Maliá
Ich konnte förmlich spüren, wie meine Augen vor Hoffnung aufleuchten. Hoffnung, die auch in meinem Herzen aufkeimte, die sich in meinem ganzen Körper ausbreitete. Hoffnung, die das kleine Elbenmädchen, welches weinend vor mir im Heu saß, ausgelöst hatte.
Ich lächelte das Kind an.
"Ja, das stimmt" sagte ich leise.
Das Mädchen löste sich aus ihrer verkrampften Haltung und ließ ihre Arme locker zu Boden sinken. Mit großen Augen sah sie mich an.
"Ihr seid... der Prinz aus Düsterwald" stammelte die Kleine nervös.
Ich nickte lächelnd. "Das ist wahr".
Einen Moment lang starrte mich das Kind noch an. Dann senkte es den Kopf und sagte hektisch:
"Verzeiht mir, mein Prinz. Ich wusste nicht, dass ihr es seit. Verzeiht mir. Ich..."
"Nein, nein" sagte ich schnell und legte dem Mädchen eine Hand auf die schmale Schulter. Sie blickte ängstlich zu mir auf.
"Es ist wahr. Ich bin der Prinz des Waldlandreiches. Aber ich möchte nicht, dass du mich 'mein Prinz' nennst. Nenn' mich Legolas. Du hast sicher auch einen Namen" sagte ich sanft.
Das Kind sah mich einen Moment ängstlich an. Ob es daran lag, dass ich ein Fremder für sie war, oder weil ich der Prinz des Waldlandreiches war, konnte ich nicht sagen.
"Maliá" antwortete sie dann etwas schüchtern und sah zu Boden. Dann wischte sie sich mit dem Ärmel ihres braunen Kleides die Tränen aus den Augen und blickte wieder zu mir auf. Mit neugierigem Blick musterte sie meine Augen.
"Auf dem Markt erzählt man sich, dass ihr wieder sehen könnt" sagte sie nun etwas mutiger.
"Ja, auch das ist wahr" bestätigte ich.
"Wie ist so etwas möglich?"
Maliá wurde von Wort zu Wort offener und mutiger.
"Es wahr ein alter Zauber. Es ist schwierig zu erklären. Aber sag' mal, Maliá. Du warst es doch, die mich vor etwa einer Woche auf dem Markt angesprochen hat, nicht wahr?" fragte ich sie.
"Ja" sagte sie nun wieder etwas eingeschüchtert und blickte kurz zu Boden.
Ich lächelte äußerlich und startete innerlich ein kleines Feuerwerk. Sie war es.
"Als du mit mir gesprochen hast. War da jemand bei mir? Eine Frau vielleicht?" fragte ich weiter, während sich mein Herzschlag deutlich beschleunigte.
Maliá überlegte. Sie überlegte viel zu lange. Doch schließlich... nickte sie.
"Ja, da war eine Frau. Eine wunderschöne Elbin"
Als Maliá diese Worte sagte, erhellte sich nicht nur meine Mine sondern auch mein Herz und meine Seele. Der Hoffnungsfunke war soeben wie ein Feuerwerk explodiert und verstreute seine Lichter in mir. Erleuchtete mein Herz.
Sie hatte sie gesehen. Maliá hatte Aryana tatsächlich gesehen. Sie war keine Einbildung. Sie war echt.
Ich gab mir Mühe, mich unter Kontrolle zu halten. Aber dies war schwerer als gedacht. Die Freude darüber, dass Maliá Aryana gesehen hatte, war zu groß.
Erleichtert lachte ich auf und strahlte das Kind an.
"Maliá, ich danke dir" war das erste, was mir einfiel.
Das Mädchen sah mir irritiert an.
"Warum?"
"Das ist eine lange Geschichte. Kannst du mir sagen, wie sie aussah?" fragte ich sie und in meiner Stimme lag ein gewisseser Drang nach Antworten.
"Ich... Ähmm... Ich weiß nicht mehr so genau..." stammelte sie verlegen. "Ich habe nicht so auf sie geachtet. Ich habe mehr auf euch geachtet".
Maliá dachte angestrengt nach und ich bemühte mich, ihr die nötige Zeit zu geben.
Schließlich sprach die Kleine weiter.
"Ich glaube, sie hatte blondes Haar. Lang und leicht gewellt. Und sie trug braune Kleidung. Heiler Kleidung aus Imladris. Sie hat euch am Arm festgehalten. Ja, so war es" erzählte Maliá.
Meine Blick, der gerade noch auch dem Mädchen geruht hatte, wanderte ins Leere. In meinem Kopf entstanden Bilder. Bilder von Aryana. Ich konnte sie vor mir sehen. Mit blondem Haar, welches typisch für Lorische Elben war und brauner Kleidung, für die Bruchtal bekannt war.
"Ich erinnere mich.... Sie war wunderschön. Warum wollt ihr wissen, wie sie aussieht? Wenn ihr jetzt wieder sehen könnt, wisst ihr doch, wie sie aussieht" fragte Maliá voller Neugier und sah mich wieder mit großen braunen Augen an.
Ich lächelte kurz und blickte zu Boden. "Das ist ebenfalls eine lange Geschichte. Aber viel wichtiger ist, dass du sieh gesehen hast, Maliá. Ich brauche deine Hilfe. Der Name dieser Frau ist Aryana. Hast du sie zuvor schon einmal in Bruchtal gesehen?"
Das Mädchen schüttelte den Kopf. "Nein. Noch nie".
Ich gab die Hoffnung nicht auf.
"Ich brauche dich, Maliá. Du musst Herrn Elrond und Herrin Galadriel sagen, dass du sie gesehen hast. Würdest du mir diesen Gefallen tun?" fragte ich sie.
Maliá sah mich erneut ängstlich an.
"Dem Herrn von Imladris und der... der Herrin des... des Lichts?" stammelte sie nun voller Angst.
"Mach dir keine Sorgen. Ich werde dich begleiten. Sie müssen unbedingt wissen, das jemand diese Frau gesehen hat. Würdest du das für mich tun?" fragte ich Maliá erneut und hoffte auf ein ja.
Das Mädchen überlege einen Moment, musterte mich genauestens und nickte dann leicht.
"Aber ich verstehe nicht warum" sagte sie leise.
Ich lächelte traurig.
"Das ist eine sehr komplizierte Geschichte" war schließlich meine Antwort.
Schweigen fiel über uns herein. Maliá hatte wohl gemerkt, dass sie nicht mehr Informationen aus mir heraus bekommen konnte und ich nicht mehr darüber reden wollte.
Dann erinnerte ich mich daran, das Maliá bitterlich geweint hatte, als ich sie vor wenigen Minuten im Heu gefunden hatte. Im Moment kullerten keine Tränen ihre Wange herab. Doch ihre Augen glitzerten feucht im richtigen Licht der Fackeln.
"Warum hast du geweint?" fragte ich so vorsichtig wie nur möglich, um sie nicht zu verschrecken.
Maliá sah mich mit großen Augen an.
"Ich habe nicht geweint" stotterte sie nervös.
Selbst jemand, der sie nicht weinen gesehen hätte, hätte gemerkt, dass dies eine Lüge war.
"Nein? Und warum sitzt du mitten in der Nacht in einem Pferdestall? Noch dazu in einem Stall, in dem die Tiere des Herrn von Bruchtals und die seiner Boten und Gäste stehen" fuhr ich mit ruhiger Stimme fort.
"Ich... Ich..." murmelte Maliá leise und sah betreten zu Boden.
"Maliá, du kannst mir wirklich vertrauen. Da du mir hilfst, möchte ich auch dir helfen. Es muss doch einen Grund dafür geben, warum du hier bist" sprach ich weiter.
In Maliás Augen Schimmerten erneut Tränen, die still ihre blasse Wange hinab liefen. Ich hatte wirklich nie viel mit Kindern zu tun gehabt. Elben waren unsterblich, weswegen Kinder unserer Rasse selten waren. Und als Prinz und Einzelkind hatte ich auch in meiner Kindheit nichts mit anderen Kindern zu tun gehabt.
Doch Maliá tat mir unheimlich leid. Obwohl ich den Grund ihre Trauer nicht kannte. Ich legte ihr erneut meine Hand auf die Schulter und versuchte ihr somit Trost zu spenden.
Doch die Kleine fing nun an, richtig zu weinen. Das Gesicht in den Falten ihres Kleides vergraben und die Arme wieder um die Knie geschlungen.
Und ich konnte nichts tun, außer ihr sanft über die Schultern zu streicheln und einige Worte in Sindatin zu murmeln, sie anscheinend eine beruhigende Wirkung auf Maliá hatten. Denn nach ein paar Minuten liesen ihre Schluchzer nach und stille kehrte wieder ein.
Ohne den Kopf zu heben, flüsterte sie dann mit kaum hörbarer Stimme:
"Die haben sie getötet".
Ich sah sie besorgt an. Es ging um den Tod. Ein Kind von vielleicht gerade mal sechs Jahren war mit dem Tod konfrontiert worden.
In Zeiten des Krieges nicht ungewöhnlich. Aber wir hatten keinen Krieg!
"Wer wurde getötet?" fragte ich vorsichtig.
Maliá hob langsam ihren Kopf und sah mich aus nassen Augen an.
"Meine Eltern. Die Warge haben sie getötet" schluchzte sie leise und weitere Tränen rannen ihr Gesicht herab.
Ich sah sie mitfühlend an. Denn verstehen konnte ich sie sehr gut. Ich war selbst noch ein Kind gewesen, als meine Mutter gestorben war. Der Schock war damals nicht mal das schlimmste gewesen. Die Zeit danach, die Trauer,... dies war die alles verschlingende Macht. Der Abgrund.
Ich konnte Maliás Schmerz nachvollziehen.
Nach kurzem zögern setzte ich mich neben sie in das Heu, legte ihr meinen Arm um die schmalen Schultern und wartete ab. Elben waren nicht gerade Berührungsliebhaber. Aber ich wusste aus eigener Erfahrung, dass eine schützende Hand in solchen Situationen mehr als hilfreich sein konnte.
"Das tut mir ehrlich leid, Maliá. Ich weiß, wie du dich nun fühlst. Als ich in deinem Alter war, habe ich meine Mutter verloren" sagte ich leise und sah vor meinem geistigen Auge die letzten Erinnerungen an meine Mutter.
"Die...Königin?" fragte Maliá leise und sah zu mir auf. Ich nickte.
"Waren es auch Warge?" fragte die schüchtern.
"Nein,..." Ich schüttelte den kopf, "Sie war Krank. Sehr krank sogar" antwortete ich.
"Aber du hattest deinen Vater. Und du bist ein Prinz. Aber ich habe niemanden mehr" erneut liefen ihr Tränen über die Wange.
"Niemanden?" fragte ich mitfühlend.
Maliá schüttelte den Kopf. Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, als mir eine Idee kam.
"Du hast mich. Ich mache dir einen Vorschlag. Du kommst mit mir ins Haus von Elrond und schläfst etwas. Und morgen, wenn wir Herrn Elrond und Frau Galadriel von Aryana berichtet haben, werde ich ihnen deine Situation erklären. Ich bin sicher, Herrn Elrond wird eine Lösung finden" sagte ich leise.
Maliá sah mich vorsichtig an.
"Ich... Ich... Weiß nicht" murmelte sie eingeschüchtert. "Was wird Herr Elrond tun?"
"Er wird dir helfen. Und ich werde dir auch helfen. Das verspreche ich dir"
Ich nahm die beiden Hände des Mädchen in meine. Sie waren eiskalt.
Ich schenkte ihr ein Lächeln, welches sie ermutigen sollte. Und sie erwiederte es vorsichtig.
"In Ordnung" sagte sie leise.
"Dann komm mal mit. Drüben im Haus ist es etwas gemütlicher als hier bei den Pferden" meinte ich und stand auf. Auch Maliá erhob sich und folgte mir. Als ich an Arods Box vorbei kam, blieb ich einen Moment lang stehen und fuhr ihm über die Nüstern.
"Hannon Le" murmelte ich wohl wissend, dass ich Maliá, und somit den entgültigen Beweis dafür, dass Aryana tatsächlich existierte, nur gefunden hatte, weil ich Arod besucht hatte.
"Ist das euer Pferd?" fragte Maliá neugierig und blickte zu Arod empor.
"Ja, sein Name ist Arod" antwortete ich.
"Aber es ist ein Menschenpferd. Wie dieses hier" sagte Maliá und deutete auf Brego.
"Das stimmt. Du hast Ahnung von Pferden?" fragte ich, als ich sah wie Maliá ihre Eltern kurz vergaß und nur noch die Pferde im Kopf hatte.
"Ja, Ada brachte mir das reiten bei..."
Und schon kehrte der Schatten auf ihr Gesicht zurück.
Um sie abzulenken, sprach ich weiter über Arod. "Nun, ich habe ein Pferd aus Menschenrzucht, weil ich es geschenkt bekommen habe. Es stammt aus Rohan".
"Ihr wart in Rohan?" fragte sie erstaunt.
"Ich wahr schon an vielen Orten" schmunzelte ich.
"Erzählst du mir davon?" Maliás braune Augen sahen mich bittend an. Ich lächelte leicht.
"Das kann ich gerne tun. Aber erst morgen. Zuerst brauchst du etwas Schlaf. Komm' mit" sagte ich und führte sie zur Stalltür. Bevor ich sie jedoch öffnete, betrachtete ich Maliá noch einmal. Sie trug nur dieses dünne Kleid. Keinen Umhang...
Ich zögerte nicht, sondern nahm meinen Umhang ab und legte ihn ihr um die Schultern. Wir mussten beide kurz lachen, denn er war viel zu groß.
Als ich Maliá für Schneetauglich hielt, öffnete ich die Stalltür und gemeinsam liefen wir durch die Dunkelheit, den peitschen den Wind und die weißen Flocken hinüber zum Haupthaus.
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