1 - Kian

Kian war anders.
Kian war besonders.
Jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde weckte er in mir dieses Verlangen.
Das Verlangen ihm den Kiefer auszurenken, ihm seine blauen Augen auszustechen und ihm sein arrogantes Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen.

"Kian, Livia! Jetzt reichts! Zum Direktor, alle beide!", schrie meine Mathelehrerin, deren Kopf bereits rot angelaufen war.
"Niemals, er hat angefangen! Wieso sollte ich dafür den Kopf hinhalten?!", vor Wut schnaubend drehte ich mich zu Kian.
"Dass ich nicht lache! Du hast doch zuerst-"
"Ruhe!",schrie Frau Mintens durch den Raum. Man konnte sehen,wie die Ader auf ihrer Stirn pochte. Es schien, als würde sie jede Sekunde aufplatzen.
"Ihr beide-",ausdrücklich hob sie ihren knorrigen Zeigefinger und zeigte erst auf mich und dann auf den Idioten mir schräg gegenüber. "-werdet jetzt unverzüglich das Direktorat aufsuchen!"
"Aber-"
"Livia, wenn du jetzt nicht sofort Ruhe gibst, verweise ich dich von der Schule!"
Ich hörte Kian leise auflachen. Doch anscheinend hatte nicht nur ich ihn gehört.
"An deiner Stelle wäre ich ganz still, für dich gilt das selbe! Und jetzt ab zum Direktor mit euch!"
Sie schaute mich ebenfalls warnend an, worauf ich genervt seufzend meine Tasche nahm und aufstand. Kian erhob sich ebenfalls mit verschränkten Armen. Gentelmanlike hielt er mir die Kurstür auf, worauf ich ihn übertrieben ironisch anlächelte. Wortlos liefen wir, wie schon so oft, zum Direktorat. Den Weg kannten wir schon seit langem auswendig. Vor dem Direktorzimmer kamen wir langsam zum Stehen. Abwartend schaute ich ihn an. Doch er zog nur fragend eine Augenbraue hoch. Idiot.
"Willst du die Tür jetzt langsam mal öffnen, oder nur weiterhin angucken?", fragte ich augenverdrehen.
"Oh,ich vergass, My Lady ist sich zu fein dafür eine Tür zu öffnen. Ich bitte um Verzeihung.", entgegnete er abfällig. Gerade als er nach der Klinke greifen wollte, kam ich ihm zuvor und drückte diese herunter. Unser Direktor blickte von irgendwelchen Unterlagen auf und zog, als er uns sah, seine Stirn in Falten.
Er liebte uns. Ich wusste es genau.
"Guten Morgen Herr Mountin. Lange nicht gesehen.", lächelte ich ihn übertrieben an und betrat den Raum, gefolgt von Kian. Anschließend setzte ich mich auf einen der beiden Stühle gegenüber des Schreibtisches meines Direktors, stellte meine Tasche neben mich und stützte meinen Kopf mit den Armen ab. Ich hörte, wie Kian den zweiten Stuhl zurück zog und sich ebenfalls nieder ließ. Als ich kurz zu ihm rüber schielte sah ich, dass er seine Arme verschränkt hatte und desinterssiert  auf seinem Kaugummi herrumkaute. Falls er dachte, dass er jetzt in irgendeiner Weise cool aussehen würde, lag er daneben. Es sah dämlich aus.
So Möchtegern-Badboy-mäßig. Nun widmete ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Mann mitte 50 vor mir und grinste ihn an.
"Warum seid ihr jetzt schon wieder hier?",seufzte er und raufte sich seine dunkelgrauen Haare.
"Wir wollten mal schauen, wie es ihnen so geht. Ein kleines Pläuschchen halten.",lächelte ich und zwinkerte ihm zu. Seufzend drehte er sich zu dem Idioten neben mir.
"Herr White, hätten sie die Güte mich aufzuklären?"
Herr White. Oho, jetzt wurde er auch noch förmlich.
"Das Übliche. Sie hat wieder angefangen mich zu beleidigen."
Empört fuhr ich zu ihm herrum.
"Ich soll dich beleidigt haben?! Du hast doch zuerst meine Federmappe runter geschmissen und die Stifte durch die halbe Klasse getreten!"
"Was kann ich denn bitte dafür, wenn du nicht auf dein Zeugs aufpasst?"
Dieses Arschloch!
"Ja klar und du-"
"Ruhe jetzt! Alle beide! Das kann doch nicht wahr sein!" Er begann sich die Schläfen zu massieren, während ich mich mit verschränkten Armen zurück in meinen Stuhl lehnte.
"Das kann nicht so weiter gehen! Es reicht endgültig. Das ist schon das 11. Mal in diesem Monat, dass ihr beide hierhin geschickt werdet. Das Maß ist endgültig voll! Eigentlich wollte ich derart drastische Maßnahmen nicht ergreifen, aber ich weiß mir nicht anders zu helfen."
Verwirrt zog ich eine Augenbraue hoch.
Drastische Maßnahmen?
Von was sprach der bitte?
"Bitte benachrichtigen sie ihre Eltern, dass ich sie heute Nachmittag anrufen werde. Ich muss etwas Wichtiges mit ihnen besprechen."
Wollte er mich etwa von der Schule schmeißen?! Uns von der Schule schmeißen? Ich meinte er hatte es verdient, aber ich?! Garantiert nicht! Er war doch das Arschloch, warum sollte ich wegen seiner Doofheit bestraft werden?
"Herr Mountin, das-",setzte ich an, doch er schnitt meinen Satz ab.
"Ich will nichts mehr hören. Und jetzt raus mit euch. Ihr seid für den Rest des Tages suspendiert.",er schaute uns beide ein letztes Mal eindringlich in die Augen und blickte dann wieder auf eine geöffnete Akte. Mit einem genervten Augenrollen, stand ich auf, nahm meine Tasche und verließ wortlos den Raum. Wenn ich jetzt wegen diesem Arsch von der Schule fliege, bringe ich ihn um. Und das nicht sprichwörtlich. Ich hörte die Tür erneut zuschlagen. Automatisch verschnellerte sich meinen Schritt. Der sollte mir bloß vom Hals bleiben.
"Hey Ginley!"
Bei dem Klang seiner nervtötenden Stimme, legte ich noch einen Gang zu. "Bleib stehen, verdammt!", zischte er, als er mich am Handgelenk packte und mich zu sich herumwirbelte.
Wütend schnaubte ich ihm ins Gesicht.
"Was willst du, White?",schnautzte ich ihn an und schaute ihm verächtlich in seine blauen Augen. Er erwiederte diesen verächtlichen, gar angewiederten Blick.
"Ich wollte dir nur sagen, dass wenn ich wegen dir von der Schule fliege, ich dir dein Leben zur Hölle mache!"
"Du mir?", verächtlich trat ich noch ein Stück näher an ihn heran, wobei ich allerdings aufpassen musste, dass ich durch seine Hässlichkeit nicht auf seine Schuhe kotzte.
"Ja, ich dir.", erwiederte er kühl mit der üblichen Arroganz in der Stimme.
"Du könntest mir nicht einmal ein Haar krümmen, so schwächlich wie du bist. Also pass du lieber auf, dass ich nicht von der Schule fliege, sonst mache ich dir dein Leben zur Hölle."
"Hast du mich garade schwächlich genannt?"
Sein Kiefer war deutlich angepannt und ich konnte das Knirschen seiner Zähne hören.
"Ja, mir fallen sogar noch viel mehr wundervolle Adjektive für dich ein: arrogant, hässlich, eingebildet, notgeil, erbärmlich-"
Ich bemerkte, wie er ausholte, doch ich war schneller. Blitzschnell rammte ich ihm mein Knie in die Weichteile. Stöhnend sank er zusammen.
"Drei Jahre Kampfsport, Bitch! Ach ja, mir fällt noch ein Adjektiv für dich ein: reaktionsschwach!", grinsend drehte ich mich um und lief davon.
"Schlampe.", hörte ich ihn noch stöhnen, ehe ich die Tür öffnete und ins Freie lief.

Der Bus kam keine zwei Minuten später, als ich an der Haltestelle eintraf. Mein Glück, denn Kian wohnte nur einen Block entfernt von mir und fuhr mit dem selben Bus. Doch nach meiner Vermutung war er jetzt auf den Jungenklos und kühlte, wie auch immer, seine heißgeliebte Intimzone. Er würde wohl den Bus später nehmen müssen, wenn er überhaupt den kurzen Weg zur Haltestelle laufen konnte. Ein Grinsen legte sich auf meine Züge.

Im Bus setzte ich mich auf einen der Zweierplätze und legte meine Tasche neben mich. Mir fehlte bloß noch, dass sich irgendein Perverser neben mich setzte, oder noch schlimmer, ein gut gelauntes Kind. In dem Moment, als ich mir die Kopfhörer einstöpseln und meine Playlist starten wollte, bekam ich einen Anruf. Seufzend nahm ich den Anruf meiner Freundin entgegen.

"Ja?", fragte ich genervt. Ich wusste genau, was jetzt kommen würde.
"Liv, wo bist du? Ich lauf hier schon wie ne Irre allein über den Schulhof!"
"Tust du das nicht immer, wenn ich für den Rest des Tages suspendiert werde?", seufzte ich genervt, worauf ich von ihr ein Schnauben wahr nahm.
"Dein Ernst?! Schon wieder? Hast du dich wieder mit Kian in die Wolle bekommen?"
"Mit wem sonst?"
"Man Liv, jetzt ohne Scheiß, wann wollt ihr endlich damit aufhören und-"
Genervt fuhr ich mir durch meine braunen, leicht gewellten Haare.
"Raven, stopp! Ich hör mir jetzt nicht schon wieder die gleiche Leier an wie bei den letzten Malen. Ich weiß, dass dich die Sache mit Kian und mir langsam aufregt und ich versuch ja auch schon ihn zu ignorieren, aber was kann ich dafür, wenn er so ein Idiot ist und mich täglich zur Weißglut treibt."
"Ich weiß, dass er ein Idiot ist, aber dass muss wirklich aufhören."
Genervt verdrehte ich die Augen.
"Gott, Raven, du hörst dich an wie unser Direktor."
"Er hat gesagt, dass Kian ein Idiot ist?"
Ich konnte förmlich sehen, wie sie fragend eine Augenbraue höher zog. Leicht lachend schüttelte ich den Kopf.
"Nein, natürlich nicht. Aber dafür das Übliche: Das muss aufhören. So geht das nicht mehr und so weiter. Langsam glaub ich echt, ihr beide wärt ein super Team."
"Ich und Herr Mountin?"
Ich hörte, wie sie anfing wie eine Halbgescheite zu lachen. Und vor drei Sekunden war sie noch sauer. Sie war echt verrückt. Das mit Abstand verrückteste Mädchen, welches ich kannte. Erst war sie genervt, dann sauer, dann glücklich, dann verrückt, dann vernünftig und dann wieder aufgedreht. Jede Sekunde mit ihr war eine Überraschung. Sie war wie eine überdimensionale Wundertüte. Doch vielleicht machte genau das sie aus. Dieser Wechsel ihrer Charakterzüge.
"Hey Liv, hörst du mir überhaupt zu?"
"Natürlich, klar.", antwortete ich, ohne auch nur den leisesten Schimmer zu haben, worum es in ihren vorherigen Sätzen ging.
"Mhm,man merkt es. Naja, ist ja jetzt auch egal. Wir sehen uns morgen. Bis dann."
"Ja, bis morgen."

"Bin zu Hause.", rief ich, als ich die Tür von unserem Haus aufschloss. Niemand antwortete. Halleluja, ich war allein. Schnell rannte ich nach oben, schmiss meine Schultasche in die Ecke meines Zimmers und zog mir meine heißgeliebte Joggingshorts an. Für normale Jogginghosen war es mittlerweile einfach zu warm.
Ich lief die Treppen runter, öffnete unseren Süßigkeitenschank und schmiss mich dann mit einer bereits geöffneten Tüte Chips auf die Couch. 
Arrow oder Pretty Little Liars?
Schnell hatte ich mich für die kleinen Lügnerinnen entschieden und schob wahllos irgendeine DVD aus der 5. Staffel in den DVD Rekorder, da ich die Staffel ohnehin komplett durch hatte.

Als ich den Schlüssel in der Haustür hörte, nahm ich schnell noch eine handvoll Chips und schob sie mir, wahrscheinlich äußerst elegant, in den Mund. Meine Mum würde sie mir bestimmt, sobald sie sie sah, aus meiner Hand reißen.
"Liv, was machst du schon hier? Jetzt sag mir nicht, du wurdest schon wieder suspendiert?"
Seufzend wischte ich mir die Chipskrümel aus meinem Gesicht und drehte mich zu ihr um.
Sie sah mich abwartend und mit hochgezogenen Augenbrauen an.
"Ja, keine Ahnung. Kian war mal wieder ein Idiot.", murmelte ich schulterzuckend.
"Also erstens: Kian ist kein Idiot, sondern der Sohn meiner besten Freundin. Und zweitens: Das muss endlich aufhören. Ihr müsst endlich anfangen Frieden zu schließen. Wie oft wurdest du in diesem Monat schon suspendiert? 10 oder 11 Mal?!"
"11 Mal.", murrte ich leise, was sie dennoch zu hören schien.
Sie schnaubte.
"Treib es nicht zu weit mein Fräulein! Willst du etwa von der Schule fliegen?"
"Nein.", murmelte ich genervt.
Wer wollte das schon?
"Livia, hast du da etwa Chips?",verärgert lehnte sie sich über die Couchlehne und griff nach der Tüte. Gott, immer wenn sie wütend war sagte sie meinen richtigen und nicht meinen Spitznamen.
"Du weißt doch, dass gleich Mittagessen ist!"
Genervt verdrehte ich die Augen. Sie war so dermaßen der Anti-Süßigkeiten Mensch.
"Übrigens kommen die Whites auch.", sie lief zum Mülleimer und schmiss die leere Tüte hinein.
"Auch Kian?!", schrie ich schon fast hysterisch auf.
"Natürlich auch Kian."
"Dann bin ich weg.", entgegnete ich und verschränkte die Arme.
"Auf gar keinen Fall! Du bleibst hier! Und jetzt reden wir über Kian, so kann das nämlich echt nicht-"
Verdammte scheiße, nicht die auch noch!
"Mum, nein. Nicht heute!"
Entschlossen stand ich auf und stapfte die Treppe hoch.
"Livia, bleib hier!"
"Vergiss es, wenn ich den Idioten gleich schon beim Mittagessen sehen muss, dann will ich jetzt nicht auch noch über ihn reden!"
In meinem Zimmer knallte ich die Tür zu und schloss ab.

Kian, Kian, Kian! Immer nur Kian! Konnte dieser Idiot nicht einfach aus meinem Leben verschwinden? Puff und weg? Das würde alles so verdammt erleichtern!

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