Kapitel 13

Die Stute blieb noch eine ganze Weile bei Hauptmann Belan. Sie fraß neben uns und holte sich zwischendurch immer mal wieder ihre Streicheleinheiten ab. Von irgendwoher zauberte der Hauptmann zwei Äpfel. Weil ich ihm inzwischen vertraute, aß ich einen davon ohne misstrauisch zu sein. Als die Sonne ihren höchsten Stand überschritten hatte, stand der Hauptmann auf. Die Stute hob den Kopf.

"Es wird Zeit", meinte er und ich wusste nicht genau ob er mich oder die Stute meinte.

"Ich weiß nicht wie es dir geht, aber mein Magen verlangt nach mehr als nur einem Apfel."

Tatsächlich knurrte meiner genau in diesem Moment. Ich richtete mich ebenfalls auf und zusammen gingen wir den Pfad zurück. Die Stute schaute uns nach, folgte uns aber nicht. Ungefähr auf halbem Weg spürte ich eine Vibration im Boden. Verwundert blieb ich stehen. Auch der Hauptmann hielt an und wandte sich nach rechts. Ich schaute in dieselbe Richtung. In einiger Ferne sah ich aufgewirbelten Staub.

"Der Rest der Herde kommt", meinte Hauptmann Belan.

Tatsächlich konnte ich, nachdem er das gesagt hatte, einzelne Köpfe von Pferden erkennen, die versuchten sich gegenseitig zu überholen. Ganz nach vorn schaffte es schließlich ein schwarzbrauner. Ich beobachtete sie wie sie immer schneller näher kamen und überlegte, ob wir nicht zur Sicherheit zur Seite gehen sollten. Aber je näher sie kamen desto langsamer wurden sie.

Jetzt konnte ich das vorderste Pferd genauer sehen. Es hob schnuppernd den Kopf und wieherte dann als wollte es uns begrüßen. Seine Ohren waren lang. Länger als gewöhnlich. Es sah unglaublich süß aus. Die Pferde verfielen in einen Trab. Sie liefen locker links und rechts an uns vorbei ohne anzuhalten. Eine Staubwolke hüllte uns ein. So schnell wie sie gekommen waren, verschwanden sie auch wieder. Ich schaute ihnen hinterher als sie, nachdem sie an uns vorbei waren, wieder angaloppierten. Wir setzten unseren Weg fort. Das Tor zum Hof wurde uns geöffnet, sobald man uns sah.

Hauptmann Belan bedankte sich und setzte dann seinen Weg zum Palast fort. Er wollte zu dem Eingang, welcher zum Sall führte. Durch die Fenster sah ich, dass er sich gefüllt hatte. Viele Soldaten der Garde des Königs saßen nun an den Tischen. Es sah aus als würden sie Mittagspause machen. Hauptmann Belan öffnete die Tür und trat ein. Ich folgte ihm. Der Geruch von gebratenem Fleisch und anderen Speisen schlug mir entgegen. Prompt knurrte mein Magen. Der Geruch kam von der langen Tafel an der Seite auf dem das Essen stand. Der Hauptmann durchquerte den Saal. Von vielen Seiten wurde er rufend begrüßt. Er drehte sich zu mir um, ein vergnügtes Lächeln auf den Lippen.

"Hol dir doch schon mal etwas zu Essen und such dir einen freien Platz. Ich komme gleich nach."

Mit diesen Worten verschwand er zwischen den voll besetzten Tischen. Die ganze Atmosphäre erinnerte mich an die Akademie. Laute Rufe ertönten von überall und wurden mit Gelächter und weiteren Rufen beantwortet. Ich hatte mir die Garde des Königs ein wenig anders vorgestellt. Ruhiger und ernster, auf jeden Fall nicht so kameradschaftlich. Ich ging zu den Tischen mit dem Essen, lud mir etwas auf den Teller und sah mich suchend um. Ganz am Rand bemerkte ich zwei Gestalten, die alleine an einem Tisch saßen. Ich bahnte mir meinen Weg zu ihnen. Beim Näherkommen sah ich die finsteren Mienen auf den Gesichtern von Maede und Arjan. Maede erkannte mich als Erste. Wenn möglich wurde ihre Miene noch finsterer. Ich ließ mich davon nicht beirren, sondern stellte meinen Teller auf den Tisch und setzte mich auf die Bank. Nun drehte sich auch Arjan in meine Richtung.

"Mariko", stellte er nicht sehr begeistert fest.

"Hallo", sagte ich.

Da beide mich nur anstarrten, aber keiner etwas sagte, begann ich einfach zu essen.

"Was machst du hier?", fragte Maede schließlich abweisend.

"Das ist der Speisesaal für die Garde des Königs."

Ich zuckte mit den Schultern.

"Der Hauptmann hat mir erlaubt hier zu sein."

Auf meine Antwort folte ein kurzes Schweigen.

"Warum interessiert sich der Hauptmann eigentlich so für dich? Wir wurden als Rekruten ausgewählt und trotzdem hat er bisher höchstens ein- oder zweimal mit uns gesprochen", stieß Arjan bitter hervor.

Ich ließ meine Gabel sinken. Da war mehr als nur ein bisschen Neid in seiner Stimme.

"Das weiß ich nicht", begann ich vorsichtig, "aber ich schätze heute war es nur Mitleid."

In den Mienen der beiden las ich Verwirrung.

"Wieso Mitleid?", stellte Maede die Frage, welche beide hatten stellen wollen.

"Sagen wir einfach es war nicht mein bester Morgen. Was ich damit sagen will ist, dass es nicht an euch liegt und auch nicht direkt an mir. Das er gerade Zeit mit mir verbracht hat, war ein unglücklicher Zufall."

Die Beiden sahen nicht sehr überzeugt aus. Ich ahnte, dass hinter ihrer schlechten Laune mehr steckte als nur mein unerwünschter Aufenthalt hier. Bevor ich nachfragen konnte, tauchte der Hauptmann auf und setzte sich zwischen Maede und Arjan.

"Was sitzt ihr hier soweit abseits? Ihr solltet euch mit euren zukünftigen Kameraden auseinandersetzen und sie kennen lernen."

Ich wusste nicht, ob der Hauptmann absichtlich in der Wunde von Maede und Arjan bohrte. Aber ich vermutete es fast. Der grimmigen Gesichtszüge zu urteilen waren sie davon nicht sehr begeistert.

"Wir wollten halt unsere Ruhe haben", murmelte Maede.

"Schwachsinn", widersprach Arjan heftig, "die anderen wollen nichts mit uns zu tun haben. Sie denken wir wären schwach und unterlegen. Alles was wir bekommen sind mitleidige Blicke. Das muss ich mir nicht antun."

Zorn zeichnete sein Gesicht. Als er fertig war, biss er die Zähne zusammen, als hätte er schon zu viel gesagt.

"Und? Seid ihr schwach und unterlegen?", fragte der Hauptmann seelenruhig als wäre das eine ernst gemeinte Frage.

"Natürlich nicht", empörte sich Maede, dann dachte sie noch einmal nach.

"Vielleicht momentan, wenn man uns im Vergleich sieht. Aber dafür sind wir doch hier, verdammt nochmal, um uns zu verbessern."

Ich hatte Maede noch nie fluchen gehört. Das zeigte, wie ernst ihr die ganze Sache war.

"Hmm", machte der Hauptmann.

"Mariko was würdest du denn an ihrer Stelle machen?", fragte er mich plötzlich.

Verblüfft stoppte ich die Gabel auf dem Weg zu meinem Mund.

"Warum fragt ihr mich?", fragte ich misstrauisch.

Er zuckte mit den Schultern.

"Kannst du dich nicht in sie hineinversetzen?"

Mit schmalen Augen sah ich ihn an. Doch, das konnte ich sehr gut. Mein ganzes Leben war so verlaufen, erst die mitleidigen Blicke meiner Familie, dann die abwertenden der Magier auf der Akademie, zu denen auch Maede und Arjan gehört hatten. Ich räusperte mich.

"Ich würde ihnen zeigen, dass sie mit ihrer Einschätzung falsch liegen."

Meine Antwort erntete nur ein spöttisches Schnauben von Maede.

"Und wie sollen wir das bitte anstellen?", kam ihre bissige Antwort.

Nachdenklich runzelte ich die Stirn.

"Ich würde im Trainig jemand anderen zum Kampf auffordern, nicht unbedingt den stärkste Gegner, sonst ist der Kampf zu schnell vorbei. Den schwächsten aber auch nicht, sonst nimmt man euch nicht ernst. Ihr müsst lange genug kämpfen, um zu zeigen was ihr könnt. Dann spielt auch keine Rolle, ob ihr siegt oder verliert."

Ich überlegte.

"Ihr werdet nicht alle überzeugen, aber zumindest einige sollten auf euch aufmerksam werden", setzte ich hinzu, weil ich ihnen keine falschen Hoffnungen machen wollte.

Maede und Arjan hatten mir aufmerksam zugehört und warfen sich nun einen nachdenklichen Blick zu. Der Hauptmann lächelte schon wieder äußerst zufrieden. Ich runzelte die Stirn. Er sah eindeutig zu viel, um nicht unheimlich zu sein.

"Zufällig", begann der Hauptmann, "habe ich heute Nachmittag noch ein Training angeordnet. Ihr könnt euch entscheiden, ob ihr es schon diesmal machen wollt oder noch warten wollt. Aber auf jeden Fall müsst ihr dabei sein."

Sofort fingen Maede und Arjan an zu diskutieren, ob sie ihre Fähigkeiten heute schon beweisen wollten und wenn ja gegen wen. Ich starrte auf meinen Teller. Eigentlich hatte ich nicht mehr wirklich Hunger. Aber es wäre schade gewesen das leckere Essen wegzuwerfen. Also zwang ich mich aufzuessen. Der Saal leerte sich langsam wieder. Von draußen wehte der Klang von klirrenden Schwertern herein. Wehmütig dachte ich an meine Katana, die oben im Zimmer lagen. Maede und Arjan standen ebenfalls auf. Sie hatten einen Entschluss gefasst und wollten es heute wagen. Der Hauptmann sah ihnen hinterher, als sie nach draußen gingen.

"Viele neue Rekruten haben Probleme sich einzufügen", sagte er plötzlich.

"Maede und Arjan sind da keine Ausnahme."

Das konnte ich mir gut vorstellen.

"Du hättest keine Probleme gehabt."

Ich verschluckte mich an meinem letzten Bissen und musste fürchterlich husten. Als ich endlich wieder sprechen konnte, schüttelte ich den Kopf.

"Ihr irrt euch. Ich hätte genau dasselbe Problem gehabt."

Allein schon wegen meiner fehlenden Magie. Aber das sagte ich nicht mehr. Es war schließlich offensichtlich. Der Hauptmann widersprach nicht, aber er stimmte mir auch nicht zu. Ich stand auf und brachte meinen Teller zum Stapel mit dem dreckigen Geschirr. Dann wandte ich mich zum Ausgang. Ich wollte unbedingt wissen, ob Maedes und Arjans Plan aufgehen würde. Hauptmann Belan erschien plötzlich neben mir. Ich warf ihm einen Blick zu.

"Ich habe mich schlecht ausgedrückt. Du hättest auch Startschwierigkeiten gehabt, aber du hättest sie schneller und selbstständiger gelöst."

Er klang so unglaublich sicher, als glaube er das wirklich. Ich seufzte.

"Ihr könnt Maede und Arjan nicht zum Vorwurf machen, nicht die gleichen Erfahrungen wie ich zu haben."

Er schüttelte den Kopf.

"Das tue ich nicht. Ich beobachte lediglich und stelle fest."

Ich zuckte nur mit den Schultern. Vielleicht wäre es gekommen wie er sagte, vielleicht aber auch nicht. Die Sonne strahlte immer noch warm auf uns als wir den Hof betraten. Links von uns standen die Soldaten. Einige machten sich schon warm. Andere schwatzten noch. An der Seite war eine Holzwand aufgebaut, wo alle möglichen Waffen hingen. Die Auswahl ging über Schwerter und Schilden bis hin zu den kleinen Waffen, wie eine Steinschleuder. Weiter hinten waren Zielscheiben für die Bogenschützen aufgebaut. Eine Frau trat zwischen den ganzen Soldaten hervor und klatschte einmal laut in die Hände. Sofort kehrte Ruhe ein und alle wandten sich ihr zu.

"Das ist Generalin Naobi. Sie ist für das Training der Soldaten verantwortlich", flüsterte mir der Hauptmann zu.

Tatsächlich sah sie ziemlich furchteinflößend aus. Sie war groß, ihre Arme kräftig und ihre Haare raspelkurz. Ihr scharfer Blick schien alles zu registrieren. Auf dem Rücken trug sie eine Axt. Sie musste sehr stark sein, wenn das ihr bevorzugte Waffe war.

"Aufgrund der Anweisung von Hauptmann Belan dürfen wir heute noch ein extra Training einschieben", fing sie an.

Ihre Stimme war scharf und durchdringend. Allgemeines Stöhnen war die Antwort.

"Ruhe", bellte sie.

Sofort verstummten wieder alle.

"Ich bin durchaus der Meinung, dass das eine sehr gute Entscheidung ist. Der letzte Angriff hat gezeigt, dass unsere Feinde nicht ruhen. Irgendwann werden sie nicht mehr so untrainiert sein und auf den Tag müssen wir vorbereitet sein."

Sie sprach von dem Angriff der Menschen auf dem Rückweg von den Abschlussprüfungen. Maede und Arjan hatten bei diesem Kampf dabei sein dürfen. Ich wusste nicht genau, wie es abgelaufen war, aber die Menschen schienen ohne Plan und Kampferfahrung angegriffen zu haben, einfach nur mit der Absicht Magier zu töten.

"Ich teile jetzt die Partner für die nächsten Stunden ein."

Ich konzentrierte mich wieder auf Generalin Naobi. Sie fing an immer zwei Namen zu nennen. Alle nahmen die Zuteilung kommentarlos an.

"Maede und Arjan", schloss sie schließlich mit den letzten beiden Namen.

"Nein!"

Gemurmel erhob sich. Maede trat vor.

"Nein", wiederholte sie.

Arjan trat neben sie.

"Wir wollen nicht immer nur miteinander kämpfen. Um wirklich nützlich zu sein, müssen wir Teil der Truppe werden und die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen wissen. Deshalb fordere ich Kian Leroy zu einem Zweikampf heraus."

Alle wandten sich zu einem überrascht aussehenden jungen Mann um. Er schien höchstens fünf Jahre älter als Maede, Arjan und ich. Damit zählte er noch zu den jüngeren hier.

"Du wagst es, meine Anweisungen zu hinterfragen?", fragte die Generalin gefährlich ruhig.

Ihre Augen schienen Blitze auf Maede und Arjan abzufeuern. Die beiden ließen sich davon nicht beirren.

"Ja", antwortete Maede.

"Ich kenne Arjan. Ich weiß, wie er kämpft und er weiß, wie ich kämpfe. Dabei lernen wir nichts Neues. Wir sind nicht hier, um das zu tun, was wir in der Akademie gemacht haben. Wir sind hier um uns weiter zu entwickeln."

Die Generalin kochte vor Wut.

"Maede White und Arjan Walker, das wird Konsequenzen haben", drohte sie.

"Es ist nicht verboten jemanden zum Zweikampf im Trainig aufzufordern", erwiderte Arjan.

Als die Generalin nicht widersprach, wandte sich Maede an den jungen Mann.

"Nimmst du die Herausforderung an?"

Ein siegessicheres Lächeln trat auf seine Lippen und er nickte. Jubel brandete um ihn herum auf. Andere Männer klopften auf seine Schultern und schoben ihn nach vorne. Maede trat ebenfalls vor. Ein durchdringender Pfiff ertönte. Alle verstummten und schauten zur Generalin, welche ihre Finger gerade vom Mund nahm.

"In Ordnung", stimmte sie verärgert zu, "aber trotzdem bestimme immer noch ich die Regeln."

Kian Leroy nickte und auch Maede neigte zustimmend  den Kopf.

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