Das Fest

Sicht Malia:

Auf leisen Sohlen schlich ich Eldarion nach. Ich wusste nicht, was er an sich hatte, das mich so sehr an zog. Aber wenn alle Männer der Menschen so aussahen, wollte ich auf jeden Fall später mal einen Menschen zum Gemahl haben.
Ich grinste bei dem Gedanken.
Eldarion war wirklich sehr gutaussehend. Und ich wusste nicht, warum ich ihm hinterher lief. Ich glaubte mir selbst meine Ausrede, dass ich ihn nur ein wenig nach dem Leben der Menschen ausfragen wollte.

Nur... wo war er hingegangen?

Ich lief durch das große Schloss, konnte ihn aber nicht finden. Schließlich kam ich auf einem großen Balkon zum stehen, von dem man eine unglaubliche Sicht auf Minas Tirith hatte.
Ich erstarrte.
Es war so schön.
Auf seine eigene Weise war diese Stadt ein Kunstwerk. Ich trat an das Geländer und stützte mich darauf ab. Meinen Plan, dem Prinzen zu folgen, ganz vergessend, ließ ich meine Blick verträumt über die Stadt schweifen.

"Beeindruckend oder?"

Ich schrak zusammen.
Etwas, was andere Elben nicht taten. Nur ich. Warum auch immer. Ich verstand es selbst nicht, weshalb ich manchmal so schreckhaft war.

Ich musste mich aber nicht umdrehen, um zu wissen, wer da hinter mir stand.

Gefunden.

"Haben deine Eltern dir nicht beigebracht, dass man Damen, die gerade am Träumen sind, nicht einfach erschrecken und aus ihren Träumen reißen darf?" fragte ich mit einem frechen Lächeln, dass Eldarion aber nicht sehen konnte, weil ich noch mit dem Rücken zu ihm stand, zurück. "Das bringt 100 Jahre Unglück".

Er lachte belustigt. "100 Jahre Unglück? Na dann kann ich ja gleich sterben. Selbst mit dem Blut der Dunedain ist es ungewiss, ob ich in 100 Jahren überhaupt noch lebe".

"Ist deine Mutter nicht unsterblich?" fragte ich irritiert zurück.

"Doch, aber dieses Geschenk wurde mir nicht vermacht", sagte Eldarion leicht betrübt.

Ich zögerte.
"Naja, möglicherweise habe ich mich geirrt und es sind nur 10 Jahre", meinte ich dann süßhaft und drehte mich zu ihm um.

Wieder ein Lachen. "Wenn das so ist... damit kann ich leben. Verzeiht mir", lachte der Prinz.

Ich schenkte ihm ein Lächeln.
"Schon verziehen", sagte ich leise.

"Dann bin ich beruhigt. Ich möchte nicht den Zorn Thranduils auf mich ziehen", meinte er.

"Keine Sorge, ihr könntet mich entführen und er würde euch nicht böse sein. Aber dann könntet ihr den Zorn Legolas' erwecken. Und der kann genauso böse werden", antwortete ich.

Eldarion lachte erneut. Lachten Menschen immer so viel? Die anderen Elben tat dies nicht so oft. Sogar Legolas, der verhältnismäßig öfter als sein Vater oder die anderen Elben lachte, lachte nicht so oft wie dieser junge Mensch.
Mir gefiel es.
Denn ich lachte auch gern.

"Dann ist es aber gut, das mein Vater und Legolas gute Freunde sind", meinte er und trat neben mich an das Geländer, um seinen Blick ebenfalls über die Stadt schweifen zu lassen.

"Beeindruckend, nicht wahr?" fragte er mich irgendwann erneut.

Ich nickte. "Obwohl es so ganz anders ist, als die Städte der Elben, hat es doch etwas... eindrucksvolles an sich", stimmte ich zu. Ich konnte mir einen Blick zur Seite, auf den schönen Prinzen von Gondor, nicht verkneifen. Doch Eldarion blieb dieser Blick nicht verborgen.

"Kann es sein, dass du mir vorhin gefolgt bist?" fragte er und ein süßhaftes, fast schon belustigtes Grinsen erschien auf seinen Lippen.

Ich fühlte mich ertappt.
"Wer... ich? W-wie kommt ihr denn darauf?" lachte ich nervös und schaute wieder hinunter auf die Stadt.

"Nur so ein Bauchgefühl", meinte der Prinz.

Ich sagte nichts darauf.
Peinlich. Anders konnte man die Situation nicht beschreiben.

"Darf ich euch etwas fragen, wunderschöne Elbenprinzessin Malia aus dem nördlichen Düsterwald?", fragte Eldarion dann und drehte sich zu mir. Ich sah ihn an.

"Natürlich", erwiderte ich nur.

"Ich würde euch gerne die Stadt zeigen, wenn ihr mir gestattet. Ich würde mich auch über einen gemeinsamen Ausritt freuen. Es heißt, Elbenpferde sind schneller, schöner und stärker als die der Menschen", sagte er und schenkte mir ein vielsagendes Lächeln.

"Ich würde mich freuen, Eldarion, wenn ihr mir die Stadt zeigt", sagte ich und drehte ihn den Rücken zu, um wieder nach drinnen zu gehen. "Aber ihr habt keine Ahnung, worauf ihr euch einlasst. Wenn ihr mit eurem Menschenpferd, meinen Talor herausfordert, habt ihr so gut wie verloren", rief ich noch zurück und hörte noch ein belustigtes "Das werden wir schon sehen" von Eldarion.


Sicht Legolas:

In mir tobte ein Konflikt, der mein Herz in einem wilden Sturm gefangen hielt. Und ich wusste nicht, in welche Richtung ich laufen sollte. Einerseits hatte ich die letzten Jahrzehnte versucht, Aryana zu vergessen, mit ihr abzuschließen und mich voll auf das hier und jetzt zu konzentrieren. Und obwohl ich nach außen hin sicher den Eindruck machte, dass ich dies auch geschafft hate, so hatte mein Herz sie doch noch nicht vollständig überwunden. Irgendwo tief in mir hatte ich noch einen Funken Hoffnung, der mir immer wieder sagte, dass sich unsere Wege nicht zum letzten mal gekreuzt hatten. Aber die Phase, in der ich passiv nach ihr suchte, hatte ich hinter mir gelassen. Und ich wusste selbst nicht warum.
Und gerade in der letzten Zeit verspürte ich oft den altbekannten Drang, einfach aufzubrechen und mich auf die Suche nach ihr zu begeben. Doch dann stellte ich mir wieder die Frage Warum.

Aryana hatte gesagt, ich sollte sie nicht suchen.
Aragorn sagte mir, ich sollte sie nicht suchen.
Mein vernünftiges Ich sagte mir, ich sollte sie nicht suchen.

Aber mein Herz... ?

Wann war ein Herz schon vernünftig?

Ich war in einem Zwiespalt.

Aragorn konnte es nicht verstehen. Er hatte Arwen. Er hatte Eldarion.

Ja, ich hatte Malia. Aber Malia füllte nicht die ganze Leere meines Herzens. Sie ließ mich dem Schmerz oft vergessen, wenn sie bei mir war. Aber Aryana hatte eine Leere Hinterlassen, die nur sie wieder füllen konnte. Da war ich mir sicher.

Die Tage vergingen und die Vorbereitungen zum großen Fest liefen auf Hochtouren. Der gesamte Platz vor dem Palast, die Spitze Minas Tiriths sozusagen, wurde festlich geschmückt. Während Gäste von nah und fern anreisten, musste ich feststellen, das Malia und Eldarion immer vertrauter miteinander wurden. Oft unternahmen sie Ausflüge und blieben auch mal den ganzen Tag verschwunden.

Ich machte mir schon ein wenig Sorgen. Malia war zwar klug und stark und Eldarion mit Sicherheit keine Gefahr. Aber Malia war auch naiv. Und sich jetzt in einen Menschen zu verlieben, bedeutete irgendwann Schmerz, denn Eldarion war sterblich und sie würde ewig weiter leben...

Am Morgen des Festes erreichten auch die letzten Gäste, darunter auch Gandalf, die Hauptstadt Gondors. Der alte Zauberer war natürlich genauso wenig erfreut darüber, dass ich Aryana noch nicht aufgegeben hatte. Und auch er hielt mir eine lange Rede darüber, dass sie nie wieder kommen würde. Doch wie bei Aragorn ließ ich mich nicht beirren.

Ja, ich glaubte daran, dass Aryana noch da draußen war.

Und ja, irgendwann würden sich unsere Wege bestimmt wieder kreuzen.

Und auch wenn es noch tausend Jahre dauern sollte... ich würde warten!

Es wurde Abend.
Es wurde dunkel.
Und das Fest begann.
Nach einer langen Rede von Aragorn und einer etwas kürzeren von Eldarion, startete Gandalf die Feierlichkeiten mit seinem berühmten Feuerwerk. Ich hatte es schon das ein oder andere mal gesehen, fand es aber jedes mal ein wenig schöner. Als auch das Eröffnungsfeuerwerk dann sein Ende genommen hatte (ab und zu knallte es noch hier oder da) begann die Musik zu spielen. Aragorn hatte mir erzählt, dass er Menschen aus ganz Gondor eingeladen hatte, die ihre Musik auf Flöten, Trompeten, Geigen oder anderen Instrumenten zum besten gaben.

Ich schlenderte langsam durch den Innenhof, auf dem ein wildes Treiben herrschte. Hatte Aragorn halb Mittelerde eingeladen? Eigentlich war ich nicht der Typ für Feiern. Aber für Aragorn und Eldarion wollte ich eine Weile hier bleiben. Und ich mochte die Musik der Menschen. Sie war, im vergleich zur Elbenmusik, etwas ganz anders. Aber dennoch hatte sie irgendwas an sich. Sie war lauter. Wilder. Fröhlicher.

Ich schlenderte also durch das Treiben, sah einigen Menschenkindern dabei zu, wie sie Gandalfs Feuerwerkschmetterlingen nachjagten und schmunzelte darüber. Malia hätte vermutlich sofort mitgemacht, als sie kleiner gewesen war.

Doch plötzlich verblasste mein Lächeln.

Ohne mein Blick von den spielenden und lachenden Kindern zu nehmen, blieb ich stehen und erstarrte.

Bei den Musikern hatte jemand angefangen zu singen.

Aber es war nicht irgendeine Stimme.

Nein, diese würde ich unter tausenden erkennen.

So weich und wunderschön.

So zerbrechlich und doch so stark.

Das war keine gewöhnliche Stimme...







... Es war ihre!

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