekt aus, du unmögliche Frau. Allerdings habe ich eine Lösung für dein schreckliches Problem.» Vorsichtig löste er die Spangen, die Dagmar vermutlich in stundenlanger Arbeit präzise platziert hatte, damit die Frisur perfekt sass. Nach und nach fielen die Haarsträhnen herunter und bedeckten Talaiths Rücken. Briec liebte Talaiths lange Haare. Talaith biss sich auf die Lippen und lief zurück ins Brautzimmer. Prüfend warf sie einen Blick in den hohen Spiegel. «Siehst du?», meckerte Dagmar leise, «ich hab dir doch gesagt, dass man es mit den offenen Haaren nicht sehen wird. Aber du wolltest ja nicht hören.» «Ich trage die Haare jeden Tag offen, da kann ich sie ja wohl schlecht an meiner eigenen Hochzeit offen lassen!» Briec unterbrach die beiden Frauen, bevor ein ernsthafter Streit daraus wurde. Aus Erfahrung wusste er, wie sich so etwas in die Länge ziehen konnte. «Kommst du?», fragte Briec sanft und sah seine Zukünftige an. Noch einmal blickte Talaith kritisch in den Spiegel und nickte dann. Talaith folgte Briec, blieb dann allerdings hinter der Kirchentür stehen und wartete, bis Briec an seinem Platz stand. Zu Briec Freude hatte keiner der Gäste beschlossen, die Kirche zu verlassen. Natürlich, sie sahen nicht gerade glücklich aus, waren doch Braut und Bräutigam plötzlich verschwunden. Als sie allerdings sahen, dass Briec sich einigermassen entsp0annt vor den Altar stellte, atmeten sie auf. Der Junge, der in der Zwischenzeit aufgehört hatte, die Gäste mit dem Hochzeitsmarsch zu foltern, schlug die ersten Töne an, nachdem Briec ihm zugenickt hatte. Leise öffneten sich die Türen der Kirche zum dritten Mal an diesem Tag und Talaith kam, begleitet von Dagmar, den Kirchengang herunter. Niemand bemerkte, dass das Hochzeitskleid nicht geschnürt war. Ja, Briec liebte Talaiths Haare wirklich. Aus seiner Sicht machten sie seinen Hochzeitstag perfekt.
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