Aus dem Schatten in das Licht

Aryanas Sicht:

Das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich mich mit dem Rücken an einen dicken Baumstamm presste und in die Stille der Nacht hinein lauschte. Die Stimmen kamen immer näher.
Es waren nicht viele.
Höchstens zwei.
Ein Mann und eine Frau.
Und zwei Pferde.

Sie kamen näher.
Wurden lauter.
Bis sie kurz verstummen.

Ich hielt den Atem an.

Und das nächste was zu hören war, war ein erschrockener Schrei in Form von Legolas Namen, der quer über die Lichtung zu mir drang. Ein Schrei so voller Schmerz und Verzweiflung, dass mir zumindest einmal klar wurde, dass die Frau ihn kannte.

Es folgten Schritte.
Jemand rannte zu ihm.
Der Andere folgte.
Und dann hörte ich ein Weinen. Bitterliches Weinen.

"Legolas.... Bitte", ihre Stimme war schmerzlich anzuhören. Und ich konnte mich nicht zurück halten.

Neugier und Angst kämpften in meinem Kopf. Und die Neugier gewann.
Vorsichtig lukte ich ein Stück hinter dem Baum hervor, um zu sehen, wer da gekommen war und gerade um Legolas weinte.

Eine Elbin saß an seiner Seite. Eine recht junge Elbin mit langen braunen Haaren.
Und ein Mensch... Aber kein gewöhnlicher.

Es war der König von Gondor.

Ich erinnerte mich.
Legolas hatte von seiner guten Freundschaft zu Aragorn berichtet. Vermutlich war er deshalb überhaupt hier zu den Festlichkeiten des Prinzen.
Ein Freundschaftsdienst.

Ich zog mich wieder in den Schatten der Eiche zurück.

Er war gefunden.

Aragorn und diese Elbin würden ihn nach Minas Tirith zurückbringen und ihm ein Begräbnis zu kommen lassen.

Diese Elbin... Wer war sie?
Sie musste Legolas nahe stehen.

Ich ging in Gedanken zu Legolas Erzählungen zurück. Und plötzlich fiel es mir ein.

Malia. Es musste Malia sein.
Ja, das kleine Kind, welches damals mit Aragorn und Legolas zusammen duch Bruchtal gestreift war um mich zu suchen.

Aragorn und Malia sprachen nun leise miteinander. Ich wollte eigentlich weghören, aber ein Wort riss mich zurück in die Realität und bescherte mir Angst.

"Amaryllis", hörte ich die Elbin leise sagen.

Amaryllis, dachte ich.

Ja, Legolas hatte mir damals bei unseren ewiglangen Unterhaltungen von seiner Liebe zu diesen Blumen erzählt. Sie schmückten seit je her das Grab seiner Mutter im Düsterwald. Und als ich sie dort hatte wachsen sehen, hatte ich nicht anders gekonnt.

Doch jetzt, im Nachhinein, hatte ich einen riesen Fehler gemacht.

Sie hatten mich verraten.
Die Blumen verrieten den beiden, dass Legolas nicht alleine hier gewesen war.

Und überhaupt... Woher wussten sie dass er hier war?

Ich wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Stattdessen überlegte ich mir schon einen Fluchtplan, der ziemlich einfach gehalten war: Ich würde wieder verschwinden.
Untertauchen.
Ich würde meine Maske nehmen und...

Ich erstarrte...

Die Maske.

Sie lag noch immer im Gras bei Legolas Pferd. Sie würden sie finden. Sie würden wissen, dass ich die Sängerin war.

Ich verfluchte mich selbst!
Damit war sie Chance, weiter unentdeckt bei den Musikern zu bleiben, dahin. Dabei hatte ich die letzten Jahre wirklich genossen.

"Wer hat ihm... Wer hat ihm die Blumen da hin gelegt?" hörte ich nun Malia zaghaft fragen.

Ich biss mir auf die Unterlippe und lehnte meinen Kopf gehen den Baumstamm.

Alles in mir schrie danach, mich versteckt zu halten. Oder davon zu laufen.

Davon laufen wie die letzten Jahrzehnte.

Doch dann hörte ich ihn.
Seine warme Stimme direkt in meinem Kopf.

Versprich es mir.

Und ich öffnete die Augen und reckte den Kopf ein wenig in die Höhe.

"Ich verspreche es", flüsterte ich so leise, dass sie mich nicht hören konnten.

Dann hob ich meine Stimme und antwortete der jüngeren Elbin auf ihre Frage.

"Ich war es".



Aragorns Sicht:

Ich konnte niemanden sehen.
Die Stimme gehörte nicht aber einem Geist, sondern lediglich einer Frau, die sich hinter den dicken Baumstämmen des Waldes versteckte.

Und mein Herz sagte mir auch ganz genau, wer sie war.

Ich wartete einen Augenblick.
Malia stand dicht hinter mir, den mistrauischen Blick in die Dunkelheit gerichtet.

Und dann bewegte sich etwas im Wald und ein Schatten löste sich daraus. Eine schlanke Gestalt, in einem blauen Kleid, mit schwarzem Umgang, trat auf die Lichtung.
Das es sich hierbei um die Sängerin handelte, war offensichtlich.

Doch ich wusste um ihre wahre Identität.

Aber es gab ein Detail an ihr, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Und das war ihr Gesicht.
Die elbischen Gesichtszüge waren vernarbt von der Hand des Feuers. Die Narben zogen sich über die einst bestimmt reine Haut der Elbin.

So sehr mich der Anbkick auch überraschte, so behielt ich doch die Kontrolle über mich und meine Gedanken.

"Ihr habt eine schöne Stimme. Ich muss sagen, ich bin überrascht. Ich dachte, ihr wärt ein Mensch. Aber eine solch zauberhafte Stimme kann nur einer Elbin gehören... Nicht wahr.... Aryana?"

Damit hatte ich die Karten offen gelegt und die Reaktionen der beiden Frauen waren auch dementsprechendend emotional.

Aryanas Blick war überrascht, leicht verängstigt und unsicher, bevor sie sich wieder entspannte.

Malia jedoch schnappte hörbar nach Luft.

"Aryana? Du meinst sie ist....", kam es  überascht aus ihrem Mund.

Ich betrachtete weiterhin die Elbin vor uns, die nur stumm nickte.

"Ihr habt recht, König Aragorn. Woher wusstest ihr es?" fragte sie mit leiser Stimme.

Ich sah sie traurig an.
"Legolas wäre nie ohne Grund davon geritten, nur um eine maskierte Elbin zu verfolgen. Es sei denn, er kannte sie und wollte sie um jeden Preis wieder sehen", antwortete ich ruhig.

Aryana senkte den Blick.
"Ihr seid sehr klug, nein König. Aber sein Preis war viel zu hoch. Ein unfairer Tausch. Der Anblick dessen was ich bin, gegen den eigenen Tod". Sie schwieg kurz, bevor sie leise hinzufügte: "Sein Tod ist allein meine Schuld".

"Aber wenn du Aryana bist...", Malia schien den Tod ihres Zie-Vaters tatsächlich einen Moment zu verdrängen. Zu überraschend waren die neusten Erkenntnisse. "Warum bist du damals gegangen? Du hast ihm das Herz gebrochen. Er hat so lange nach dir gesucht".

Der Vorwurf in ihrer Stimme war stark. Malia ging gar nicht erst auf das Aussehen der Elbin ein. Schien sich aber auch nicht darüber bewusst zu sein, das genau dies der Grund für all dies sein könnte.

Aryana ließ sich nicht beirren. Sie sah Malia sanft an.

"Als ich dich das letzte mal gesehen habe, warst du noch ein Kind. Es ist schön zu sehen, dass Legolas dich zu einer reifen Frau herangezogen hat", sagte Aryana leise. Dann beantwortete sie erst deren Frage: "Legolas stellte mir die selbe Frage. Und ich habe sie ihm beantwortet. Ich habe ihm alles erzählt. Warum ich so bin wie ich bin. Weshalb ich gehen musste, und warum ich nie wieder zurück gehen kann. Dann überfielen uns die Wölfe".

Ein Schweigen legte sich über uns. Aryana ging an mir und Malia vorbei und kniete sich neben Legolas in das Gras. Sie strich über seine kalte Hand und eine Träne löste sich aus ihrem Augen.

"Er hat mich gerettet. Auf so viele verschiedene Weißen, wie man nur gerettet werden kann. Und ich weiß nicht, ob ich das verspechen halten kann, dass ich ihn gab", flüsterte sie vor sich hin.

Malia und ich sahen zu ihr hinunter

"Welches Versprechen?" fragte ich.

"Er ließ mich verspechen, dass ich mich nicht mehr verstecken sollte. Er wollte das ich der Welt eine Chance gebe, mich kennen zu lernen. Aber ich weiß nicht, ob ich es ohne ihn kann", antwortete sie leise.

Malia setzte sich auf die andere Seite von Legolas Körper und betrachtete ihren Vater. Ich sah ihr an, dass sie es  noch immer nicht begreifen konnte.
Genauso wenig, wie sie die Anwesenheit jeber Elbin begreifen konnte, die der Grund dafür war, dass Legolas sie gefunden und mit in den Düsterwald genommen hatte.
Aber so war es.

Ich wusste um Legolas Liebe zu Aryana. Was sie ihm bedeutet hatte. Und was er gerne gehabt hätte.

Und Malia anscheinend auch.

"Komm mit mir in den Düsterwald", sagte sie leise ohne Aryana anzusehen.

Die Elbin hob den Blick.
Mit traurigen Augen sah sie die jüngere an.

"Legolas hat das auch vorgeschlagen", murmelte sie.

"Du hast es ihm versprochen, Aryana", Malia hob den Kopf und sah die ältere eindringlich bittend an. "Du bist es ihm schuldig. Komm mit mir in den Düsterwald".

Angst flackerte in Aryanas Augen.
Angst und unsicherheit.
Sie strich mit den Finger über eine besonders auffällige Narbe an der Wange.
Dann blickte sie zu Legolas.
Der da lag, als würde er schlafen.
Der sie beschützt hätte.
Der sie geliebt hatte.

Sie schloss die Augen.

Ich habe es ihm versprochen.

Dann öffnete sie sie wieder und sah Malia fest an.

"In Ordnung. Ich werde mit dir in den Düsterwald gehen".

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