Kapitel 22

Ein Schaben an der Tür ließ mich blitzartig wach werden. Ich stand auf. Die Tür zu meiner Zelle wurde geöffnet. Akan stand in der Tür.

"Na, eine schöne Nacht gehabt, Prinzessin?"

Sein spöttisches Lächeln sagte mir, dass er ganz genau wusste, das dem nicht so war. Also musste er etwas mit den Schreien letzte Nacht zu tun gehabt haben. Oder zumindest wusste er, was vorgefallen war.

"Ehrlich gesagt nein. Und wenn das öfter vorkommt, wäre es nett, wenn mich jemand vorwarnt. Mir ist fast das Herz stehen geblieben, als die Schreie mich geweckt haben."

Ich trat auf ihn zu.

"Also was war da heute Nacht los?", konfrontierte ich ihn direkt mit meiner Frage.

Akan lachte leise.

"Tja, das wüsstest du wohl gerne was? Ich kann dir nur sagen, dass es ganz nach meinem Geschmack war."

Er beugte sich so nahe zu mir runter, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spürte.

"Es hatte mit Blut, Schmerz und Verzweiflung zu tun", flüsterte er und ich sah eine Gier in seinen Augen, die mich erschreckte.

"Möchtest du mehr wissen?"

Er machte einen Schritt auf mich zu und schloss die Lücke zwischen uns.

"Oder noch besser. Soll ich es dir zeigen?"

Meine Faust schoss so schnell in sein Gesicht, dass er nicht mehr ausweichen konnte. Akan jaulte auf und ich spürte, wie seine Nase unter meinen Knöcheln knirschte. Das war es den Schmerz in meiner Hand alle mal wert.

"Ihr seid abscheulich. Das ist einfach nur krank", sagte ich und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück, als Akan sich aufrichtete.

Doch anstatt sich wütend auf mich zu stürzen, wie ich es erwartet hatte, lächelte er nur kalt. Blut lief ihm aus der Nase über das Gesicht. Es half auch nicht, dass er sie mit der einen Hand zu hielt.

"Sieh an, sieh an. Damit habe ich jetzt nicht gerechnet", murmelte Arkan mehr zu sich selbst.

Er musterte mich so intensiv, als sähe er mich zum ersten Mal.

"Interessant."

Mehr sagte er nicht, bevor er sich umdrehte und die Zelle verließ. Da er die Tür offen ließ, nahm ich das als Aufforderung ihm zu folgen. Der Weg war derselbe wie gestern. Wir kamen an der Gittertür vorbei und gingen den Gang aufwärts. Ich war immer noch auf der Hut, da ich nicht glauben konnte einfach ungeschoren davon zu kommen. Akans kaltes Lächeln war beängstigend gewesen. Ich würde ab jetzt immer auf der Hut sein müssen. Wir gelangten zu einer Holztür, an die Akan klopfte.

"Herein", ertönte von drinnen die Stimme der Mistress.

Akan öffnete die Tür und betrat den Raum. Ich folgte ihm. Die Mistress saß an einem Tisch und schrieb etwas. Nun hob sie den Kopf. Nur ganz kurz veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, als Akan ins Gesicht sah.

"Macht sie Schwierigkeiten?", fragte sie ihn, ohne mich dabei anzusehen.

Ich nahm aus dem Augenwinkel Akans Lächeln wahr.

"Es ist nichts, womit ich nicht fertig werden würde."

Seine Antwort verursachte ein mulmiges Gefühl in meinem Bauch. Die Mistress wandte ihre Aufmerksamkeit nun mir zu.

"Die Entscheidung ist gefallen. Du darfst bleiben."

Sie stand auf und kam um den Tisch herum.

"Ich werde euch nicht enttäuschen", versicherte ich der Mistress.

Meine Lippen hoben sich zu einem Lächeln. Die Mistress sah mich nur ausdruckslos an.

"Das will ich dir auch geraten haben, denn solltest du dich jemals von uns abwenden oder Verrat begehen wird der Tod noch dein geringstes Problem sein. Dein altes Leben ist nun vorbei. Ein anderes gibt es nicht mehr."

Ihre Worte ließen mein Lächeln versiegen. Sie betrachtete meine Reaktion ganz genau.

"Ich habe meine Entscheidung bewusst getroffen. Ich habe ernst gemeint, was ich gesagt habe, sonst wäre ich nicht hier", antwortete ich und schaute sie unverwandt an.

Sie musterte mich kurz und nickte dann.

"Folge mir."

Ohne eine weitere Erklärung verließ sie den Raum. Ich schloss mich ihr an und spürte auch Akans unangenehme Präsens in meinem Rücken. Wir kamen an mehreren Menschen vorbei, die uns anstarrten. Die Mistress führt mich weiter, bis ich irgendwann laute Stimmen hörte. Sie kamen aus einen großen Raum, den wir betraten. Es roch nach Schweiß und Gummi. Matten lagen auf dem Boden. An den Wänden hingen Trainingsgeräte. Überwiegend Männer nahmen den Raum in Beschlag. Soweit ich sehen konnte, übten sie vor allem im Zweikampf. Sobald die Mistress allerdings eintrat wurden die Kämpfe eingestellt und alle Köpfe wandten sich ihr zu.

"Meine Herren, ich würde den Raum gerne für einen Moment in Beschlag nehmen", hallte ihre kräftige Stimme im Raum wieder.

Ich wurde unruhig. Ohne zu murren gingen die Männer an den Rand und räumten den Platz in der Mitte frei. Ich verschränkte die Arme und blieb am Rand stehen, als die Mistress in die Mitte des Raumes trat. Sie drehte sich zu mir um.

"Ich möchte mir gerne ein Bild von deinen Kampfkünsten machen, die du gestern so angepriesen hast. Schließlich muss ich dir später eine Aufgabe zuweisen und dir zeigen, wo dein Platz ist."

Ihre letzten Worte klangen, wie eine Drohung. Eine Schwertscheide wurde mir unter die Nase gehalten und als ich meinen Blick von der Mistress abwandte, sah ich dass Akan meine Katana in der Hand hielt. Anscheinend hatten sie meine Schwerter aus dem Gasthaus mitgenommen. Ich nahm sie und schnallte sie mir um. Es fühlte sich vertraut an und sofort fühlte ich mich sicherer. Ich ging auf die Mistress zu. Kein Lächeln lag auf ihren Lippen.

Wie gestern trug sie enge, schwarze Kleidung. Ihre dunklen Haare hatte sie zu einem strengen Knoten zurück gebunden. An ihrem Gürtel hing der Morgenstern an seinen Ketten. Nun nahm sie ihn in die Hand. Ich musste schlucken. Diese Waffe war mir völlig unbekannt. Meine Augen suchten die der Mistress. In ihrem Blick sah ich keine einzige Spur Verunsicherung. Bei mir hingegen sah das anders aus. Ich hatte keine Ahnung, wozu sie fähig war und würde auf jeden Fall nichts überstürzen. Ich stellte mich der Mistress gegenüber, zog meine Katana und wartete. Die vielen Blicke, die auf mir lagen, blendete ich aus.

Plötzlich machte die Mistress einen Schritt auf mich zu und der Morgenstern schoss auf mich zu. Ich konnte mich gerade so mit einem Satz nach hinten retten. Ihre Bewegung war so schnell gewesen, dass ich nicht gesehen hatte, wie sie ausgeholt hatte. Die Mistress setzte mir nach und wieder musste ich der spitzen Kugel ausweichen. Sie schwang die Kette im Kreis um ihren Kopf, als wäre sie ihr verlängerter Arm. Ich machte einen Schritt nach vorne und warf mich auf den Boden als die Kugel auf mich zuflog. Sofort war ich wieder auf den Beinen und sprang blitzschnell nach oben. Die Kugel flog unter mir hindurch. Doch ich hatte ihre Geschwindigkeit unterschätzt.

Als ich wieder landete, traf sie meine Schulter, ohne dass ich ausweichen konnte. Ich wurde zur Seite geschleudert. Die spitzen Zacken bohrten sich durch die Kleidung in meine Haut und ich schrie auf. Hart landete ich auf dem Rücken. Unbarmherzig folgte der nächste Angriff. Instinktiv hob ich eine Hand mit dem Katana. Sofort wusste ich, dass das ein Fehler gewesen war. Die Kette wickelte sich blitzschnell um mein Handgelenk, die Kugel schlug auf meinen Handrücken. Ich verlor mein Katana, als ein kräftiger Ruck mich nach vorne auf die Knie schleuderte.

"Scheint als wäre die Schule durch die du gegangen bist doch nicht hart genug gewesen. Noch sehe ich nämlich nichts, was mich sonderlich beeindruckt hätte."

Die Stimme der Mistress war ohne Gefühl, doch ihre Worte waren spöttisch gemeint. Ohne lange zu überlegen traf ich eine Entscheidung. Ich ließ mein zweites Katana fallen, griff mit beiden Händen nach der Kette, warf mich mit meinem ganzen Gewicht nach hinten und zog. Die Mistress keuchte auf. Sie stolperte nach vorne. Die Kette glitt ihr aus den Händen. Ich hechtete nach vorne, befreite mich von der Kette, umklammerte ihre Beine und brachte sie zu Fall. Sie schrie auf, als wir beide zu Boden krachten. Doch sie fing sich schnell wieder und rollte uns noch im Fallen herum, sodass sie auf mir saß.

Ich bäumte mich auf und versuchte gleichzeitig ihr mit den Fingern in die Augen zu stechen. Doch ihre Beine hielten mich fest umklammerte. Ihre Hände fingen meine Handgelenke ein und drückten sie neben mir auf den Boden. Eine Strähne hatte sich aus ihrer Frisur gelöst. Ich atmete keuchend und versuchte mich unter ihr herauszuwinden. Doch mein eines Handgelenk fühlte sich durch die Kette und den Morgenstern aufgerieben an. In meiner Schulter pochte ein durchgehender Schmerz. Im Gegensatz zu mir atmete die Mistress nur leicht schneller. Ein leichtes Lächeln erschien auf ihren Lippen, als sie bemerkte, wie aussichtslos meine Situation war.

"Nicht schlecht", raunte sie mir zu, "aber noch nicht gut genug."

Und bevor ich wusste, was sie tat, hieb sie mir ihren Ellenbogen gegen die Schläfe und alles wurde schwarz.

Leise Stimmen zerrten mich zurück ins Bewusstsein. Ich versuchte die Augen zu öffnen, aber mein Körper gehorchte mir nicht. Meine Gedanken wanden sich träge hin und her. Ich verstand weder was gesagt wurde, noch wer da sprach. Eine Weile lag ich einfach nur da, bis mich die Dunkelheit wieder einholte.

Ein scharfer Schmerz am Kopf ließ mich zischend die Augen aufschlagen. Ruckartig hob ich meinen Arm und umklammerte die Hand, welche mich am Kopf berührt hatte. Ein leises Kichern erklang neben mir. Ich drehte den Kopf und sah den verrückten Mann von gestern neben mir sitzen. Er beugte sich vor.

"Ein ziemlich harter Schädel, der diesen lodernen Geist beschützt", sinnierte er und lächelte mich an.

Ein Schnauben auf meiner anderen Seite ertönte und die Hand, welche ich festhielt wurde mir entrissen. Ich wandte mich um und verzog den Mund als ein stechender Schmerz durch meinen Kopf zog.

"Dieser harte Schädel nützt gegen die Mistress gar nichts", antwortete die Frau, die ich ebenfalls gestern gesehen hatte.

Ich suchte in meinen Gedanken einen Namen. Wie hatte der Mann sie genannt? Ich kniff die Augen zusammen. Angie. Ja, das war ihr Name. Sie hielt eine Schale aus der ein seltsamer Geruch strömte. Ihr Gesichtsausdruck war genauso verkniffen wie gestern.

"Was ist das?", fragte ich und richtete mich auf, um in die Schale schauen zu können.

Zumindest versuchte ich es. Doch ein pochender Kopfschmerz ließ mich wieder zurück sinken.

"Das sollte eurem Dickschädel helfen und euch hoffentlich von eurer Dummheit kurieren. Habt ihr wirklich geglaubt die Mistress besiegen zu können?"

Ihre Stimme war beißend vor Spott und Ablehnung.

"Moment", protestierte ich, "nicht ich habe die Mistress herausgefordert. Sie wollte wissen, wie gut ich kämpfe."

Angie schnaubte nur.

"Das Ergebnis war wohl im wahrsten Sinne des Wortes niederschmetternd."

Ich antwortete nichts darauf und ließ zu, dass sie wieder näher kam, um mir ihre seltsam riechende Salbe auf die Wunde an meinem Kopf zu streichen. Doch auch meine Schulte brannte noch vom Morgenstern und mein eines Handgelenk hatte von den Ketten Druckspuren behalten. In den nächsten Tagen würde sich dort alles grün und blau verfärben. Ich seufzte. Meinen Start bei den Aufständischen hatte ich mir etwas anders vorgestellt. Meine Chance mich zu beweisen und näher an ihre Geheimnisse zu kommen, hatte ich wohl vertan. Dann blieb nur noch der gute alte Weg mich unauffällig umzusehen und Augen und Ohren offen zu halten.

Ich schaute mich um. Wir waren wohl in einer der unzähligen Kammern, welche es in diesem unterirdischen Tunneln gab. Regale an den Wänden beherbergten allerlei Krimskrams, von Verbandszeug und getrockneten Kräutern bis hin zu Papier und Tinte. Ein langgezogener Tisch stand daneben an der Wand. Davor saß der Mann. Als er meinen Blick bemerkte, lächelte er mich an und begann dann zu summen. Ich erinnerte mich, dass Akan ihn Baldan genannt hatte. Und anscheinend war er verrückt. Schnell ließ ich meinen Blick weiter schweifen. An der Decke waren Lichter angebracht. Der Raum hatte, wie alle hier unten keine Fenster. Ich selbst lag auf einer einfachen Liege. Neben mir stand noch eine weitere.

"Wo sind wir hier", fragte ich Angie.

Nachdem sie sich auch noch meine Schulter angesehen hatte, trug sie die Schüssel fort, um die restliche Salbe in ein verschließbares Gefäß zu füllen.

"Das ist die Vorratskammer, das Krankenzimmer und Abstellkammer in einem."

Sie drehte sich zu mich um.

"Außerdem wird das für die nächsten Wochen deine Schlafstätte sein. Momentan sind alle Zimmer voll belegt und bis wir eins der verfallenen für dich eingerichtet haben, kann es dauern. Vorausgesetzt du bist bis dahin noch hier und hast niemanden verärgert, der dich umbringen könnte."

Sie schnippte mit den Fingern.

"Aber mein Rat kommt wohl zu spät. An deiner Stelle würde ich ab nun immer über meine Schulter schauen. Akan genießt seine Rache gerne kalt."

Sie bedachte mich mit einem undefinierbaren Blick. Anscheinend hatte sich die Geschichte mit Akan herum gesprochen. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Auf einmal bemerkte ich, dass das Gesumme von Baldan verstummt war. Bis ebend hatte es stetig meine Unterhaltung mit Angie untermalt. Ich schaute auf und bemerkte, dass er mich wieder anstarrte. Dann sog er tief Luft ein, als würde er etwas in der Luft riechen.

"Angst ist gut", flüsterte er plötzlich in meine Richtung, "sie wird dir vielleicht helfen zu überleben."

Angie hatte ihn gehört und schnaubte wieder.

"Nur wenn sie nicht vorher umgebracht wird."

Sie wandte sich zur Tür.

"Komm Baldan, wir gehen."

Baldan erhob sich und blickte auf mich hinab. Ich verspannte mich und war schon bereit aufzuspringen, da verbeugte er sich vor mir. Tief und lange. Bis er sich schließlich wieder aufrichtete und ein jungenhaftes Grinsen auf seinem Gesicht auftauchte. Dann winkte er mir noch einmal zu, bevor er Angie folgte und die Tür hinter sich schloss. Kaum waren sie weg, vergrub ich meinen Kopf in meinen Händen. In was zum Teufel hatte ich mich da nur hinein geritten?

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