Everything in life comes with a price*
"Have you ever asked yourself, do monsters make war, or does war make monsters?"
-Laini Taylor, Daughter of smoke and bone
__________________
Everything in life comes with a price
Leopold Rosendorns P.O.V
Der Rauch stieg beinah schon anmutig gen Himmel und Leopold folgte ihm mit seinem Blick. Erst als er nicht mehr zu erahnen war, hob der blonde Mann die linke Hand und zog bedächtig ein letztes Mal an der Zigarette. Der Geschmack dieses Zuges breitete sich in seinem Mund aus, setzte sich in ihm fest und als sich Leopold sicher war ihn nie wieder vergessen zu können, ließ er den Qualm frei.
Er folgte ihm nicht mehr mit seinen Augen, sondern zertrat die Überreste der Zigarette im Schnee und warf gleich darauf eine nun leere Schachtel hinterher. Es hatte nicht lange gebraucht sie zu leeren.
Sein schwarzer Umhang war nicht geschlossen und bei jedem Schritt auf dem knirschenden Boden fuhr die Kälte durch sein Hemd. Doch Leopold störte sich nicht an ihr, er genoss sie.
Zum ersten Mal gestatte er sich einen Blick zur Seite, auf den verschneiten Vorgarten des Anwesens. Dies hier war nicht Berlin, es war eine verschneite Straße und scheinbar verlassene Anwesen, welche sich alle hinter hohen Zäunen versteckten. Aber besser als kein letzter Blick auf die Stadt, in deren Menschenmassen er schon oft untergetaucht war.
Vor der hölzernen Flügeltür klopfte er den Schnee von seinen Stiefeln und trat ein. Selbst nach all den Jahre konnte er nicht eintreten, ohne kurz den Kopf zu neigen. Erziehung war eben Erziehung.
In der Eingangshalle des Hauses war es warm und seine leicht blau angelaufenen Finger kribbelten. Halb erwartete er seine Großmutter, Emilia, am Anfang der Treppe zu sehen, die ihn fragte, was ihn veranlasste wieder nach Berlin zu kommen. Aber Leopold wusste, dass sie ein paar Straßen weiter bei den Berghaus' zu Abend aß. Außerdem war er nicht gekommen, um mit ihr zu sprechen.
Die unzähligen Porträts, die sich bis zur stuckverzierten Decke reihten, schwiegen und taten als würden sie ihn nicht beachten, nur eines blickte ihm entgegen.
Die blonde Frau musterte ihn mit ihren strahlend blauen Augen. Sie saß nicht wie üblich in dem Sessel, mit welches sie gemalt worden war, sondern stand halb hinter seiner Lehne und erinnerte in ihrem hochgeschlossenen Kleid an ihre Tochter.
"Maralina." Leopold lächelte kühl. Seine Urgroßmutter nickte kaum merklich. "Leopold."
"Ich bin hier, um dich um etwas zu bitten."
Ihre Augenbraunen hoben sich. Vermutlich ahnte sie, warum ihr Urenkel wieder nach Berlin gekommen war. Trotzdem fragte sie: "Darf ich fragen worum?"
"Du musst etwas für mich aufbewahren."
"Erneut?"
"Erneut." Leopold nickte und zog aus seinem Umhang ein Foto. "Ich muss dem Brief noch etwas hinzufügen. Um mehr werde ich dich nicht bitten."
"Darf ich es sehen?" Ihre Bitte überraschte ihn und verwundert sah er ihr in die Augen, dann hob er wortlos das Bild und hielt es so, dass sie es sehen konnte.
Nach all den Jahren, in denen er es immer wieder herausgeholt hatte, nur um es schnell wieder verschwinden zu lassen, hätte das Bild eigentlich Schade nehmen müssen, aber Leopold hatte es mit einem Zauber geschützt. Es war das kostbarste, was er noch besaß.
"Ist das Luné-Marie?" Maralinas Augen flogen über das Bild, sie schien jedes Detail in sich aufzunehmen.
"Ja, da war sie gerade ein paar Tage alt."
"Wer hat es gemacht?"
"Meine...Mutter. Mit einer Muggelkamera." Leopold ließ das Bild wieder sinken, seine Hände zitterten leicht, während er das Baby und sein jüngeres Selbst betrachtete. Hätte Leopold den Blick gehoben, so hätte er das Mitleid in Maralinas Augen gesehen.
"Du siehst darauf wie ein stolzer großer Bruder aus..."
Leopold antwortete nicht. Auf dem Bild war er neun und nach der Geburt seiner Schwester hatte er mehrere Wochen bei seinen Eltern bleiben dürfen, nicht wie gewöhnlich nur einzelne Tage. Er hatte sich über das schlafende Baby gebeugt und es vorsichtig geküsst.
Leopold hätte das Bild stundenlang betrachten könne. Damals hatte er so wenig gewusst. "Erfüllst du mir diese letzte Bitte?"
Als Antwort schwang Maralinas goldverzierter Rammen beiseite und offenbarte einen Hohlraum direkt in der Wand. In ihm lag ein einzelner Briefumschlag, den Leopold herauszog.
Zwei Jahre hatte er dort gelegen und nachdem Leopold den Staub fortgestrichen hatte, zog er einen Brief heraus. Seine Augen flogen über die Worte. Es waren seine eigenen. Nicht viele, längst nicht genug um alles was gesagt werden musste zu sagen, aber er hoffte, dass es ausreichte.
Nachdem er das Bild und den Brief in den Umschlag gesteckt hatte, legte er ihn zurück und Maralinas Gemälde schwang an seinen Platz. "Danke."
"Beharrst du immer noch auf deinen Beschluss? Ich soll ihn Emilia geben?"
"Ja. Nur ihr. Sag ihr, er ist für Luné. Und wenn sie sich weigert, sag ihr, dass ihr Enkel hofft, dass sie von den zwei Dingen, die er je von ihr verlangt hat, wenigstens die Zweite erfüllt."
"Was war die Erste?"
"Dass sie meine Schwester beschützt." Leopold wollte apparieren, als Maralinas Stimme hielt ihn zurück. "Du könntest fliehen...deine Eltern haben es auch getan! Nur, weil du jetzt keinen anderen Weg siehst, heißt das nicht, dass es keinen gibt."
"Lebewohl, Maralina." Leopold hob als Abschied kurz die Hand und verschwand dann. Der verzweifelte Blick seiner Urgroßmutter schwebte ihm noch vor Augen, als seine Füße sekundenspäter wieder auf festen Boden trafen. Mit einem Kopfschütteln verjagte er das Bild, es gab wichtigere Dinge. Mit zwei weiteren Sprüngen legte er hunderte Kilometer zurück, doch auf den ersten Blick verrit seine neue Umgebung dies nicht.
Auch hier gab es große Häuser und abwehrende Zäune, nur das es sich hier um einen Vorort Londons handelte. Er folgte einer gewundenen Auffahrt, bis er vor einem hohen schwarzen Tor stand, welches wie ein Fremdkörper zwischen den verblühten und wildwuchernden Rosenbüschen wirkte.
Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass er das Anwesen der Lestranges besuchte, weshalb er nur kurz den Zauberstab hob und über eine im Metall eingravierte Schlange fuhr. Das dunkle Mahl auf seinem Arm kribbelte, während die Schlange das Maul öffnete. Leopold glaubte beinah ein Fauchen zu hören, als das Tor einfach verschwand.
Hinter diesem wand sich der Weg weiter den Hügel hinauf, bis zu einer großen dunklen Villa. Leopold folgte ihm und achtete dabei genau darauf den Pfad nicht zu verlassen. Der Garten der Lestrages hatte einen gewissen Ruf und er war nicht wirklich darauf aus zu erfahren, warum Alan Rosier von einem Spaziergang im Garten nie wiedergekommen war.
Auf der Hälfte des Weges begegnete er den Lestrange Brüdern, Rabastan und Rodolphus. Sie nickten ihm kurz zu und Leopold lief wortlos an ihnen vorbei. Es überraschte ihn nicht Rodolphus zu treffen, obwohl dieser eigentlich in Hogwarts sein sollte. Er war nicht der einzige Slytherin, der in dieser Nacht nicht in seinem Bett lag.
Gerade als Leopold die Treppen zur Eingangstür erreichte, ging die Sonne komplett unter und urplötzlich schien es kälter zu werden. Er biss die Zähne zusammen und drückte die Tür ohne erkennbares Zögern auf.
Innen erwartete ihn gedämpftes Licht und eine vollkommen Stille. Jedes Geräusch, welches die dunkelgekleideten Personen in der Eingangshalle machten, wurde sofort von den überlagen Samtvorhängen und den dicken Teppichen verschluckt.
Mit großen Schritten durchquerte er den Raum, viele Gesichter erkannte er aus dem Augenwinkel: Dolohow, Rookwood, Avery, Mulciber, Nott, Rosier und natürlich den Hausheern, Lestrage Senior. Sie waren alle alte Schulkameraden seines Vaters, genauso wie der dunkle Lord persönlich. Und Leopold vermutete, dass sie ahnten, warum sie gerade heute zusammengerufen wurden.
Ihre Blicke nicht beachtend, trat er in den nächsten Raum. Dort waren weniger Personen und Leopold sah beinah nur junge, ihm unbekannte Gesichter.
In einer Ecke, möglichst weit von den Flügeltüren, die in den Salon führten, entfernt, stand Regulus Black zusammen zwei Frauen in eleganten Umhängen. Ohne es wirklich zu beabsichtigen, beschleunigten sich seine Schritte beim Anblick der jüngeren Frau, welche auch sogleich zu ihm herumfuhr.
"Leo." Über ihr schmales Gesicht zuckte etwas wie ein Lächeln, welches angesichts des Anlasses ihres Treffens gleich wieder verschwand. Ihre Blicke verhakten sich und erst mehrere Herzschläge später, schaffte es Leopold sich von Maybell Summers hellen Augen loszureißen.
Er wandte sich an deren Schwester, die ältere Frau und Hausherrin. „Madame Lestrange." Er küsste ihre kalte Hand und betrachtete dann ihr verhärmtes Gesicht. Falten gruben sich bei jedem ihrer wenigen Treffen tiefer in ihre Haut und gemeinsam mit den grauen Strähnen in ihren hellbraunen Haaren, wirkte sie Jahrzehnte älter als ihre Schwester. Ein sanftes Lächeln spielte um ihren Mund, welches Leopold verriet, dass sie wie üblich unter dem Imperius ihres Mannes stand.
Er wandte sich an das letzte Mitglied der Gruppe, den jungen Regulus Black. Dieser schien sich unter den Blicken aller sichtlich unwohl zu fühlen und kurz tauschte Leopold einen Blick mit Maybell, welche traurig die Schultern hob.
"Regulus." Der Blick des Jungen schoss sofort zu Leopold und der blonde Mann glaubte darin ehrliche Angst zu sehen. "Wie lange bist du schon hier?"
"Hier? Meinst du hier, bei den Lestranges, oder..."
„Wann seid ihr aus dem Schloss aufgebrochen?", präzisierte Leopold. Warum genau er das fragte, wusste er auch nicht. Womöglich weil es ihn davon abhielt, erneut die junge Frau neben sich anzusehen. Die junge Schwester der Hausherrin, über die jeder die Gerüchte gehört hatte. Sie alle glaubten, Maybell Summers hätte den Verstand verloren. Bei dem Gedanken an diese Lüge, ballte Leopold die Fäuste.
Neben Regulus ging der Blick der Hausherrin in die Ferne. Dies ausnutzend, sagte Leopold: „Regulus, hör mir zu." Er sah den Jungen an, welcher sich nervös die schwarzen Haare aus der Stirn strich und dabei beinah flehend seinen Blick erwiderte. Die Angst des Jungen kannte Leopold selbst noch von seinen ersten Versammlungen. „Du musst dir keine Sorgen machen, der dunkle Lord wird heute wieder jemanden bestrafen, aber es wird keiner von euch Schülern sein."
Bei seinen Worten wurden Regulus' hellblaue Augen immer größer und sein Blick huschte kurz zu seinen Klassenkameraden, die gar nicht weit entfernt standen und genau so angespannt wie er wirkten. Leopold hatte ihre Rekrutierung kordiniert und wusste daher, dass keiner von ihnen älter als 16 war.
"Bist du dir sicher? Rodolphus hat gesagt, dass einer von uns neuen für heute Abend verantwortlich ist..."
"Er hat selbst keine Ahnung."
"Bist du dir da sicher?"
"Ja." Prüfend sah Regulus ihm in die Augen, dann nickte er langsam. "Du weißt, warum wir heute hier sind, oder?"
Bevor Leopold nickte, sah er zu den Summers Schwestern. Er wusste, dass die Schwestern nie ein Wort über dieses Gespräch verlieren würden. Es gingen beiden schon seit Jahren nur noch darum lebend aus der ganzen Sache zu kommen. Wer den Krieg dafür gewinnen musste, war nicht relevant. Seit Rubina, die Tochter der Hausherrin und Maybells Nichte, verstoßen worden war, hielten sie sich nur noch gegenseitig am Leben.
Vermutlich hätte Regulus am liebsten gefragt, warum sie alle aus dem Nichts auf das Anwesen der Lestranges kommen mussten, aber er sagte stattdessen: "Du weißt, dass ich deine Schwester heiraten werde."
Leopold schwieg kurz, dann nickte er langsam. "Ja-" Der Gedanke an seine kleine Schwester schien es aus einem anderen Leben zu stammen. „-das weiß ich."
"Bist du damit einverstanden?"
"Es wird sie schützen." Er wollte noch mehr sagen, doch Maybells Stimme ließ ihn den Kopf wenden. Trotz all seiner Vorsätze würde er ihrer Stimme niemals widerstehen können. Sie erinnerte ihn an so viel einfachere Zeiten.
„Leo" Mit einem Lächeln legte den Kopf schief. "Rubina und Luné-Marie sind befreundet, Regulus hat es mir erzählt. Es klingt, als wäre sie in Hogwarts sehr glücklich."
Eine unausgesprochene Frage schwang in ihren Worten mit und Leopold öffnete den Mund, um etwas zu sagen, dessen schlichter Gedanke sich anfühlte, als würde sich ein Dolch in seine Eingeweide bohren. „Bell, wegen meiner Schwester..."
Doch bevor er weitersprechen konnte, hob sie plötzlich die Hand und berührte seine Wange. Erschrocken erstarrte Leopold. Sie war ihm so selten in all ihren Jahren der Freundschaft nahegekommen, dass er beinah versucht war sich vollkommen in die kleine Geste zu lehnen. So, als könnten ihn Maybells Nähe beschützen.
Erneut setzte er an: „Bell, es tut mir leid." Er wusste, dass seine Worte wertlos waren. Angesichts dem, was er im Begriff war zu tun, waren alle Worte ohne wert. Manche Dinge waren zu fürchterlich, als das es Worte für sie gab. Der Verrat an ihr, ließ keinen Raum für Verzeihen. Doch trotzdem sprach er weiter: „Bitte, Bell, vergiss mich nicht."
Er fing ihre Hand auf, welche von seiner Wange glitt, während sich ihre Augen weiteten. Schock schien sich von diesen auszubreiten, bis er Maybells ganze vertraute Gestalt gefangen hielt.
"Der dunkle Lord ist da." Regulus' Stimme ließ sie beide zusammenzucken und als Leopold sich umdrehte, sah er, dass all die dunkel gekleidete Menschen zum Salon strömten.
Maybells Hand umschloss seine und Leopolds ganze Entschlossenheit wankte in diesem Moment, als stände er an einem Abgrund, kurz vor dem unausweichlichen Fall. Sein Blick traf auf ihre Augen und er sich nicht einmal mehr sicher, was er dort sah. Oder was sie in seinen entdeckten konnte. Langsam zog er seine Hand aus ihrer.
Der Moment, in dem er sich von ihr abwandte, war viel zu schnell vorbei. Er ließ Maybell Summers hinter sich zurück und schloss sich den anderen an. Beinah spürte er etwas viel Erleichterung über den Schmerz. Überhaupt etwas zu fühlen, war manchmal ein vergifteter Segen, aber es war besser, als die Taubheit, die ihn durch das letzte Jahr getragen hatte.
Hinter den Flügeltüren lag ein großer Raum, in dessen Mitte ein langer verzierter Tisch stand. Alle übrigen Möbel waren achtlos an die Wände geschoben worden. Ein steinerner Kamin war die einzigen Lichtquellen und der flackernde Schein des aufgeschichteten Feuers erhellte schwach zahlreiche Wandteppiche und blasse Gesichter, während alle ihre Plätze einnahmen.
Leopold blieb kurz auf der Schwelle stehen und sah Regulus, der ihm die ganze Zeit gefolgt war, an. Er war ein Freund seiner Schwester und ihr Verlobter, weshalb Leopold so leise wie möglich sagte: „Was auch immer gleich passiert, bleib an deinem Platz und tu und sag nichts dummes."
Regulus wirkte kurz erschrocken, aber dann nickte er und setzte sich zwischen einen zwei Hogwartsschüler. Es waren Severus Snape und Lucius Malfoy.
"Leopold Rosendorn", sagte eine hohe, klare Stimme vom Kopfende des Tisches. "Komm hierher."
"Herr." Leopold lief um die anderen herum. Alle, die inzwischen an ihren Plätzen saßen, starrten entweder auf die verzierte Tischplatte oder folgten ihm mit ihrem Blick.
Der dunkle Lord saß direkt vor dem Kamin, weshalb es für den blonden Mann erst schwierig war, mehr als seine Silhouette zu erkennen. Als er jedoch nähertrat, stand er einem schwarzhaarigen blassen Mann gegenüber, ungefähr so alt wie sein Vater. Er war so dunkel gekleidet, dass es einen Augenblick wirkte, als würde sein Kopf zusammen mit seinen weißen Händen in der Luft schweben. Zu seinen Füßen lag eine große Schlange.
"Dort hin." Er deutete auf den leeren Stuhl links von ihm und Leopold nahm dem ihm zugewiesenen Platz ein. Ihm gegenüber saß nun Jarkko Jungson. Dieser sah Leopold kurz ohne jegliche Emotionen in die Augen, bevor er sich wieder an seinen Herren wandte.
Jarkko hatte in Durmstrang zu Leopolds Freunden gezählt und Leopold war es auch gewesen, der ihn den richtigen Leuten empfohlen hatte. Seit dem Tag, an dem er das dunkle Mal trug, hatte er in kurzen Abständen seine Frau und seine drei Kinder verloren. Dafür war er gegen jede Wahrscheinlichkeit Schulleiter von Durmstrang geworden.
"Nun..." Voldemort setzte sich ebenfalls. Seine blassen Lippen kräuselten sich, während er den Blick über seine Anhänger schweifen ließ. Niemand hielt seinem Blick lange stand, von den Schülern schaffte es nur der schwarzhaarige Severus Snape neben Regulus nicht sofort den Kopf zu senken. "Weiß irgendjemand, warum wir heute hier sind?"
Unruhig sahen sich die meisten um, als erwarteten sie, dass die Antwort auf diese Frage irgendwo an den Wänden stand.
"Niemand?" Die schwarzen Augen des dunklen Lords wanderten zu Jarkko an seiner Seite, über dessen ausdrucksloses Gesicht Schatten tanzten. "Zu unserer Freude beehrt uns Jarkko Jungson heute ausnahmsweise wieder mit seiner Anwesenheit. In letzter Zeit war er schließlich sehr beschäftigt."
Im Raum war nur noch das Knistern des Feuers und das gelegentliche Zischen der Schlange zu hören, während alle gespannt zu Jarkko sahen. Dieser blieb vollkommen regungslos, nur ein kaum wahrnehmbares Zucken seines Augenlids, ließ erahnen, dass er den Blick des dunklen Lords wahrnahm. „Ich hatte vor einiger Zeit einen Auftrag." Jarkkos Lippen bewegten sich kaum und sein von einem starken Akzent durchwebtes Englisch, war beinah leiser als ein Flüstern. Selbst Leopold hatte Mühe ihn zu verstehen. „Es ging darum, mehr über die Aktivitäten einer Familie herauszufinden." Er hustete leise und gequält und die Anspannung im Raum verdichtete sich. Ein lächerlich hoffnungsvoller Gedanke breitet sich in Leopolds Kopf aus. Möglicherweise ging es um eine andere Familie, möglicherweise blieb ihm noch mehr Zeit. „Es ging um-" Jarkko zögerte und in dem Moment, als seine Augen Leopolds trafen, wusste er es, noch bevor Jarkko flüsterte: „-die Rosendorn."
Die Hoffnung verschwand aus seinen Gedanken. Er hatte immer gewusst, worauf dies alles endgültig hinauslaufen würde. Doch all die Gefühle, die nun in seinem Inneren herumwirbelten und gegen die Oberfläche stießen, die Intensität, mit der sie verlangten, gefühlt zu werden, sie schnürten ihm die Kehle zu und ließen ihn sogar Jarkkos Verrat vergessen.
"Wie praktisch, dass heute Mitglieder besagter Familie anwesend sind." Die schwarzen Augen des dunklen Lords verengten sich, während die große Schlange erregt fauchte, als würde sie die veränderte Stimmung ihres Heeren spüren. Niemand am Tisch schien auch nur zu blinzeln, als sich das riesige Reptil auf die Holzoberfläche schob.
"Nagini" Voldemorts lange, weiße Finger liebkosten ihren glänzenden Körper. Er schien noch weiter zu sprechen, doch nun war seine Stimme ein Fauchen und Zischen und die Schlange wand ihm ihren großen Kopf zu, bevor sie sich weiterschob. Die Männer lehnten sich in ihren Stühlen zurück und zogen ihre Hände von der Tischplatte, sobald der Kopf in ihre Nähe kam. Ein paar Schüler wirkten sogar der Ohnmacht nahe, sie hatten die Schlange noch nie aus der Nähe gesehen.
Dann stoppte die Schlange vor einem Jungen. Er trug noch seine Durmstrang Uniform und sein blondes Haar waren von einer Pelzmütze bedeckt. Er hatte weiche Gesichtszüge und wirkte dadurch noch recht jung, doch Leopold wusste, dass er bereits achtzehn war und das dunkle Mal seit seinem siebzehnten Geburtstag trug. Der Junge war einer seiner Großcousins.
Die für einen Rosendorn typischen blauen Augen lagen verwundert auf der Schlange, dann zischte Voldemort etwas und Leopold sah sogar auf die Entfernung, wie sich die Augen des Jungen vor Erkenntnis weiteten, einen Herzschlag bevor die Schlange mit einer gewaltigen Kraft vorschnellte und der Junge mitsamt seinem Stuhl zu Boden krachte.
Selbst Evan Rosier, der neben dem Jungen gesessen hatte, wandte den Blick ab, als im Raum erstickte Schreie und das Geräusch von brechenden Knochen zu hören waren.
„Was sollen denn diese Gesichter?" Voldemort erhob sich in einer einzigen fließenden Bewegung und begann langsam um den Tisch herum zu schreiten. "Jarkko wurde natürlich fürchterlich gerne fortfahren." Voldemorts Blick glitt kurz zu besagtem, dessen Auge zuckte. „Allerdings hat er es geschafft seine Stimme durch eines seiner Experimente zu ruiniere, daher will ich so gnädig sein und seinen Bericht fortführen. Es geht um die Rosendorns. Eine Familie, die allen bekannt sein sollte." Voldemorts Lippen kräuselten sich wieder. Er war inzwischen bei einer anderen Rosendorn angekommen und er legte die Hände auf die Lehne ihres Stuhles. Das braungebrannte Mädchen starrte Leopold an. Dieser schüttelte unmerklich den Kopf, er konnte ihr nicht helfen. „Es ist noch gar nicht lange her, dass es hieß, die Familie sei zu mächtig geworden. Julius Rosendorns war sogar Zaubereiminister. Zwar nur in Deutschland, aber er hat dafür gesorgt das Schlammblüter dort nicht mehr in die Schulen dürfen." Zustimmendes Gemurmel wurde laut. "Eine Sache, die wir bei uns noch nicht in den Griff bekommen haben." Augenblicklich wurde es stumm. "Aber da mir meine treuen Anhänger ja versichern, dass der Sturz des Ministeriums beinah schon bevorsteht, kann ich natürlich ganz beruhigt sein."
"Herr..." Augustus Rookwood war aufgestanden. "Wir sind zuversichtlich das Ministerium noch vor dem Sommer zu stürzen. Es nur eine Frage der Zeit, bis wir Millicent Bagnold unter den Imperius bringen."
"Eine Frage der Zeit also." Voldemort war weitergeschritten und drehte nun, wie es schien, gedankenverloren seinen Zauberstab zwischen den langen Fingern. Rookwoods nach Anerkennung lechzenden Blick ignorierte er. "Zuversicht ist eine interessante Sache. So leicht zu zerstören. Macht ist mir da schon wieder lieber. Ich hatte nichts gegen die Macht der Rosendorns, sie hat dafür gesorgt, dass weniger Diebe unserer Magie die Welt mit ihrem dreckigen Blut besudeln. Noch vor kurzem wurde mir sogar durch die Erbin die Gefolgschaft ihrer ganzen Familie zugesichert. Luné-Marie, oder wie sie lieber genannt wird...Lulu."
Am Tisch lachten ein paar. Leopold beachtete sie nicht, sein Blick lag auf Regulus und Lucius. Die Schuld stand den Kindheitsfreunden seiner Schwester deutlich in die Gesichter geschrieben. „Nun, unsere liebe Lulu war immer ein wenig rebellisch, hat sich mit Blutsverrätern, Schlammblütern und anderem wertlosen Gesindel angefreundet. Aber zugunsten der Macht ihrer Familie bin ich bereit jugendliche Dummheit zu verzeihen. Vor allem, weil ihre Hochzeit doch bevorsteht, nicht Regulus?"
Regulus nickte stumm. Er schien darum bemüht seine Gefühle zu verbergen, aber auf seinem jungen Gesicht konnten man lesen, wie in einem Buch. Er hatte Angst. Höhnisches Grinsen war die Antwort der älteren Todesser. Sie genossen die Demütigung des Jungen.
"Unser junger Freund wird Luné-Marie heiraten. Die Rosendorn und Blacks werden sich verbinden. Seltsam eigentlich, dass niemand etwas gegen diesen Machtzusammenschluss hat." Nun sahen viele verwundert aus, vermutlich grübelten sie nun, was sie gegen eine simple Heirat einwenden sollten. „Aber, wie schon gesagt, gegen Macht habe ich, wenn sie für mich arbeitet, nichts einzuwenden. Gegen Verrat aber schon."
Augenblicklich wurde es am Tisch still. Alle starrte nun Leopold an, welcher den Blick des dunklen Lords erwiderte, ohne sich eine äußerliche Gefühlsregung zu erlauben. Hellblau traf auf Schwarz und für mehr als einen kurzen Augenblick glaubte Leopold, in dem Schwarz ein rotes Lodern zu sehen. Es war nicht das erste Mal und er war sich sicher, dass es nicht vom Kaminfeuer kam. "Jarkko hatte den Auftrag die Familie im Auge zu behalten und die Liste der Dinge, die er herausgefunden hat, würde zu lange dauern, leider natürlich. Am Ende aller Ereignisse steht, dass Julius Rosendorn zusammen mit seiner Schlammblutfrau geflohen ist." Voldemort stand nun wieder an seinem alten Platz und ließ Leopold bei keinem seiner Worte aus den Augen.
Kurz ballte Leopold die Hände unterm Tisch zu Fäusten, dann stand er entschlossen auf. "Herr, mein Vater wusste nicht, dass die Frau, die mich zur Welt brachte, unreines Blut in den Adern hat. Sie wurde aus unserer Familie verstoßen." Während er sprach, kamen ihm seine Worte selbst fremd vor. Als würde ein anderer Leopold Rosendorn seine Familie verteidigen.
"Ist das so? Dein neu erwachter Familiensinn ist wirklich ehrbar, leider habe ich andere Informationen. Und diese stammen aus weit verlässlicheren Quellen als du es bist." Je ruhiger Voldemort wurde, umso gefährlicher wurde er. Das wusste Leopold genauso wie alle anderen Anhänger. Wellen der kalten Wut schienen von ihm auszugehen und Leopold musste sich zwingen, nicht zurückzuweichen.
"Mein Herr, falls Ihr unzufrieden mit meinen Handlungen seid, falls ich Fehler gemacht habe, dann bestraft mich, doch meine Handlungen sind vollkommen losgelöst von meiner Familie. Ich allein trage die Verantwortung."
"Wie edel von dir, Leopold. So kenne ich dich wirklich nicht. Ich bin tatsächlich nicht mit dir zufrieden."
"Herr." Leopold sank auf die Knie.
Voldemorts Lippen verzogen sich zu etwas, das im entferntesten Sinne ein Lächeln darstellte. "Du hast viele, die gegen uns waren, beseitigt. Allen voran unseren geschätzten früheren Zaubereiminister. Allerdings fangen da auch die Probleme an. Du hast weder dem Auftrag entsprochen Julius und Camille Rosendorn zu töten, obwohl du genügend Gelegenheiten hattest, noch hast du uns den Gefallen getan Emilia endlich loszuwerden. Was soll ich davon nun halten?"
"Mein Herr, die Mitglieder meiner Familie verfügen über mächtige magische Fähigkeiten, es war..."
"Leopold, Leopold..." Voldemort schüttelte sachte den Kopf. "Vor wenigen Wochen hattest du den Auftrag das Haus deiner Eltern einzunehmen und zu zerstören. Erst wurde mir gesagt, dass die Schutzzauber zu mächtig seien, dann, dass ihr sie nicht im Haus vorgefunden habt. Mir wurde aber nun zugetragen, dass dein Vater sehr wohl dort war. Leopold Rosendorn, du hattest fünf Todesser an deiner Seite und willst mir wirklich sagen, dass er einfach so entkommen konnte?"
"Mein Herr..." Leopold senkte demütig den Kopf. "Er ist durch meine eigene Unachtsamkeit entkommen, es hätte nicht passieren dürfen."
"Wie rührend. Der tapfere Sohn nimmt alle Schuld auf sich." Am Tisch lachten mehrere. "Nun, Leopold, ich habe entschieden, dass deine kleine Schwester verschont bleibt."
Leopold glaubte zu spüren, wie sein Herz einen Schlag lang aussetzte. Jetzt konnte ihm alles egal sein, mehr hatte er nie erreichen wollen.
"Allerdings hat alles im Leben seinen Preis, richtig?" Der dunkle Lord lachte grausam und trotz seines gesenkten Kopfes wusste Leopold, dass die Todesser am Tisch Blicke tauschten. "Jemand muss für das Verhalten der Rosendorn bezahlen. Wie praktisch es da doch ist, dass mich heute die Kunde erreicht hat, dass du mit Dumbledore Kontakt aufnehmen wolltest. Schade, dass er dich abgewiesen hat. Wolltest du ihm etwas über deinen Auftrag erzählen? Wirklich jammerschade, dass du an diesem gar nicht mehr teilnehmen wirst."
Leopold hob wieder den Blick. Er hatte gewusst, dass er an diesem Tag sterben würde, schon seit Wochen wusste er, dass seine Tage gezählt waren. Doch jetzt, wo er seinem Tod wortwörtlich in die Augen sah, wehrte sich alles in ihm dagegen. Er hatte gedacht in diesem Moment ruhig zu sein, aber sein Herz schlug nur umso schneller, jetzt wo seine Schläge gezählt waren und sein Verstand suchte krampfhaft nach einer Ausrede. Etwas, das er sagen konnte, um seine Lebenszeit zu verlängern. Leopold Rosendorn wollte nicht sterben.
Voldemort hob langsam seinen Zauberstab, das Rot in seinen Augen schien überhand zu nehmen, seine blassen Lippen kräuselten sich und seine Stimme war eher ein Zischen, als er flüsterte: "Hast du etwa gedacht, du könntest einer von den Guten werden? Leopold Rosendorn, jetzt wo dein Leben vorbei ist, lass mich dir noch eines sagen. Es gibt kein Gut und Böse. Es gibt nur Macht und jene, die zu schwach sind, nach ihr zu streben." Der dunkle Lord schien zu erwarten, dass Leopold noch etwas sagte, aber dieser blieb stumm. Es gab nichts mehr, dass es noch wert war, gesagt zu werden. Er stimmte seinem Herrn zu, Macht war das einzige was zählte, das hatte er gelernt.
Leopold hatte seinen Preis gezahlt. Er hatte mehr Menschen verloren, als gewonnen und mehr Leben genommen, als gegeben.
Seine Eltern kamen ihm in den Sinn, schon immer vom ihm entfernt. Seine Großeltern, kühl und auch grausam. Maybell, gefangen in ihrer Welt, wie gerne wäre er nun bei ihr. Luné, zerbrochen und doch so ganz anders als er. Vielleicht lohnte sich sein Tod doch.
Leopold schloss seine hellblauen Augen, die seine kleine Schwester einmal mit Eis verglichen hatte. Nun schmolz das Eis in ihnen und Tränen rollten über seine blassen Wangen. Er schämte sich nicht zu weinen. Wenn er eines nie gewesen war, dann tapfer.
Voldemort flüsterte den tödlichen Fluch und selbst durch seine geschlossenen Augen, sah Leopold das grüne Licht.
Als der Strahl ihn traf, löschte er jedes Leben in ihm aus. Sein Körper wurde wie eine Puppe in die Luft geschleudert und die große Schlange zischte wütend auf, als sie in ihrem Abendessen gestört wurde. Aber das alles sah Leopold schon nicht mehr. Vor seinen Augen zog nicht sein ganzes Leben vorbei, noch sah er das Licht am Ende des Tunnels, sein Herz hörte auf zu schlagen und sein Geist wurde fortgezogen von all dem Schmerz und der Grausamkeit.
Er sah die Menschen, deren Leben er beendet und zerstört hatte, auf ihn zukommen, doch Leopold fürchtete sich nicht vor ihnen, er begrüßte sie. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er keine Angst mehr.
__________
"Did they get you to trade your heroes for ghosts? Hot ashes for trees? Hot air for a cool breeze? Cold comfort for change? And did you exchange a walk on part in a war for a lead role in a cage?
How I wish, how I wish you were here"
-Pink Floyd, Wish You Where Here
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top