13. Kapitel

Das erste und letzte Mal

Sie überquerten gerade den Fluss, der immer höheres Wasser führte, als sie Ahorn vor den Bäumen erblickten. "Salve Saley!" rief er. Bernstein war diesen Monat mit Rabe oft zu Besuch gewesen. Der schwarze Fuchs hatte sich schon gut in ihrer Familie eingelebt. Nur Sonne schien ihn nich so zu mögen, aber sie akzeptierte ihn wohl als Bernsteins Freund. Doch was würden sie alle wohl zu Rabes Verbannung sagen? "Salve Saley!" rief sie freudig. Die drei beschleunigten ihre Schritte und begrüssten den alten Fuchs. Sie schmiegte sich kurz an ihren Grossvater und Rabe nickte dem Fuchs respektvoll zu, während Schneejäger sich auf Distanz hielt. Nachdem der Wissende sie begrüsst hatte wandte er sich an Schnee. "Ich wusste, dass Bernstein dich her bringen würde." Ihr Vater sah leicht verlegen aus. "Ja, ist 'ne Weile her, hm?" fragte Schneejäger. Ahorn lächelte belustigt. "Ich bin froh, dass du nach Hause zu deiner Familie zurück gefunden hast" sprach ihr Grossvater. Schnee zeigte ebenfalls ein Lächeln. Der Alte wandt sich an sie. "Gut gemacht. Ich bin stolz auf dich, Bernstein. Auf euch beide" sagte er leise zu den jungen Füchsen. Grossvater bemerkte aber wie aufgeregt Schnee in Richtung der Höhle sah. Er konnte es kaum erwarten seine Welpen und Sonne zu sehen. "Aber ihr seid nicht wegen mir hier, vor allem du, Schneejäger. Ich halte dich nicht auf, geh nur" willigte Ahornwald ein. Schneejäger verschwand blitz schnell zwischen den nächsten Büschen. Rabe und Bernstein folgten ihm. Die beiden verloren den Fuchs zwischen dem Unterholz. Als sie aus dem Farn brachen stand Schnee direkt vor Sonne. Die zwei sahen sich nur an und blieben stumm. Bernstein sah die beiden erwartungsvoll an. "Was... machst du hier?" fragte Sonne nach einer langen Stille. Bernstein war etwas enttäuscht von der Reaktion ihrer Mutter. Freute sie sich denn nicht, die Liebe ihres Lebens wiederzusehen? "Bernstein und Rabe haben mich gefunden, ich wollte sofort zu euch und..." Sonne unterbrach ihn: "Warum?" Schnee's Freude verwandelte sich in Verwirrung. "Das sind meine Welpen, natürlich wollte ich sie sehen!" Sonnes Blick war emotionslos. "Nach all der Zeit?" fragte sie mit einem stechenden Unterton. "Du hättest es auch gleich bleiben lassen können" zischte ihre Mutter und blickte ernst. "Wer ist das?" erklang plötzlich eine Stimme. Sie blickten alle zu Borke, der von der Jagd gekommen war. Er hatte ein Kaninchen vor seinen Pfoten fallen gelassen und sah Schnee misstrauisch an. "Bist du Borke?" fragte Schnee und sah seinem Sohn glücklich in die Augen. "Wer sonst?" fragte der braune Fuchs und hatte den Kopf hoch erhoben. Schnee trat aufgeregt auf ihn zu. "Ich bin Schneejäger, dein Vater" stellte der weisse Fuchs sich vor. Borke sah ihn mit schiefem Kopf an. Immernoch voller Misstrauen. "Mein Vater? Ich hatte nie einen Vater" schnaubte Borke und trat zurück. Bernstein kam an die Seite ihres Bruders. "Er wusste bis heute nicht, dass es uns gibt. Aber jetzt ist er gekommen und will uns kennenlernen." Schnee sah auf seine Pfoten. "Ich weiss, ich war kein guter Vater. Ich war nie da, die Zeit können wir nicht zurück drehen... Aber wir können sie nachholen. Jetzt bin ich da, gib mir eine Chance, Broke" bat Schneejäger. Der junge Fuchs sah seinen Vater schon friendlicher an. "Schon gut, du brauchst keinen Vortrag zuhalten. Ich glaube Bernstein, dass du es nicht wusstest." Der Braune sah ihr kurz, liebevoll in die Augen. "Ich möchte euch unbedingt alle drei kennenlernen" erklärte ihr Vater aufgeregt. "Funke ist im Bau, aber sie schwächelt heute etwas..." informierte Borke und deutete auf den Eingang der Erdhöhle. "Verstehe" murmelte Schnee besorgt. Sonne schlich sich mit misstrauischem Gesichtsausdruck aus dem Vordergrund. Bernstein verstand nicht, was mit ihrer Mutter los war. "Ich kann sie raus holen, wenn du willst" sagte Borke. "Ich kann dir dabei helfen, dann stehe ich nicht so nutzlos rum" bot Rabe an. Borke nickte dankbar. Rabe und ihr Bruder hatten sich schon gut angefreundet. Rabe hatte sich aber auch schon verändert. Er konnte endlich seine offene Seite zeigen. Der scheue, verschlossene Rabe war nicht mehr da. Borke liess Rabe zuerst in die Höhle gehen, erst danach folgte ihm Borke. "Borke hat eher dein Fell geerbt" sagte Schnee zu Ahorn, der noch bei den Farnen sass. "Irgendwo muss man meine Gene ja noch erkennen können" brummte Ahorn, zuckte belustigt mit dem Ohr und zeigte ein verkniffenes Lächeln. Rabe kam aus der Höhle und trug Funke sanft am Nacken. Borke schob sie vorsichtig aus dem Bau. Ihre Schwester war mager und schien kraftlos. Funke war, seit Rabe und sie das letzte mal zu Besuch waren, noch dürrer geworden. Schnee versuchte wohl seinen Schreck über den Anblick seiner Tochter zu verbergen, doch Bernstein wusste was er durchmachte. Nur, war es für sie normal. Doch für andere, vorallem einen Vater, wie war so ein Anblick? Funke blinzelte müde vom hellen Licht der Morgendämmerung. Schnee kauerte sich mit traurigem Blick zu seiner Tochter. "Hey Kleines..." flüssterte er sanft und gab sich mühe zu lächeln. Er sah ihr in die glasigen Augen. "Weisst du wer ich bin? Ich bin dein Papa, Schneejäger." Funke öffnete die Augen etwas mehr und blickte zu ihm auf. "Papa?" fragte sie heiser und schwach. Schnee nickte voller Freude. "Ja genau. Schau nur, wir sind jetzt alle wieder zusammen, alle sind hier, bei dir. Und ich bin endlich zu Hause" flüsterte Schnee liebevoll. Aber er klang nun eher fröhlich. "Nix... Ega cupio Nix videro. Nunc, pratus sum..." sprach Funke plötzlich. "Die Sprache der Ahnen, schon wieder" hauchte Bernstein und sah zu Ahorn. Der hatte aber die Ohren beunruhigt und traurig angelegt. "Corva?" flüsterte sie. Rabe kauerte sich zögernd zu ihr. Doch Bernstein schenkte dem gerade keine Interesse. Sie sah zu ihrem Grossvater. "Ahorn? Was hat sie gesagt?" fragte sie. "Sie sagte, das sie jetzt bereit ist" erklärte Ahorn und blickte auf seine Enkelin. "Was meint sie damit?" fragte Sonne ängstlich und aufgebracht. Ahorn sagte nichts mehr. Eine Weile sah Sonne ihn nur mit aufgebrachtem Gesicht an. Daraufhin trat Sonne Nase an Nase vor ihn. "Sag schon!" Ahornwald wandte sich nur mit geschlossenen Augen ab. Bernstein verstand und ging sofort zu ihrer Schwester. "Funke" rief sie aus. Die rote Füchsin sah sie ohne den Kopf zu heben an. "Ich wollte einmal Schnee sehen" erklärte Funke schwach und schloss langsam die Augen. "Funke! Kleine sprich mit uns" sagte der Vater laut. Doch Funke blieb still und plötzlich setzte auch ihr Atem aus. Alle sahen still auf die junge Füchsin, die nun endlich erlöst war. Sonne löste sich aus ihrer Starre und liess sich vor ihrer toten Tochter zu Boden sinken. "Funke! Nein. Meine Tochter!" Bernstein presste die Augen traurig zusammen und wollte es nicht glauben. Sie hätte nie gedacht, dass Funke genau dies mit ihren Worten meinte. Sie spürte weiches Fell, das sich an sie schmiegte. Sie öffnete ihre Augen wieder und sah Rabe neben ihr. Er sah traurig und in Gedanken versunken auf die Leiche. Sonne kämpfte sich auf die Pfoten. "Das wäre nie passiert, wenn du uns in Ruhe gelassen hättest!" schluchzte sie und wandte sich an Schnee. Die Familie sah die hellrote Füchsin an, die wütend auf Schneejäger blickte. "Verschwinde, du hast immer nur Ärger gemacht. Du hast dich nie verändert!" jaulte Sonne schmerz erfüllt. Ahorn versuchte sie zu besänftigen:" Sonne beruhige dich. Die Mondseelen haben dies vorhergesehen, Funke wollte am Leben bleiben, um ihren Vater und die Familie vereint zu sehen. Die Mondseelen haben ihr dies zugelassen." Doch Sonne schnaubte nur. "Die Mondseelen, wir haben doch gesehen, dass sie alle lügen!" schrie sie und holte zu einem Schlag aus. Borke kam in dem Moment zwischen sie. "Mutter, lass..." er verstummte als er an Schnee's Stelle ihren Schlag abbekam. Borke wich mit einem winselnden Heulen von seiner Mutter. "Sol!" rief Ahorn schockiert aus als er vor seine Tochter trat. "Trauer und Wut ist ein gefährliches Paar, sie lassen einen Dinge tun, die man bei klarem Verstand nie tun würde. Lass dich nich davon verschlingen!" mahnte Bernsteins Grossvater. Bernstein war zu ihrem Bruder gegangen und sah sich seine Wange an. Wie konnte sie das tun? "Es geht schon, ist nur ein Kratzter..." murmelte Borke und sah mit verengten Augen zu seiner Mutter. Sonne sah dem alten Fuchs in die Augen. Dann wandte sie sich ab und verschwand im Wald. Bernstein sah ihr nach. Was war mit ihrer Mutter passiert? Sonne war nicht mehr sie selbst, seit Bernstein die Wahrheit gesucht hatte. Doch nun sah sie wieder zu Funke. Der Schmerz sass tief. Ihre Schwester hatte dies nicht verdient. Und sie wäre auch nicht stolz darauf gewesen, dies jetzt mit anzusehen. "Ruhe in Frieden, Funke..."

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