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Ich bin ein bisschen überrumpelt, als alle auf einmal anfangen auf mich einzusprechen, aber ich bin gleichzeitig auch so glücklich wieder da zu sein. Mein Vater ergreift mich als erstes. Er hebt mich hoch, schwingt mich einmal in eine Umdrehung mit und nimmt mich dann ganz fest in die Arme. Nicht königlich, nein, aber väterlich und niemanden stört das. Der Schwindel, der mir dabei aufkommt, ist unwichtig, er wird von der Freude übertroffen und mein Vater gibt mir den nötigen Halt. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!, sagt er und ich höre die starke Erleichterung in seiner Stimme. „Alles, was Prinz Legolas erzählte.. ich hätte dich nicht losgehen lassen sollen. Was hast du nur für grausame Dinge erlebt!", fährt er fort. Das lässt mich stocken. Mein Blick gleitet zu Legolas. Er hat sich etwas Abseits gestellt, nickt aber bedächtig. „Nein, es war unsere Aufgabe.", sage ich bestimmt „Es hätte auch ganz anders ausgehen können.". „Umso besser, dass ich dich jetzt wieder in die Arme schließen kann!", wendet mein Vater wieder in die positive Stimmung. Ich lächle und dann setzt mich mein Vater etwas zu ruckartig wieder ab. Mit dieser Bewegung wird der Schwindel etwas stärker und ich kann mich sowieso immer noch nicht richtig selbst halten. Somit komme ich ins Schwanken und drohe umzufallen. Als ich schon damit rechnete gleich mit dem Boden in Kontakt zu geraten schnellt eine Hand nach vorn und richtet mich wieder auf. „Vorsicht!", sagt eine ernste Stimme. Als ich hinauf Blicke sehe ich, dass es König Thranduil war. „Entschuldigung.", sage ich beschämt. Ich muss mich wirklich von ihm stützen lassen, wie peinlich! Dann huscht ein klitzekleines Lächeln in das Gesicht des Königs. Ich kann es wieder nicht richtig deuten, aber ich denke, er ist auch erleichtert, dass das Abenteuer nun ein gutes Ende genommen hat und er ist froh, dass Legolas außer Gefahr ist. Auch, wenn er es vielleicht nicht richtig zeigt, ist er immer noch sein Vater und ich glaube unterbewusst nimmt er diese Rolle auch ein. „Ich muss später mit dir sprechen.", sagt er wieder ernst, dann gleitet sein Blick zu Legolas und er fügt hinzu: „Mit dir allein." Ich sehe schon wie Legolas protestieren will, doch lässt er es unter dem autoritären Blick seines Vaters bleiben. Ich bin selbst verwundert. Gerade bin ich aufgewacht und sofort will er mit mir ein Gespräch führen, was anscheinend so dringend ist, dass es nicht warten kann? Bevor ich mich weiter damit beschäftige begrüßen mich erst einmal Taavi und Tauriel. Taavi umarme ich besonders freundschaftlich. Ich habe ihn sonst nur gefesselt und unter Gefangenschaft gesehen. So frei ist es eine ganz andere Sache. „Wie geht es dir?", frage ich interessiert. „Ich hoffe doch, sie haben nicht noch schlimmeres mit dir angestellt.", füge ich hinzu. „Alles bestens, Prinzessin. Darüber brauchen wir jetzt nicht mehr sprechen. Es ist Vergangenheit!", antwortet er mit einem humorvollen Unterton. „Du musst bestimmt Hunger haben!", sagt Tauriel freundschaftlich und schenkt mir ein Lächeln. Ich nicke und lächle zurück. Mir fällt jetzt erst auf, wie hungrig ich bin. So lange ist es her, dass ich etwas richtiges - oder überhaupt - gegessen habe. Somit werde ich, nun wieder von Legolas, zum Tisch geleitet und nehme mir zufrieden etwas von der riesigen Auswahl an leckerem Essen. Während des Essens ist es ziemlich still. Ich bekomme fast das Gefühl, als wäre das letzte Mal, das wir hier zusammen aßen (natürlich ohne Tauriel und Taavi) gar nicht so lange her gewesen. Unsere Erlebnisse verziehen sich für kurze Zeit aus meinem Kopf und lassen Platz für Glückseligkeit.
Es dauerte nicht lange, und schon wussten alle, wirklich alle, über mein Erwachen Bescheid. Als nächstes wurde ich wieder in eine meiner vielen Kleidungsstücke eingekleidet. Ich soll natürlich meines Standes gerecht aussehen. Die Prinzessin Sternentals ist keine gewöhnliche Elbin, sagen sie. Und dementsprechend sollte ich auch so wirken, zumindest von außen. Auch Legolas wird für die Öffentlichkeit in (deren Ansicht nach) schickere Kleidung gesteckt. Wir bekommen unsere Tiaren aufgesetzt und alle Blicke sind auf uns gerichtet, wenn wir gemeinsam umhergehen. Was ich besonders schön finde, ist, dass in meine Tiara der Edelstein eingearbeitet wurde. Der Glücksstein, mit dem so gesehen, alles begonnen hat. Mein Vater hat ihn aus meinem Oberteil gerettet, so sagt er er mir: „Ich konnte ihn noch gerade so rausholen bevor sie ihn mit gewaschen hätten. Ich dachte, du möchtest ihn vielleicht behalten." Und damit überreichte er mir die Tiara. Seitdem trage ich sie tatsächlich um einiges lieber.
Mir wurde erzählt, dass der Palast im Düsterwald wieder von der Zerstörung befreit wurde und sich dort nun wieder das alltägliche Leben abspielt. Dies freut mich, denn wenn alles wieder seinen normalen Lauf nimmt, stehe ich bald hoffentlich nicht mehr im Fokus der Gesellschaft. Passend dazu kündigt König Thranduil an, dass er baldmöglichst wieder zurückreiten wird. Verständlich natürlich, doch steht immer noch offen, ob er Legolas mitnimmt oder nicht. Das werde ich wohl jetzt gleich erfahren, denn das angekündigte Gespräch mit Thranduil steht immer noch bevor. Gerade gehe ich ihm hinterher. Ich glaube ich weiß, wo er hin möchte. An einen möglichst ungestörten Ort. Zum Glück stellt sich mein Körper schnell wieder in den gewohnten Zustand um, sodass ich schon wieder ohne Probleme gehen, laufen und sogar Bogenschießen kann. Das Talent dazu, ist mir glücklicherweise nicht genommen worden. Außerdem macht es mir wirklich Spaß. Die Dolche werden demnach weniger eingesetzt und zum richtigen Kämpfen kommt es bestimmt für eine lange, nächste Zeit sowieso nicht mehr.
Wir erreichen den ruhigen Platz und in Mitte dessen bleibt Thranduil stehen und beobachtet mich. Es ist ein wirklich schöner Ort und ich denke, hier werde ich noch häufiger Zeit verbringen. „Ich muss mich entschuldigen.", sagt Thranduil mit gesenktem Blick. Ich bin sehr verwundert über seine Worte und trete ihm näher. Neugierig auf weitere Reaktionen mustere ich ihn. „Ich hätte euch, dich und Legolas, von Anfang an zusammen gehen lassen sollen.", fährt er fort und sucht nun Blickkontakt. Ich nehme den Blick auf und frage leise: „Warum?" Es klang nachtragender als es eigentlich sollte. Ich möchte aber dennoch wissen, wieso er gegen das Gemeinsame war und warum er sich jetzt so plötzlich dafür entschuldigt. Er scheint hin und her gerissen. Ich sehe es in seinen Augen. Diese Unsicherheit hätte ich von dem mächtigen, so stolzen und eigentlich kalten König niemals erwartet. „Du.. du erinnert mich an meine.. verstorbene Gemahlin.", sagt er dann immer noch unschlüssig. Das überrumpelt mich und meine Augen weiten sich. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Es war keine Antwort auf meine Frage.. aber es war etwas, mit dem ich niemals gerechnet hätte. Ich sehe, wie er seine Mauer, welche seine Emotionen und Gefühle zurückhalten, versucht aufrecht zu erhalten. Doch er scheitert und sie bricht zusammen. Das ist der Moment, in dem er sich abwendet und sich ein paar Schritte von mir entfernt. Es ist ihm unangenehm. Soll ich ihm hinterher? Irgendwie tut er mir schon leid. Allerdings ist es in dieser Situation sehr leicht etwas falsches zu tun, und ich möchte nicht, dass Thranduil sich gegen mich stellt, jetzt, wo er auf einer eigentlich vertrauten Ebene mit mir sprach. „Ich werde dir Legolas hier lassen. Er soll selbst entscheiden können wohin er gehen möchte oder wann er es für richtig hält, wieder zurück nach hause zu kommen.", auch das fällt ihm hörbar schwer auszusprechen. Es lässt mein Herz wieder höher schlagen und meine Lippen zeichnen ein Lächeln. „Das freut mich sehr. Ich werde es ihm ausrichten.", sage ich vorsichtig. „Nein!", ich erschrecke bei dem plötzlichen Laut. Thranduil dreht sich wieder zu mir um und fährt fort: „Ich werde gleich ein Gespräch mit ihm führen. Es gibt noch andere Dinge zu klären." Er scheint seine Fassade wieder einigermaßen aufgebaut zu haben und setzt schon zum gehen an. Welche anderen Dinge? Diese plötzlichen Stimmungswandel verwirren mich. An was ich aber noch lange denken werde ist, dass ich ihn an Legoals' Mutter erinnere. Was hat das nur zu bedeuten?
Es ist schon wirklich spät geworden, dennoch war heute ein sehr ereignisreicher Tag. Ich kann nur immer wieder betonen, wie glücklich ich darüber bin, wieder am Leben teilzunehmen und, dass dieses Abenteuer endlich ein Ende genommen hat. Ich wünsche meinen Freunden und meinem Vater eine gute Nacht und begebe mich dann auf mein Zimmer. Erst jetzt spüre ich die Erschöpfung, die sich in mir ausbreitet. Gerade habe ich mich umgezogen und wollte mich ins Bett legen, da klopft es plötzlich an der Tür. Ich wundere mich wer so spät noch etwas von mir möchte und da kommt aber auch schon Legolas herein. Verwundert schaue ich ihn an. Auch er trägt schon sein Nachtgewand. Er wirkt ein wenig schüchtern, was nach allem trotzdem immer noch sehr untypisch für ihn ist. Dann sagt er, den Blick zum Boden gerichtet: „Ich möchte dich nicht alleine lassen.. jetzt, wo du wieder bei mir bist, und nicht mehr von grausamen Schleiern geplagt. Seit wir zurück sind, stand ich jede Nacht bei dir und wachte über dich, auch Tagsüber. Sobald ich ruhte traten mir schreckliche Bilder vor die Augen. Auch ich wollte und will nicht alleine sein. Nicht jetzt, noch nicht solang es nicht sein muss." Immer noch verdutzt sehe ich ihn an, so etwas hätte ich nicht erwartet. Er hat mir davon auch noch gar nicht erzählt. Dann muss ich lächeln, das ist schon irgendwie süß. Legolas richtet nun vorsichtig seinen Blick hoch, zu meinen Augen, und fragt dann: „Darf ich auch diese Nacht bei dir verbringen?" Er sieht mein Lächeln, erwidert es dann zurückhaltend und schaut mich nach einer Antwort wartend an. Genug Platz ist hier auf jeden Fall, und wenn ich so daran denke, würde es mir auch sehr gut gefallen, sein Schutz. Seine Wachsamkeit über mich nun bewusst wahrzunehmen, also antworte ich: "Gerne." Deutlich erleichtert kommt er nun auf mich zu. Wir liegen zusammen, als wäre es nie anders gewesen. Ich genieße den Moment und kurz bevor ich in meine Träume versinke, spüre ich noch wie sich ein Arm um mich legt. Er zieht mich näher an sich heran und ich spüre unsere Herzen schlagen. Erst wild durcheinander und dann im Einklang.
Ich bin erleichtert als ich wieder aufwache ohne in dem gefangenen Zustand zu sein. Ehrlich gesagt hatte ich da schon etwas Angst vor, aber Legolas war ja bei mir. Legolas! Er ist immer noch hier und scheint schon etwas länger wach zu sein. Lächelnd sieht Legolas mich an und fragt: „Gut geträumt?" Ich nicke daraufhin noch etwas schläfrig, dann antworte ich: „Ja, sehr sogar, lange Zeit nicht mehr eine solch erholsame Nacht verbracht. Und wie erging es dir?" „Besser hätte es nicht sein können." Wir sind uns so nah. So nah wie noch nie zuvor. In den Augen des jeweils anderen festgehalten bringen wir die Zeit zum stillstehen. So fühlt es sich an. Als wären wir die Einzigen auf dieser großen, weiten Welt. Als gäbe es nichts, was uns diesen Moment nehmen könnte. Sein Gesicht ist nur ein paar Zentimeter von meinem entfernt und diese Distanz verringert jeden Augenblick mehr. Als wir beide den Blick zu den Lippen des jeweils anderen senken, passiert das, was ich mir unterbewusst bestimmt schon ewig gewünscht habe. Zumindest merke ich jetzt, wie sehr ich mich danach sehne ihn für immer an meiner Seite zu haben. Sanft legt er seine Lippen auf meine und ich erwidere den Kuss liebevoll. „Le melin.", flüstert er und schaut mich dabei zärtlich an. Elben lieben nur einmal, so wurde es mir gesagt. Und ich erfuhr es durch meinen Vater und auch bei Thranduil bemerkte ich dies. Jetzt aber ist mir erst richtig klar, was diese Liebe bedeutet und wie sie sich anfühlt. Ja, ich liebe Legolas auch. Von ganzem Herzen.
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