Familie


***Olivia***

Es klingelt an der Haustür, was für mich aber absolut kein Grund ist aufzustehen. Wieder klingelt es, aber ich ignoriere es weiter hin. Von unten höre ich meine Grandma rufen: "Olivia, stehst du endlich auf? Du verschläfst den ganzen Sonntag." Ich seufze und stehe dann doch auf. In Schlafklamotten gehe ich zur Tür. Davor steht Wen, der sich ein Grinsen über mein Outfit nicht verkneifen kann. "Guten Morgen, Olivia. Ich hatte dir geschrieben. Wir wollten doch frühstücken." Ich lächle. "Ja, ich weiß." Wen grinst immer noch. "Willst du dich dann mal anziehen?" Ich lächle schüchtern. "Mach ich. Bis gleich."

Als ich in meinem Zimmer bin, werde ich plötzlich nervös. Ich habe schon so viel Zeit alleine mit Wen verbracht und trotzdem ist es jedesmal so wie bei unserem ersten Gespräch. Damals stand er auch einfach vor meiner Tür. Wir haben an diesem Tag an "Determinate" gearbeitet. Er sagte, dass es schön ist wenn ich lächle. Irgendwie war uns das beiden peinlich. Ich ziehe mich an, lege dezent Schminke auf und gehe dann hinunter, um Wen nicht noch länger warten zu lassen. Er steht grinsend in der Tür. "Du siehst toll aus, Olivia." Ich lächle zurück. "Danke und sorry, dass ich nicht schon fertig war als du kamst." Er lacht und fährt sich durch die Haare. "Kein Problem." Wir verlassen das Haus und gehen in ein kleines Cafe in der Nähe. Wen bestellt mir einen Orangensaft und Eier mit Speck. Er selbst trinkt Kakao und isst ein Schinken Sandwich. Wir reden eine Weile über alle möglichen Dinge, bis wir uns auf den Weg zu Scott machen.

***Charlie***

Es ist sowas von unangenehm ausgerechnet mit Scott alleine zu sein. Wo sind denn bloß die anderen? Schnell tippe ich eine Nachricht in mein Smartphone:

An: Wen
Wo steckst du, Bro?

Seine Antwort lässt nicht lange auf sich warten:

War mit Olivia frühstücken. Sind aber auf dem Weg

Na wenigstens etwas. Ich ertrage es nicht länger mit dem Freund von Mo hier zu sitzen. Wir haben uns rein gar nichts zu sagen. Als es an der Tür klingelt, bin ich ehrlich erleichtert. Wenige Sekunden später wirft Stella ihre Tasche auf den Boden und begrüßt mich mit einer kleinen Umarmung. "Hey Charlie, schon lange da?" Ich zucke die Schultern. "Eine Weile. Wen und Olivia sind auf dem Weg. Hast du was von Mo gehört?" Stella seufzt theatralisch. "Sie darf nicht kommen. Irgend eine Sache mit ihrem Vater, glaube ich." Ich nicke, sage jedoch nichts dazu. Wir alle wissen dass Mos Dad sehr streng ist. Scott setzt sich in seinen Bürostuhl und tippt auf seinem Handy herum. Als es das nächste Mal an der Haustüre klingelt, macht sich Scott nicht mehr die Mühe zu öffnen. Seine Mutter ist wohl gerade sowieso im Flur und wird die Tür schon öffnen. Nun sind auch Wen und Olivia endlich da und wir können beginnen.

"Also, schon jemand die neusten Gerüchte gelesen?", fragt Stella in die Runde. Olivia wird kreidebleich. Wen legt ihr zur Beruhigung eine Hand auf den Arm, obwohl ich nicht denke, dass sie das sehr beruhigen wird. Ich nicke. "Wir hatten ihnen gesagt, dass wir uns nicht auflösen. Trotzdem war zu erwarten, dass das nicht alle glauben werden." Scott grinst und ist mal wieder cool wie immer. "Ist doch nichts dabei. Wir sollten das einfach weg stecken. Sie werden sehen dass wir wieder kommen." Stella lehnt sich zurück. "Scott hat Recht. Wen? Olivia? Gibts schon einen neuen Song?" Wen lächelt Olivia verstohlen von der Seite an. "Ist in Arbeit."

Wir haben noch eine ganze Weile rumgehangen und über dies und das gequatscht, bis Stella nach Hause musste. Ich und Wen haben uns dann auch auf den Weg gemacht. Scott wollte dass Olivia noch kurz bleibt. Angeblich wollte er irgendwelche Noten mit ihr klären. Wen läuft frustriert neben mir her. "Was könnten die beiden schon zu klären haben? Ich verstehe das nicht. Sie haben sich doch sonst nichts zu sagen." Ich lache. "Beruhige dich, Wen. Es wird schon nur mit Musik zu tun haben. Wann geht ihr beiden endlich miteinander aus? Wir wissen schon seit der Halloween Party dass es zwischen euch funkt." Mein Kumpel stöhnt genervt auf. "Irgendwie kommt immer was dazwischen wenn ich sie fragen will. Wahrscheinlich würde sie sowieso nein sagen" - "Wen. Sie ist total verknallt in dich. Siehs endlich ein."

***Scott***

Die anderen sind schon seit einigen Minuten weg und nun überlege ich, wie ich mit Olivia reden könnte. Sie selber würde niemals von alleine fragen, was ich von ihr möchte. Dazu ist sie zu schüchtern. Sie bewundert ein Poster eines Sonnenaufgangs, das direkt über meinem Bett hängt. Ich atme tief durch und frage dann gerade heraus: "Wie kann ich mit Mos Vater reden?" Sie sieht mich erstaunt an. "Wieso willst du dazu meine Meinung?" - "Ich dachte du hättest einen vernünftigen Rat. Mit Mo kann ich darüber nicht sprechen, Stella ist mir in vielen Punkten zu direkt und Wen würde wahrscheinlich nichts hilfreiches dazu beisteuern. Und Charlie kommt wegen seiner Gefühle für Mo nicht in Frage. Also?" Sie scheint kurz zu überlegen. "Keine Ahnung ob dir das was bringt. Du solltest erstmal Mo fragen wie lange sie eure Beziehung noch geheim halten will. Und dann solltest du mal von Mann zu Mann mit ihrem Vater reden. Erzähl ihm wie lange ihr schon zusammen seid und dass du gute Absichten hast. Sag ihm dass du sie beschützen willst und ihr niemals weh tun würdest." Ich nicke und umarme sie in einem Anfall von Übermut. "Danke, sag Bescheid wenn du mal meine Hilfe brauchst."
Sie hebt ihr Tasche auf und löst somit unsere Umarmung. "Mach ich, bis dann."

Als Olivia weg ist, gehe ich zu meiner Mutter in die Küche und setze mich an unsere Theke. "Willst du was bestimmtes zum Mittag essen, Scott?" Ich verneine. Ist sowieso egal, was es gibt. Wir sind nur noch zu zweit, seit mein Vater vor einigen Monaten abgehauen ist. Meine Mutter ist immer noch neben der Spur und ehrlich gesagt, kann ich das verstehen. Sie stellt mir einen Teller Pizza von gestern hin und setzt sich mit einem kleinen Salat neben mich. "Hör mal, Scott. Es ist sehr schön, dass du nicht mehr nur mit diesem Ray abhängst. Und ich weiß deine Band liegt dir am Herzen und macht dir Spaß, aber jetzt wo ihr sowieso wegen der Schule Pause macht, könntest du dich doch tatsächlich ein wenig auf deine Noten konzentrieren." Ich lächle. Sie hat es auch ohne meine Sorgen schwer genug. "Die Schule läuft gut. Ich hab ein paar Probleme mit Chemie, aber dabei hilft mir ein guter Freund." Sie lächelt zufrieden. Ich verschweige ihr das Theater mit Mo und die schwierige Beziehung zu ihr. Ich verschweige ihr auch dass mir Ray seit unserem Streit damals auf der Bühne echt fehlt und natürlich dass meine Noten in jedem Fach außer in Sport echt mies sind. Sie soll sich keine Gedanken machen müssen. Also verziehe ich mich nach dem Essen in mein Zimmer um dort zu grübeln und alleine mit meinen Problemen zurecht zu kommen.

***Stella***

Meine Mutter sitzt in ihrem Arbeitszimmer als ich nach Hause komme, mein Vater schläft auf der Couch und meine jüngeren Brüder skizzieren am Esstisch ein neues Spielzeug, das sie wohl heute noch bauen werden. Mein Teller steht noch unberührt auf dem Tisch. Ich setze mich und esse meinen Salat. Das Fleisch lasse ich liegen. Sie haben immer noch nicht begriffen, dass ich jetzt Vegetatier bin. Als ich mit Essen fertig bin, räume ich meinen Teller weg. Meine Mutter kommt gerade aus ihrem Arbeitszimmer, als ich in mein Zimmer gehen will. Sie wirkt beschäftigt, wie immer eigentlich. "Na mein Schatz, wie läuft die Revolution?" Wenn sie sich für mich interessieren würde oder auch nur ein ganz klein wenig Zeit hätte, wüsste sie dass Lemonade Mouth gerade Pause macht. "Gut. Ich gehe mal in mein Zimmer. Ich muss für einen Test morgen lernen." Damit verschwinde ich und lasse sie einfach stehen.

In meinem Zimmer lege ich mich auf mein Bett. Erst denke ich über neue Griffe für meine Gitarre nach, doch dann schlafe ich ein. War wohl doch etwas zu anstrengend gestern Abend...

***Mo****

"Mohini, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du dich ein wenig mehr bemühen sollst? Eine 2 in Spanisch? Ich dachte du hättest gelernt." - "Habe ich doch, ich strenge mich beim nächsten Test mehr an. Lemonade Mouth macht sowieso gerade eine Pause." Mein Vater lächelt zufrieden. Ich stehe im Wohnzimmer und spiele ein paar Takte auf meiner Geige. Ich liebe Musik. Sowohl meine klassische, als auch alles was mit der Band zu tun hat. Doch nun sollte ich wohl wirklich lieber lernen. Ich schlage meine Bücher auf und mache mir Notizen auf einem Collegeblock. Ich wünschte ich müsste nicht die ganze Zeit an Scott denken.

***Wen***

"Dad, wie bekomme ich ein Mädchen dazu mit mir auszugehen?" Die Frage kommt mir beim gemeinsamen Essen einfach über die Lippen. Mein Vater schaut hilflos zu Sydney, mit der ich mich mittlerweile sehr gut verstehe. Die kann meine Mutter nicht ersetzen, aber sie liebt meine Familie und gibt alles für uns. Sydney lächelt mich freundlich an. "Darf ich dir einen Rat geben?" Sie ist immer noch vorsichtig, weil sie weiß dass ich sie noch nicht 100% aktzeptiert habe. Ich nicke nur und hoffe, dass sie einen guten Rat hat. "Wenn du weißt dass sie dich auch mag, wird es leicht. Frag einfach gerade heraus. Was kann schlimmes passieren?" Ich seufze. "Sie kann nein sagen." - "Das wird sie nicht, glaub mir. Kein Mädchen lehnt eine romantische Einladung ab. Wenn der richtige Moment gekommen ist, wird dir dein Herz den Weg zeigen." Ich bedanke mich, nehme Sydney kurz in den Arm und gehe dann in mein Zimmer. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und schreibe Olivia eine Nachricht.

An: Lieblingsmädchen :*
Hey Olivia, können wir uns morgen vor der Schule treffen? Ich muss mal mit dir reden.

Gesendet. Ich bin unglaublich nervös, obwohl Olivia und ich ganz eng miteinander befreundet sind. Auch nach zwei Stunden hat sie mir noch nicht geantwortet. Ob sie immer noch bei Scott ist? Ich bin schon unglaublich durcheinander.

An: Charlie
Glaubst du Olivia ist immer noch bei Scott?

Seine Antwort kommt nach zwei Minuten.

Von: Charlie
Unwahrscheinlich. Ihre Großmutter nimmt das mit dem Essen sehr genau. Und Olivia ist doch immer vorbildlich. Sie würde sie kaum für Scott warten lassen. Beruhig dich, Wen.

An: Charlie
Wieso meldet sie sich dann nicht?

Von: Charlie
Was weiß ich? Vllt lernt sie konzentriert für Geschichte oder so? Hör auf dir den Kopf zu zerbrechen.

An: Charlie
Hast ja Recht. Bis morgen

Charlie ist ein guter Freund. Er versucht mich immer wieder zu beruhigen. Trotzdem wundert es mich sehr, dass sich Olivia nicht meldet. Aber mein Kumpel hat Recht. Sie ist bei ihrer Oma zuhause und lernt wahrscheinlich. Ich muss das einfach glauben um nachher ruhig schlafen zu können. Wahrscheinlich meldet sie sich später.

***Charlie***

Ich könnte mich besser auf meinen Test vorbereiten, wenn mir Wen nicht ununterbrochen schreiben würde. Wenn er sich solche Sorgen macht, wieso geht er dann nicht selbst bei Scott vorbei um zu schauen ob Olivia da ist oder nicht. Ich hoffe er beruhigt sich noch. Ich bekomme Physik nicht in meinen Kopf rein. Diese ganzen Gesetze sind einfach nichts für mich, genau wie Fußball. Ein Glück haben meine Eltern begriffen dass ich nicht genau wie Tommy bin, nachdem er gebeichtet hat, dass es bei ihm im College nicht so gut für ihn läuft. Sie waren zwar enttäuscht, aber jedenfalls lassen sie mich jetzt erstmal in Ruhe. Ich kaue auf meinem Bleistift herum und denke dabei an Mo. Sie stellt sich bei Physik bestimmt nicht so an...

***Olivia***

Seit einiger Zeit liege ich in meinem Bett und blättere in meinem Geschichtsbuch. Mir fällt das Lernen ziemlich leicht, selbst jetzt wo ich auch endlich Freunde habe, die mich manchmal auf dumme Ideen bringen. Wen hat mir vor einigen Stunden eine Nachricht geschrieben. Ich habe ihm noch nicht geantwortet. Ich werde in seiner Nähe immer so nervös und das kann ich morgen vor dem Geschichtstest nicht so gut verkraften. Er ist der einzige Mensch, der meine Konzentration ins Wanken bringen kann. Außerdem habe ich Angst dass er mich wieder versucht um ein Date zu bitten. Ich muss ihm antworten, also überlege ich mir eine Ausrede, die nicht mal so gelogen ist.

An: Wen :)
Hallo, tut mir Leid. Morgen vor der Schule ist ganz schlecht. Ich schreibe in der ersten Stunde meinen Geschichtstest und will vorher nochmal ins Buch schauen.

Seine Antwort kommt nach Sekunden, als hätte er nur auf eine Rückmeldung von mir gewartet.

Von: Wen :)
Olivia, ich hab mir schon Sorgen gemacht. Nach der Schule?

An: Wen :)
Mal sehen, okay. Ich muss noch ein wenig lernen. Schlaf gut.

Von: Wen :)
Schlaf du auch gut, bis morgen :)

Ich schalte mein Handy ab und lege mein Geschichtsbuch weg. Ich greife in meinen Nachtschrank und ziehe mein Tagebuch und einen Kugelschreiber raus. Das Schreiben hat mir schon immer geholfen. In meinem Tagebuch klebt ein Foto von Wen. Ich habe ein Herz daneben gemalt. Ich streiche vorsichtig über sein Gesicht und blättere dann auf eine freie Seite.

Liebes Tagebuch,
Eigentlich läuft alles perfekt. Die Band ist erfolgreich und meine Freunde sind immer an meiner Seite. Ich könnte nicht glücklicher sein. Wäre da nicht das Problem mit Wen. Er versucht mich, denke ich, immer auf ein Date einzuladen...
Das Problem ist, was wenn er versucht mich zu küssen. Ich habe noch nie einen Jungen geküsst und will mich vor Wen auch nicht blamieren. Was soll ich nur tun? Er soll nicht merken, wie unerfahren ich bin..
Was mache ich bloß?
Deine Olivia

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