2. plötzlich verrückt

Mit beherrschten Schritten und einem Blick, dem jeden klarmachte, dass sie keine Zeit hat, geht Tanja durch den Bürokomplex. Schnell schielt sie auf ihr Klemmbrett. Gut, heute stehen zwei Sitzungen an, ein Praktikant muss begrüsst und instruiert werden, die wichtigsten Mails müssen beantwortet werden und der Kalender für ihren Chef für die nächsten Wochen vorbereitet werden. Und das war erst das, was bis heute Mittag ansteht. Wenn alles gut geht, hat sie nachmittags Zeit das aufzuholen, was in den letzten Tagen liegengeblieben ist. Doch als sie um die nächste Ecke biegt, läuft ihr Sandra über den Weg. Sie ist die Neue in der Buchhaltungsabteilung und muss sich erst noch zurechtfinden. Wie üblich ist Sandra in Eile. Vermutlich hat sie einen Termin gerade erst gesehen und hetzt jetzt, damit sie pünktlich kommt. Doch egal was die Ursache ist, das Ergebnis ist dasselbe. Sie kracht mit Tanja zusammen. Beide stürzen zu Boden und die Papiere breiten sich auf dem schmalen Gang aus. «Tut mir leid!», antwortet Sandra und beginnt, die Papiere zusammenzuklauben. Auch ihre Unterlagen sind zu Boden gefallen. «Nichts passiert», antwortet Tanja und sucht nun ebenfalls ihre Papiere zusammen. Als das geschafft ist, laufen die beiden in entgegengesetzte Richtungen weiter. Tanja eilt in den Sitzungsraum. Ihr Chef steht schon da und schaut auf die Uhr «Sie sind spät Tanja. Ist alles in Ordnung?», fragt er und mustert sie. Tanja nickt und setzt sich an ihren Platz. Als sie ihre Unterlagen durchsieht, merkt sie, dass ein Dokument fehlt. Sie erstarrt. Hat sie es... doch natürlich, sie vergisst nie irgendein wichtiges Dokument an eine Sitzung mitzubringen. Angestrengt denkt sie nach bis ihr in den Sinn kommt, dass Sandra vielleicht das Dokument mitgenommen hat. Doch jetzt kann sie nicht aufstehen und Sandra suchen. Während dem Meeting macht Tanja sich ganz klein und versucht so rasch wie möglich die Notizen aufzuschreiben und auswendig die Details aus dem Dokument vorzutragen. Am Stirnrunzeln ihres Chefes merkt sie, dass das nicht gelingt. Nach dem Meeting eilt Tanja in die Buchhaltung, wo Sandra gerade ihren Kaffee trinkt. «Sandra!», ruft Tanja und eilt auf sie zu. «Hast du ein Papier in deinem Stapel, dass nicht dir gehört?» Sandra schaut auf. «Meinst du das da?», fragt sie und deutet auf das Papier, auf dem ihre Kaffeetasse steht. Tanja wird blass. «Weshalb...» Sandra zuckt die Schultern. «Wir benutzen oft Falschdrucke als Tassenuntersetzer. Sie werden ja doch nicht benutzt.» Tanja atmet tief durch. Gestern hatte sie festgestellt, dass ihre Vertretung eben dieses Dokument unwiederbringlich gelöscht hat. Jetzt steht auf dem einzigen Ausdruck eine Kaffeetasse, die die Schrift schon verschwimmen lässt. «Könntest du mir das bitte geben? Das ist kein Fehldruck», murmelt Tanja und versucht ihre Wut zu überspielen. Erschreckt schaut Sandra auf, hebt die Tasse an und gibt das Papier Tanja. Tanja nickt kurz und rennt förmlich zurück. Der Praktikant steht schon wartend im Eingangsbereich währen die Empfangsdame schon leicht verunsichert um sich schaut. Tanja hätte schon längst da sein sollen, um ihn abzuholen. «Entschuldigt», keucht Tanja und bremst vor den beiden unelegant ab. «Ich hoffe, du musstest nicht lange warten?», fragt sie den Praktikanten. «Nein, nur zwei Minuten oder so.» Tanja nickt und bedeutet ihm ihr zu folgen. «Komm mit, wir bringen dich mal in die IT-Abteilung.» Kaum hat sie ihn dort abgeliefert hetzt sie an ihren Schreibtisch. Gerade als sie den Computer hochfahren will, fällt die Wasserflasche, aus der sie gerade noch getrunken hat, um und ergiesst ihren ganzen Inhalt auf das Laufwerk. Es knistert und knackt und der Computer schaltet sich wieder aus. Genervt streckt sie sich und möchte in der IT-Abteilung anrufen, um zu melden, dass der Computer kaputt ist und sie einen Ersatz braucht, als sie an den grossen Briefstapel stösst und ihn vom Tisch wischt. Alle Briefe landen kreuz und quer auf dem Boden. Tanja seufzt und macht sich daran, die Unterlagen aufzuheben, als ihr Chef aufgebracht in ihr Büro platzt. «Tanja! Ich brauche meinen Kalender! Sofort!» Tanja schreckt hoch und schlägt sich den Kopf an ihrem Schreibtisch an. Nun eilt auch einer aus der IT herein, weil er eine Frage wegen des Praktikanten hat. Sandra platzt hinzu mit einer Rechnung, um zu fragen, was sie damit machen solle. Alle reden durcheinander und es wird immer lauter. «Aufhören!», schreit Tanja. «Ihr alle! Wisst ihr eigentlich, wie oft ich in den letzten Wochen Überstunden gemacht habe? Wisst ihr, dass ich heute fast im Eingangsbereich gefallen und mir den Fuss gebrochen hätte? Dass meine Vertretung ein wichtiges Dokument gelöscht hat und Sandra fast den einzigen Ausdruck mit ihrer Kaffeetasse zerstört hätte? Wisst ihr, dass unser Chef sich zu fein ist, seinen Kalender selbst zu machen? Sandra, weshalb kommst du zu mir mit der Rechnung? Dafür hast du eine Büropartnerin. Wisst ihr...», sie bricht ab und ein Gelächter bricht aus ihr heraus. Sie wird richtig davon geschüttelt und bekommt kaum noch Luft.

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