Kapitel 11
Ich erwachte noch bevor die Sonne richtig aufgegangen war. Da ich sowieso nicht mehr schlafen konnte, stand ich auf. Ich zog mich um, ging ins Bad, wusch mir das Gesicht, kämmte mir die Haare und band sie gleich zurück. Dann schnallte ich meine Katana um. Ich nahm das Tablett mit den leeren Tellern in die Hand. An der Tür holte ich einen Schmetterling aus dem Glas.
"Führ mich zur Küche des Schlosses", sagte ich und öffnete die Tür.
Er flog hinaus auf den Flur. Ich folgte ihm eilig und schloss die Tür hinter mir. Er führte mich die Treppe hinunter. Diesmal bogen wir in den rechten Gang ab. Es ging noch eine Treppe hinunter an vielen verzweigten Gängen vorbei. Ich hatte keine Ahnung mehr, wo wir uns befanden. Hoffentlich würde ich nachher noch zurück finden. Einige Diener kamen mir entgegen und grüßten freundlich. Ich grüßte zurück, fragte aber nicht nach dem Weg. Schließlich musste ich ja eigentlich nur dem Schmetterling folgen. Von Weitem hörte ich schon Stimmengewirr und Gelächter. Der Schmetterling flog in einen Raum dessen Tür offen stand. Ich folgte ihm.
Der Raum war voller Leute. In der Mitte stand eine große Tischplatte mit Stühlen darum. Einige saßen am Tisch. Eine kräftige Frau knetete einen Teig, eine andere putzte Obst, die dritte schnitt Gemüse. Sie unterhielten sich über den Lärm der restlichen Küche. Der Rest der Leute stand am Rand. Feuer brannte in den Öfen und die Herde waren an. Ich sah, wie eine Frau mit dem Finger schnipste und ein Feuer höhere Flammen schlug. Eine andere ließ geschnittenes Gemüse in einen Topf mit kochendem Wasser schweben. Ich hörte es plätschern. Am Waschbecken stand eine Frau die das Wasser über schmutzige Teller strömen ließ ohne sie zu berühren. Magie konnte anscheinend nicht nur im Kampf nützlich werden. Ich trat näher. Die Frauen am Tisch bemerkten mich als erstes. Ihr Gespräch verstummte. Die Frau, welche den Teig geknetet hatte, kam auf mich zu.
"Guten Morgen, seid ihr Lady Maede?"
Sie hatte eine freundliche Stimme. Um ihren Augen lagen Lachfalten. Sie war klein, obwohl ihre Arme kräftig waren. Ihr grauen Haare waren die einzigen Hinweise, welche mir verrieten, dass sie schon älter war. Auf ihre Frage hin schüttelte ich den Kopf.
"Nein, mein Name ist Mariko Young. Ich wollte das hier zurück bringen."
Ich hob das Tablett.
"Oh verzeiht, ich nahm an ihr seid Lady Maede, weil ihr noch eure Schwerter tragt."
Sie winkte eine anderen Frau heran, welche mir das Tablett ab nahm. Ich übergab ihr das und wandte mich dann wieder der Frau zu, welche hier offensichtlich das Sagen hatte.
"Ich komme auch von der Militärakademie, bin aber nur als Gast hier."
Die Frau nickte.
"Ah nun wahrscheinlich hat euch noch keiner in die Etikette eingeweiht. Mal sehen wie kann ich das am besten erklären?"
Sie runzelte die Stirn und schnipste dann mit dem Finger.
"Gäste sollten keine Waffen tragen müssen, weil der König sie beschützt. Wenn ihr eine Waffe tragt, signalisiert ihr dem König und allen anderen Leuten im Palast, dass ihr ihm nicht zu traut seine Gäste vor Unheil zu bewahren."
Der König bestand anscheinend darauf für alles die Verantwortung zu übernehmen.
"So habe ich das gar nicht gesehen. Aber dann werde ich die Waffen wieder in mein Zimmer bringen."
Die Frau lächelte.
"Aber nicht sofort. Es stört niemanden, wenn ihr sie einen Moment tragt. Setzt euch doch erst mal. Ihr bekommt jetzt ein richtiges Frühstück. Selena?", rief sie einer Frau am Herd zu und führte mich zum Tisch.
"Kommt sofort", antwortete die Frau.
Ich setzte mich und lächelte den beiden Frauen am Tisch zu. Sie erwiderten es und wandten sich dann wieder ihrer Arbei zu.
"Was ich noch fragen wollte, meine Sachen von der Reise müssten dringend mal gewaschen werden. Wo finde ich denn den Waschraum?"
Alle Frauen schauten von ihrer Arbeit auf und sahen mich verwundert an. Ich überlegte, ob ich was falsches gesagt hatte, wüsste aber nicht was.
"Ihr wollt eure Wäsche doch nicht selber waschen?", fragte die nette ältere Dame entsetzt.
"Doch?", erwiderte ich vorsichtig.
Die Frau schüttelte den Kopf.
"Kommt gar nicht in Frage. Ihr seid als Gast hier. Wenn ihr erlaubt, schicke ich nachher jemanden hoch, der sich darum kümmert."
Ich seufzte.
"In Ordnung, aber bitte nennt mich Mariko und nicht Lady Mariko. Ich fühl mich wie eine Fremde, wenn man mich so nennt."
Die Frau lächelte.
"Freut mich, Mariko. Mein Name ist Hedda."
Dann stellte sie die anderen Frauen vor. Am Herd stand Selena. Neben mir saßen Anna und Susanne und die Teller wusch Marina. Es gab noch andere Frauen, dessen Namen ich mir nicht auf Anhieb merken konnte. Aber sie schienen alle kein Problem damit zu haben, dass ich in der Küche war. Sie erzählten fröhlich weiter und ich hörte zu. Dann stellte Selena einen Teller mit Pfannkuchen und Marmelade vor die Nase. Bei dem Geruch lief mir das Wasser im Mund zusammen. Ich bedankte mich. Dann begann ich zu essen. Es waren die besten Pfannkuchen, die ich jemals gegessen hatte. Ich verschlang sie in Rekordzeit. Danach blieb ich noch eine Weile sitzen. Die lockeren Gespräche und gemütliche Atmosphäre ließen mich nicht mehr ganz so verloren in diesem riesigen Schloss fühlen.
"Kennt ihr einen Madox?", fragte ich in eine Gesprächspause hinein.
Neugierig sah Hedda mich an.
"Natürlich, er arbeitet auch im Palast. Seid ihr ihm schon begegnet?"
Ich nickte.
"Er hat mir gestern mein Zimmer gezeigt und mir abends noch Essen gebracht. Dafür würde ich mich gerne bedanken."
"Stimmt", mischte sich Selena ein, "er war gestern Abend noch in der Küche und hat ein Tablett mit Essen mitgenommen. Ich dachte es wäre für den König."
Hedda schüttelte bedauernd den Kopf.
"Der König sollte öfter mit seinen Geschwistern essen. Immer verkriecht er sich in seinem Arbeitszimmer. Aber so ist Madox. Er kümmert sich um die Königsfamilie und ihre Gäste. Ich werde ihm deinen Dank ausrichten, wenn ich ihn sehe."
Sie lächelte.
"Danke schön, auch für das Frühstück", erwiderte ich mit einem Blick zu Selena und stand auf.
"Bis dann", verabschiedete ich mich.
"Komm vorbei wann immer du willst", sagte Hedda, der nicht entgangen war wie wohl ich mich gefühlt hatte.
"Mach ich", versprach ich.
Dann verließ ich die Küche. Der Schmetterling war diesmal nicht bei mir. Aber ich war mir ziemlich sicher den Weg zurück zu meinem Zimmer zu finden. Diese Zuversicht löste sich in Luft auf als ich in einem Gang landete, den ich noch nie gesehen hatte. Eine Treppe führte nach oben und ich landete in einem hellerem Flur. Es sah ähnlich aus wie im Ostflügel, wo ich mein Zimmer hatte. In welche Richtung sollte ich gehen? Nach links oder rechts? Ich hatte keine Ahnung, wo es hier weiterging und überlegte zurück zu gehen als ich Schritte hörte. Prinz Cyrian bog um die Ecke. Als er mich erblickte, breitete sich ein strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht aus.
"Lady Mariko, was für eine Freude euch hier zu sehen."
Ich seufzte innerlich. An den Titel vor meinem Namen würde ich mich wohl nie gewöhnen. Er klang irgendwie falsch.
"Prinz Cyrian", erwiderte ich und verbeugte mich.
"Ich bin durch Zufall hier gelandet. Wisst ihr wie ich zurück zum Ostflügel komme?", fragte ich ihn höflich.
Er trat näher zu mir. Auch heute sah er wieder umwerfend aus. Er trug ein lockeres Hemd, was seine obere Brust enthüllte und Mädchenherzen zum Schlagen bringen konnte. Seine Haare waren kunstvoll zerzaust, als wäre er gerade erst aus dem Bett gestiegen. Bei dem Gedanken lief mir ein Schauer über den Rücken. Das Lächeln des Prinzen wurde raubtierhafter.
"Ihr habt euch verlaufen?", schnurrte er und kam noch näher.
Meine Knie wurden weich und ich wich zurück bis ich die Wand in meinem Rücken spürte, welche mich stützte.
"Die mutige, toughe Lady Mariko in Not. Wie könnte ich da widerstehen?"
Er stützte die Hände links und rechts von mir ab. So eingekesselt konnte ich mich nur noch auf ihn konzentrieren. Ich atmete seinen Geruch ein und mein Herz pochte schneller. Ich spürte seinen Atem auf meiner Wange und es machte mich wahnsinnig. Ich wollte seine Lippen auf meinen spüren, mein Körper verlangte förmlich danach mich an ihn zu reiben, ihn zu spüren. Ich schnappte nach Luft als es mich wie ein Blitzschlag durchfuhr.
Das waren nicht meine Gefühle.
Ich streckte meine Arme aus und vergrub meine Hände in den Haaren des Prinzen. Die Augen des Prinzen blitzten auf und sein Lächeln wurde siegessicher bis ich seinen Kopf ruckartig zu mir herunter zog und meine Stirn auf seine Nase krachen ließ.
Der Prinz heulte auf. Mir wurde kurz schwarz vor Augen, dann fing ich mich wieder. Ich schubste ihn zurück, setzte hinterher und rammte ihm meinen Ellenbogen in die Kehle. Gleichzeitig riss ich mein Knie in seinen Bauch. Röchelnd umklammerte der Prinz seinen Hals und klappte zusammen. Seine Magie verließ mich und auf meiner Haut bildete sich ein kalter Schweißfilm. Ein saurer Geschmack hatte sich in meinem Mund ausgebreitet.
Schritte ertönten. Zwei Wachen erschienen, welche den Prinzen gehört hatten. Ohne zu zögern zogen sie ihre Schwerter und griffen mich an. Ich sprang zurück und riss meine Katana aus der Scheide.
"Waffen niederlegen", brüllte der eine, während sich der andere neben dem Prinzen niederließ.
Ich dachte gar nicht daran seinen Anweisungen Folge zu leisten. Er machte eine Handbewegung. Eine Windböe erfasste mich so stark, dass ich gegen die Wand geschleudert wurde. Ich fiel auf den Boden, schaffte es aber meine Katana in der Hand zu behalten. Sofort richtete ich mich wieder auf. Ich sprang zur Seite. Die nächste Windböe traf eine Vitrine und warf sie zu Boden, wo sie zersplitterte. Bevor er noch eine Handbewegung machen konnte, griff ich ihn an. Hastig hob er sein Schwert und parierte meine Schläge. Immer schneller drang ich auf ihn ein, sodass er gezwungen war auch sein zweites Schwert zu benutzen. Ich gab ihm keine Möglichkeit noch einmal Magie zu benutzen. In einem wahnsinnigen Tempo wirbelte ich herum, verteilte Tritte und Schläge bis ich mich nur nich auf meine Instinkte verließ. Jahrelanges Training vermischte sich mit der Todesangst in meinen Erinnerungen. Vergangenheit und Realität verschwammen. Auf einmal war ich wieder sieben Jahre alt und war dem Puppenspieler hilflos ausgeliefert. In meinen Erinnerungen gefangen, bemerkte ich nicht, wie ich dem Soldaten das Schwert aus der Hand schlug. Für einen Moment war er so abgelenkt, dass ich meine Chance sah. Bereit die Bedrohung aus meinen Albträumen und der Realität zu vernichten hob ich das Katana.
Eine Hand schloss sich um meinen erhobenen Arm und riss mich zurück. Stolpernd fiel ich nach hinten. Ich fing mich und wirbelte herum. Bevor ich das Katana einsetzen konnte, wurde es mir mit so brutaler Kraft aus der Hand geschlagen, dass mein Arm für einige Sekunden wie gelähmt schien. Ich riss mein Bein hoch, das abgeblockt wurde. Ich wurde an die Wand gedrängt. Ich versuchte es mit demselben Trick vorher und riss meinen Kopf hoch. Ich traf auf ein Kinn und hörte wie Zähne aufeinander schlugen. Ein Fluch ertönte, aber der Griff um meinen Arm lockerte sich kein bisschen. Stattdessen wurde ich noch enger gegen die Wand gedrückt. Panik stieg in mir hoch. Das zweite Katana wurde mir ebenfalls aus der Hand gerissen und dann war ich frei.
Meine Beine gaben unter mir nach und ich sank zu Boden. Ich musste gegen den Würgreiz ankämpfen. Mir war so kalt, dass ich anfing zu zittern. Langsam verblasste das Schreckgespenst aus meiner Vergangenheit und ich konnte wieder klar sehen. Schwarze Stiefel versperrten mein Sichtfeld. Mein Blick wanderte an der dunklen engen Hose, die breite Schenkel verdeckte nach oben bis zum Gesicht des Königs.
Er trug wie immer seine Uniform. Seine zwei Schwertgriffe ragten über seine Schulter, sodass er sie jederzeit ziehen konnte. Sein hartes Gesicht war ausdruckslos, aber als ich ihn anschaute, nickte er nur und wandte sich ab. Er ging von mir fort zu seinem Bruder. Ich glaube er hatte nur sicher gehen wollen, dass ich nicht noch einmal ausrastete. Ohne eine Waffe in der Hand fühlte ich mich schutzlos. Eins meiner Katana hielt immer noch der König in der Hand. Aber das zweite lag nicht unweit von mir auf dem Boden.
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