Die Angst vor dem Tod...
Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich die schweren Pfoten wahrnahm, die sich uns langsam näherten.
Jeden einzelnen Schritt der Warge konnte ich durch den Boden hindurch spüren.
Ich glaubte sogar mein Blut in den Ohren rauschen zu hören. So groß war meine Angst.
Aryana schien es nicht besser zu gehen. Ich hörte, wie ihr Atem unkontrolliert zitterte.
"Siehst du sie?" hauchte ich leise, in der Hoffnung, ein nein zu bekommen.
"Nein"
"Sie kommen immer näher" flüsterte ich mit heiserer Stimme und konzentrierte mich stark auf die Geräusche.
Zweierlei Knurren aus zwei verschiedenen Richtungen....
Schwere Pfoten, von vorne und von hinten....
Es mussten zwei Tiere sein.
Zwei Warge.
Einen für jeden von uns.
"Aryana... Nimm meine Dolche" hauchte ich.
"Was?" zischte Aryana entsetzt zurück.
"Jetzt nimm sie schon. Ich kann sie nicht sehen, du schon" flüsterte ich energisch.
"Aber Legolas"
"Nimm sie" drängte ich ungeduldig.
Die Dolche wurden von meinem Rücken gezogen.
"Du musst acht geben. Wargblut ist giftig. Wenn es mit deinem Blut in Berührung kommt, ist es aus" erklärte ich leise, während die Warge immer näher kamen.
Meter für Meter.
Schritt für Schritt.
"Ich glaube, ich kann das nicht" hauchte Aryana nervös.
"Doch du kannst das" flüsterte ich zurück.
"Aber nicht alleine. Ich habe noch nie gekämpft. Und schon gar nicht gegen einen Warg. Du musst mir helfen" flüsterte die Elbin.
Ich hörte die Panik ganz deutlich aus ihrer Stimme heraus.
"Ich kann nicht. Ich kann nichts sehen" hauchte ich frustriert und nervös zu gleich.
"Dafür hast du doch trainiert. Genau hierfür. Denk an Björn. Denk an den Blinden Krieger" flüsterte Aryana mir zu.
Knack
Trockene Zweige waren soeben unmittelbar vor uns zerbrochen. Höchstens in zehn Metern Entfernung.
"Da ist einer. Er ist riesig. Legolas du musst mir helfen. Wir haben es geübt. Alleine schaff ich das nicht"
Die Angst in Aryanas Stimme versetzte Berge in mir.
Ich konnte sie nicht alleine gegen die Warge antreten lassen.
Ich musste ihr zur Seite stehen.
Und obwohl meine Lage aussichtslos zu sein schien,....
Obwohl die Angst in mir die Oberhand gewonnen hatte,....
Obwohl ich nicht die geringste Chance hatte, diese Warge zu töten...
.... zog ich einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an die Sehne meines Bogens.
Das tiefe knurrte vor mir wurde lauter und kam näher. Und auch hinter mir knurrte es mittlerweile lauter als zuvor.
Meine Finger zitterten vor Angst.
Wie sollte ich bitte einen Warg töten, wenn ich noch nicht mal eine unbewegte Zielscheibe treffen konnte.
"Aaahhh"
Aryanas Aufschrei, gefolgt von einem wütendes Fauchen, riss mich aus meinen Gedanken und zurück in die Realität.
Aryana musste einen Angriff mit den Dolchen abgewehrt haben.
"Bist du verletzt?" rief ich panisch.
"Nein, aber... das wird nicht mehr lange so bleiben" kam die Antwort zurück.
Aryana stand ein Stückchen hinter mir und hatte mir den Rücken zugedreht. All das konnte ich aus ihrer Stimme heraus hören, die nun etwas dumpfer Klang, weil sie in die anders Richtung gesprochen hatte.
Der Warg hinter mir, der Aryana Angriff, fauchte erneut schmerzhaft auf.
Ich überlegte fieberhaft, was ich tun konnte, als mich zwei große, mit spitzen Klauen versehene Pfoten auf den Boden warfen und mich unter sich begruben.
Vor Schreck ließ ich den Bogen und den Pfeil los und versuchte nach Luft zu schnappen, denn ein Warg war alles andere als leicht. Und die beiden Pfoten standen direkt auf meinem Brustkorb.
"Legolas!!"
Aryanas panischer Schrei ließ mich selbst in Panik ausbrechen. Es war, als drückte mir nicht nur der Warg sämtliche Luft ab. Nein, obendrauf schnürte mir die Angst auch noch die Kehle zu...
Was sollte ich nur tun? Wie kamen wir wieder lebend aus dieser Sache heraus? War es überhaupt möglich? Eine Heilerin ohne Kampf Fähigkeiten und ein blinder Elb? War es überhaupt möglich, zu entkommen? Oder gar die Feinde zu töten?
"Aaaaahhhhh"
Ein Schmetzensschrei übertönte meine Gedanken und sagte mir sofort: Aryana war verletzt.
Ich versuchte mich vom Warg über mir zu befreien, der seine Schnauze gefährlich nah an mein Gesicht steckte und dort schnupperte. Sein lautes Knurren dröhnte dicht an meinem Ohr und sein ekelhafter Mundgeruch ließ mich kurz aufwürgen.
Ein leichtes dumpfes Geräusch, keine fünf Meter entfernt von mir, verriet mir, dass Aryana soeben zu Boden gefallen war. Ihr hektisches Atmen und das Knurren des Wolfes ließen mich verzweifeln.
Sie durfte nicht sterben...
Nicht heute...
Nicht auf diese Weiße...
Die Zeit schien in Zeitlupe verfallen zu sein. Mein Herz drohte, aus mir heraus zu brechen. Das Pochen in meinen Ohren wurde immer schneller und Lauter.
Krampfhaft versuchte ich nach Luft zu schnappen. Doch der Warg war zu schwer. Seine feuchte Schnauze schnupperte weiterhin dicht an meinem Hals. So, als wollte er erschnüffeln, ob mein Blut auch ungiftig war.
Ich konnte nichts mehr tun...
Der Warg war stärker als ich...
Viel stärker...
"Aaaahhhh"
Wieder hallte ein Schrei des Schmerzes, von Aryana ausgestoßen, durch die Luft und traf mein Herz genau in der Mitte.
Und dieser eine Schrei löste es in mir aus...
Dieser eine Schrei gab mir die Kraft, die ich eigentlich nicht hatte...
Gab mir den Mut, den ich schon längst verloren hatte...
Gab mir die Hoffnung, die ich so lange gesucht aber nicht gefunden hatte...
Während mir die Luft regelrecht abgeschnürt wurde, tastete ich mit der Hand auf dem Gras neben mir herum.
Irgendwo musste er doch liegen...
Wo war er nur...?
Die Krallen des Wolfes drückten schmerzhaft in meine Brust. Aber ich tastete weiter.
Solange bis sich meine Finger um den einen Pfeil schlossen, den ich fallen gelassen hatte.
Ohne zu zögern schnappte ich ihn und rammte ihn blitzschnell in das Tier über mir.
Hoffend, dass ich etwas Empfindliches wie seine Kehle oder seine Brust getroffen hatte, hielt ich den Pfeil weiterhin fest und drückte ihn tief in den Warg hinein.
Etwas nasses und klebriges, vermutlich Wargblut, spritze von oben auf meine Hände und mein Gesicht.
Der Warg würgte krampfhaft auf und schnappte nach Luft.
Ich hatte ihn vermutlich am Hals getroffen. Um ganz sicher zu sein, drehte ich den Pfeil und drückte ihn noch fester in das Tier über mir.
Als der Warg zuerst taumelte und dann mit all seinem Gewicht auf mich fiel, zog ich den Pfeil schnell wieder heraus, damit er mich nicht verletzte
Ein schmerzhaftes Aufstöhnen konnte ich allerdings nicht verhindern, da es bestimmt über 200 Kilo waren, die nun auf mir lagen.
Doch so schwer der Warg auch war... für diesen einen Moment war ich erleichtert.
Denn er war tot!
Ich hatte ihn getötet!
Ich, ein Blinder Elb!
Ich hatte ihn tatsächlich getötet!
Er war nicht nur verletzt...
Er war wirklich tot, denn er atmete nicht mehr!
Meine Arme zitterten leicht, als ich das schwere Tier von mir schob und darunter hervor krabbelte.
Dabei stieß ich zufällig gegen meinen Bogen, den ich natürlich gleich aufhob.
Da stand ich also. Den Bogen in der Hand und mit leicht zitternden Gliedmaßen. Neben mir der tote Warg.
"Hilfe,.. Legolas!"
Aryanas Hilferuf brachte mich zurück in die grausame Realität. Die Realität, in der es nicht ein Warg war, sondern zwei. Und einer lebte noch.
Schnell drehte ich mich in die Richtung, aus der der Hilferuf gekommen war, und aus der auch das dumpfe Knurren des Warges kam.
"Wo bist du Aryana?" rief ich verzweifelt, obwohl ich wusste, dass es ihr nicht viel helfen würde.
"Hier... Er ist über mir,.... Hilfe...."
Der Rest des Satzes ging in einem Husten unter. Hektisches schnappen nach Luft verriet mir, dass die Elbin in der gleichen Situation war, wie ich eben.
Aber wie sollte ich ihr helfen?
Wie konnte ich den Warg von ihr lenken?
Ich könnte mich einfach auf ihn stürzen, in der Hoffnung, er würde Aryana in Ruhe lassen und sich mir zuwenden. Aber dies wäre ein sicherer Tod für mich.
Doch der Tod war vielleicht schon längst für mich geplant worden.
Ja,... Schon damals, als ich im Kampf erblindet war, hätte ich wahrscheinlich schon sterben sollen.
Es war von Anfang an geplant gewesen...
Doch irgendjemand hatte damals beschlossen, mir eine zweite Chance zu geben. Eine Chance, um meine schlechten Taten in der Vergangenheit zu erkennen und zu bereuen.
Und eine Chance, um mich zu verlieben....
Und dies hatte ich auch getan...
Und wenn es bedeutete, Aryana zu retten, wollte ich meinem Schicksal nicht im Weg stehen...
Ich musste es tun...
Ich musste mich opfern...
Für Aryana...
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