Der mit dem Wolf tanzt
"LASS SIE IN RUHE"
Meine Stimme überraschte mich sehr, denn sie klang weder eingeschüchtert noch ängstlich. Vielmehr war sie erfüllt von Hass und Mut. So laut hatte ich lange nicht mehr gebrüllt. Aber anders konnte ich die Aufmerksamkeit des Wargs nicht von Aryana nehmen und auf mich ziehen.
Das tiefe Knurren des Wolfes hallte urplötzlich in meine Richtung.
Er sah zu mir...
Ich konnte seinen Blick förmlich auf mir spüren...
Ich hatte seine Aufmerksamkeit!
"KOMM DOCH HER" brüllte ich noch einmal laut. Dieses mal begann meine Stimme leicht zu zittern.
"Nein, tu das nicht" rief Aryana ängstlich.
Ich ignoriere sie. Ich wollte nur eins. Den Warg töten, bevor er Aryana tötete - oder mich.
Das schwere Atmen des Wargs kam auf mich zu. Immer näher. Schritt für Schritt.
Und ich stand nur da... Den Bogen in der Hand, mit rasendem Herzen und leicht zitterndem Atmen.
Durch den Boden konnte ich das Auftreten der schweren Wolfspfoten deutlich warnehmen. Sie kamen näher. Ganz langsam.
Doch dann verstummte plötzlich alles.
Der Warg war stehen geblieben. Aber warum?
Das seltsame Verhalten des Wolfes lies mein Puls noch schneller Rasen.
Das einzige, das ich wahrnahm, war das klopfen meines Herzens.
Alles andere war verstummt...
Keine Vögel zwitscherten mehr....
Kein Wind brachte das Laub zum Rascheln...
Alles war vollkommen still...
Die Zeit schien stehen geblieben zu sein...
Ich wusste nicht, was hier los war...
Ich wusste nicht, was der Warg tat,... was Aryana tat,... sogar was ich tat, vergaß ich für einige Augenblicke.
Es war, als wäre das ganze Universum stehen geblieben. Nur mein Herzschlag, der dröhnend durch meinen Kopf ging, tat noch seinen gewohnten Tackt. Nur um ein Vielfaches schneller.
Und dann änderte sich alles Schlagartig...
Ohne eine Vorwarnung oder ein Geräusch, stütze sich etwas schweres auf mich. Der Warg.
Noch bevor ich reagieren konnte, umfasste der riesige Kiefer des Wargs meinen kompletten Oberkörper. Ein intensiver Schmerz durchzuckte mich, als sich seine messerscharfen Zähne von vorne in meine Brust und von hinten in meinen Rücken borten, mich von den Füßen rissen und einige Meter durch die Luft schleuderten.
Mit schmerzhaften aufstöhnen prallte ich gegen einen Baum, ging zu Boden und blieb erst mal auf dem Gras liegen.
All das war nur in wenigen Sekunden geschehen. Und doch hatte es sich so angefühlt, als hätte der Wolf Jahre lang in mein Körper hinein gebissen.
Ein fast schon traumatischer Schrei, aus Aryanas Kehle, drang dumpf zu meinen Ohren hindurch. Den Warg hörte ich überhaupt nicht mehr.
Doch er war mit Sicherheit nicht geflohen. Er war noch hier...
Ich versuchte langsam aufzustehen. Mein Oberkörper schmerzte gewaltig und ich spürte feuchte Stellen unter meinem Hemd.
Blut.
Meine Hand hatte den Bogen glücklicherweise nicht losgelassen. Aber was brachte mir das schon?
Ich war machtlos gegen ein Monster, das ich nicht sehen konnte!
Ich zitterte ein wenig, als ich mich am Baumstamm hinter mir hochstemmte und versuchte, die Warg zu orten.
Wo war er nur?
Ich stand kaum fünf Sekunden auf den Beinen, als ich erneut von meinem Gegner angegriffen wurde. Dieses mal jedoch ging der Warg wie sein Vorgänger vor. Mit seinem ganzen Gewicht sprang er mich an und brachte mich damit aus dem Gleichgewicht.
Kaum lag ich auf dem Boden, spürte ich erneut das Gewicht von schweren Tatzen auf meiner Brust.
Doch dieses mal war ich nicht allein.
Dieses mal bekam ich Hilfe.
Aryana.
Das Geräusch von Klingen, welche durch die Luft sausten, war kaum zu überhören. Kurz darauf sprang der Warg, wild fauchend, von mir hinunter.
Sofort rappelte ich mich wieder auf.
"Danke" konnte ich nur atemlos ausstoßen.
"Noch ist er nicht Tod. Wir müssen -"
Der Rest des Satzes ging in einem schmerzhaften Schrei unter.
"Aryana?" panisch drehte ich mich im Kreis, um heraus zu hören, wo Aryana war.
Aber es kam keine Antwort.
Was war geschehen? Hatte der Warg sie angegriffen? Vermutlich!
"Ahhhh,... Legolas... Hinter dir!" schrie Aryana von etwas weiter weg.
Ich drehte mich herum. Doch natürlich konnte ich nichts sehen. Was sollte ich nur tun? Was konnte ich tun?
Schwere Pfoten jagten auf mich zu. Doch etwas am Gang des Wargs war anders. Er schien... Zu humpeln...!
Er war verletzt.
Schnell drängte ich diesen Gedanken bei Seite. Denn verletzt war nicht gleich tot.
Der Wolf war direkt vor mir...
Jagte auf mich zu...
Wollte sich auf mich stürzen...
Aber nicht heute!
Schneller als ich überhaupt denken konnte machte ich einen Satz nach rechts. Und das keine Sekunde zu früh. Denn das riesige Tier stürmte nur Haarscharf an mir vorbei, kam hinter mir schlitternd zum stehen und fauchte wütend auf.
Ob der Warg wohl wusste, das ich blind war?
"Legolas,... Du musst ihn erschießen" schrie Aryana verzweifelt.
"Ich kann es nicht" rief ich ebenso verzweifelt zurück.
"Doch, denk daran was ich dir erklärt habe! Du musst hören. Lass deine Ohren für dich sehen"
Aryanas Stimme war erfüllt von Angst und Schmerz. Der Warg hatte sie offensichtlich verletzt...
Aber sie hatte recht. Ja, sie hatte recht. Ich musste diese ganze Sache hier und jetzt beenden. Ich musste ihn töten. Ich wusste nicht, wie genau ich es anstellen würde, aber ich musste ihn töten... Nein, ich würde ihn töten.... Für Aryana.
Der Warg vor mir hatte sich wieder in Bewegung gesetzt und hetzte erneut auf mich zu.
Gerade noch rechtzeitig sprang ich zur Seite, um den spitzen Zähnen des Wolfes ein weiteres mal zu entkommen.
Wieder hielt der Warg wild fauchend an. Ich zog mit zitternden Fingern einen Pfeil aus meinem Köcher und legte ihn auf die Sehne meines Bogens.
"Aryana, geh in Deckung. Ich will dich nicht verletzten" rief ich laut und spannte die Sehne.
Zweige knackten, jemand kroch über Gras. Eindeutig kein Wolf. Es war mit Sicherheit Aryana, die in Schutz vor meinen Pfeilen ging.
Wieder fauchte der Warg wütend auf, als er auf mich zu sprang und ich zur Seite auswich. Mir war klar, dass der Wolf mich nur aus einem Grund nicht erwischen konnte. Und zwar, weil er offensichtlich verletzt war. So war er nicht mehr so schnell und wendig wie früher. Und dank seiner lauten Schritte wusste ich auch immer genau, wann er kurz vor mir war und konnte rechtzeitig zur Seite springen.
Doch auf Dauer war dies keine Lösung. Ich musste ihn endlich töten...
Langsam drehte ich mich in die Richtung, aus der das wütende und hungrige Knurren des Tieres kam. Der Warg allerdings schien erraten zu haben, was ich vorhatte und tat nun etwas, dass ich zwar erwartet hatte, doch das mir mein Vorhaben nur erschweren würde: Er begann Kreise um mich zu ziehen.
Seine Schritte, die im Uhrzeigersinn um mich herum zogen, waren nicht schnell. Aber für mich war die ganze Sache mehr als nur schwer.
Ich versuchte mich genau auf die Schritte zu konzentrieren. Jeden einzelnen Schritt...
Doch die Angst, der Warg könnte urplötzlich seine Kreise unterbrechen und mich angreifen, verschwand nicht.
Ich spannte die Sehne meines Bogens bis zu meinem Ohr und drehte mich langsam im Kreis. Immer darauf achtend den Pfeil nicht los zulassen, lauschte ich angestrengt, bis ich die Tatzen des Wolfes genau orten konnte und meinen Pfeil in diese Richtung drehte.
Bitte, lass es gelingen... flehte ich zu den Valar empor, ehe ich noch einmal tief durch atmete und den Pfeil dann los ließ.
Ein Zischen ging durch die Luft...
Klock
Ich wusste sofort, dass ich den Warg vefehlt hatte. Den das riesige Tier zog weiterhin Kreise um mich und hatte weder Aufgefaucht noch vor Schmerz geheult.
Nein, der Pfeil hatte ihn nicht getroffen und war vermutlich in einem Baum stecken geblieben.
Frustriert, aber fest entschlossen, zog ich einen weiteren Pfeil, spannte den Bogen und visierte die Geräusche des Wolfes an.
Noch einmal ließ ich den Pfeil los. Doch auch dieses mal verfehlte er den Warg und blieb viele Meter weiter irgendwo stecken.
Ich hatte das Tier zwar nicht getötet, aber dafür umso wütender gemacht. Der Warg knurrte laut auf und noch während ich den dritten Pfeil zog, hechtete er erneut auf mich los.
Bereit, seine messerscharfen Zähne in mir zu versenken....
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