1 - Auf in den Ring!
„Du schlägst wie ein Mädchen." Gabe zuckte musste kaum dagegenhalten, als meine Faust das Leder des Boxsackes traf, er grinste boshaft daran vorbei. „Was bist du? Eine Disneyprinzessin?"
„Leck mich doch."
Ich ging um den Sack herum und wischte mir den Schweiß aus den Augen. Gabe griff nach meiner Schulter und schubste mich zurück.
„Nichts da, du bist erst eine Viertelstunde hier." Er hielt mir den Sandsack ins Gesicht. „Weitertrainieren."
„Sag mal, hasst du mich so sehr?"
„Nein." Er grinste ein Schlangengrinsen. Ich öffnete die Fäuste und schloss sie wieder, meine Finger waren steif. „Ich bin nur derjenige, dem du danken wirst, wenn Tenos das nächste Mal versucht, dich umzubringen."
„Natürlich." Ich sah schon lange nicht mehr auf die Leute an den Boxsäcken neben uns, die alle beinahe doppelt so breit und garantiert zwanzig Mal so trainiert waren wie ich. „Gib's zu, eigentlich willst du mich nur quälen."
„Ertappt." Er machte eine Bewegung mit dem Kinn auf mich. „Komm in die Gänge, bevor dieses Shirt von deinen dürren Schultern fällt."
„Die sind nicht dürr", grummelte ich und zupfte an der Boxbandage, die Gabe mir um die Hand gewickelt hatte. Gabe sah mich einfach nur an. Ich verdrehte die Augen. „Ist gut, ich mach ja schon."
„Dann komm in die Gänge, Prinzessin."
Ich hatte das seltsame Gefühl, dass er mich mehr trainieren ließ als er es sonst getan hätte. Wahrscheinlich lag das daran, dass ich ihm das Training verboten hatte, bis seine Rippenbrüche geheilt waren.
„Leg dich mal ins Zeug." Ich biss die Zähne zusammen und schlug gegen das Leder, meine Hand schien darin zu versinken. Es bewegte sich einfach nicht. „Wo ist deine Körperspannung?"
„Die hab ich..." - ich rang nach Luft - „...vor zwanzig Minuten verloren."
„Wenn du noch reden kannst, kannst du auch noch zuschlagen. Los, zehn Stück, Jab, Jab, Cross."
Er zählte die Schläge von Zehn runter und ich war mir sicher, dass er mindestens drei übersah. Die Schläge wurden mit jedem Schlag unkontrollierter. Gabe ließ den Boxsack los. Er schwang in meine Richtung und erwischte mich beinahe. Schwer atmend stützte ich mich auf meinen Knien ab.
„Nicht. Witzig."
„Sogar verdammt witzig." Gabe ging um mich herum. Meine Haare klebten mir in der Stirn vor Schweiß. „Deine Technik ist furchtbar."
Ich japste. Hoffentlich hieß das, dass es vorbei war. Gabe packte meine Schultern und zog mich in eine aufrechte Position. Ich verzog das Gesicht.
„Kampfstellung." Er griff nach meinen Händen und drückte sie zu Fäusten. Ich öffnete sie wieder. „Wir können auch bis morgen hierbleiben, Tristan. Das stört mich gar nicht."
„Trinken..."
„Nichts da." Gabe verpasste mir einen Klaps auf den Hinterkopf. „Hier wird erst getrunken, wenn ich das sage. Sieh hin. Das hier" - er schlug mit der linken Faust gegen den Boxsack, der Sack schwang nach hinten - „ist ein Jab. Beim Cross drehst du dich ein, während du zuschlägst. Das erhöht die Schlagkraft. Und ich sehe es übrigens, wenn du einfach nur hin und her springst und nicht weißt, was du machen sollst."
„Ich..." Ich rieb mir das nasse Gesicht. Das T-Shirt klebte an meinem Rücken. „Oh Mann. Ich bin halt kein Boxer, Gabe."
„Deswegen bist du ja hier." Er schubste mich einen Schritt nach vorn, auf den Sandsack zu. „Los, Hände hoch, nächste Runde. Das Festhalten kann ich mir eigentlich sparen."
„Vielen Dank auch."
Ich schlug so zu, wie er es eben vorgemacht hatte. Mir kam es schon um einiges besser vor als eben.
„Dir ist aber schon klar, dass du deinen Gegner nicht umrennen willst, oder?"
Zur Antwort ließ ich den Kopf hängen. Das kann doch nicht wahr sein.
„Gabe, ich hab echt keine Lust me...-"
„Mir egal." Er griff nach meinen Schultern, automatisch spannte ich mich an. Wehe er schubst mich um. „Wenn du so nach vorne fliegst, nimmst du sogar noch das bisschen Kraft raus, das du besitzt."
„Was soll ich denn machen?"
„Krafttraining wäre ein netter Anfang." Gabe deutete auf den Mattenboden. „Los, Liegestütze."
„Bist du irre?"
„Nicht mehr als sonst." Er schubste mich auf den Boden. „Fünfzehn Stück."
„Fünfzehn...?"
„Du hast recht. Zwanzig."
Ich machte die Liegestütze. Als ich aufstand, war mir schwindelig. Ich wollte nach der Wasserflasche greifen.
„Na also." Gabe schubste mich auf den Boxsack zu. Sah nicht aus, als würde es ihn interessieren, wenn ich dehydrierte. „Und jetzt stell dir vor, das da vor dir wäre der bleiche Vollidiot."
Ich schlug zu und stolperte. Gabe schlug sich vor den Kopf.
„Sag mal, willst du ihn streicheln oder willst du ihm wehtun?"
„Ich kann halt nicht zuschlagen!" Die zwei Typen an dem Boxsack neben uns lachten. Na super. Ich zerrte die Bandagen von meinen Händen und knüllte sie zusammen. „Mir reicht's."
„Ist das dein Ernst?", rief Gabe mir nach. Anstelle einer Antwort ging ich in Richtung Umkleide. „Feigling!"
„Lass mich doch in Ruhe."
Ich hatte meine Flasche stehen lassen.
Ich starrte an die weißen Wände des Boxstudios, der gelbe Linoleumboden war mit Matten ausgelegt. Erst als Gabe sich vor mich schob, begriff ich, dass ich stehen geblieben war.
„Machst du jetzt echt schon schlapp?"
„Das ist einfach nicht mein Sport." Ich bemerkte meine Wasserflasche in seiner Hand und wollte danach greifen. Er zog sie weg. „Gib die her!"
„Hol sie dir doch." Gabe grinste sein Serienmördergrinsen. Ich ballte die Hände zu Fäusten. „Du schuldest mir noch sechseinhalb Stunden."
„Aber...-"
„Nichts aber." Er drückte mir die Flasche in die Hand. „Mach kurz Pause, wenn's unbedingt sein muss, aber aufgegeben wird nicht. Nach dieser Ghulsache müsstest du eh viel stärker sein."
„Bin ich aber offensichtlich nicht."
Gabe schubste mich. Ich stolperte gegen die Wand, die Flasche, die ich gerade aufgedreht hatte, ergoss ihren Inhalt über mein T-Shirt.
Ich ging auf Gabe los.
Er trat einfach einen Schritt zur Seite, kurz dachte ich, er würde mir ein Bein stellen. Er tat es nicht, aber ich fiel trotzdem hin.
„Und wo hattest du das eben beim Training versteckt?"
Er zog mich auf die Füße, ich bemerkte, dass er nach seinen Rippen griff.
„Tut mir leid." Mein Kopf tat weh, Wasser rann an meiner Brust und meinem Bauch nach unten in meinen Hosenbund. „Echt. Irgendwie bin ich im Moment..."
„Wütend? Dauergestresst? Nicht ausgelastet?"
„Na ja, ja."
„Ich weiß." Er schubste mich in Richtung Umkleide. „Fünf Minuten Pause. Ich zieh mich um und dann kämpfen wir richtig."
„M-Moment." Ich wich einen Schritt zurück. Eine Frau kam aus der Damenumkleide und schob sich an mir vorbei zu den kleineren Sandsäcken. „Du meinst - Du meinst, ich soll gegen dich..."
Mir fehlten die Worte. Gabes Grinsen hatte etwas Wahnsinniges. Vielleicht bildete ich es mir auch nur ein, weil ich mich mental darauf vorbereitete, verprügelt zu werden. Gabe schubste mich in die Umkleide und zog die Tür zu.
„Komm in die Gänge, sonst war es das mit deiner Pause."
Er ging zu seiner Sporttasche, holte eine Flasche raus und warf sie nach mir. Ich fing sie auf.
„Sag mal, hatten wir nicht ausgemacht, dass du mit deinen Rippen erstmal keinen Sport machst?", fragte ich.
„Du hast das ausgemacht." Gabe zog sich das T-Shirt über den Kopf. Seine Tattoos erinnerten mich an... diejenige, die sie ihm gestochen hatte. „Ich habe nie behauptet, dass ich mich daran halten würde."
„Ich glaube nicht, dass das so eine gute...-"
„Trink dein Wasser." Er ließ mir gerade genug Zeit, einen Schluck zu trinken, bevor er mir die Flasche abnahm und in seine Tasche warf. „Komm in die Gänge, das Studio schließt vor Mitternacht."
„Mitternacht...?"
„Ehe du dich in Bewegung gesetzt hast, ist es elf."
Er schob mich aus der Umkleidekabine.
Ich prallte mit Levi zusammen.
Ich geriet ins Stolpern und wurde von beiden Seiten gepackt, Levi von vorn, Gabe von der Seite.
„Kondition, Kraft, Technik, Gleichgewicht." Gabe schob sich an mir vorbei. „Die Liste wird länger und länger."
Ich war schon k.o., wenn ich nur daran dachte. Levi setzte an, etwas dazu zu sagen, schüttelte aber den Kopf.
„Ich hab mich gewundert, wo ihr bleibt."
„Gabe hat mich von der Arbeit verschleppt." Ich warf ihm einen bösen Blick zu. „Der Lenz wird mich übrigens umbringen, weil ich früher gegangen bin."
„Du bist nicht gegangen. Du wurdest über den Boden geschleift." Gabe hielt auf eine viereckige Mattenfläche zu, die wie ein blaues Loch im Boden am anderen Ende der Halle lag. Langsam nahm die Anzahl der Trainingswütigen zu, durchtrainierte Männer und Frauen und ich dazwischen. Mich würde es schon wundern, wenn ich heil bei Gabe ankommen sollte. Wenn ich mich ihm dann auch noch entgegenstellen sollte...
„Ich möchte eine Feuerbestattung", raunte ich Levi zu. „Oh, und auf meiner Totenfeier möchte ich irgendwas von Queen."
„Queen? Wirklich?" Levi hob die Augenbrauen. Ich zuckte mit den Schultern. „Egal. Gabe wird dir eh nichts tun."
Skeptisch beobachtete ich, wie Gabe sich aufwärmte. Das sah schon gefährlicher aus als mein komplettes Training.
„Da bin ich mir nicht so sicher."
„Doch, bist du." Levi grinste. Seitdem er nicht länger Gefahr lief, einen gewaltigen Heißhunger auf Hirn zu entwickeln, grinste er viel. „Ich würde so was gern mal...-"
„Viel Spaß." Ich schob ihn zu Gabe auf die Matten. „Du hast freie Bahn."
„Du wirst dich nicht drücken, Tris." Gabe schaffte es durch einen einzigen Blick, Levi zum Zurückweichen zu bringen. „Falsche Gewichtsklasse, Zombieboy. Die Kindergruppe ist eine Etage tiefer."
„I-Ich bin kein Zombie!"
Gabes Grinsen war rasiermesserscharf.
„Und?" Levi schluckte sichtlich. Gabe drehte sich zu mir um. „Komm, Tris. Ein Kampf, dann fahre ich dich nach Hause."
„Niemals."
„Vielleicht vergesse ich sogar das mit dem Tattoo, das du dir stechen lassen wolltest."
„Glaube ich dir nicht." Mir fiel ein entscheidender Punkt auf. „Und ich wollte mir keins stechen lassen!"
„Ach, und was war das mit deinem Versprechen an Breschis kleine Schwester?"
Ich ballte die Hände zu Fäusten. Nicht an Tony denken, dachte ich, nicht daran denken, dass sie mich verraten und benutzt hat.
„Das war nichts." Ich strich mir die Haare aus der Stirn und betrat die Matte. „Fangen wir an."
„Dann komm mal."
Zuspät fiel mir ein, dass ich Gabe eigentlich vom Training abhalten wollte. Nichtdas ich ihm gefährlich werden könnte.
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Da bin ich wieder, zurück aus der Versenkung! xD Wollen wir doch mal schauen, wie der zweite Teil läuft ;) Da ich mit dem hier noch nicht fertig bin, könnt ihr gern jederzeit Wünsche in die Kommentare setzen, ich werde so gut wie möglich versuchen, ihnen zu entsprechen ^^ LG, Keira
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