Ein Brief aus dem Norden
Weitere drei Tage vergingen, in denen ich des öfteren mein Zimmer verlies. Aber niemals ohne Aryana, die mich sicher führte.
Niemals ohne sie....
Meistens gingen wir zu Arod oder spazierten einfach nur durch Elronds Garten. Draußen an der frischen Luft konnte ich die Natur ganz in mir aufnehmen und noch mehr Geräusche und Gerüchte wahrnehmen, an denen ich mich orientieren konnte.
Irgendwann versuchte ich es tatsächlich, alleine durch den Garten Elronds zu gehen. Aryana lief weiterhin neben mir her, aber sie führte mich nicht.
Allein durch die Geräusche lernte ich, mich zu orientieren. Am Wasserfall, am Springbrunnen und sogar an den Gesängen der Vögel. Denn dort, wo viele Vogelstimmen her kamen, war vermutlich ein Baum.
Natürlich hatte ich den wunderschönen Garten noch gut in Erinnerung von meinen letzten Besuchen hier in Bruchtal. Aber hauptsächlich orientierte ich mich nur mit meinen übrig gebliebenen Sinnen.
Ich kam nur sehr langsam voran, was mein Selbstwertgefühl teils stärkte, aber auch mächtig schwächer werden ließ. Denn für meinen Geschmack ging alles etwas zu langsam.....
"Lass' uns eine Pause machen. Dort drüben ist eine Bank vor dem Wasserfall" schlug Aryana vor, als wir wieder einmal spazieren waren.
Ich lauschte in die Umgebung und konnte den Wasserfall weiter links von mir rauschen hören. Langsam drehte ich mich in die besagte Richtung und ging, Schritt für Schritt weiter gerade aus, bis das Geräusch des reißenden Flusses lauter wurde.
Ich blieb stehen, als ich vor mir das Geländer, welches den Garten vom Wasser trennte, spürte und wusste, dass die Bank nicht mehr weit sein konnte.
Vorsichtig ging ich einen Schritt zurück und tastete nach der Bank.
Es dauerte eine weile, aber ich bekam sie irgendwann zu fassen und ließ mich langsam darauf nieder.
"Gut gemacht" lobte Aryana zufrieden. Ich spürte wie sie sich neben mich setzte.
"Es geht alles viel zu langsam. Ich möchte endlich wieder sehen können, wohin ich laufe. Ist das zu viel verlangt?" fragte ich verzweifelt und lehnte mich an die Rückenlehne der Bank.
"Hab Geduld Legolas. Dein Freund Aragorn wird sicher Erfolg haben" versicherte mir Aryana, obwohl ihre Stimme nicht gerade zuversichtlich klang.
"Kannst du mir das versprechen?" fragte ich leise mit einem Funken Hoffnung in meiner Stimme.
Aryana antwortete nicht.
Natürlich antwortet sie nicht, dachte ich mir betrübt.
"Hätte ich mir denken können" murmelte ich niedergeschlagen.
Eine Weile saßen wir so da...
Schweigend...
Der Umgebung lauschend...
Dem Fluss,...
Den Vögeln...
Dem Geklapper von Hufen...
Geklapper von Hufen? Hier im Garten Elronds?
"Kommt da jemand mit einem Pferd?" fragte ich, als ich hörte, wie das Geräusch immer näher auf uns zu kam.
"Ja" bestätigte Aryana meine Vermutung, "und er kommt auf uns zu"
Aryana sollte recht behalten. Den das Hufgeklapper kam immer näher auf uns zu, bis es schließlich stehen blieb.
Wer wollte da etwas von uns?
Was wollte er?
"Seit ihr Legolas? Sohn von Thranduil?" fragte eine fremde Männerstimme von weiter oben.
Vermutlich saß er auch dem Rücken des Pferdes.
"Ja" antwortete ich nach kurzem zögern.
Ich hörte, wie jemand aus einem Sattel stieg und auf den Boden landete.
"Mein name ist Omár. Ich komme aus einem Dorf hoch im Norden. Ein gewisser Streicher schickt mich, um euch diesen Brief zu überbringen" fuhr der Mann fort.
Ich traute meinen Ohren kaum. Hatte der Mann wirklich gerade gesagt, dass er einen Brief von Streicher dabei hatte? von Aragorn?
Ich hoffe so sehr, dass in dem Brief stand, wann seine Rückkehr zu erwarten war. Vielleicht hatte er Gandalf schon gefunden und machte sich nun auf den Weg nach Loriem um Galadriel von meiner Blindheit zu unterrichten.
Mein Herz begann wild du klopfen...
"Ich nehme ihn. Habt dank für eure Mühe" sagte Aryana freundlich.
"Noch einen schönen Tag, mein Prinz. MyLady" verabschiedete sich der Mann.
Ich hörte, wie das Pferd im Schritttempo weg geführt wurde.
"Wer ist den dieser Streicher?" fragte Aryana interessiert.
"So wird Aragorn unter den Waldläufern genannt. Nun ließ schon vor" drängte ich die Heilerin.
Aryana lachte leise und ich hörte, wie Papier entfaltet wurde.
Ich konnte es nicht abwarten, sondern wollte sofort wissen, was dort in Aragorns Brief stand. Warum dauerte das nur so lange?
Endlich hatte Aryana das Pergament geöffnet und begann mit ihrer Wundervollen Stimme vor zu lesen:
"Mein lieber Legolas,
ich hoffe dieser Brief erreicht dich schnell und ich hoffe ebenfalls, dass du jemanden findest, der meine Zeilen für dich vorliest. Leider habe ich schlechte Nachrichten für dich, mein Freund. Den obwohl ich mich in beinahe jedem Dorf im Norden ungehört habe, konnte ich keine Anzeichen von Gandalf entdecken. Es scheint fast so, als wäre er spurlos verschwunden. Einige Menschen aus den Norden haben behauptet, der graue Zauberer sei über das Meer nach Valinor gesegelt. Aber das glaube ich nicht, denn davon hätte ich mit Sicherheit gehört.
Also bitte mach dir keine Sorgen. Ich werde den Norden nicht eher verlassen, bevor ich den Zauberer gefunden habe.
Ich hoffe du bist nicht zu sehr enttäuscht, mellon nin.
Bitte,... gib die Hoffnung nicht auf und versinke nicht zu sehr in Trauer. Ich verspreche dir, dass du bald wiedersehen wirst.
Aragorn
Während Aryana Aragorns Brief vorgelesen hatte, war ein riesiges Gefühlschaos in mir ausgebrochen, bei dem sich sofort Verzweiflung und Wut die Oberhand erkämpft hatten. Ich konnte nicht so recht begreifen, was Aryana soeben vorgelesen hatte.
Erst als ich mir die Zeile zum dritten mal durch den Kopf gehen ließ, verstand ich es....
Aragorn hatte mir meine letzte Hoffnung genommen. Natürlich konnte Gandalf noch gefunden werden. Aber so, wie es im Moment aussah, schien der Zauberer verschollen zu bleiben.
Und genau das war der Punkt...!!!
Enttäuscht ließ ich den Kopf sinken.
"Es tut mir so leid, Legolas" murmelte Aryana leise und nahm meine Hand in ihre.
"Es war falsch gewesen, sich Hoffnungen zu machen" flüsterte ich mit erstickter Stimme.
"Nein, das darfst du nicht denken. Hoffnungen sind gut. Glaube an sie" sagte Aryana mit bittendem Unterton.
Doch ich schüttelte nur den Kopf und stand auf.
"Wo willst du hin?" fragte Aryana verwundert.
"Auf mein Zimmer" antwortete ich ihr nur und begann langsam den Plattenweg entlang zu laufen. Nachdem ich ein paar mal in die Beete getreten war, stieß ich irgendwann an das Geländer, welches, wie ich wusste, neben den Treppen angebracht war, welche wiederum zum Haus hinauf führten.
Zum ersten mal seit ich erblindet war, stieg ich alleine die Treppen hinauf. Zwar langsam.
Aber allein.
Leichte Schritte verfolgten mich.
Ich hörte die genau...
Aryana...
"Lass mich bitte allein Aryana" murmelte ich etwas genevt und tastete mich an der Wand bis zur nächsten Treppe entlang.
"Damit du gegen eine von Herr Elronds wertvollen Skulpturen stößt und umwirfst? Wohl kaum" antwortete Aryana gelassen.
Etwas umwerfen? Damit war sie zu weit gegangen! Der werd ich's zeigen!!
Ich erreichte das Ende der Treppe und ging langsam den Gang entlang. Wenn ich es richtig in Erinnerung hatte, lag mein Zimmer am Ende des Koridors. Also tastete ich mich weiter, bis ich eine Wand vor mir spürte. Von da an, dauerte es noch einige Minuten bis ich mein Zimmer endgültig erreicht hatte.
Ich hörte wie jemand die Tür schloss und dann durch mein Zimmer ging, während ich mich auf mein Bett sinken ließ.
"Warum bist du hier?" murmelte ich frustriert. Alles was ich wollte, war alleine zu sein. Warum verstand Aryana das nicht.
Die Elbin setzte sich neben mich auf das Bett.
"Ich wollte mit dir reden" antwortete sie mit ruhiger Stimme.
"Und wenn ich keine Lust habe zu reden?" fragte ich leicht genervt.
"Dann wirst du mir einfach nur zuhören" erwiderte Aryana und nahm meine Hand in ihre.
"Ich hatte eigentlich vorgehabt, dass Geheimnis eines Freundes bis in alle Ewigkeit zu hüten. Aber angesichts der Tatsache, dass du mir hier gerade wieder im Selbstmitleid ertrinkst, muss ich dieses Geheimnis wohl lüften"
"Was für ein Geheimnis" fragte ich leise.
Meine Neugier war weder geweckt, noch hatte ich Lust zu reden. Aber mir war klar, das Aryana nicht eher gehen würde, bevor ich auch nur ansatzweise mein Interesse zeigte.
"Es ist eine lange Geschichte" meinte Aryana nur, "willst du sie hören?"
"Kommt darauf an. Will ich das? Um was geht es?" fragte ich tonlos.
"Sagen wir mal so... Teile deines Lebens werden in dieser Geschichte widergespiegelt. Vielleicht erhälst du so etwas mehr Selbstvertrauen" antwortete Aryana.
"Ich habe Selbstvertrauen" kam es trotzig von mir.
"Das sehe ich. Aus diesem Grund spricht du auch so leise und lässt den Kopf hängen. Nein, du hast dein Selbstvertrauen in dem Moment verloren, indem dir der Ork in die Augen gestochen hat. Und ich möchte dir dieses Selbstvertrauen zurück geben. Wenn du mir nur die Chance dazu gibst" erwiderte die Elbin mit sanfter Stimme.
Ich seufzte.
Vermutlich hatte sie recht.
Ich hatte im Moment so wenig Selbstvertrauen wie ein Stein.
"Du wirst nicht eher gehen, bis ich diese Geschichte gehört habe, nicht war?!" fragte ich leise.
"Nein" kam die Antwort sofort zurück.
Erneut seufzte ich. "Dann erzähle sie"
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