Pieces
"Imagine that Voldemort's powerful now. You don't know who his supporters are, you don't know who's working for him and who isn't; you know he can control people so that they do terrible things without being able to stop themselves. You're scared for yourself, and your family, and your friends. Every week, news comes of more deaths, more disappearances, more torturing...The Ministry of Magic's in disarray, they don't know what to do, they're trying to keep everything hidden from the Muggles, but meanwhile, Muggles are dying too. Terror everywhere...panic...confusion...that's how it used to be."
-J.K Rowling, Goblet of Fire, Sirius Black
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Pieces
James P.O.V
Die Pferdelose Kutsche suchte sich den Weg vom hellerleuchteten Schloss, um dem See herum, bis zu dem kleinen Bahnsteig, ohne viel Rücksicht auf ihre Insassen zu nehmen. Die Straße war vom vielen Regen der letzten Wochen aufgeweicht und die drei Personen wurden immer wieder durchgeschüttelt, wenn die Räder durch ein neues Loch rumpelten.
James Potter hatte seine Stirn gegen die beschlagene Scheibe gedrückt, während seine Eltern leise über Neuigkeiten aus der Aurorenzentrale sprachen. Er seufzte, als sie um eine Kurve fuhren und er kurz wieder die seltsamen Wesen sah, die ihre Kutsche zogen. James wusste erst seit ein paar Minuten, dass die Kutschen all die Jahre nicht von selbst gefahren waren.
Das war nur einer der zahlreichen Gründe für seine schlechte Laune.
Aus dem Augenwinkel sah er wie seine Mutter ihm einen sorgenvollen Blick zuwarf und mit einem erneuten Seufzen schob er sich die Brille in die nassen Haare. Mrs Potter war, anders als Mr Potter, dagegen gewesen, dass James mit zum Bahnhof kam, um die ankommenden Angehörigen und Freunde der Verstorbenen abzuholen.
Sie hätte es lieber gesehen, wenn er weiterhin versucht hätte etwas gegen Sirius' abweisendes Verhalten zu tun, doch James verstand seinen besten Freund zu gut, als das er ihm Vorwürfe machen konnte. Nur mit viel Arbeit, und seiner Mutter zuliebe, hatte James ihn überhaupt zu dem Versprechen gebracht, bei der Trauerfeier im Schloss anwesend zu sein.
Und sowieso wusste nur Merlin wo Sirius sich mal wieder herumtrieb.
Plötzlich kam James der kleine Raum viel zu eng vor und am Liebsten wäre er einfach aus der Kutsche gesprungen und zum See oder in den Wald oder sonst wohin gelaufen. Doch seine Mutter machte sich schon so genug Sorgen um ihn und um seine Freunde und eigentlich sollten seine Eltern auch schon gar nicht mehr im Schloss sein, sie wurden als Auroren viel zu dringend gebraucht und eigentlich sollte James gerade auch viel eher bei Melody im Krankenflügel sein und so wie Remus ihre Hand halten und beten, dass sie wieder aufwachte, oder wenigstens wie Luné und Ruby Slughorn in den Kerkern helfen oder wie Lily den Lehrer etwas von der nicht enden wollenden Arbeit abnehmen, anstatt den trauernden Eltern seiner Cousine zu sagen, wie verdammt leid es ihm tat, dass er den Tod ihrer Tochter zugelassen hatte.
Die Kutsche hielt mit einem letzten Ruckeln an und James schob sich wieder die Brille auf die Nase. Als er sich zu seinen Eltern drehte, schenkte seine Mutter ihm wieder den selben besorgten Blick und ohne darüber nachzudenken, sagte er gereizt, "Sie mich nicht so an."
"James!" Sein Vater richtete sich so weit auf, wie es der beengte Raum zuließ. "Sprich nicht so mit deiner Mutter."
"Ist schon in Ordnung." Dorea sah von ihrem Sohn zu ihrem Mann. "Wir sind doch alle nicht gerade in bester Stimmung."
Charlus seufzte und James kam es für einen kurzen Augenblick so vor, als würde er seinem Spiegelbild gegenüber sitzen. "Deine Mutter hatte Recht, du hättest nicht mitkommen sollen. Du solltest nicht trauernden Eltern gegenüber stehen müssen, selbst den erfahrensten Auroren geht das an die Substanz und du kannst noch so oft volljährig sein..." Er schüttelte bedächtig den Kopf. "Ihr seid Kinder, ihr solltet im Schloss sicher sein und der Krieg sollte euch noch nicht erreichen-"
"-Ja aber das hat er nun einmal!" James bemerkte den verzweifelten Ton in seiner Stimme kaum. "Der Krieg hält jetzt nicht mir vor den Mauern an. Ich war doch dabei. Diese Kinder sind jetzt Tod, oder verwundet oder was weiß ich und Merlin, da ist so viel Misstrauen und Hass. Ich und meine Freunde werden wie Schlangen behandelt, nur weil wir Potter oder Black oder Rosendorn oder Lestrange sind." James lehnte erneut seine Stirn gegen die kalte Scheibe und er sah unter den vielen schwarzen Kapuzen und Spitzhüten, das vertraute Gesicht seiner Hauslehrerin. Im Gegensatz zu Dorea Potter versuchte Professor McGonegall noch ihre Sorgenvolle Miene hinter einem strengen Blick zu verbergen. "Vielleicht sollte ich doch wieder ins Schloss fahren und nach meinen Freunden sehen." James Stimme war tonlos, als er sich zurück lehnte und die Kutschentür für seine Eltern öffnete. "Vermutlich bin ich dem hier wirklich nicht gewachsen."
"Das haben wir nie behauptet, Schatz." Dorea strich ihrem Sohn über die Wange. "Nur selbst der stärkste Junge -ich meine natürlich Mann-" Sie lächelte flüchtig. "-kann nicht alles tragen. Deine Freunde brauchen dich, genau so wie du sie brauchst. Besonders in solchen Zeiten."
Seine Eltern kletterten an ihm vorbei aus der schaukelnden Kutsche und als sein Vater die Tür mit einem müden Lächeln schloss, wurde James plötzlich etwas klar.
So wie viele Kinder manchmal über Nacht erkannten, dass ihre Eltern auch nur Menschen mit Fehlern waren, so wurde ihm plötzlich klar, dass seine eigenen mit jedem Jahr, dass er älter wurde, ebenfalls alterten. Die einst schwarzen Haare seines Vaters waren beinah vollständig ergraut und als seine Mutter lächelte, kamen die Falten in ihrem Gesicht nicht nur davon. Die Erkenntnis war für James, der seine Eltern immer für unverwundbar und unantastbar gehalten hatte, erschütternd.
Selbst als er bereits wieder im Sitz durchgeschüttelt wurde, fragte er sich noch, wo der verwöhnte Junge geblieben war, der noch am Anfang des Schuljahres auf genau dem gleichen Weg in einer Kutsche gesessen hatte. Er war sich nicht einmal sicher, wann im Laufe des Jahres er seine Kindheit vollständig hinter sich gelassen hatte.
Vor dem Portal kam die Kutsche schwankend zum Stehen und nachdem James herausgesprungen war, und noch mal einen kurzen Blick auf die seltsamen reptilienhaften Pferde geworfen hatte, streckte er seine langen Glieder. Dabei erhaschte er aus dem Augenwinkel einen unverkennbaren Schimmer von dunkelrot im Schlossportal und ohne Nachzudenken rief er, "Evans?"
Als Antwort hörte er ein paar Flüche, die ihn schmunzeln ließen, und dann kam eine eher unglücklich dreinschauende Lily Evans in Sicht, die sich nur halb aus dem Portal lehnte, als müsste sie noch einmal extra betonen, dass ihr nichts an James Gesellschaft lag. "Ja, Potter?"
"Wohin des Weges?" James konnte nichts dafür, wirklich nicht, wie er sich immer wieder selbst versicherte, dass sein Verstand sich beinah vollständig ins Nirvana begab und sein bestes Grinsen wie auf Knopfdruck auf seinem Gesicht auftauchte, sobald er in Evans grüne Augen sah. Oh ihre Augen...
"In die Kerker." Lilys Augenbrauen zogen sich zusammen, als James näher trat.
"Ausgezeichnet, da wollte ich auch gerade hin!"
"Ach tatsächlich?"
"Ja wegen..." In den paar Sekunden, in denen er ihr nicht in die Augen sah, schaffte es James einen zusammenhängenden Gedanken aus den Tiefen seines Hirns zu fischen. "Ruby und Lulu. Ich wollte schauen, ob ich sie später von ihren Kesseln wegschleifen muss."
"Oh..." Lilys Lippen bildeten kurz einen perfekten Kreis, dann zuckten die blassen Sommersprossen auf ihren Wangen, als müsste sie ein Lächeln unterdrücken. "Das hatte ich eigentlich vor."
"Und nun?" James strahlte sie an und wie schon so oft fragte er sich, was dieses Mädchen bloß an sich hatte, dass all seine Sorgen sich plötzlich so viel unwichtiger anfühlten.
Lily schien einen kurzen Augenblick verunsichert, dann lächelte sie ein vorsichtiges Lächeln, welches James selten an ihr sah. "Wir könnten unsere Kräfte verbünden. Du kannst dich um Luné kümmern und ich schnapp mir Ruby."
"Warum bekomm ich die schwere Aufgabe?"
Lily lachte leise, während sie sich nebeneinander auf den Weg hinunter in die Kerker machten. "Hey, wer von uns beiden ist Mr-mir-ist-keine-Aufgabe-zu-schwer-nichts-wird-mir-gerrecht-wo-bleibt-eigentlich-mein-Drache-Potter?"
"Also zur Zeit würde ich den Drachen eine Diskussion mit Luné vorziehen. Am Besten werf ich mir sie einfach ohne viele Worte über die Schulter."
"Das wäre vermutlich am einfachsten. Allerdings habe ich dich immer so für deine Disskusionsfähigkeiten bewundert."
James stolperte bei ihrem letzten Satz beinah über seine eigenen Füße, "Spielst du etwa Spielchen mit mir, Evans?"
"Ich? Mir dir?" Lily lachte und es war das erste Lachen, das James von ihr seit einer Woche hörte und am Liebsten hätte er sie in diesem Moment geküsst.
"Stimmt, das würdest du nie." James blieb stehen und Lily hob, überrascht über seinen veränderten Tonfall, den Kopf.
In diesem Augenblick hätte James ihr so gerne gesagt, wie schön er sie im Fackellicht fand, wie sehr er das tanzende Licht in ihren Augen liebte und die Art, wie sie den Kopf neigte, wenn sie versuchte etwas zu verstehen. Er liebte die Art, wie sich ihre Grübchen nur zeigten, wenn sie ehrlich lächelte und wie ahnungslos sie, trotz ihrer Intelligenz, manchmal war. Und er hätte sie so gern geküsst.
Doch er erinnerte sich noch an all die Gespräche mit ihren Freundinnen, die ihm eingeschärft hatten, das er Lily erst zeigen musste, dass er nicht mehr der Junge war, den sie hasste. Dass Lily ihn vermutlich immer noch hasste, war mehr als James ertragen konnte. Schnell wandte er den Blick ab und bevor Lily überhaupt reagieren konnte, war er schon losgelaufen.
"James?"
Während er sich selbst verfluchte, achtete er nicht darauf wohin er eigentlich lief, bis sich eine kleinere Hand um seinen Arm schloss und ihn somit zum Stehenbleiben zwang. "Du bist gerade falsch abgebogen, wir müssen hier lang."
"Wie bitte?" Er starrte sie verwirrt an, was sie mit einem sanften Lächeln beantwortete.
"Jeder hat mal einen schlechten Tag. Komm." Ihre Hand wanderte zu seinem Handgelenk und so führte sie ihn zum richtigen Raum.
Lily schien dabei in Gedanken zu sein, weshalb James sie vorsichtig von der Seite betrachtete. Vorher war ihm nicht aufgefallen, dass die Ringe unter ihren Augen, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, nur noch tiefer geworden waren und er hatte sich in der letzten Woche so an den Anblick von verweinten Augen gewöhnt, dass es ihm bei Lily erst jetzt auffiel.
"Warst du bei Mel?"
Sie drehte kurz den Kopf zu ihm und nickte.
"Wie geht es ihr?"
"Unverändert." Lily atmete hörbar ein, als müsste sie sich für dieses Gespräch wappnen. "Remus ist krank vor Sorge und weigerte sich immer noch von ihrer Seite zu weichen. Die Heiler meinen, dass es der Schock und das Trauma ist, was Melody...schlafend hält. Nicht ihre Verletzungen. Und sie scheint auch einfach nur zu schlafen, sie wirkt so friedlich, so als wollte sie gar nicht mehr aufwachen und dann frag ich mich..." Lily schüttelte hastig den Kopf, als müsste sie sich die nächsten Wort verbieten und ihr Griff um James Handgelenk wurde kurz fester, bevor sie es losließ.
"Sie wacht schon wieder auf." Unbeholfen streckte James die Hand aus, nur um sie sofort wieder fallen zu lassen. Wenn eines der anderen Mädchen, vielleicht Luné oder Melody, vor ihm mit dem Tränen gekämpft hätte, irgendwie wäre James schon darauf gekommen was zu tun und zu sagen war. Aber vor ihm stand Lily Evans. Sie war so stolz wie die Zentauren im verbotenen Wald. Und irgendwie kam er nicht umhin sie zu bewundern, dafür, dass sie ihre Tränen herunterschluckte, obwohl ihre beste Freundin nach einer Woche immer noch nicht aufgewacht war.
"Ich sollte besser rein." Lily schniefte leise und sie tat James so unglaublich leid, dass er seine Arme hob, wie um sie zu umarmen. Doch Lily wich ein Stück zurück und entmutigt ließ er sie wieder sinken.
"In Ordnung." Er fuhr sich durch die Haare und versuchte ein Lächeln, das nicht allzu traurig aussah. "Ich muss auch noch mit Sirius reden...und vermutlich aus irgendeinem Bett zerren."
"Oh." Ihre Mundwinkel hoben sich ein Stück und sie strich sich eine Haarsträhne aus den Augen. "Ich vergesse immer, dass ihr besondere Wege für eure Gespräche habt."
James nickte, ohne zu wissen, was er noch sagen sollte. Er wollte nicht das Lily schon ging und anscheinend wollte Lily schnell verschwinden.
"Nun ja..." Kurz sah Lily ihm in die Augen, bevor ihr Blick sich auf seine Hand richtete, als hätte sie noch nie etwas interessanteres gesehen. "Wir sollten wohl weder Lulu noch Ruby von Sirius' vermutlichem Aufenthaltsort erzählen, oder?"
"Merlin bewahre, nein!" Beide lachten und ein kleiner Funke Hoffnung stieg in James auf. Vielleicht würde sie ihn eines Tages doch nicht mehr hassen und wenn sie nur wenigstens Freunde sein könnten, womöglich wäre ihm das schon genug...
"Danke, Potter." Lily schenkte ihm wieder dieses sanfte Lächeln, welches sein Herz stolpern ließ.
"Wofür?"
"Keine Ahnung." Die blassen Sommersprossen unter ihren Augen tanzten, als sie hinter sich nach der Tür griff und mit einem letzten Blick verschwand.
James starrte noch ein paar Augenblicke auf die Tür, bis er plötzlich zusammenzuckte und ein, "Bei Merlins Unterhose..." ausstieß. Er schüttelte über sich selbst den Kopf und zerrte aus den Tiefen seines schwarzen Umhangs einen eckigen Spiegel.
Erst spiegelte dieser nur James Gesicht wieder, bis er, "Sirius!" sagte und das Bild sich veränderte. Nun zeigte er die Decke eines Raumes, wobei die Gaslampe an der Decke nur schwach leuchtete und ein Teil des Spiegels war überschattet von etwas, dass er nicht sehen konnte. "Padfoot!" Es war etwas wie ein Rascheln zu hören und James wiederholte den Namen seines besten Freundes so lange, bis er den Spiegel beinah anbrüllte.
"Schon gut, schon gut." Es erklang ein Stöhnen und ein paar Flüche, dann wurde der Spiegel erst komplett dunkel und plötzlich tauchte das verschlafene Gesicht seines besten Freundes vor James Augen auf.
"Kumpel, du siehst beschissen aus."
"Danke." Sirius stöhnte erneut auf und drehte sich kurz in den Kissen auf denen er lag. Seine grauen Augen wirkten trüb und waren blutunterlaufen und er schien Problem zu haben sie überhaupt aufzuhalten.
"Wo bist du?"
Sirius blinzelte kurz verwirrt, dann schien er sich über den Spiegel hinweg umzuschauen. "Ich glaube in der Schulsprecher Wohnung, kann mich aber auch täuschen."
"Bei Isabell Bell?" Bisher war James davon ausgegangen, dass Sirius und die Siebtklässlerin nichts miteinander zu tun hatten.
"Nahhh." Sirius gähnte. "Es war gestern noch ziemlich lang. Wobei..." Er beugte sich vor und hielt kurz darauf mit verwundertem Gesichtsausdruck etwas hoch, das wie eine pinke Mädchenunterhose aussah. Wobei sie James ziemlich durchsichtig vorkam. "Das sieht eher nach Cindy aus. Vermutlich hat sie sich eine Dusche gesucht, oder so." Sirius wirkte nicht wirklich so als würde ihn das interessieren.
"In Ordnung." James wollte das Thema nicht vertiefen. "Du denkst an die Trauerfeier, oder?"
"Trauerfeier? Oh. Die ist heute? Verdammt." Sirius gähnte erneut. "Ich komme. Könnte allerdings noch ein paar Minuten dauern." Er blinzelte ein paar Mal und erst da schien er seinen besten Freund wirklich anzusehen. "Was ist los, Prongs? Du leuchtest ja."
"Was?"
"Lass mich raten." Ein halbes Grinsen tauchte auf seinem Gesicht auf. "Evans?"
"Oh Merlin, ja." James seufzte und Sirius verdrehte die Augen.
"Erzähl mir alles wenn wir uns sehen. Bis gleich."
"Bis gleich." James grinste und Sirius verdrehte erneut die Augen, wobei er schon ein bisschen lebendiger aussah, bevor sein Bild im Spiegel verblasste.
Einen Augenblick lang betrachtete James sich. Dann schüttelte er den Kopf, rückte seine Brille gerade und fuhr sich erneut durch die Haare, bevor er die Tür zum Kerker öffnete.
Es war als hätte er eine andere Welt betreten. Die Luft war, ungewöhnlich für die Kerker, von den unzähligen Kesselfeuern aufgeheizt und einen Moment lang schwindelte James von all den unterschiedlichen Gerüchen und der hohen Luftfeuchtigkeit. Egal wohin er sah, überall standen große und kleine Kessel, aus allen nur erdenklichen Metallen, und in ihnen blubberten Tränke in den verschiedensten Farben.
"James!" Aus einer Dampfwolke tauchte Rubina auf. Sie trug, ähnlich wie Luné, die ihm aus einer anderen Ecke kurz zunickte, keinen Umhang, sondern nur ein Top und einen Rock. Ihren Haare fehlte das Stirnband und sie standen in alle Richtungen ab.
"Hey Rubs." Er drückte sie kurz an sich. "Wie geht's?"
"Wunderbar. Ich bin Lulus und Slughorns Sklave und wenn auf meinem Zeugniss nicht mindestens ein Ohnegleichen in Zaubertränke steht, wechsle ich die Schule."
"Hört sich vernünftig an." Er lachte und nickte zu Luné, die, von Lily verflogt, von einem Kessel zum Nächsten eilte. "Denkst du wir bekommen sie hier raus?"
Das Lächeln auf Rubinas Gesicht verschwand genauso schnell, wie es gekommen war, und plötzlich wirkte sie nur hilflos und traurig. "Ich weiß nicht. Sie und Slughorn haben so viel zu tun und die Tränke werden so sehr gebraucht. Das Mungos kann uns schon seit zwei Tagen keine Tränke mehr schicken und Madam Pomfrey braucht sie."
"Aber könnt ihr die Kessel sich nicht von selbst umrühren lassen? Es dauert ja nicht lange..."
"Mr Potter." Slughorn schob sich zwischen zwei Kesseln hindurch und streckte ihm seine Hand hin.
"Professor."
"Wie geht es Ihnen?"
"Den Umständen entsprechend, Sir. Und Ihnen?"
"Nun ja, man macht irgendwie weiter, nicht wahr?"
Irgendetwas schien an seinem Zaubertrank Lehrer verändert, aber James konnte es nicht recht einordnen, während er ihm die Hand schüttelte.
"Ich vermute es, Sir." Auch die neue Ernsthaftigkeit, mit der sein Lehrer ihn behandelte, verwunderte James. Gewöhnlich fiel es Slughorn schon schwer zu verbergen, wie sehr es ihn störte, dass sowohl Sirius wie James nicht in seinem Haus waren.
"Professor Slughorn, Sir." Lily schlängelte sich mit Leichtigkeit zwischen den Kesseln hindurch und sie trug das Lächeln, das nur für ihren Lieblingsprofessor reserviert war.
"Lily, was kann ich für Sie tuen?"
"Ich wollte fragen, ob Sie auch zur Trauerfeier gehen."
"Nun ja..." Slughorn schien sich plötzlich sichtlich unwohl in seiner Haut zu fühlen. "Ich fürchte dafür ist hier unten zu viel zu tun. Zwar ist die größte Not vorüber, aber die Tränke müssen überwacht werden und vermutlich wird Poppy bald erneut welche anfordern."
"Siehst du, Lils, das hab ich dir doch schon gesagt." Luné schob sich zwischen Lily und Slughorn. Sie hatte die Arme verschränkt und in einer ihrer vernarbten Hände drehte sie ihren Zauberstab.
"Ich finde aber, du solltest mitkommen!" Lily warf James einen hilfesuchenden Blick zu und als dieser sich zu Luné drehte, wusste er bereits, dass er seine nächsten Worte bereuen würde.
"Ich glaube auch, dass du mitkommen solltest." Er vermied den Blick zu Rubina. "Sirius wird dich brauchen."
"Oh." Der Ausdruck auf Lunés Gesicht wurde etwas sanfter und James sah aus dem Augenwinkel, wie Ruby den Blick senkte.
"Nun...Luné." Slughorn strich sich über den blonden Schnurbart und seine kleinen Augen huschten von einem Gesicht zum Nächsten. "Sie waren mir hier unten wirklich eine große Hilfe und im Anbetracht der...Umstände, ist es vermutlich besser wenn ich mich nun aller Arbeit annehme und Sie der Bitte ihrer Freunde folgen."
"Wenn Sie meinen." Luné wirkte immer noch nicht komplett überzeugt, weshalb Lily von ihrer Seite verschwand und einen Augenblick später wieder mit Lunés Tasche in der Hand neben ihr auftauchte.
"Bitte." Sie drückte sie ihr in die Hand und Luné seufzte ergebend.
Als sie sich zur Tür drehte, hielt Slughorn sie noch einmal zurück, "Sie kommen nicht zufällig am Krankenflügel vorbei, oder? Ich hätte noch diese Tränke für Poppy und ich würde sie eher ungern einer Hauselfe anvertrauen." Er watschelte zu einem Arbeitstisch und sortierte mehrere Glasflaschen in einen kleinen Holzkoffer ein. "Immer wollen sie durchs Schloss apparien und sich nie auf ihren Beinen fortbewegen, nur weil sie nicht gesehen werden wollen. Papperlapapp. Albus ist viel zu nachsichtig mit ihnen, in richtigen Haushalten würde man nie so freche Antworten bekommen. Bei Merlins Bart, es sind doch nur Hauselfen." Slughorn schien ehrlich entrüstet und mit einem Kopfschütteln kam er wieder zurück. "Sie können sich ja darum kümmern, Miss Lestrange." Er drückte einer erschrockenen Ruby den Koffer in die Arme.
"Wir werden schauen, was sich machen lässt, Sir." Lily schnappte sich Rubys Arm und zog sie zur Tür. James und Luné folgten.
Sobald die Kerker Tür wieder hinter ihnen ins Schloss gefallen war, platze es aus Rubina heraus, "Eingebildetes altes Walross. Was bildet der sich bitte ein? Nur weil er sich nicht traut den Kerker zu verlassen, muss er mich nicht wieder daran erinnern, dass meine Familie mit Schuld an diesem ganzen Schlamassel ist. Gott, es war immerhin sein ganzes Haus, das in Hogsmead Amok gelaufen ist. Eher sollte er sich vor die Eltern stellen und ihnen erklären, warum ihre Kinder von seinen Schülern getötet wurden. Das kann doch alles nicht sein! Verdammte Todesser, verdammter Krieg, verdammter fanatischer hirnloser Voldi Lordi."
Lily murmelte schwach, "Rubina, bitte." Aber Ruby hatte sich bereits viel zu sehr in ihre Wut gesteigert und die einzige Person, die sie vermutlich noch hätte aufhalten können, lief in Gedanken versunken neben James.
"Eine Gallone für deine Gedanken." James legte Luné einen Arm um die Schulter und sie sah überrascht zu ihm auf.
"Eine Gallone? Musst du wirklich immer so das verwöhnte Einzelkind raushängen lassen, Potter?" Ihre Worte wurden von einem Lächeln abgemildert und James beugte sich vor und drückte ihr schnell einen Kuss auf den Kopf, als ihm einfiel, dass sie ja nun auch ein Einzelkind war.
"Irgendwer muss ja den Reinblutstandard hochhalten, jetzt wo die ganze Schule endlich entschieden hat uns doch wie Slytherin zu behandeln."
"Oder eher wieder." Sie seufzte und strich sich eine Locke aus der Stirn.
"Gut, dass wir uns davon nicht unterkriegen lassen, oder?"
"Klar doch. Wobei es noch mehr Spaß gemacht hat, als ich wirklich das verwöhnte Reinblutkind war, für das mich jetzt alle erneut halten."
"Hey, du darfst deine Gefolgschaft zu du-weißt-schon-wem nicht vergessen. Immerhin sind sich alle sicher, dass jeder mit einem Namen, der nur halbwegs auf reines Blut hindeutete, automatisch zu den Todessern gehört."
Erst als er sich grinsend wieder zu Luné drehte, fiel James ihr veränderter Gesichtsausdruck auf. Sie schien beinah Schmerzen zu haben.
"Was ist los?"
"James." Ihre Stimme klang gepresst. "Wir hatten uns auf keine Geheimnisse mehr geeinigt, oder?"
"Na ja." Er versuchte wieder ein Grinsen. "Eher war das Marlene, nachdem sie und Ruby von Remus pelzigen Problem erfahren haben. Wobei sie Remus wirklich nicht hätte schlagen müssen. Ok, Peter hätte auch nicht erwähnen müssen, dass Moony Mel spätestens während des Vollmondes verlassen muss, aber..."
Sie unterbrach ihn, "James...du erinnerst dich doch noch an meinen Geburtstag, oder? Ich bräuchte deinen Rat wegen..."
Ihre restlichen Worte wurden von einem, "Was zur Hölle?!" unterbrochen und James sah gerade noch wie Rubina sich alle Mühe gab den Holzkoffer nicht fallen zu lassen, während sie um eine kleinere Person herumtänzelte, die anscheinend gerade um die Ecke gekommen war.
"Peter!" Lily schaffte es gerade so Ruby den Koffer abzunehmen, die augenscheinlich den Schreck ihres Lebens erhalten hatte.
"Oh mein Gott-" Ruby schnappte nach Atem. "-schleich dich nie wieder an mich ran, Pettigrew! Vor allem nicht in einem dunklen Keller, außer du möchtest ernsthaft verhext werden. Verdammter Mist. Ich hasse diese Kerker, verdammt noch Mal." Sie entwand Lily wieder den Koffer. "Ich bin weg. Vielleicht schaff ich es Marl und Remus mitzubringen. Bis Später."
Niemand von ihnen schaffte es noch etwas zu sagen und Peter stammelte erst eine Entschuldigung, als Ruby schon um die nächste Ecke geeilt war.
"Mach dir nichts draus, Wormtail." James klopfte seinem Freund auf die Schulter. "Rubina ist gerade etwas anfällig für...nun ja alles. Was machst du überhaupt hier unten?"
"Hier?" Peter drehte kurz den Kopf und sah zu den Mädchen. "Ich...nun ja." Er kratze sich an der Nase und James kam nicht umhin zu bemerkten, dass Peter irgendwie besorgt aussah. "Ich hab dich gesucht?"
"Und du hast mich gefunden. Sollten wir uns nicht auch ein wenig beeilen?" Er drehte sich zu Luné, die langsam nickte. Ihr Blick war auf die Ecke gerichtete, aus der Peter gekommen war. James entschied sich das zu ignorieren. "In Ordnung, dann los."
"Jaja, geht schon mal vor. Ich komm in zwei Sekunden nach." Im Laufen zerrte Luné aus ihrer Tasche einen schwarzen Umhang und dann war sie bereits aus James Sichtweite verschwunden. Als er zu der Ecke kam aus der Peter aufgetaucht und Luné verschwunden war, erkannte er, dass von dem kurzen Gang mehrere weitere Gänge abzweigten.
Er seufzte und sah zu kurz zu Lily, die nur schwach den Kopf schüttelte, und machte sich dann mit Peter an seiner Seite wieder auf den Weg zur großen Halle. Als sie gerade die Treppe hinaufliefen, tauchte Luné mit geröteten Wangen an Lilys Seite auf. Ihre Augen hatten einen eigenartigen Glanz und sie machte keine Anstalten etwas zu ihrem Verschwinden zu sagen, weshalb James auch nicht nachfragte.
In der Eingangshalle erwartete sie ein Meer aus Schwarz. Doch es war nicht wie sonst in Hogwarts, wenn die Schüler in ihren Uniformen zu den Mahlzeiten strömten und sich laut unterhielten. Kein Lachen war zu hören und die Zauberer und Hexen unterhielten sich höchstens im Flüsterton. Die Menge, die sich langsam durch das Portal ins Schloss und dann in die große Halle schob, strahlte all die Trauer und den Schmerz aus, den James die letzte halbe Stunde so hartnäckig versucht hatte zu verdrängen.
Es war wie ein Schlag in die Magengrube, nur das er keine Möglichkeit hatte, danach wieder Luft zu holen.
Erst Lilys Stimme durchbrach seine Gedanken, "Wir schaffen das schon." Sie sagte es zu Luné, aber James war ihr so dankbar für ihre Worte, als hätte sie versucht nur ihm Mut zuzusprechen.
"Du hast recht." Luné straffte die Schultern und zog ihren Umhang zurecht. "Überlegt, was wir die letzte Woche schon alles überlebt haben. Das bekommen wir jetzt auch hin, oder?" Sie sah sie an und ihr Blick duldete keinen Widerspruch.
"Also ich stimme ihr zu." Peters Stimme rutschte eine Oktave höher, bevor er sich räusperte.
Über Lunés Gesicht huschte ein Ausdruck der Überraschung, den sie allerdings schnell wieder verschwinden ließ. "Wie finden wir jetzt die Anderen?"
"Schon dabei." James fischte erneut den Spiegel aus seinem Umhang. Peters Missbilligend Blick, darüber das James mal wieder ein Rumtreiber Geheimnis offen zur Schau stellte, ignorierte er. "Sirius!" Dieses Mal dauerte es nicht so lange bis Sirius Gesicht auftauchte. Sein bester Freund sah bereits ein Stück wacher aus und er schien geduscht zu haben, denn aus seinen schwarzen Haaren tropfte noch Wasser. Im Hintergrund konnte James kurz einen Blick auf Rubys und Remus angespannte Gesichter erhaschen.
"Prongs. Wo bist du?"
"Eingangshalle. Du?"
"Marmortreppe. Moment." Sirius drehte sich nach hinten und geflüsterte Worte waren zu hören, bevor er sich wieder James zuwandte. Dabei sah dieser kurz Marlenes blonde Haare und Gideon Prewetts besorgtes Gesicht.
"Was ist los?"
Sirius seufzte und beugte sich ein Stück näher zum Spiegel, bevor er, "Sie haben Dorcas ins Mungos verlegt. Die Brandwunden sind zu schlimm.", flüsterte.
"Oh nein." James hörte wie hinter ihm jemand erschrocken nach Luft schnappte und ihm war klar, dass die Anderen Sirius Worte gehört hatten.
"Wo seid ihr genau?"
"An der Treppe zu den Kerkern."
"Ok, gib mir eine Minute." Das Gesicht seines besten Freundes verschwand und James war gerade noch damit beschäftigt den Spiegel wieder verschwinden zu lassen, als Sirius sich auch schon mit den Anderen im Schlepptau zu ihm durchschob.
"Hey."
"Hey." Sirius Augen wanderten von einem Gesicht zum Anderen, bis sie an Lunés hängen blieben. Sie erwiderte seinen Blick nicht, sondern wühlte in ihrer Tasche, bevor sie ihm ein rechteckiges Päckchen in die Hände drückte.
"Was ist das?"
"Du warst nicht beim Frühstück." Ihre Augen betrachteten Sirius Gesicht aufmerksam und James war sich sicher, dass sie, ähnlich wie er, die tiefen Schatten und die trüben Augen bemerkte.
"Danke."
"Kein Problem." Luné wandte sich ab, um mit Rubina zu reden und Sirius packte hungrig ein paar belegte Brote aus, von denen James mit Sicherheit sagen konnte, dass sie mit seiner Lieblingswurst belegt waren.
Er drehte sich zu Remus, der sich neben ihm mit Lily über Melodys Zustand unterhielt und ihren Worten konnte er entnehmen, dass sie anscheinend etwas im Schlaf über Eulen gemurmelt hatte. Es war das erste Lebenszeichen seit einer Woche.
"Wir sollten langsam auch in die Halle, oder?" Bei seinen Worten drehten sich alle zu Peter um, der ihre Aufmerksamkeit mit einem Nicken auf ihre Umgeben richtete. Die Eingangshalle war inzwischen nicht mehr ganz so überfüllt und durch die Flügeltür konnte man in der großen Halle Reihen aus Schwarz sehen.
"Nun ja...ich glaub ich hab da hinten meine Familie gesehen-" Gideon fuhr sich durch die kurzen, roten Locken und wandte sich zu Marlene. "-macht es dir etwas aus, wenn ich sie kurz begrüße?"
"Solange ich mitkomme eigentlich nicht."
"Echt?"
"Klar doch. Wobei ich natürlich nur Molly und Artuhr wiedersehen möchte. Dem Rest deiner Familie werde ich mich als verliebtes, kopfloses Mädchen präsentieren, welches dich als Geisel im Schloss und vom Mungos fernhält, bis du mich endlich nach einem Date fragst."
Auf Gideons Nase tanzten die Sommersprossen, als er lächelte. "Ach Marlene."
"Ja, Gideon?" Sie lachte leise und gemeinsam verschwanden sie zwischen schwarzen Umhängen. James war sich sicher zu sehen, wie Gideons Hand Marlenes umschloss.
Danach dauerte es nicht lange, bis auch sie sich alle in Richtung große Halle bewegten und während James Peter mit halben Ohr zuhörte, murmelte Ruby hinter ihm, "Heiliger Mist. Ich kann das nicht. Lu? Ich will da nicht rein, das geht nicht."
James wollte sich gerade überrascht herumdrehen, als Luné im Flüsterton antwortete, "Reiß dich zusammen, Rubs. Wir müssen da jetzt durch, das sind wir ihnen schuldig. Weglaufen geht nicht. Und ich bin ja bei dir."
Zuerst fiel James in der großen Halle die komplett veränderte Atmosphäre auf. Ohne die verzauberte Decke, die nun Regen und dunkle Wolken zeigte, hätte er sie vermutlich auf den ersten Blick nicht erkannt.
Die Haustische waren verschwunden und von den Flügeltüren, bis zu der Empore der Lehrer, die komplett leer war, reihte sich eine lange Stuhlreihe an die Nächste. Die vorderen Reihen waren bereits komplett von Trauergästen in schwarzen Umhängen und Kleidern besetzt und James und seine Freunde suchten sich Plätze weiter hinten.
Alle Hausbanner, die gewöhnlich die vier Häuser in der Halle repräsentierten, waren durch schwarze Schleier ersetzt worden und während James sich umsah, wurde ihm plötzlich klar, dass irgendwo in dieser Halle Catharinas Familie saß. Er dachte an die Eltern seiner Cousine und plötzlich verstand er Rubina viel zu gut. Der Schmerz war alles außer ertragbar.
James senkte den Kopf.
Die Stille um ihn herum wurde nur ab und an von kurzen geflüsterten Gesprächen unterbrochen und zwischen dem Prasseln in den Kaminen und dem Rauschen des Regens, glaubte James aus unterschiedlichsten Richtungen leises Weinen zu hören.
Dann erklang hinter ihm das Geräusch von schließenden Türen und alle Gespräche verstummten. James hob den Blick gerade, als sich aus der vordersten Reihe zwei Personen erhoben. Die kleinere von beiden war eine Frau, die auf den ersten Blick in ihrem Auftreten an Professor McGonagall erinnerte, nur mit schulterlangen, ergrauten Haaren und ohne einen Funken Wärme im Blick.
James war sich sicher sie bereits im Tagespropehten gesehen zu haben, aber erst als Rubina ihren Namen flüsterte, wurde es ihm klar.
Millicent Bagnold, die amtierende Zaubereiministerin, stellte sich neben Dumbledore, der sie bei weitem überragte, vor die versammelten Trauergäste und räusperte sich kurz vernehmlich. James glaubte für einen Augenblick Missbilligung auf Dumbledores Gesicht zu sehen.
"Sehr verehrte Damen und Heeren, liebe Schülerinnen und Schüler." Sie verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den Anderen. "Wir betrauern heute eine Tragödie. Vor einer Woche sind im Dorfe Hogsmead, durch noch nicht vollkommen untersuchte Vorkommnisse, 31 Menschen ums Leben gekommen. Dies hätte nicht geschehen dürfen. Ich versichere ihnen, im Namen des gesamten Ministeriums für Zauberei, dass wir mit den zur Verfügung stehenden Kräften an der Aufklärung des Vorfalls arbeiten. Die Schuldigen werden zur Verantwortung gezogen und das Ministerium drückt ihnen sein tiefstes Beileid aus." Die Ministerin schloss den Mund und für ein paar Augenblicke herrschte in der Halle unangenehmes Schweigen, bevor sie wieder zu ihrem Platz in der ersten Reihe zurückkehrte.
Beinah Augenblicklich wurden geflüsterte Gespräche laut und James wandte den Kopf zu Luné und Ruby. Während Rubina den Kopf gesenkt hielt, hatte Luné ihren erhoben und sie presste die Lippen aufeinander. In ihrem Blick war die gleiche Wut zu sehen, die James ebenfalls verspürte und plötzlich wurde ihm klar, dass das Mädchen neben ihm ihn von all seinen Freunden vermutlich am Besten verstand.
Er wollte gerade etwas sagen, als Dumbledore das Wort ergriff. Mit gefalteten Händen stand er vor den Schülern, Lehrern und Gästen und seine Augen hinter den Halbmondförmigen Brillengläsern schienen jeden in der Halle anzusehen.
"Das Leben ist etwas kostbares." Seine Stimme ließ alle Gespräche auf der Stelle verstummen. "Es entwickelt sich stetig und entfaltet sich mit seiner ganz eigenen Magie. Nichts von dem, was wir in diesen Mauern lehren, reicht auch nur annäherungsweise an seinen Zauber heran. Es stellt die größten Magier immer wieder vor Rätsel und es gibt nichts tragischeres als ein Leben, dass vor seiner Zeit endet." Dumbledores Blick schweifte über die vielen Gesichter. "Wir haben viel verloren. Freunde. Schüler. Lehrer. Klassenkameraden. Geschwister. Kinder. Verwandte. Sie wurden uns entrissen. Wir trauern um sie."
Er öffnete die Hände und sein Gesicht war nur das eines alten Mannes. "Die Trauer, die wir fühlen, der Schmerz in unseren Herzen, es zeigt uns, dass sie hier waren, dass sie unter uns waren und es jetzt noch sein sollten. Es sind nicht nur Namen auf Listen, die von uns gegangen sind. Es sind Leben, die gelebt wurden und die zu früh geendet haben, ganz gleich ob sie sich dazu entschieden haben Teil dieses Krieges zu sein, oder nicht. Denn der Krieg macht schon lange keinen Halt mehr vor diesen Mauern, er ist unter uns, er ist in uns. Uns wurde nie eine Wahl gelassen, so wie unseren Verlorenen keine Wahl gelassen wurde. Doch eine letzte Entscheidung bleibt unsere. Wir können uns entscheiden die Hände sinken zu lassen und die Grausamkeit für Stärker zu erklären, wir können diesen Kampf für beendet erklären und die Opfer sinnlos nennen.
Oder wir entscheiden uns, nicht aufzugeben. Wir entscheiden uns, an die Hoffnung zu glauben, die immer noch in uns allen ist, denn Gemeinsam können wir Hoffnung in dieser dunklen Zeit sein. Zusammen können wir ein Licht sein. Alleine sind wir wenige, doch gemeinsam können wir selbst die tiefste Nacht erhellen. Voldemort-" Alle Anwesenden schienen beim Klang des Namens gemeinsam angstvoll zusammenzuzucken. "-will uns genau daran hindern. Er wollte uns mit dem Angriff auf Hogsmead entzweien, Misstrauen sähen und unsere eigenen Reihen auseinander reißen. Lasst ihn nicht erfolgreich sein."
James wurde von Luné abgelenkt, die neben ihm murmelte, "Ich fasse es nicht."
"Was?"
Sie drehte ihm den Kopf zu und in ihren großen Augen spiegelte sich ein Ernst, den James nicht von ihr kannte, "Er weiß, dass wir diesen Krieg schon längst verloren haben, er weiß es genauso wie es die Ministerin weiß und wie es der dunkle Lord weiß. Ich glaube nicht, dass er diese Rede aus blindem Glauben an das Gute hält. Ich glaub es einfach nicht."
"Luné." James' Stimme war nur ein Wispern. "Es ist Dumbledore."
"Trotzdem." Sie drehte den Kopf wieder und James tat es ihr gleich.
Vorne hatte der Schulleiter begonnen, die Namen der Verstorbenen zu nennen. Und während James mit jedem neuen Namen, wie alle anderen, den Kopf neigte, konnte er ein ungutes Gefühl nicht abschütteln.
Schon damals ahnte er, dass Luné etwas erkannt hatte, doch erst ein Jahr später, als er mit seinen Freunden in Dumbledores Büro stand und dieser ihnen eine einzige Frage stellte, wurde ihm klar, was es gewesen war. Dumbledores Worte waren ein Ausruf zu einem hoffnungslosen Krieg gewesen und sie waren ihm alle gefolgt.
Als der letzte Name verklungen war, blieb es noch lange still. James dachte an Catharina und daran, wie die Trauer um sie sich in etwas anderes verwandelt hatte. Er konnte ihren Tod nicht mehr ungeschehen machen, aber vielleicht war es für anderen noch nicht zu spät.
Erst das Schlagen der Turmuhr ließ die Menschen in der Halle wieder aus der Stille erwachen und langsam erhoben sie sich und machten sich zum Ausgang auf. James half Rubina auf, die sich mit ihrem Umhangärmel über die Augen fuhr.
"Danke." Sie schniefte leise. "Ist dir aufgefallen, dass er nicht nur die 31 gennant hat?"
"Was meinst du?" Er beobachtete, wie seine Freunde sich nach und nach von den Stühlen erhoben. Manche mit versteinertem Gesichtsausdruck, andere mit verweinten Augen.
"Er hat auch die toten Todesser genannt."
James sah sie überrascht an, doch ihr Blick war von etwas anderem in der Halle gefesselt und bevor er sie darauf ansprechen konnte, landete die Hand seines Vaters auf seiner Schulter. Er fragte nicht ob James in Ordnung war, sondern er betrachtete ihn nur und James wusste, dass sein Vater ihn verstand.
"Wir wollten uns verabschieden." Mrs Potter sah erst ihren Sohn und dann den Rest seiner Freunde an. Obwohl ihrem Lächeln Traurigkeit anhaftetet, war ihr Blick doch wie eine mütterliche Umarmung.
"Warum denn das?" Peter sah traurig von James' Mum zu seinem Dad und James wusste bereits die Antwort seines Vaters.
"Es ist besser wenn wir noch heute zurück nach London apparieren, das Ministerium hat Auroren zum Schutz der Schule abgestellt, aber alle anderen werden zurückgerufen. Wir werden gebraucht." Mr. Potter sah zu seiner Frau, die sich kurz räusperte.
"Ich wünschte, wir hätten uns unter anderen Umständen wiedergesehen." Sie sah zu Luné und Lily. "Oder kennengelernt."
Zu James Überraschung trat Lily vor, "Es war auch schön Sie kennenzulernen, Mrs Potter." Sie wollte ihr die Hand reichen, doch James Mum zog sie in eine Umarmung.
"Dorea, bitte."
Als sie sich trennten waren Lilys Wangen gerötet und ein breites Lächeln ließ ihr Gesicht strahlen. Danach trat Luné vor und James fand es beinah amüsant, wie schüchtern sie vor der kleineren Frau wirkte, bis diese sie ebenfalls umarmte. Nach und nach traten alle vor um Dorea zu umarmen und James war sich sicher, dass sie jedem etwas zuflüsterte und wie er seine Mutter kannte, waren es vermutlich genau die richtigen Worte.
Vor James war Sirius an der Reihe und wie beinah immer war er befangen, als Mrs Potter ihm liebevoll über den Kopf strich und ihn dann in eine lange Umarmung zog.
"Meine Jungs." Sie drückte Sirius einen Kuss auf die Wange und öffneten einen ihrer Arme für James. "Ich bin so stolz auf euch."
"Ach Mum." James lachte verlegen, doch trotzdem umarmte er seine Mutter, und gleichzeitig seinen besten Freund, fest.
"Liebling." Mr. Potter trat an sie heran. "Die Anderen machen sich zum Aufbruch bereit. Und wir sehen sie ja bald wieder."
"Du hast recht." James' Mum ließ sie los. "Eure Zimmer habe ich schon von dem üblichen Chaos befreit, auch wenn ich meine ihr solltet langsam lernen hinter euch selbst aufzuräumen."
"Aber Mum, dafür gibt es doch Hauselfen-"
"-Keine Wiederrede, junger Mann." Dorea stemmte die Hände in die Hüften und James verdrehte seufzend die Augen. In solchen Angelegenheiten konnte seine Mutter unerbittlich sein. Immerhin hatte sie den Hauselfen über Silvester verboten, sich um die Rumtreiber zu kümmern, weshalb sie schließlich nach Schottland zu Melody geflohen waren.
"Nun ja, Mrs Potter." Sirius kratze sich am Hinterkopf und James verdrehte erneut die Augen, er wusste schon was sein Freund wieder ansprechen würde. "Weil ich ja jetzt eine eigene Wohnung habe-"
Mrs Potter unterbrach ihn, "Sirius, Schatz, denk gar nicht daran. Nach deinem Abschluss können wir darüber reden und keinen Tag früher."
Auf Sirius Gesicht kämpfte Verlegenheit mit Freude und hinter ihm hörte James ein unterdrücktes Lachen. Zu seiner Überraschung kam es von Luné.
Nachdem James und Sirius sich von Mr Potter verabschiedet hatten, und seine Eltern zwischen den schwarzen Umhängen verschwunden waren, standen sie alle etwas unschlüssig in der großen Halle, in der immer noch Gruppen von Schülern und Erwachsenen in gedämpften Tonfall miteinander sprachen.
"Nun ja." Sirius sah etwas betreten in die Runde. "Ich geh dann mal wieder."
"Wohin?" Es war Peter, der fragte.
"Schätze zu Cindy." Sirius zuckte mit den Schultern und er wollte sich bereits wegdrehen, als Rubys Stimme ihn zurückhielt.
"Sirius!"
"Ja?" Er drehte sich verwundert zu ihr und James konnte Rubys Gesichtsausdruck nicht recht deuten, eine Mischung aus Wut und Hilflosigkeit und dem Rubina so eigenen Trotz.
"Du bist ein Arsch." Sie holte tief Luft. "Und ich hasse dich dafür, dass ich immer noch Gefühle für dich habe."
"Was?"
Doch statt einer Antwort trat sie einfach auf ihn zu und küsste den verdatterten Sirius. Dieser hatte Ähnlichkeit mit einem verwirrten Welpen, als sie ihn wieder losließ und er schaffte nur ein, "Was bei Merlins Unterhose?"
James sah Rubys Gesicht nicht, als sie sagte, "Das hatte ich auch besser in Erinnerung.", aber nachdem sie sich wieder zu ihnen gedreht hatte, kam er nicht umhin festzustellen, dass sie irgendwie zufrieden aussah.
Neben James murmelte Luné etwas auf Deutsch und Rubina drehte sich, plötzlich verlegen, zu ihr herum.
"Ich hab wohl ein bisschen den Kopf verloren."
"Machst du Witze?" Luné stürzte plötzlich auf sie zu und fiel ihr um den Hals. "Das war genial! Spuckender Wasserspeier, ich bin so stolz auf dich."
Sie lachten laut und die Menschen in der Halle drehten sich verwirrt zu den Mädchen herum, die sich lachend umarmten.
Ein paar schüttelten den Kopf, andere lächelten schwach, während Sirius' Gesichtsausdruck zwischen Fassungslosigkeit und einem Lächeln erstarrt zu sein schien. "Die sind doch übergeschnappt. Wie konnten wir uns je mit solchen Verrückten anfreunden?"
"Gute Frage, Padfoot." James legte einen Arm um Sirius' Schulter und tauschte einen Blick mit Peter, der die Augen verdrehte und dann Remus gegen die Schulter boxte, "Ja, wie nur, Moony?"
Selbst Remus Mundwinkel zuckten und kopfschüttelnd murmelte er, "Wenn ich das nur wüsste."
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