Das große Rätsel
Sicht Aragorn:
Ich sah Elrond ungläubig an. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Hatte er wirklich gesagt, dass es hier in Bruchtal seit über 100 Jahren keine Elbin mehr mit dem Namen Aryana gegeben hatte? Das konnte doch nicht sein. Oder war das vielleicht ein Scherz? Aber Elrond war nicht gerade für Scherze bekannt.
"Wie... meint ihr das?" fragte ich verwirrt.
"Ich meine es so, wie ich es gesagt habe. Hier in Bruchtal hat es seit über 100 Jahren mehr keine Elbin mehr gegeben, deren Name Aryana ist. Ich kenne Bruchtal und ich kenne meine Elben hier, Aragorn" antwortete der Herr von Bruchtal mit deutlich ernster stimme, "aber ich kenne niemanden hier, der so heißt".
"Aber das kann nicht sein" sagte ich verwirrt und schüttelte den Kopf.
"Ich irre mich leider nicht, Aragorn. Aber es könnte sein, dass Legolas sich irrt. Bist du sicher, dass er Aryana gesagt hat? Der Heilzauber hat ihm viele Kräfte gekostet. Vielleicht hat er sich nur versprochen" vermutete Elrond.
"Nein, das kann auch nicht sein. Denn Legolas erzählte mir bereits vor dem Zauber von Aryana. Es muss sie einfach geben" entgegnete ich. Elrond seufzte und legte die Stirn wieder in Falten.
"Ich kann dir leider nicht helfen. Hast du sie wirklich nicht gesehen? Oder irgendjemand anderes?" fragte mich der Halbelb.
"Nein, leider nicht. Und Legolas... Nun ja.. Er konnte sie ja auch nicht sehen" antwortete ich nachdenklich.
"Wirklich seltsam" murmelte Elrond Gedankenversunken.
"Aber es muss doch eine logische Lösung dafür geben" überlegte ich angestrengt.
Elrond sah mich ernst an.
"Es könnte zwei Möglichkeiten geben. Die eine wäre, das sich eine Fremde Elbin um Legolas gekümmert hat. Und das ohne meine Erlaubnis. Aber das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Was ich eher glaube, ist, dass sich eine meiner Heilerinen, ebenfalls ohne meine Zustimmung, um Legolas gekümmert hat und ihm obendrauf noch einen falschen Namen genannt hat" erklärte Elrond.
"Was? Das kann ich nicht glauben. Ich meine, Legolas ist ein Prinz. Niemand würde ihm einen falschen Namen nennen. Keiner möchte den Zorn Thranduils wecken. Und eine Fremde Elbin? Ich weiß nicht so recht..." entgegnete ich.
"Dann erkläre du es mir, Aragorn!" verlangte Elrond etwas gereizt, drehte sich herum und ging zum Fenster. Seine Augen schweiften über die schneebedeckte Landschaft Bruchtals.
Ich drehte und wendete die Situation in meinem Kopf tausende male, aber mir wollte einfach eine logische Lösung für dieses Rätsel einfallen.
"Was weißt du über diese Elbin?" fragte Elrond irgendwann.
"Nicht viel. Legolas sagte mir nur, dass sie viel zeit mit ihm verbracht hat, sich um ihn gekümmert hat und ihn gelehrt hat, wie man sich blind bewegt und kämpft" antwortete ich betrübt, "aber ich werde noch einmal mit ihm reden. Es muss noch mehr Informationen über diese Elbin geben".
"Ja, du solltest wirklich noch einmal mit ihm reden" meinte Elrond und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Erschöpft Stütze er die Ellenbogen auf die Ahornplatte, legte den Kopf in die Hände und massierte mit den Zeigefingern seine Schläfen.
Der Elbenherr sah deutlich angeschlagen aus und machte mehr den je den Eindruck, seit Jahrhunderten nicht geschlafen zu haben.
Ich beschloss, nicht darauf einzugehen und stattdessen Legolas über Aryana auszufragen. Gedankenversunken drehte ich mich um und wollte gerade aus dem Raum gehen, als mir noch etwas einfiel.
"Wer hat sich eigentlich während meiner Abwesenheit um Legolas gekümmert?" fragte ich interessiert.
Der Elb hob den Kopf, runzelte verwirrt die Stirn und sah auf die Rolle Pergament, die vor ihm lag.
"Ich habe ab und zu nach ihm gesehen. Und wenn ich keine Zeit hatte, schickte ich... eine andere Heilerin zu ihm" antwortete er etwas unsicher.
"Und wer war das?" fragte ich mit einem starken Drang nach der Antwort in meiner Stimme.
Elrond sagte nichts. Er sah mich nur lange Schweigend an und in seinen dunklen Augen spiegelte sich Verwirrung.
"Ich weiß es nicht mehr" sagte er schließlich mit erstickter Stimme.
Ich glaubte nicht recht zu hören.
"Das können doch keine Zufälle mehr sein" rief ich so aufgebracht, dass Elrond erschrocken zusammen zuckte. "Eine Elbin, die es anscheinend gar nicht gibt, hat sich ohne euer Wissen um meinen besten Freund gekümmert und ihr erinnert euch nicht mehr daran, wen ihr zu Legolas geschickt habt, wenn ihr keine Zeit hattet? Das sind keine Zufälle mehr!"
Aufgebracht suchte ich nach etwas, um mich abzureagieren. Doch es gab nichts. Elrond sah mich währenddessen wieder ernst an, stand auf und kam auf mich zu.
"Ich weiß nicht, was hier vor sich geht, Aragorn. Aber egal, was es ist, du musst dieses Rätsel lösen. Sprich noch ein mal mit Legolas" sagte er.
Ich nickte knapp.
Ja, ich musste dieses seltsame Rätsel auflösen. Aber zuerst musste ich noch einmal mit Legolas reden. Denn er war anscheinend der einzige, der etwas über die Elbin wusste.
Sicht Legolas:
Das Gefühl, wieder sehen zu können, brachte mich wieder zum Lächeln. Natürlich hatte ich in der Zeit, in der ich blind gewesen war, auch gelächelt. Aber jetzt war es etwas vollkommen anderes.
Ich stand am Fenster meines Zimmers und lies meinen Blick über Bruchtal schweifen. Ich konnte noch nicht vollständig scharf sehen. Aber dennoch erkannte ich alles wieder. Die schönen Häuser, den Springbrunnen, dem ich in den letzten Wochen so oft gelauscht hatte, die Brücken.... alles überzogen mit einer weißen Decke aus Schnee.
Ich war einfach nur so glücklich, dass dieser Albtraum nun vorbei war. Und besonders glücklich war ich darüber, dass ich nun endlich die Chance hatte, Aryana mit eigenen Augen sehen zu können. Vorausgesetzt, sie würde wieder zurückkommen.
Während der letzten Wochen war sie mir mehr und mehr ans Herz gewachsen. Und bei unserem Kuss hatte ich es eindeutig gespürt. Ich hatte mich in sie verliebt. Sie war die eine Frau, die mein Herz berührt hatte. Die mich verändert hatte. Zum besseren.
Auch, wenn mich ihr plötzliches Verschwinden sehr verwundert hatte. Und dann noch diese letzten Worte: Vergiss mich nicht.
Was hatte das nur zu bedeuten?
Zeit, um über diese eigenartigen Worte nach zu denken, hatte ich aber nicht. Denn in diesem Moment ging die Zimmertür auf.
"Legolas?"
Aragorn betrat das Zimmer und schloss die Tür wieder.
"Da bist du ja. Hast du Herrn Elrond gefragt? Weiß er, wo sie ist?" fragte ich sofort erwartungsvoll und durchquerte das Zimmer.
"Nun,... Nein, nicht direkt" murmelte Aragorn verlegen.
"Wie meist du das? Nicht direkt?" fragte ich verwirrt.
"Also... Nein, er weiß auch nicht, wo sie sich aufhält. Weil..." Aragorn unterbrach sich selbst.
"Weil...was?!?" drängte ich meinen Freund zum weiterreden.
Doch Aragorn schien nicht recht zu wissen, was er sagen sollte. Ich konnte ihn zwar nur unscharf erkennen, doch meine Augen waren immerhin schon soweit geschärft, dass ich die Unsicherheit erkannte, welche ihm ins Gesicht geschrieben stand.
"Schön, dann gehe ich eben selbst zu Herrn Elrond und frage ihn" entschied ich und wollte an Aragorn vorbei gehen. Aber dieser hielt mich am Arm fest und hinderte mich an meinem Vorhaben.
"Jetzt warte mal kurz, Legolas" sagte er und zog mich zu meinem Bett.
"Dann sag mir doch was los ist!" verlangte ich von Aragorn und setzte mich auf die Bettkante. Aragorn ließ sich auf dem Stuhl direkt neben dem Bett nieder.
"Also... Es ist so, mein Freund. Ich war bei Herrn Elrond. Ich habe ihn nach Aryana gefragt. Aber...mmh... Wie soll ich das jetzt sagen?" überlegte der König nachdenklich.
"Ja? Und weiter? Was hat Elrond gesagt?" fragte ich ungeduldig.
"Er... Nun... Er sagte..." Aragorn unterbrach sich erneut selbst.
"Jetzt sag es schon, Aragorn" sagte ich etwas lauter und noch eine Spur ungeduldiger. Denn langsam verlor ich wirklich die Geduld.
"Er sagte, dass es keine Heilerin gibt, die Aryana heißt!"
Stille.
Ich sah Aragorn an, als ob er mir gerade in Gesicht geschlagen hätte. Dann lachte ich plötzlich los.
"Sehr lustig, Aragorn".
"Legolas, du verstehst nicht. Das war kein Scherz. Es gab hier in Bruchtal anscheinend in den letzten 100 Jahren keine Elbin mehr, die den Namen Aryana getragen hat. Das hat Elrond gesagt" sagte Aragorn mit erster Stimme.
Ich sah meinen Freund nur verwirrt und verständnislos an.
"Aber das ist unmöglich. Ich habe sie doch fast jeden Tag.... Naja, nicht gesehen. Aber sie war bei mir. Sie hat meine Wunde versorgt, mit mir geredet. Sie hat mir so viel beigebracht! Das habe ich mir doch nicht eingebildet!" sagte ich mit entschiedener Stimme.
"Das sagt ja auch keiner. Elrond glaubt, eine andere Heilerin hat dir einen falschen Namen gesagt. Oder es war eine Fremde" erklärte Aragorn und versuchte mich so zu beruhigen.
"Das kann nicht sein, Aragorn. Sie kann nicht gelogen haben. Nein, das hätte sie nie getan. Das glaube ich nicht. Ich meine, sie war so... So echt".
Die letzten beiden Worte flüsterte ich fast. Ich wollte einfach nicht glauben, dass mich genau jene Elbin belogen hatte, der ich mein Herz geöffnet hatte. Nein. Niemals hätte sie mich belogen oder mir einen falschen Namen genannt. Niemals.
"Das ist noch nicht alles, mein Freund. Du weißt, dass Elrond nie etwas vergisst, oder? Die Sache ist die, er kann sich nicht mehr daran erinnern, welche Heilerin er zu dir geschickt hat".
Aragorn schwieg wieder, während ich einfach nur da saß und auf den Boden starrte.
Das konnte doch nicht wahr sein.
Hier war irgendetwas faul.
"Da stimmt etwas nicht, Aragorn. Wenn sich selbst Elrond nicht mehr erinnern kann... Dann muss ein Zauber in dieser Sache verwickelt sein" murmelte ich leise.
"Ja, das habe ich mir auch schon gedacht" meinte Aragorn nachdenklich und nickte zustimmend.
Ich begriff es nicht.
Ich konnte es nicht fassen.
Erst vor wenigen Tagen noch hatte ich Aryana geküsst.
Sie war da gewesen.
Und jetzt sollte sie nicht mehr existieren?
Das war unmöglich.
Dahinter steckte auf jeden Fall irgendein Zauber.
Ein paar Minuten vergingen, in denen wir beide, Aragorn und ich, nur schweigend da saßen und nachdachten.
Irgendwann ergriff der König von Gondor wieder das Wort.
"Gibt es den niemanden, der euch mal zusammen gesehen hat? Oder jemanden, der nur sie gesehen hat?" fragte Aragorn.
"Ich weiß es doch nicht. Ich konnte doch nichts sehen. Mir fällt da nur Herr Elrond ein. Er hat uns zusammen gesehen. Doch wenn er sich nicht mehr erinnert..." murmelte ich verzweifelt.
Aragorn legte mir freundschaftlich eine Hand auf die Schulter.
"Gib nicht auf, mellon nin. wir lösen dieses Rätsel. Du wirst schon sehen. Versuche dich an alles zu erinnern, was du von ihr weißt. Vielleicht kommen wir dann weiter" schlug er vor.
Ich nickte langsam, blickte aus dem Fenster und ging in Gedanken zu den Gesprächen zwischen mir und Aryana zurück.
Wenn ich ehrlich war, wusste ich nicht so viel von ihr. Sie war im Nachhinein sehr verschlossen gewesen. Doch an ein paar Details konnte ich mich noch erinnern.
"Sie erzählte mir, dass sie noch recht jung sei. Ich glaube sie sagte etwas von 900 Jahren. Sie lebt erst seit kurzem hier in Bruchtal und ist hier auch noch nicht sehr lange als Heilerin tätig. Früher lebte sie in Lorien und-" ich stoppte und sah Aragorn an.
"Sie kommt aus Lorien! Dann muss Herrin Galadriel sie kennen" rief ich plötzlich erfreut.
Wir hatten eine Spur.
"Gut, dann werde ich sie mal nach dieser Aryana fragen" meinte Aragorn und stand auf.
"Ich komme mit" sagte ich bestimmt und erhob mich ebenfalls. Auf Aragorns fragendes Gesicht hin, sagte ich noch dazu: "Glaubst du, ich sitze hier tatenlos herum?"
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