Eine Hoffnung

Sicht Legolas:

Die Tage vergingen und es änderte sich nicht das geringste an meinem Zustand. Ich hörte zwar die Vögel von draußen singen und wusste so, ob es Tag oder Nacht war. Aber meine Augen zeigten mir andere Bilder....
Schwarze Schleier umhüllten mich Tag und Nacht. Und niemand konnte daran etwas ändern. Nicht einmal Herr Elrond, der auch täglich zu mir kam, konnte mir nicht helfen.

Dafür hatten sich meine anderen Sinne um das doppelte verschärft. Und das mochte schon etwas heißen, den Elben hatten ohnehin sehr gute Sinne. Doch nun waren meine Ohren so gut, das ich sogar glaubte, die Bäume wachsen zu hören. Ich wusste nur nicht so recht, ob dies nur Einbildung oder Realität war.

Doch auch, wenn ich nun einen verstärkten Tast- und Hörsinn hatte... Nichts war mir so heilig wie meine Augen....

Schon immer war ich der festen Überzeugung gewesen, meine Augen seien der Schlüssel zum Leben. Mit dem Auge konnte man seinen Weg bestimmen,... Leute einschätzen,... Gefühle ausdrücken... Und nun? Nun konnte ich weder einen Weg wählen, noch jemanden ansehen.

Ich wusste nicht mehr, was ich tun konnte....

Es war aus...

Aus und vorbei...

Ich würde mein Augenlicht nie wieder zurück erlangen...

Nie wieder kämpfen...

Bis in alle Ewigkeiten in einer tiefen schwarzen Schlucht herum irren....

Und da ich unsterblich war, würde ich wohl noch für eine sehr lange Zeit in dieser Schlucht bleiben...

Abgeschnitten von der Welt...

Aragorn war oft bei mir, brachte mir Essen, wechselte den Verband um die Augen und versuchte mir klar zu machen, das nicht alles verloren war. Und ihm zuliebe, sagte ich oft, dass er recht hatte. Aber in Wirklichkeit hatte ich die Hoffnung schon längst aufgegeben.

So vergingen die Tage...
Aragorn und Elrond hatten wohl gehofft, dass ich mich langsam an meinen Zustand gewöhnen würde. Aber das tat ich nicht.
Ich akzeptierte es innerlich einfach nicht...
Das würde ich wahrscheinlich nie...

Es fiel mir auch sehr schwer, mich zu bewegen. Nicht, weil ich Schmerzen hatte. Nein. Schmerzen spürte ich nur noch in meinem Kopf und in meinem Herzen. Aber es war sehr schwer, sich in einem Raum zu bewegen, wenn man nur schwarz vor Augen hatte...

Es war mehr als klar, das meine Laune nicht gerade die beste war. Ich wusste, dass ich auf andere verzweifelt und niedergeschlagen wirkte. Aber anders fühlte ich mich ja auch nicht....

Eine Woche, nachdem ich in Bruchtal angekommen war, wurde meine Laune aber deutlich besser...

Es war ein recht warmer Tag. Ich hatte mich durch mein Zimmer getastet und war schließlich am Fenster angekommen. Dort stand ich eine ganze Weile und lauschte dem Springbrunnen, welcher, wie ich wusste, nicht weit entfernt stand. Die Sonne schien auf mein Gesicht und wärmte es auf.

Es war so ruhig...

So friedlich...

Aragorn meinte zu mir, das mir die Ruhe gut tun würde. Aber auch wenn ich Äußerlich ruhig wirken musste, war ich innerlich verkrampft und angespannt.

Ich versuchte mich auf das plätschern des Wassers zu konzentrieren...

Bald schon glaubte ich jeden einzelnen Tropfen zu hören...

Und jeder machte einen anderen Ton...

"LEGOLAS"

Eine Tür flog mit einem lauten Knall auf und krachte gegen die Wand.
Ich fuhr erschrocken zusammen und griff aus Reflex an meinen Gürtel, wo ich normalerweise immer einen kleinen Dolch trug. Nur, das dort keiner mehr war.
Seit meinem Unfall war ich sehr schreckhaft geworden...
Ich wusste nicht, warum, aber ich vermutete, dass es an meinem fehlenden Augenlicht lag.

Ich musste ziemlich erschrocken und panisch aussehen, denn jetzt hörte ich Aragorn schnell sprechen: "Tut mir Leid, Legolas. Ich wollte dich nicht erschrecken..."

Ich stand einen Moment geschockt da, und drehte meinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam.

"Aragorn. Was ist in dich gefahren? Du hörst dich an, als würdest du von einem Drachen verfolgt werden" murmelte ich leise und genervt.

Ich hörte Aragorn näher kommen.
Ich spürte, wie er meinen Arm nahm und mich langsam aber bestimmt durch den Raum, bis hin zum Bett zog. Dort drückte er mich auf die Kante.
Ich nahm meistens keine Hilfe von anderen an. Schon gar nicht von Fremden. Das war gegen meine Prinzenwürde...
Aber in diesem Fall war das etwas anders, da Aragorn und ich uns schon seit über 60 Jahren kannten. Ich vertraute ihm.

"Ich habe fantastische Nachrichten" begann Aragorn aufgeregt.

"Lass mich raten... Du wirst Vater?" fragte ich genervt und trübseelig zugleich.

"Was? Wie kommst du den darauf?" fragte Aragorn verwirrt.
Ich zuckte die Schultern.

"Nein, mein Freund, viel besser. Du wirst mir nicht glauben. Als ob die Valar dir helfen wollen..." redete Aragorn weiter, "ich habe die ganze letzte Nacht in der Bibliothek verbracht und nach einer Lösung für... Nun ja,... dein Problem gesucht. Aber ich konnte nichts finden. Also wollte ich dir einen anderen Gefallen tun und nach Arod suchen. Aber statt Arod habe ich etwas viel besseres gefunden. Ein Buch. Eins über Heilpflanzen, Zauber und tödliche Elixiere. Und stell dir vor. Es gibt einen Zauber gegen Blindheit" sagte Aragorn aufgeregt.

Ich glaubte nicht recht zu hören. Aragorn hatte etwas gefunden. Ein kleiner Hoffnungsschimmer leuchtete im Dunkeln auf.

"Du... Du hast wirklich etwas gefunden?" fragte ich leise und ungläubig.

"Nun ja" murmelte Aragorn und klang plötzlich nicht mehr so selbstsicher, wie gerade, "Es ist eher... Eine Vermutung"

"Eine Vermutung? Was heißt eine Vermutung? Was vermutest du?" rief ich plötzlich laut, griff in die Richtung, aus der Aragorns Stimme kam und bekam sein Hemd zu packen. Ich rüttelte an ihm. Aber viel brachte das nicht.

"Beruhige dich. Mellon nin" sagte Aragorn laut aber sanft, hielt meine Hände fest und drückte sie von sich weg.
Tatsächlich wurde ich ruhiger.

"Lass es mich erklären... Es gibt einen Uralten Elbenzauber. Wenn dieser bei Vollmond von einer mächtigen Elbin und einen mächtigen Zauberer ausgesprochen wird, kann es Wunden heilen, die sogar die größten Heiler nicht heilen könnten. Man kann Gifte aus dem Blut saugen. Und wenn die Planeten in der Richtigen Reinfolge stehen, kann man sogar einen Toten wieder zurück in die Welt der Lebenden holen"

Aragorns Stimme hörte sich gespenstisch an. Aber mich störte das nicht. Ich glaubte, in mir würde ein Feuerwerk vor Freude explodieren...

Es gab einen Ausweg...

Eine Hoffnung....

"Das... Das ist... Unglaublich. Danke, Aragorn" konnte ich nur sagen. Meine Stimme zitterte ein wenig vor Aufregung...

"Dank mir nicht zu früh. Ich habe mit Herrn Elrond gesprochen. Er kennt diesen Zauber nicht" sagte Aragorn nun leiser.

"Was ist mit Herrin Galadriel? Und Gandalf? Sie werden es vielleicht kennen. Und es sind zwei mächtige Personen" versuchte ich mir selbst Hoffnungen zu machen.

"Ja, da hast du Recht. Das habe ich mir auch schon überlegt aber...." Aragorn stockte kurz.

"Aber was?" fragte ich lauter.

"Gandalf wurde schon seit über vier Jahren nicht mehr in Bruchtal gesehen. Einige Elben sagen, er sei in den Norden gegangen" sagte Aragorn.

Das Feuerwerk in mir hörte auf einem mal auf. Meine Hoffnungen waren fort.
Wie ausgelöscht...

Wieder einmal musste ich, wie schon oft in den letzten Tagen, daran denken, wie es doch gekommenen wäre, wenn ich keine Rast auf meinem Weg hier her gemacht hätte. Wenn ich einfach weiter geritten wären...

"Ich habe einen Entschluss gefasst, Legolas. Ich werde mich auf die Suche nach Gandalf machen. Ich werde ihn zusammen mit Herrin Galadriel hier her nach Bruchtal bringen. Zu dir. Und dann werden wir dein Augenlicht wieder herstellen" sagte Aragorn selbstsicher.

"Das... Würdest du tun? Der Norden ist gefährlich...." sagte ich leise.

"Für dich, mein Freund, würde ich in jede Gefahr der Welt gehen" sagte Aragorn und legte mir seine Hand auf die Schulter. Ich konnte mich wirklich glücklich schätzen, einen Freund wie Aragorn zu haben.

"Danke..." murmelte ich noch einmal, "Wo hast du dieses Buch gefunden?"

"In einer Satteltasche, die zusammen mit anderen Reitutensilien, im Wald lag. Es haben schon einige Seiten gefehlt... Aber die Seite über den Blindenzauber hat zum Glück keinen Schaden angenommen" erzählte Aragorn.

"Seltsam.. Wer lässt so ein mächtiges Buch, von dessen Zaubern nicht einmal Herr Elrond weiß, einfach so in der Wildnis liegen?" fragte ich mich selbst.

"Ich weiß es nicht. Aber egal wer es war... Du hast etwas gut bei ihm" meinte Aragorn.

"Nein, ich habe etwas gut bei dir" entgegnete ich und lächelte leicht. Es war mein erstes lächeln seit Tagen.

So gerne hätte ich meinen Freund jetzt gesehen. Aber wenn Aragorn Erfolg haben sollte, würde ich mein Augenlicht bestimmt bald zurückbekommen. Nur leider war Gandalf dafür bekannt, gerne mal spurlos zu verschwinden. Und der Norden war groß. Es würde Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern, bis Aragorn den grauen Zauberer gefunden hatte... Und selbst wenn er ihn fand, wer garantierte mir, dass Mithrandir diesen Zauber auch kannte...

Am nächsten Morgen, in aller Frühe, machte sich Aragorn auf den Weg. Die Söhne Elronds, Elrohir und Elladan, begleiteten ihn.
Kurz bevor Aragorn los ritt, kam er noch einmal auf mein Zimmer und verabschiedete sich von mir mit den Worten: "Ich kehre erst wieder zurück, wenn ich Gandalf gefunden habe. Gebe die Hoffnung nicht auf"

Dann ritt er davon in Richtung Norden. Und ich konnte nichts weiter tun, außer zu warten und zu hoffen, das Aragorn Erfolg haben würde und dieser Albtraum, in dem ich gerade war, endlich enden würde...


Ich weis, Gandalf segelt nach "Herr der Ringe" in den Westen. Genau wie Galadriel und Elrond. Aber in meiner Geschichte, sind sie alle in Mittelerde geblieben ;)

Kommentare sind wie immer erwünscht :)

Gefällt euch das neue Titelbild? Ich fand das alte irgendwie nicht passend... 😁

LG Fantasygirl9599

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