Kapitel 10

"Halvar wollte mich töten, was zu seinem Tod führte."

Ich holte tief Luft.

"Ich kann nicht rückgängig machen, was geschehen ist. Aber ich möchte es verstehen. Durch Halvars Tat wurde diese Angelegenheit auch zu meiner. Ich habe jedes Recht hier zu sein."

Entschlossen schaute ich Arjan an. Er öffnete den Mund, aber bevor er oder Maede protestieren konnte, schritt der Hauptmann ein.

"Gut, da wir das geklärt hätten, können wir uns nun endlich an die Arbeit machen. Folgt mir."

Er betrat den Raum. Nach kurzem Zögern folgten Maede und Arjan ihm. Ich schloss mich ihnen an. Hauptmann Belan begann etwas zu erklären. Maede und Arjan hörten ihm aufmerksam zu. Aber ich konnte mich nur auf den Raum konzentrieren. Hier hatte Halvar gelebt. Vor einigen Tagen hatte er noch in diesem Bett geschlafen, auf dem Stuhl am Tisch gesessen, mit der Feder geschrieben, aus einem der Fenster geschaut. Fast war mir als würde ich seinen Geist sehen, wie er durch das Zimmer auf mich zu ging. Aber mein Verstand täuschte es mir nur vor. Beim nächsten Blinzeln waren er und sein anklagender Blick wieder verschwunden.

Warum hatte er beschlossen mich zu töten? Er kannte mich nicht. Ich ihn auch nicht. Trotzdem war er so entschlossen gewesen mein Leben zu beenden. Ich löste mich von Maede und Arjan und trat weiter in den Raum. Die Blicke der Soldaten nahm ich kaum war. Meine Füße zogen mich zum Kamin. Es lag noch Asche darin. Er musste ihn vor Kurzem angehabt haben. Dabei war es zu dieser Jahreszeit an manchen Tagen so heiß, dass man es draußen kaum aushielt. Ich hockte mich hin und streckte die Hand aus. Ich vergrub sie in der kalten Asche. Meine Finger tasteten sich immer weiter vor bis ich den Boden berührte. Suchend wanderte ich mit meinen Fingern weiter. Auf einmal stieß ich auf etwas Hartes. Ich umschloss es mit beiden Fingern und zog es aus der Asche.

"Was hast du gefunden?"

Hauptmann Belan war plötzlich neben mir. Zögerlich öffnete ich die Hand und starrte auf das seltsam deformierte Ding in meiner Hand. Es war wohl einmal eine Kette gewesen. Die Kettenglieder mussten in den Flammen geschmolzen worden sein. Nun waren sie nur noch ein kleiner unförmiger Klumpen. Viel interessanter war der Anhänger. Im Gegensatz zu den Kettengliedern war er fast vollständig erhalten. Vom Ruß geschwärzt zeigte er einen fünfzackigen Stern.

"Interessant", murmelte der Hauptmann.

Ich stand auf. Maede und Arjan waren näher getreten und schauten nun auch auf meinen Fund.

"Eine Kette?", fragte Arjan skeptisch.

"Warum sollte jemand eine Kette verbrennen wollen?", fragte Maede.

In meinem Kopf begannen sich meine Gedanken zu verbinden.

"Eine sehr gute Frage", lobte der Hauptmann sie. "

Hat jemand eine Antwort?", wollte er von ihnen wissen.

Ratlos sahen sie sich an.

"Weil", begann ich und bekam damit ihre Aufmerksamkeit, "das nicht nur eine Kette ist, sondern ein Symbol."

Bei meiner Atwort strahlte der Hauptmann als hätte ich ihm eine Freude gemacht. "

Richtig", stimmte er mir zu.

"Ein Symbol wofür?", fragte Arjan.

Ich zuckte mit den Schultern.

"Dieser Stern war mehrmals verschlungen auf dem Bogen und den Pfeilen des Angreifers bei der Abschlussprüfung, deshalb habe ich ihn nicht gleich erkannt. Er war auf einer Flagge in Zagros und er ist nun auf dem Anhänger von Halvar. Da hat sich anscheinend eine Gruppe von Leuten zusammen geschlossen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen."

Maede lachte spöttisch.

"Das Ziel dich umzubringen? Also wenn das ihr Ziel war, haben sie sich nicht besonders geschickt angestellt."

Ich dachte nach.

"Ich glaube nicht, dass sie es auf mich persönlich abgesehen hatten. Keiner von ihnen hatte mich gekannt. Es ist eher wofür ich stehe."

In meinen Kopf verbanden sich Gedanken, die das ganze logisch machten.

"Und wofür stehst du?", fragte mich Arjan.

Ich antwortete ihm nicht sofort direkt, sondern hob erst einmal die Kette hoch.

"Dieser Stern steht für die fünf Elemente, Erde, Wasser, Wind, Feuer und Geist. Es steht für die Magier, die Häuser und den König. Ich bin Mitglied einer Magierfamilie, obwohl ich keine Magie besitze. Das ist noch nie so vorgekommen. Dadurch konnte ich auf die Militärakademie für Magier gehen. Der einzigen, aber auch besten im ganzen Land. Als das Attentat nicht erfolgreich war, wurde ich mit in den Palast genommen. Im Palast lebt kein einziger Mensch. Selbst die Diener sind niedere Magier. Jemand war mit der anscheinend bevorzugten Behandlung eines Menschens nicht einverstanden. Ein Mensch sollte weder das Privileg haben auf eine Magierschule zu gehen, noch im Palast zu wohnen."

Ich wusste nicht ob meine Erklärung verständlich war, aber Maede und Arjan sahen nachdenklich aus.

"Es liegt nicht an uns, dass kein Mensch im Palast arbeitet. Sie wollen es einfach nicht", warf ein Soldat ein.

Mehrere hatten sich um uns versammelt und waren meiner Erklärung gefolgt. Hauptmann Belan sah den Sprecher scharf an.

"Hat sie das behauptet?"

Der Mann wurde rot und schüttelte den Kopf. Tatsächlich lebten nur wenige Menschen in Zagros. Das lag an der natürlichen Abneigung der Menschen gegen die Magier. Sie könnten ihnen ihre Kräfte nicht und die Magier nahmen ihnen ihre Missgunst übel. Die wenigen Menschen, welche ihren Hass überwanden, waren reich und profitieren von der Magie der Magier. Ich wandte mich an Hauptmann Belan.

"Ihr müsst vermutet haben, dass Halvar zu dieser Gruppe von Leuten gehörte. Ihr könnt mir nicht erzählen, dass ihr nicht wisst was in diesem Land vorgeht."

Hauptmann Belan schüttelte den Kopf.

"Wir wissen schon länger, dass es eine Fraktion gibt, die den Menschen weniger Rechte zugestehen will und die Magier noch mächtiger machen will. Allerdings hätte ich niemals gedacht, dass Halvar zu ihnen gehört."

Ich glaubte ihm. Auch wenn ich nicht wusste, wie viele Leute im Palast ebenfalls noch unentdeckt zu dieser Fraktion gehörten. Hauptmann Belan sah sich um.

"Lacy, könntest du bitte vorkommen und deine Gabe einsetzen."

Eine Frau mit zurückgebundenen blonden Haaren und blauen Augen trat vor. Sie trug Handschuhe.

"Was für eine Gabe habt ihr?", fragte ich sie.

Sie lächelte leicht und zog die Handschuhe aus.

"Ich kann die Vergangenheit von Gegenständen erkennen, wenn ich sie berühre. Die Gabe heißt Psychometrie."

Also nichts, was mich beeinflussen könnte, solange sie nicht meine Kleidung berührte. Ich übergab ihr den Klumpen der einstigen Kette. Sobald sie ihn mit der bloßen Hand berührte, wurden ihre Augen glasig. Ihre Finger schlossen sich um den Anhänger. Ich wartete schweigend. Maede und Arjan schauten Lacy gespannt an. Für die anderen Soldaten schien das nicht mehr so besonders zu sein. Aber auch sie wollten natürlich das Ergebnis erfahren. Nach ungefähr zwei Minuten blinzelte Lacy und übergab den Anhänger an Hauptmann Belan, welcher schon bereit stand. Lacy zog ihre Handschuhe wieder über die Hände und richtete dann das Wort an uns.

"Der Anhänger wurde ihm von einer Frau übergeben. Sie kannten sich schon länger und hatten scheinbar ein romantisches Verhältnis. Ich vermute sie hat ihn von ihren Ansichten überzeugt. Er hat den Anhänger oft bei sich getragen, obwohl er wusste, was er bedeutet. Ich bin mir nicht ganz sicher aber ich glaube die Frau wurde getötet, und zwar von Menschen. Daraufhin hat er versucht die Kette zu verbrennen."

Ich war beeindruckt, wie viel sie mit ihrer Gabe heraus gefunden hatte. Auch Maede und Arjan stand der Mund offen.

"Vielen Dank, Lacy", sagte Hauptmann Belan.

"Hat noch jemand, was interessantes gefunden."

Allgemeines Kopfschütteln war die Antwort.

"Dann suchen wir weiter", bestimmte Hauptmann Belan.

Die Soldaten verteilten sich wieder im Raum. Maede, Arjan und ich schlossen uns ihnen an. Das Zimmer wurde buchstäblich auf den Kopf gestellt. Aber die Kette blieb der einzige Hinweis. Der Tag neigte sich dem Ende entgegen. Maede und Arjan gingen mit den anderen Soldaten. Soweit ich heraus hörte, gab es ähnlich wie in der Akademie eine Halle, wo die Soldaten alle gemeinsam aßen. Ich war immer noch ein wenig verwundert, dass die Soldaten ebenfalls im Palast wohnten und nicht in einem einzelnem Gebäude. Aber wahrscheinlich war der Palast so groß, dass ganz Zagros darin wohnen könnte.

Auf meinem Weg zum Zimmer begegnete mir jedenfalls keiner. Es war ein wenig einsam durch die langen Gänge und an den verlassenen Zimmern vorbei zu gehen. Momentan war ich der einzige Gast hier. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das einmal denken würde, aber ich vermisste die Akademie. Dort hatte ich eine Aufgabe gehabt, ein Ziel. Ich öffnete die Tür zu meinem Zimmer.

Ein veränderter Geruch schlug mir entgegen. Sofort war ich wachsam. Mein Blick schweifte durch den Raum und blieb am Tisch hängen. Ich ging hinüber und schaute auf das Tablett mit dem Essen und dem Wasserkrug. Ein kleiner Zettel lag daneben.

Sehr geehrte Lady Mariko,
ich habe mir die Freiheit heraus genommen euch ein wenig Essen zu bringen, weil ihr keinen Schmetterling dafür zu uns geschickt habt. Da niemand geöffnet hat als ich geklopft habe, dachte ich, ich stelle es euch hier ab. Falls euch noch etwas fehlt, lässt es uns wissen auf die Weise wie ich es euch gezeigt habe.

Euer Madox

Jetzt wusste ich auch wie der nette Diener hieß, welcher mich eingewiesen hatte. Allerdings war ich nicht so naiv nach zwei Mordanschlägen unbekanntes Essen zu essen. Ich ging zu dem Glas mit den Schmetterlingen und ließ einen herausflattern. Kurz überlegte ich.

"Zeige mir das Essen in diesem Zimmer."

Das sollte nur eine Probe sein. Ehrlich gesagt war ich auch ein wenig skeptisch. Aber der Schmetterling flog zum Tisch, landete auf dem Tablett, leuchtete einmal kurz auf und kam wieder zu mir zurück. Das hatte schon mal funktioniert.

"Zeig mir das Gift in diesem Zimmer", stellte ich ihm nun die eigentliche Herausforderung.

Der Schmetterling begann im Kreis zu fliegen. Ich nahm an, dass das ein Zeichen war, dass er die Aufgabe nicht erfüllen konnte. Ich wusste nicht wie unkonkret ich werden konnte, aber ich probierte es noch mit einer anderen Anweisung.

"Führ mich zu einer Gefahr in diesem Raum."

Der Schmetterling kam zu mir und setzte sich auf den Griff meines Katanas. Er leuchtete einmal kurz auf und ich musste lachen. Scheint als wären meine Sorgen unbegründet. Ich ließ den Schmetterling zurück ins Glas und setzte mich dann an den Tisch. Ich probierte ein wenig von den Speisen und wartete dann sicherheitshalber einen Moment. Als mir nicht übel oder schwarz vor Augen wurde, aß ich weiter. Es schmeckte großartig. In kurzer Zeit hatte ich alles verschlungen.

Dann ging ich in den Nebenraum und schaute mir das Bad zum ersten Mal richtig an. Es eine Wanne, die sich automatisch mit warmen Wasser füllte als ich es wünschte. Eindeutig Wassermagie. Ein Waschbecken zog sich über die Wand gegenüber. Sobald ich die Hände unter den Wasserhahn hielt, ging er an. Ähnliche Magie benutzte die Toilette. Ich fühlte mich wie im siebten Himmel als ich mich ins warme Wasser gleiten ließ. Endlich konnte ich den Schmutz der langen Reise abwaschen. Ich schrubbte mit einer Bürste über meine Hände als würde immer noch Blut an ihnen kleben. Als die Sonne immer mehr an Licht verlor, gingen von allein schwebende Lampen an. Der sachte Feuerschein machte das Bad gemütlicher.

Auch als ich abgetrocknet wieder in mein Zimmer kam, leuchteten solche Lampen. Ich zog mir leichte Stoffsachen zum Schlafen an. Die schmutzigen Sachen legte ich in einen Korb, den ich fand. Morgen würde ich jemanden fragen, wo ich sie waschen konnte. Ich setzte mich auf das pompöse Bett. Es war so groß, dass ich beide Katana neben mich legen konnte. Sobald ich im Bett lag, erschloschen die Lampen. Ich schloss die Augen und versuchte in diesem unbekanntem Raum und ungewohnten Bett einzuschlafen. Ich warf ich ein paar mal umher. Schließlich schloss ich beide Hände fest um ein Katana. Es gab mir ein beruhigendes Gefühl und endlich konnte ich einschlafen.

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