Ein alter Freund
Legolas' Sicht:
Aryana hatte mir viel zum nachdenken gegeben. Alles, was sie gesagt hatte, klang so weiße. Aber auch so echt. So als ob sie all das, was ich gerade durchmachte, selbst schon einmal durch gestanden hatte. Aber das konnte ich mir einfach nicht richtig vorstellen.
Andererseits war da noch diese Sache, welche die Elbin dazu veranlasst, hatte mit singen aufzuhören. Ein großer Fehler wie ich fand, den Aryanas Stimme glich der eines Engels.
Mittlerweile war die dritte Woche hier in Bruchtal abgebrochen. Aryana hatte, nachdem ich sie darum gebeten hatte, eingewilligt, öffter für mich zu singen. Fast jeden Tag durfte ich ihre wunderschöne Stimme hören. Ihre Lieder waren teilweise in der gemeinen Sprache geschrieben und teilweise in elbisch. Ich mochte dieses misch Verhältnis sehr.
Eines Tages kam Aryana aufgeregt in mein Zimmer gestützt. Mittlerweile war nicht mehr ganz so schreckhaft wie in der ersten Woche ohne Augenlicht. Und so bekam ich nicht jedes Mal einen Schreck, wenn jemand in mein Zimmer hinein kam.
"Legolas" rief Aryana außer Atem und rannte auf mich zu, "Ich habe tolle Neuigkeiten"
"Ist Aragorn zurück gekehrt?" fragte ich hoffnungsvoll. Aryana wusste mittlerweile von Aragorn und seiner Mission.
"Nein, leider noch nicht" sagte sie etwas niedergeschlagen.
Ich ließ den Kopf enttäuscht sinken.
"Dann sind es auch keine tolle Neuigkeiten" murmelte ich zu mir selbst.
"Doch, ich habe tolle Neuigkeiten. Aber dazu musst du mitkommen" sagte Aryana bestimmt und legte mir ihre schlanke Hand auf die Schulter.
"Moment! Mitkommen? Nach draußen? Nein. Auf keinen Fall" sagte ich sofort und wich ich paar Schritte zurück.
"Legolas, es ist alles gut. Ich bin doch bei dir. Hast du etwa Angst, die anderen Elben verachten dich? Wegen deiner Blindheit?"
Ich antwortete nicht auf diese Frage. Aber in Wahrheit hatte Aryana recht. Ich hatte Angst vor Verachtung. Angst vor neugierigen Blicken, die ich im Nacken spüren würde und die sich durch mich hindurch bohren würden.
"Habe keine Angst, Legolas. Beweise mir, dass der Elbenprinz, der in Kriegen gekämpft hat, genauso mutig sein kann, wenn er verletzt ist" sagte die Elbin leise.
Ich sagte wieder nichts.
"Vertrau mir, ja!? Ich möchte dir etwas zeigen" fuhr Aryana fort, nahm meine Hand und zog diese vorsichtig mit sich. Doch ich war stärker und zog meine Hand wieder zurück.
"Was bringt das, wenn ich es doch sowieso nicht sehen kann?" fragte ich trübseelig.
"Du kannst es spüren" entgegnete Aryana.
Ich schüttelte leicht den Kopf. Nein, solange ich mein Augenlicht nicht wieder hatte, würde ich hier bleiben...
"Tut mir leid, Aryana. Ich komme nicht mit" murmelte ich traurig und wendete ihr den Rücken zu.
"Gut, wie du willst. Dann gehe ich eben allein zu Arod" sagte sie plötzlich etwas lauter.
Mit einem mal horchte ich auf.
"Arod? Er ist hier?" fragte ich verblüfft und erfreut gleichzeitig.
"Ja, er kam gerade eben hier an. Er hat überall Schürfwunden und Kratzer. Und er ist völlig verdreckt. Aber er ist gesund. Zwar etwas entkräftet aber gesund. Er hat den Weg zurück nach Bruchtal ganz alleine gefunden. Als ob er zu dir wollen würde" erzählte die junge Elbin. Ich hatte ihr viel von Arod erzählt. Deswegen wusste sie auch genau, sie er aussah. Eine Verwechslung konnte also nicht vorliegen. Immerhin. Arod war ein Menschenpferd, das den Weg nach Bruchtal auswendig kannte. Das gab es nur ein mal.
Hätte ich gesunde Augen ohne Verband gehabt, wären diese garantiert aufgeleuchtet.
"Ich will ihn sehen" sagte ich plötzlich, bevor mir einfiel, dass ich ihn ja nicht wirklich sehen konnte, sondern nur fühlen konnte.
"Nun, da du dich weigerst das Zimmer zu verlassen und Pferde hier im Gebäude verboten sind...." begann Aryana unschuldig aufzuzählen.
"Na gut, es tut mir leid. Ich werde mitkommen" sagte ich schnell.
Aryana lachte. Es war ein schönes lachen.
Ein echtes Lachen.
Kein künstliches.
"Na, dann komm" sagte sie und nahm meinen Oberarm um mich zu führen.
Langsam liefen wir durch die langen Flure und Hallen, bis wir zur Treppe kamen. Dort wurden wir noch langsamer. Mir war immer noch unwohl zu mute. Aber ich ging weiter. Es war, als würde mich Arod magisch anziehen.
Stufe für Stufe gingen wir langsam hinunter in das Erdgeschoss. Dort angekommen mussten wir noch einmal eine Treppe hinab steigen, um endlich ins Freie zu gelangen.
Die frische Luft tat mir gut.
Ich atmete langsam ein und wieder aus...
Hier hörte ich die Vögel und Wassergeräusche noch deutlicher...
Die Sonnenstrahlen tanzten auf meiner Haut und der Wind spielte leicht mit meinen Haaren.
"Legolas? Bist du das?"
Eine altbekannte Stimme erklang einige Meter vor uns. Ich brauchte ein paar Sekunden, um herauszufinden finden, wem sie gehörte. Lindir.
Warum müssen wir ihm ausgerechnet jetzt über den Weg laufen?
"...Ja, ich bin es" antworte ich zögernd und konnte hören, wie der Elb näher kam.
"Es freut mich, dich mal wieder zu sehen, mein Freund" sagte Lindir, der jetzt schätzungsweise nur noch einen Meter von uns entfernt stand.
"Ich würde dir gerne das selbe sagen,... aber..." begann ich leise. Aber Lindir verstand schon.
"Ja, ich habe von deinem... Unfall gehört. Ich hoffe sehr für dich, dass Aragorn mit seiner Suche nach dem Zauberer Erfolg hat" fuhr der Elb fort.
Weiß das jetzt schon jeder? Warum erzählt ihr es nicht gleich in ganz Mittelerde?
"Das hoffe ich auch" murmelte ich nur Gedankenverloren.
"Ich muss leider gleich wieder weiter. Aber eins sage ich dir noch, Legolas: Gebe deine Hoffnung nicht auf. Ich wünsche dir von Herzen, das dein Augenlicht bald wieder zurück kommen wird" sagte Lindir und ging davon. Als seine Schritte verklungen waren, führte Aryana mich langsam weiter.
Wir gingen noch ein Stückchen durch den Garten Elronds, bis mir der Geruch von Pferden in die Nase stieg. Aryana führte mich weiter, bis wir in ein Gebäude hinein gingen, indem der Geruch und die Geräusche der Pferde noch um einiges stärker war.
Der Stall.
Irgendwann blieb Aryana stehen, öffnete, so wie es sich anhörte, eine der Boxen Türen und führte mich in die Pferde Box hinein.
Noch bevor ich richtig nachdenken konnte, bekam ich einen sanften stups an die Schulter. Ein Pferd drückte seinen Kopf vertrauensvoll gegen mich. Aryana ließ meinen Arm los um mir mehr Bewegungsfreiheit zu geben.
Ich tastete mit der Hand nach den Nüstern des Tieres. Als ich diese fand und liebevoll darüber strich, wusste ich sofort, welches Tier ich hier vor mir hatte.
"Arod" murmelte ich in das Fell meines Pferdes. Arod schnaubte leise und rieb seinen Kopf an meiner Brust. Ich strich mit meiner Hand über den Hals meines Gefährten.
"Ich wusste du kommst zurück" sagte ich leise zu ihm und Arod antwortete mir mit einem leisen schnauben. Ein Lächeln umspielte meine Lippen und ich lehnte meinen Kopf an die Stirn meines Pferdes.
Er war es...
Er war zurück gekommen...
Ich blieb über eine Stunde bei Arod. Und auch Aryana blieb da. Ich fühlte, wie sich meine Laune Stück für Stück hob. Ich hatte Arod zurück und er war nicht schlimm verletzt. Für ein paar Stunden war ich einfach nur glücklich. Glücklich darüber, dass mich wenigstens Arod nicht im Stich gelassen hatte. Das er damals im Wald geflohen war, nahm ich ihm überhaupt nicht mehr übel.
Aber als es Abend wurde und Aryana mich wieder auf mein Zimmer brachte, begann ich mir wieder Sorgen zu machen... Sorgen um meine Augen... Sorgen um meine Zukunft...
Nachdem ich wieder sicher in meinem Zimmer war, hatte sich Aryana wieder von mir verabschiedet, um Arod zu versorgen und seine Verletzungen zu Pflegen. Nachdem ich sie gefragt hatte, ob sie sich mit Pferden auskennen würde, antwortete sie mir nur, dass sie damals in Lorien auch die verletzen Pferde versorgt hatte.
So vertraute ich ihr Arod an...
Warum auch nicht?
Ich vertraute ihr schließlich auch, obwohl ich sie nicht sehen konnte....
Und nun verstand ich endlich das Sprichwort: Jemandem blind zu Vertrauen...
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