2 - Levi-Power

Zögernd ging ich auf die Mitte des Quadrats zu, wo Gabe bereits in Kampfstellung ging.

„Ich mach's dir leicht." Er machte einen Ausfallschritt und berührte mit der Faust meine Schulter. Ich zuckte zurück. „So was will ich nicht sehen. Schlag ruhig zu. Solange du ein bisschen auf die Rippen achtest, ist das kein Problem."

„O-Okay."
Wenigstens dachte er selbst daran. Ich hob die Fäuste.

„Ganz ehrlich." Gabe griff danach und zog sie auf Kinnhöhe. „Wenn deine Arme da unten sind, kannst du niemals deinen Kopf verteidigen."

„Sagte der mit der Gehirnerschütterung."

„Die ist fast eine Woche her." Gabe begann auf den Fußballen zu federn. „Los, greif an."

„Bist du überhaupt in meiner Gewichts...-"

„Nein. Und?" Gabe schubste mich. Ich stolperte zurück. „Nicht über den Mattenrand treten. Nur so ein Tipp, es geht ums Zuschlagen und nicht ums Wegrennen."
Ich wollte es versuchen. Wollte ich wirklich, zumindest um Gabe zu zeigen, dass ich es probiert hatte. Ich machte einen Satz auf ihn zu, ballte die Hand zur Faust und...

...fand mich am Boden wieder, meine linke Seite pochte.

„Scheiße." Ich kniff die Augen zusammen. „Mist, kannst du nicht besser aufpassen?"

„Pass du doch besser auf." Er packte mich am Arm. „Das sind die Reflexe."

„Jaja, Reflexe." Ich rieb mir den Nacken. „Das ist doch Quatsch, Henning. Lass uns einfach...-"

„Nichts da." Gabe brachte mich dazu, in Kampfstellung zu gehen. „Du wirst diesen Kampf kämpfen, ob du willst oder nicht."

„Na gut." Ich hatte das seltsame Gefühl, dass es wehtun würde. „Wenn du mich nochmal hinwirfst, gehe ich."

„Geht klar, Tristalinchen."

Dieses Mal blieb Gabe einfach in Kampfhaltung stehen. Ich blieb auf Abstand. Normalerweise stand ich bei Kämpfen immer hinter Gabe oder in sicherer Entfernung. Ich hatte gesehen, was er mit seinen Fäusten anstellen konnte. Dem hatte ich absolut nichts entgegenzusetzen.

„Jetzt mach schon." Gabe verdrehte die Augen. „Ich nehme mich zurück, Tristan. Versprochen."

Ich nickte. Wenn Gabe etwas versprach, dann meinte er es auch so, zumindest was mich betraf. Ich griff an. Mein Schlag war plump und unkontrolliert, das merkte sogar ich selbst. Gabe machte nur einen Schritt zur Seite und ich geriet ins Stolpern. Er hielt mich an der Schulter fest. Eine Frau zwei Boxsäcke weiter, etwas älter als wir, lachte. Meine Wangen brannten.

„Dein Körperschwerpunkt hat nichts mit der Richtung zu tun, in die dein Schwanz will, Tris." Gabe zog mich zurück zu der Stelle, an der ich angefangen hatte. „Noch mal."

Ich versuchte es. Ich versuchte es drei Mal, ehe ich keuchend von den Matten stolperte. Ich musste mich an Levi festhalten, um nicht zu fallen.

„Tris." Gabe ließ den Nacken knacken. Er war beinahe gut drauf und auf seltsame Art und Weise machte mir sein Grinsen mehr Angst als jeder Schlag es könnte. „Noch mal."

„Niemals." Ich wischte mir den Schweiß aus den Augen. „Du - Du willst mich doch umbringen!"

„Momentan nicht." Er streckte sich. „Die letzte Runde war doch gar nicht so grottenschlecht."

„Weil du nichts gemacht hast." Mein ganzer Kopf wurde heiß. Hoffentlich lag das an der Bewegung und nicht daran, dass diese ganze Situation unglaublich peinlich war. Das T-Shirt klebte an meinem Rücken. „Ich kann das einfach nicht, okay?"

„Waschlappen."

Sein Blick war geradezu angewidert. Ich blinzelte mir den Schweiß aus den Augen.

„Bist du jetzt echt beleidigt?"

Gabe antwortete, indem er mir seine Wasserflasche an den Kopf warf. Ich duckte mich darunter weg.

„Darf ich es probieren?", fragte Levi. „Ich hab noch nie geboxt."

„Sogar Zombieboy traut sich mehr als du." Gabe hob das Kinn. „Komm her."

Levi huschte auf die Matte. In T-Shirt und Jeans wirkte er, als hätte er sich verlaufen. Gabe grinste fies.

„Levi?" Ich musterte Gabe. Bei dem Jungen würde er sich nicht so zurücknehmen wie bei mir, so viel war klar. „Ich glaube, das ist keine gute Idee."

„Aber es sieht aus, als würde es Spaß machen."

„Und wie." Gabe ging in Kampfstellung. „Bereit?"
„Bereit wenn du..."

Gabe griff an.

Er bewegte sich schneller als erwartet, seine Linke ging auf Levis Magen, die Rechte in Richtung Kopf. Levi sprang zurück, stolperte und fing sich. Gabe hatte ihn nicht getroffen. Gabe setze hinterher, aber Levi war durch seine Größe und sein geringeres Gewicht schneller als er, innerhalb von Sekunden war er an der anderen Mattenseite.

„Kämpf vernünftig, Zombieboy." Gabes Grinsen machte mir Angst. „Sonst lass ich die Fairness sein."

Unschlüssig sah Levi zu mir. Gabe nutzte den Moment und beförderte ihn mit einem Schlag zu Boden. Levi rappelte sich auf und ging in Kampfhaltung. Spätestens daran erkannte ich, dass Gabe nicht ernst machte - hätte er gewollt, hätte er den Jungen k.o. geschlagen. Ich schauderte. Er spielt mit ihm. Levi sprang auf Gabe zu. Mein bester Kumpel wich locker aus und verpasste Levi einen Schubs. Er stolperte nach vorne.

„Hey!"

„Mir wird langweilig."
Levi fuhr herum und rannte mit erhobener Faust auf Gabe zu. Gabe sprang nach rechts weg.

Levi stolperte und seine erhobene Faust traf Gabes Rippen.

Er fiel der Länge nach hin, Gabe fluchte laut genug, dass sich einige Umstehenden zu uns umdrehten, bevor sie sich schnell ihrem eigenen Training zuwandten. Mit Mühe rappelte sich Levi auf, seine Kampfstellung wackelig. Gabe hielt sich die Rippen.

„Stopp." Ich lief über die Matte. Meine Kehle tat weh vom heftigen Atmen. „Runter mit den Fäusten, Levi. Bei dir alles in Ordnung?" Levi nickte. Gabe reagierte nicht. Vorsichtig trat ich näher. „Gabe?"
Er fletschte die Zähne, vielleicht war es auch ein Grinsen.

„Was glaubst du, Tris?"

„Dass gebrochene Rippen nicht gut mit Schlägen klarkommen." Ich versuchte, ihn von der Matte zu ziehen. „Das war genug für heute. Lasst uns gehen, damit...-"

„Der Kampf ist noch nicht vorbei." Gabe fixierte Levi, der sich unter seinem Blick zusammenkrümmte. „Nicht wahr, Levi?"

„I-Ich..." Levi wurde bleich im Gesicht, er wich einen Schritt zurück. „Ich wollte dir nicht wehtun."

Gabe schnaubte amüsiert.

„Deine Minifäuste tun doch nicht weh. Also, Schlappschwanz, kämpfen oder nicht kämpfen?"

Levi ging in Kampfstellung.
„Das ist keine gute Idee, Leute." Ich trat zwischen die beiden. „Gabe, Levi hat doch noch nie...-"

„Mir egal." Gabe hob die Fäuste. „Seine Entscheidung, nicht deine. Greif an."

Levi versuchte, mich zur Seite zu schieben. Gabe verpasste mir einen leichten Stoß. Ich stolperte von der Matte.

„Fang an, Zombieboy."

Levi hüpfte auf der Stelle. Gabe sah aus, als würde er jeden Moment zu lachen anfangen. Levi schlug in seine Richtung. Ich kniff die Augen zu - und hörte Levi schreien. Er lag auf dem Boden. Gabe sah auf ihn runter.

Levis Haut glühte rötlich.

„Gabe?" Ich ließ Levi nicht aus den Augen. „Komm da weg."

Gabe bewegte sich nicht, starr sah er auf Levi runter. Ich sah mich um, aber niemand sah in unsere Richtung. Levis Glühen wurde stärker.

Gabe wirbelte durch die Luft und krachte in die Wand.

Ich konnte mich nicht bewegen. Er war mit der linken Seite aufgetroffen. Levi saß zitternd auf der Matte, seine Augen geweitet. Das rote Glühen war verschwunden. Ich zwang meine Beine dazu, sich in Bewegung zu setzen. Gabe stemmte sich hoch.

„Gabe?" Ich griff nach seinem Arm. „Alles in Or...-"

Er stieß mich weg.

„Fass mich nicht an." Er stampfte auf Levi zu, der Junge versuchte, zurückzuweichen. Gabe schubste ihn zu Boden. „Fairer Kampf also, hm?"

„B-Bitte, ich - ich weiß nicht, wie...-"

Gabe trat ihm in die Rippen. Levi rollte über den Boden, Gabe setzte ihm hinterher und trat noch mal zu.

„Wer will als nächstes?" Gabe vibrierte vor Wut. Erst jetzt bemerkte ich, wie viele Leute in unsere Richtung starrten, bei Gabes Ausruf wandten sich einige schnell ihrem eigenen Training zu. „Niemand? Was für ein Haufen Feig...-"

„Gabe!" Ich trat auf die Matte. Er atmete schwer vor Aggression. „Es reicht. Hast du dir..."

Er schob sich an mir vorbei und ging zur Umkleide. An der Tür musste er sich abstützen, mit Wucht schlug er gegen die Wand. Levi rappelte sich auf. An seinem Kinn bildete sich ein Bluterguss.

„Ich weiß nicht, wie das passiert ist", flüsterte er.

„Ich weiß." Ich schob ihn in Richtung Umkleide. „Komm, bevor Gabe sich umbringt."

Gabe lehnte an den Spinten, das Spinnentattoo und die Narbe an seiner Stirn hoben sich dunkel von seiner bleichen Haut ab.

„Gabe?"

„Verpiss dich!"

Er warf seine Wasserflasche nach mir. Er verfehlte mich. Erst als Levi gegen einen Spint stolperte, wurde mir klar, dass er gar nicht auf mich gezielt hatte. Gabe verzog das Gesicht, griff aber schon nach dem nächsten wurffähigen Objekt, meine Sporttasche.

„Levi?" Ich schob ihn hinter mich. „Warte draußen."

Der Junge floh förmlich aus der Umkleide. Gabe ließ die Sporttasche fallen und schlug gegen einen Spint, er musste sich daran festhalten. Ein schmales Blutrinnsal lief an seinem Hals hinab.

„Dieser kleine Scheißer." Er drehte sich nicht um, als ich auf ihn zuging. „Dieser dreckige kleine..." Er setzte sich auf den Boden, kniff die Augen zu. „Fuck."

„Wieder die Rippen?"

„Hm." Er tastete nach seinem linken Ohr und fluchte. „Wann werden wir diese Ratte endlich los?"

„Er ist keine Ratte." Ich zögerte. „Kannst du stehen?"

Anstelle einer Antwort stand Gabe auf. Er musste sich festhalten.

„Ich werde ihn töten."

„Nein, wirst du nicht." Ich zog seine Tasche aus dem Spint und drückte sie ihm in die Hand, bevor ich mich umzog. „Auf dem Nachhauseweg fahre ich."

„Vergiss es."

Ich warf mein Deo nach ihm. Er fing es auf.

„Was soll ich jetzt damit?" Er schwenkte die Spraydose hin und her. „Um den Zombie schock zu frosten, brauche ich was Stärkeres."

„Er ist kein Zombie." Ich zog meine Jeans an. „Und du hörst auf, dich zu bewegen."
„Soll ich die Luft anhalten oder was?"

„Wäre doch mal ein Anfang."

Gabe schnaubte nur.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top