Ein Sache des Vertrauens
Sicht Legolas:
Ich wusste nicht, wie lange ich schon dort lag. Dort auf dem eiskalten durchnässten Boden. Das Zeitgefühl hatte ich schon lange verloren. Waren es Minuten? Stunden? Oder vielleicht schon Tage? Ich wusste es nicht. Vielleicht war ich auch schon Tod und hatte es nur nicht gemerkt.
Ich hatte das Gefühl, dass sich meine Gliedmaßen in Eis verwandelt hatten. Die Kälte zog sich schmerzlich tief unter meine Haut und versteinerte meinen Körper auf fast schon grausame weiße.
Mittlerweile konnte ich nicht mal mehr meine Arme bewegen. Geschweigeden meine Beine. Und meine Finger waren schon so taub, als wären sie schon abgestorben.
Mein ganzer Körper schien eingefroren zu sein. Einzig und allein mein Atem ging noch regelmäßig. Wobei regelmäßig in diesem Fall sehr langsam und ruhig bedeutete. Aber mit jedem Atemzug wurden meine Lungen Stück für Stück schwächer.
Diese Lichtung sollte mein Grab werden...
Das spürte ich...
Das wusste ich...
Niemand würde mich jetzt noch finden...
Ich sah es fast schon vor mir...
In ein paar Tagen würden Wanderer, die zufällig in der Gegend waren, meinen Leblosen, verdreckten Körper finden.
Doch dann wäre es bereits zu spät...
Wer würde mich vermissen, wenn ich nicht mehr hier unter den lebenden verweilen würde?
Mit Sicherheit wäre mein Vater einer der wenigen trauernden. Nicht, weil er sonderlich viel Liebe zeigte, sondern einzig und allein, weil ich sein einziger Thronfolger war.
Ein anderer, welcher mich mit Sicherheit vermissen würde, war mein Waffenbruder. Aragorn und ich kannten uns schon seit über 60 Jahren. Bei einer so langen Zeit hatte sich unsere Freundschaft stark ausgeprägt. Wahrscheinlich würde er Trost in den Armen seiner Frau Arwen suchen.
Dort lag ich nun also...
Und wartete auf den erlösenden Tod...
Der mir nicht nur den schrecklichen Schmerz in den Augen nehmen würde, sondern mich gleichzeitig auch von dieser eisigen Kälte befreien würde...
Mein Atem war so schwach, dass ich glaube, schon längst ins Jenseits gewandert zu sein....
Mein Herz begann immer langsamer und langsamer zu schlagen...
...als ob es seine letzten Takte noch einmal ganz auskosten wollte...
...Immer langsamer...
...Und langsamer...
Doch mit einem mal kehrten all meine Lebensgeister wieder zurück. Ich wusste nicht, ob dies nur eine Einbildung gewesen war, oder ob es Realität war. Doch auf meine Ohren konnte ich mich normalerweise immer verlassen.
Da war es wieder. Eine Stimme. Sie war seit weg. Aber sie war da. Und das war die Hauptsache. Nur was sie rief, konnte ich nicht verstehen, da der Regen kein Stück nachgelassen hatte und lautstark auf die Lichtung prasselte.
"Legolas?!?"
Mein Herzschlag beschleunigte sich. Auch mein Atem ging schneller. Jemand war hier. Jemand suchte nach mir. Aber wer? Freund oder Feind?
Doch ein Feind würde wohl kaum meinen Namen rufen, oder?
"Legolas?!?"
Ich begann unruhig zu werden. Ich konnte nicht hören, wem die Stimme gehörte. Aber was, wenn der Fremde mir nicht helfen wollte? Was, wenn er mir nur noch mehr Schmerz zufügen wollte?
"Legolas!!!"
Die Stimme war auf einmal sehr nahe gekommen und rief meinen Namen entsetzt über die Lichtung. Im nächsten Moment Knackten einige Zweige und jemand rannte über den nassen Boden - auf mich zu.
Meine Sinne kehrten langsam, Stück für Stück, wieder zurück und verschärften sich. Wer war das nur?
"Legolas, mellon nin, was ist passiert? Bist du schwer verletzt?" rief die Stimme besorgt.
Diese Stimme... Ich kannte sie... Aber woher nur? Zu welcher Person gehörte sie?
"Bitte, mellon nin, sprich mit mir"
Plötzlich spürte ich zwei Hände, welche mich an den Schultern packten und leicht schüttelten.
In diesem Moment reagierte mein Körper sofort. Ich entriss mich der Berührung des Fremden und krabbelte rückwärts. Einfach nur weg von allem.
Panik brach in mit aus...
"Legolas, ganz ruhig mellon nin. Ich bin es. Aragorn" rief die Stimme besorgt.
Ich ertarrte und stoppte sofort meinen überstürzen und kläglichen Fluchtversuch. Ja, diese Stimme.... Sie gehörte Aragorn... Meinem Freund,... Meinem Waffenbruder.
"A...Aragorn?"
Meine Stimme klang ängstlich, schwach und rau. Ganz anders als sonst.
"Ja, Legolas, ich bin es. Sag, was ist passiert? Bist du schlimm verletzt? Du bist ja voller Blut" stellte Aragorn entsetzt fest.
Erneut legte sich eine warme Hand auf meine Schulter. Doch dieses mal zuckte ich nicht zurück sondern ließ sie gewähren. Denn jetzt wusste ich, wen ich da vor mir hatte. Aragorn konnte ich vertrauen.
"Ich... Aragorn, ich... Ich sehe dich nicht. Gar nichts.... Keinen Wald... Keine Licht... Nur Dunkelheit... Die Orks... Sie kamen...Was geht hier vor?" stotterte ich los. Aber ich konnte einfach keinen vernünftigen Satz bilden.
Meine Stimme zitterte und bebte vor Schmerz und Kälte. Eine Träne rann still und heimlich meine Wange hinab. Ich spürte sie ganz deutlich. Denn sie war heiß im Gegensatz zum Regen, der immer noch auf uns hinab prasselte.
Einen Moment war Stille und ich fürchtete schon Aragorn hätte mich im Stich gelassen. Doch dann spürte ich zwei Arme, die mich einigermaßen auf richteten und mich an einen, zwar ebenfalls nassen, aber auch Warmen Körper zogen. Ich war eigentlich nicht der Typ für Umarmungen. Aber es war kalt,... ich sah nichts mehr,... Ich hatte Angst. Das veränderte so einiges.
Und so ließ ich es zu, dass Aragorn mich in seine Arme schloss. Seinen Herzschlag spürte ich ganz deutlich und er gab mir wieder neue Kraft.
"Ganz ruhig, mellon nin" sprach Aragorn leise auf mich ein, während er mich fest an sich drückte.
Meine Arme hingen schlaff an meinen Körper hinunter und ich fühlte, wie ich innerlich Stück für Stück ruhiger wurde.
"Ich werde dich nach Bruchtal bringen. In Sicherheit, mellon nin. Hörst du? Elrond wird dir helfen können. Du wirst schon bald wieder sehen können" murmelte Aragorn mir ins Ohr. Ich versuchte zu nicken. Doch mein Kopf schmerzte zu sehr dafür.
Eine ganze Weile saßen wir noch so da. Ich ihn den Armen meines Freundes. Und zum ersten mal seit Stunden fühlte ich mich wieder geborgen.
Der Regen ließ nicht kein Stückchen nach. Aber dieser war mir nun ziemlich egal. Denn ich hatte nur noch einen Gedanken: Ich würde es überlebenden!! Aber was war mit meinen Augen? Was, wenn ich tatsächlich nie wieder sehen können würde? Diese Frage stellte ich mir schon zum hundertsten mal seit dem Angriff und ich hatte Angst vor der Antwort.
"Komm, Legolas, ich bringe dich hier fort" sagte Aragorn leise und versuchte mir auf die Beine zu helfen. Dies stellte sich als äußert schwierig, aber durchaus machbar heraus. Kaum war ich auf den Füßen, umfing mich ein starkes Schwindelgefühl. Ich taumelte rückwärts und wäre um ein Haar wieder zu Boden gesunken, wenn Aragorn mich nicht schnell gestützt hätte.
"Wird es gehen?" fragte er vorsichtig.
"Ich glaube weit kann ich nicht laufen. Bis Bruchtal ist es viel zu weit" antwortete ich leise.
"Keine Sorge. Bis Bruchtal musst du auch nicht laufen" versicherte mir Aragorn. Und er sollte recht behalten. Denn kaum hatte ich ein paar Schritte, mit Aragorns Hilfe wohlgemerkt, getan, spürte ich warmes Fell vor mir.
"Arod?" fragte ich vorsichtig.
"Nicht ganz. Arod hat mich zwar zu dir geführt. Aber ein Blitz hat ihn durch gehen lassen. Es tut mir leid. Aber ich bin sicher, er wird den Weg nach Bruchtal auch alleine finden" sagte Aragorn und ließ mich los. Damit ich mein Gleichgewicht halten konnte, lehnte ich mich an das Tier, welches nun logischerweise Brego sein musste.
Aragorn half mir auf den Rücken des Pferdes. Er selbst stieg hinter mir auf das Tier und legte einen Arm um meinen Bauch, damit ich nicht hinunter rutschen konnte.
Keinen Augenblick später setzte sich das Pferd in Bewegung. Erst trabte es gemächlich dahin. Doch dann fiel es in einen schnellen Galopp.
Während der Regen mir hart ins Gesicht peitsche, wurden meine Sinne wieder Stück für Stück unschärfer. Mein Kopf sank erschöpft auf Aragorns Schulter. Ich konnte nichts gegen die Müdigkeit tun. Sie drängte mich wieder langsam Richtung Schatten...
Aber ich wusste, dass ich in Sicherheit war...
Und so sank ich in einen tiefen schlaf...
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