Wettlauf mit der Zeit
Hallo, alle zusammen :) Es geht weiter in London und auch mit der Jagd auf Moriarty. Heute geht es besonders aufregend zu und ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Weiterlesen ;) Ein schönes Wochenende wünsche ich euch allen und ich bin gespannt, was ihr zu dem heutigen Kapitel sagt.
Liebe Grüße,
eure Hela
~~~
Wettlauf mit der Zeit
Die Zeit war ein gefährliches Werkzeug. Nicht zu kontrollieren oder zu manipulieren, denn sie machte ihre eigenen Regeln. Vollkommen ohne jegliche Rücksicht auf Verluste. So war es in der Vergangenheit schon immer gewesen, blieb in der Gegenwart ebenfalls so und würde auch in Zukunft nicht anders sein.
Jacinda Holmes hatte sich als kleines Kind nie wirklich Gedanken über Zeit gemacht, denn sie hatte für das kleine Mädchen damals keine sonderlich großen Rolle gespielt. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihre Eltern spurlos verschwunden und nie wieder zurückgekehrt waren. Seit jenem Tag wusste die inzwischen erwachsene Consulting Detektivin sehr wohl, wie kostbar Zeit war und, dass man sie besser klug nutzen sollte.
Die Entführung von Lizzie war wieder einmal der beste Beweis dafür, dass es sehr schnell zu einem Wettlauf gegen die Zeit kommen konnte.
Und weil jede Sekunde zählte, nahm die junge Frau die Botschaft, welche Moriarty an Lestrade geschickt hatte, bis auf den letzten Buchstaben auseinander. Adrian war bei John und Alicia, um ihnen schonend von Lizzies Entführung zu berichten und gemeinsam wollten er und Jacinda anschließend versuchen, Moriarty aus der Reserve zu locken. Zwar mit Achtsamkeit, da sie ihn nicht unnötig provozieren wollten, aber sie mussten endlich einen Hinweis finden und da es bisher keinen gab, mussten sie die Spielregeln ein wenig ändern.
Jacinda war zumindest kreativ geworden, denn sie hatte sich Medusa zur Hilfe genommen, die sie im Schneidersitz auf dem Boden sitzend beobachtete. Die Schildkröte befand sich auf einem gigantischen Bauplan des Scotland Yards und verkörperte gewissermaßen Lizzie, da Jacinda versuchte, den Hergang der Entführung nachzustellen. Sie hoffte, dadurch eine mögliche Spur finden zu können, die sie zu ihrer besten Freundin führte. Als Hardin Lestrade diente eine Banane und der Totenkopf von dem Kaminsims gab sein Debüt als Entführer/Moriarty. Für jeden Außenstehenden mochte es vielleicht ein skurriler Anblick sein, doch Jacinda Holmes versuchte darin Facetten zu entdecken, die anderen verborgen blieben.
,,Jacinda, was machen Sie da mit der armen Schildkröte?"
Mrs. Hudson riss die Detektivin aus ihrer Starre und Jacinda begegnete dem fassungslosen Blick ihrer Vermieterin. Die sah entsetzt auf Medusa, die ein wenig ratlos zu ihr und Jacinda aufzusehen schien. Zumindest machte die Schildkröte nicht den Eindruck, als wüsste sie etwas mit der Lage anzufangen, in der sie sich gerade befand.
,,Ein Experiment.", war die einzige Erklärung, die Jacinda vorbrachte und Mrs. Hudson schüttelte den Kopf.
,,Und ich dachte, mit einem Haustier wirken Sie zumindest etwas menschlicher."
Die ältere Dame stellte eine Teetasse neben Jacinda auf den Tisch und begutachtete das Schaubild, welches die Tochter von Sherlock Holmes auf dem Boden des Wohnzimmers geschaffen hatte. Mrs. Hudson runzelte die Stirn und versuchte, aus dem Anblick schlau zu werden.
,,Ist das nicht das Scotland Yard?"
,,Ganz recht.", gab Jacinda zurück und Mrs. Hudson tätschelte ihr etwas tadelnd die Schulter.
,,Sie schicken die arme Schildkröte in diesem Experiment direkt in den Knast? Welches Schwerverbrechen kann dieses reizende Tierchen schon verbrochen haben?"
Sie wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern begab sich wieder Richtung Treppenhaus, während Jacinda ihr mit hochgezogener Augenbraue nachsah. Allerdings zog dann bereits etwas anderes die Aufmerksamkeit der Braunhaarigen auf sich, denn unten fiel die Haustür ins Schloss und Mrs. Hudson wurde von einem hysterischen Adrian fast über den Haufen gerannt, der die Treppen hinauf gestürmt kam.
,,Grundgütiger, Adrian. Sind Sie auf der Flucht?"
,,Zurzeit nicht. Hoffe ich zumindest.", kam es knapp von ihm, ehe er in das Wohnzimmer geprescht kam. ,,Jacinda, wir haben ein Problem. Unseren Plan können wir vergessen.", äußerte er, woraufhin seine Mitbewohnerin skeptisch aufsah.
,,Weswegen?"
,,Hardin Lestrade ist wohl nicht mehr zu erreichen. Zumindest hat mich ein Kollege von ihm angerufen und gesagt, dass er samt Waffe verschwunden ist. Ich vermute, dass er sich auf einem Alleingang befindet. Er wird sicher versuchen, Lizzie auf eigene Faust zu finden und Moriarty zu stellen."
Jacinda schloss für einen Moment die Augen und verfluchte den engstirnigen Polizisten stumm in Gedanken. Wie konnte er nur so töricht sein und ein derartiges Selbstmordkommando starten? Das bewies mal wieder, wie niedrig der IQ von den meisten gewöhnlichen Menschen war.
,,So ein Idiot. Warum versucht das Scotland Yard überhaupt zu denken? Sie senken damit den IQ der ganzen Stadt.", brummte Jacinda und stand vom Fußboden auf, ehe sie zu ihrem Handy auf dem Tisch griff. ,,Montgomery, Medusa muss zurück ins Terrarium. Und beeilen Sie sich. Wir haben nicht viel Zeit."
Verblüfft sah Adrian erst jetzt die Schildkröte, die neugierig zu ihm aufsah und ergriff das kleine Tierchen sanft, ehe er es zurück in seine eigenen vier Wände setzte. Medusa schenkte ihm keine weitere Beachtung, sondern machte sich über den frischen Salat her und Adrian drehte sich zu Jacinda um, die sich in diesem Moment ihren Trenchcoat überwarf.
,,Was genau haben Sie jetzt vor?"
,,Wir müssen zu Plan B übergehen.", gab sie zurück und Adrian starrte sie verwirrt an.
,,Plan B? Wir haben keinen Plan B."
,,Ich habe einen."
Jacinda deutete ihm mit einem Kopfnicken an ihr zu folgen, was Adrian seufzend auch tat. Während sie die Treppe runter eilten, tippte Jacinda in ihren Kontakten umher und wählte die Nummer von Mycroft, als sie das Haus verließen und an der Straße auf ein Taxi warteten. Adrian trat an ihre Seite und musterte Jacinda prüfend, aber auch ein wenig misstrauisch.
,,Will ich wissen, was Plan B beinhaltet?", fragte er zögerlich, als ein Taxi vor ihnen hielt und Jacinda voller Entschlossenheit zu sein schien.
,,Sagen wir einfach, ich habe ein paar Asse im Ärmel und setze auf altbewährte Methoden meines Vaters."
Sie öffnete die Tür und stieg ein, woraufhin Adrian neben ihr auf der Rückbank Platz nahm und hörte, wie Jacinda leise etwas in ihr Handy knurrte. Dann nannte sie dem Fahrer eine Adresse und Adrian nahm sie weiter ins Verhör, als das Taxi losfuhr.
,,Was für altbewährte Methoden Ihres Vaters erwarten uns genau?", hakte er nach, doch warf Jacinda ihm nur einen geheimnisvollen Blick zu.
,,Lassen Sie sich überraschen, Montgomery. Ich hoffe nur, Sie sind bereit für eine weitere Verabredung mit Moriarty."
Diese Offenbarung ließ Adrian jegliche Gesichtsfarbe entweichen und er warf Jacinda einen Blick der Entgeisterung zu. Dann wandte er seinen Blick ohne jeglichen weiteren Kommentar aus dem Fenster und betete, dass sie alle den morgigen Tag noch erleben würden.
Hardin Lestrade erreichte in der Zwischenzeit sein Ziel, wo er seinen Wagen hielt und samt Waffe ausstieg. Vor ihm prangte das verlassene Theater, welches zurzeit wegen Renovierungen geschlossen war und wo er mit Lizzie das erste Date verbracht hatte. Es war der Ort, wo alles begonnen hatte und das hatte sogar er verstanden – ganz ohne die Hilfe von Jacinda Holmes.
Natürlich wusste er, dass dies ohne Zweifel eine Falle von Moriarty war und er auf alles gefasst sein musste. Aber er würde tun was nötig war, um Lizzie zu retten und selbst, wenn er dadurch zu Schaden kam, würde er es auf sich nehmen. Sie war nun einmal seine große Liebe und er bereute, ihr dies noch nicht so deutlich gesagt zu haben, denn jetzt bekam er vielleicht gar nicht mehr die Gelegenheit mehr dazu.
Hardin umfasste seine Dienstwaffe und öffnete die Tür des Theaters, die zu seiner Überraschung überhaupt nicht verschlossen war. Entweder wollte Moriarty es ihm sehr einfach machen oder aber es diente dem Nervenkitzel des Spiels, welches hier heute wohl stattfinden sollte.
Sein Herz schlug schneller und obwohl Hardin ein Gefühl des Unbehagens beflog, so war er fest entschlossen das hier durchzuziehen. Mit wachsamen Schritten und Courage überquerte er die leeren Korridore des Theaters und es wirkte aufgrund der unheimlichen Stille schon fast wie ein Geisterhaus. Hinter jeder Ecke vermutete der Polizist eine Falle, die zuschnappen würde, sobald er in sie hineintappte und jedes Mal fiel ihm ein Stein vom Herzen, als alles ruhig blieb.
Nun galt es Lizzie so schnell wie möglich zu finden und er hatte eine Vermutung, der er nachging. Moriarty wollte schließlich ohne Zweifel eine spektakuläre Vorführung darbieten und deshalb konnte es im Grunde nur einen Ort geben, wo er Lizzie festhielt. Deshalb öffnete Hardin die Tür zu dem Bühnenraum und hielt kurz inne, als er die leeren Plätze begutachtete, auf denen sonst die Zuschauer Platz fanden und von dort die Theaterstücke bewunderten. Und als sein Blick auf die Bühne fiel, erstarrte er innerlich zu einer Statue.
Denn auf der Bühne saß Lizzie auf einem Stuhl gefesselt und mit Klebeband über dem Mund. Doch sie war nicht allein. Neben ihr auf einem zweiten Stuhl saß ein fremder Mann und war ebenfalls gefesselt, sowie geknebelt. Außer den beiden konnte Hardin zwar niemandem im Raum sehen, aber da sie es hier mit Moriarty zu tun hatten, ließ er dennoch Vorsicht walten.
Mit erhobener Waffe und gezielten Schritten näherte er sich gemächlich der Bühne, da ein zu schnelles Tempo alles Mögliche auslösen könnte und er das unbedingt vermeiden wollte. Die Anspannung seines Körpers breitete sich mit jedem Schritt mehr aus und sein Herz schlug ihm fast bis zum Hals. Seltsamerweise verspürte Hardin Lestrade dennoch keine Furcht, sondern nur eine ungeheure Wut auf Moriarty, weil dieser Lizzie als Werkzeug für sein perfides Spiel benutzte. Es war ihm zuwider, wie ein Mensch zu so etwas fähig war und er wollte es beenden...hier und jetzt.
https://youtu.be/Nl_Eo2QzqU4
Auf einmal wurde ein heller Scheinwerfer angeschaltet und direkt auf die Bühne gerichtet, sodass Lizzie und der fremde Mann mitten im Lichtkegel standen und somit den Mittelpunkt der Vorstellung darstellten. Der leere Saal wurde anschließend mit dem Song „Rasputin" von „Boney M" erfüllt, was Hardin dazu veranlasste, nach der Quelle des Treibens Ausschau zu halten. Doch das Licht blendete ihn und er hatte somit keine Möglichkeit, irgendwas oder gar jemanden zu erkennen.
Dafür sah er jedoch die Panik in den Augen von Lizzie, die wild den Kopf schüttelte und ihm anscheinend signalisieren wollte, dass er das Weite suchen sollte. Doch Hardin dachte nicht einmal im Traum daran, sie hier zurückzulassen und bewegte sich langsam weiter auf die Bühne zu. Dann öffnete sich der Vorhang hinter den beiden Gefesselten und Hardin stoppte erneut, als dort die Umrisse einer Schattengestalt auf der Leinwand erschienen und diese ihm zuwinkte, ehe die Musik verstummte und stattdessen das Echo einer verzerrten Stimme den Saal füllte.
,,Hardin Lestrade! Herzlich Willkommen! Ich dachte schon, Sie kommen zu spät zu Ihrer eigenen Vorstellung und das, wo Sie doch die Hauptrolle spielen."
,,Moriarty, nehme ich mal an.", erwiderte der Polizist und presste die Lippen aufeinander, als ein schallendes Lachen die Luft zerschnitt.
,,Oh, ein kluges Kerlchen. Dann haben Sie die Botschaften also verstanden, die ich Ihnen zugeschickt habe. Das ist erfreulich. Und eins kann ich Ihnen versichern: ich bin nicht Adrian Montgomery!"
Hardin spannte sich weiter an, denn da Moriarty offenbar von seiner Theorie wusste, die er selbst längst über den Haufen geworfen hatte, musste er sie alle stets zu jeder Zeit beobachten. Der junge Mann umfasste seine Waffe noch etwas fester und sein Finger wanderte zum Abzug, um jederzeit schussbereit zu sein.
,,Also gut. Sie wollen spielen, dann spielen wir.", sprach er klar und deutlich, was Moriarty zu amüsieren schien.
,,So viel Ehrgeiz, das ist lobenswert. Aber zunächst sollte ich Ihnen die Spielregeln erklären, Detective Inspector. Denn uns bleibt nicht viel Zeit und wir wollen ja, dass hier alles mit rechten Dingen zugeht, nicht wahr? Sie dürfen jetzt auf die Bühne treten und vor unseren Nebendarstellern in Position gehen. Nur zu. Keine Sorge, ich sprenge Sie nicht in die Luft."
Einen kurzen Moment zögerte Hardin noch, zweifelte die Aussage von Moriarty an und folgte dann der Anweisung, was ihm jedoch ein ungutes Gefühl bereitete. Er wusste, dass etwas Unangenehmes folgen würde, es sogar musste. Denn immerhin war dies hier das Spiel eines krankhaften Psychopathen und da musste man auf alles gefasst sein.
Er betrat die Bühne und näherte sich Lizzie, die ihn verzweifelt ansah und durch das Klebeband anflehte, diesen Ort wieder zu verlassen. Doch Hardin schüttelte den Kopf und warf ihr einen entschlossenen Blick zu.
,,Ich gehe nicht ohne dich.", versicherte er ihr, wofür er von Moriarty prompt verspottet wurde.
,,Aww, wie rührend. Sie kommen tatsächlich, um Ihr Täubchen zu befreien...ganz der edle Ritter in der Not. So vorhersehbar und doch so praktisch. Hören Sie jetzt gut zu, Lestrade. Denn es gibt für Sie nur eine Chance, diese Runde zu gewinnen und die gute Lizzie Watson vor dem Tod zu bewahren. Und wir wollen doch nicht, dass etwas schiefgeht. Was würden sonst nur John und Alicia Watson dazu sagen?"
Hardin schluckte und ihm lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Das hier war eine ganz neue Stufe, das sagte ihm sein Instinkt und Moriarty wollte mit Sicherheit den puren Nervenkitzel verspüren. Sie alle waren wehrlose Marionetten in einem tödlichen Spiel, das jederzeit eskalieren konnte und Hardin hatte keine andere Wahl, als die Regeln zu befolgen, die Moriarty nun spektakulär verkündete.
,,Meine Dame und die Herren, es ist soweit. Die Vorführung hat begonnen. Unser heutiges Spiel ist im Grunde ganz einfach und ich würde Ihnen gerne noch jemanden vorstellen, Lestrade. Die bezaubernde Elizabeth Watson kennen Sie ja bereits, denn immerhin sind Sie mit ihr liiert und würden alles für die Gute tun. Aber wie Sie sicher bereits gemerkt haben, ist noch ein anderer Gast anwesend. Sein Name ist Shaw Evergreen und er ist der Mörder unseres armen Richie Westfield, in dessen Fall ihr alle einfach nicht weitergekommen seid. Die Anklage lautet also: Mord und das in mehreren Fällen, weshalb ich folgendes Urteil verkünde: Tod durch eine Schusswaffe. Da kommen Sie ins Spiel, Lestrade. Ihre Aufgabe in diesem Spiel ist eigentlich nur, die Hinrichtung dieses Mörders hier an Ort und Stelle durchzuführen. Sobald Sie das getan haben, ist Lizzie Watson frei und Sie beide können dort weitermachen, wo Sie aufgehört haben."
Der junge Polizist glaubte sich verhört zu haben. Moriarty wollte allen Ernstes, dass er diesen Mann vorsätzlich erschoss? Er war doch kein Killer, sondern ein Cop und die handelten stets im Sinne der Gerechtigkeit und des Gesetztes. Und Gerechtigkeit wäre es, diesen Mann für seine Taten hinter Gitter zu bringen.
,,Sie wollen, dass ich einen Mord begehe?", rief Hardin fassungslos aus, woraufhin Moriarty ein wenig seufzte.
,,Mord wäre in diesem Fall ein wenig rabiat ausgedrückt. Er hat Menschen umgebracht, Lestrade. Die Opfer verdienen Gerechtigkeit, finden Sie nicht auch?"
,,Das ist keine Gerechtigkeit. Das wäre eine Exekution ohne fairen Prozess. Dieser Mann würde sterben.", brachte Hardin energisch hervor, als die Stimme von Moriarty lauter wurde.
,,Wir alle müssen sterben, Lestrade! Treffen Sie eine Entscheidung und zwar jetzt. Sobald ich den Countdown starte, müssen sie eine Wahl treffen: Shaw Evergreen oder Lizzie Watson! Einer von beiden wird heute sterben und es liegt an Ihnen zu entscheiden, wer das ist. Tick Tack, Hardin Lestrade. Die Zeit läuft ab...jetzt."
Auf der Leinwand prangten nun übergroße Zahlen und Moriarty gab ihm exakt 60 Sekunden. 1 Minute, um über das Leben von zwei Menschen zu entscheiden und Hardin wusste, dass er Lizzie wählen würde. Moriarty wusste, dass er Lizzie wählen würde, denn genau aus diesem Grund hatte er sie entführt. Es ging nicht um sie oder darum, den Fall vom Opfer der Lagerhalle aufzuklären, sondern einzig und allein darum, Hardin Lestrade zu dieser einen Entscheidung zu bringen.
40 Sekunden. Lizzie versuchte Hardin noch immer zum Gehen zu bewegen, doch er war wie festgenagelt und sah nun zu Shaw Evergreen, dem ebenfalls die Panik in den Augen stand. Er ahnte sicher, wie die Entscheidung des Polizisten ausfallen würde und auch, was dies für ihn bedeutete. Aber konnte Hardin ihn wirklich kaltblütig erschießen, obwohl der Mann unbewaffnet war?
30 Sekunden. Seine Taten waren grausam, gar keine Frage und er hatte Menschen auf dem Gewissen, aber trotz seiner Dienstmarke gab dies Hardin noch lange nicht das Recht über Leben und Tod zu entscheiden. Deshalb war er auch nicht Polizist geworden, sondern um Menschen zu helfen und für Gerechtigkeit zu sorgen. Um den Hilflosen Schutz zu gewährleisten und der Kriminalität Einhalt zu gebieten.
20 Sekunden. Seine Hand zitterte leicht und Hardin wusste nicht, was er tun sollte. Er wollte Lizzie retten, aber er wollte auch keinen vorsätzlichen Mord begehen. Alles in ihm wehrte sich gegen die bloße Vorstellung und Hardin geriet zunehmend unter Druck. Die Zeit lief ihm davon und in gleich würde ein Menschenleben enden. Welches, das lag laut Moriarty nur in seiner Hand.
10 Sekunden. Die Frist steuerte auf ihr Ende zu und mit jeder verdammten Sekunde drohte Hardin Lestrade mehr und mehr zusammenzubrechen. Wie ein Kartenhaus würde alles in ihm einstürzen, wenn er die Aufgabe gewann oder auch verlor. Denn egal wie er sich entschied, er konnte nur verlieren. Entweder die Liebe seines Lebens oder seine Ehre.
3...2...1...es fiel ein Schuss!
Die Zeit schien still zu stehen, als die Konfrontation mit Moriarty eine entscheidende Wendung nahm. Eine Wendung, mit der wohl niemand der Anwesenden gerechnet hatte. Denn in dem Moment, als der Countdown abgelaufen war, hatte jemand einen Schuss abgefeuert und zwar direkt in die Leinwand, wo soeben die große 0 eingeblendet worden war. Hardin Lestrade war vor Schreck so dermaßen zusammengezuckt, dass er seine Waffe hatte fallen lassen und nun trat eine einzelne Person in das Licht des Scheinwerfers auf die Bühne, die der junge Polizist sofort als Jacinda Holmes erkannte.
Zielstrebig trat sie an den vorderen Rand der Bühne und ihr Blick reichte aus, um Hardin dazu zu bringen, augenblicklich auszuweichen. Er überließ der Consulting Detektivin die Bühne, die ihren Blick nun auf den Scheinwerfer richtete und mit ruhiger Stimme zu Moriarty sprach.
,,Die Vorführung ist zu Ende! Und ich muss sagen, es war eine miserable Darbietung. Nicht die geringste Unterhaltung. Von einem Moriarty hatte ich mehr erwartet."
Die Provokation schwang deutlich im Unterton ihrer Stimme mit und Moriarty ging natürlich sofort auf das Spiel ein. Er konnte der Versuchung gar nicht widerstehen. Jetzt, wo er Jacinda Holmes hier so auf dem Präsentierteller hatte.
,,Jacinda Holmes! Welch positive Entwicklung des heutigen Abends. Leider haben Sie mir den Showdown verdorben. Fast hätte unser guter Lestrade abgedrückt."
,,Und sich somit direkt ein Freiticket in den Knast beschert. Dafür der ganze Aufwand? Nur, um ihn hinter schwedische Gardinen zu bringen? Ziemlich armselig."
Jacinda klang unbeeindruckt und gelangweilt, was Hardin nur irritiert verfolgte. Dann sah er allerdings, wie Adrian gemeinsam mit einigen Polizisten auf die Bühne kam und sich daran machte, Lizzie zu befreien. Die Polizisten nahmen natürlich Shaw Evergreen sofort in Gewahrsam und legten ihm Handschellen an, ehe sie ihn abführten. Adrian zog Lizzie von der Bühne und brachte sie somit aus der Schusslinie, während Jacinda noch immer die Aufmerksamkeit von Moriarty auf sich zog.
,,Beenden Sie Ihr Spiel, Moriarty. Bevor es zu spät ist und ich mich gezwungen sehe, Sie eigenhändig auszuschalten.", ging sie in die Offensive, woraufhin Moriarty auflachte.
,,Oh, Jacinda Holmes. Die kleine Detektivin, die trotz brillantem Verstand so naiv und töricht ist. Sie geben die mutige Consulting Detektivin und wollen all diese Fälle aufklären, aber dabei versuchen Sie doch nur verzweifelt so zu werden wie Ihr Vater. Mich aufzuhalten...dabei werden Sie grenzenlos scheitern und Ihr Versagen wird Ihr Untergang sein. Was würden nur Mummy und Daddy dazu sagen?"
Bei der Erwähnung ihrer Eltern erstarrte Jacinda und hatte das Ehepaar augenblicklich wieder vor Augen, wie es aus der Tür vom Haus der Watsons verschwand und sie zurückließ. Moriarty hatte ihren wunden Punkt getroffen und so sehr sie ihre Fassade mit aller Gewalt aufrecht hielt, so stürzte ihre innere Mauer bröckelnd zusammen, was sie sich jedoch keineswegs anmerken ließ.
Ihre Eltern waren fort und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit würden sie nie wieder zurückkehren. Immerhin galten sie als tot und dennoch war da immer noch dieser verdammte Funken Hoffnung, dass sie irgendwo da draußen waren. Ein Funke, der einfach nicht verlöschen wollte.
,,Wie ich sehe, verstehen wir uns, Jacinda. Mein Spiel ist erst zu Ende, wenn ich es sage und seien Sie versichert, es wird spektakulär werden. Jim Moriarty ist im Vergleich zu mir eine Witzfigur gewesen, also machen Sie sich besser auf alles gefasst. Und eins sage ich Ihnen...das Spiel hat gerade erst begonnen."
Mit diesen Worten wurde der Scheinwerfer ausgeschaltet und Moriarty war verschwunden. Jacinda entspannte sich diesbezüglich zwar ein wenig, aber dennoch tobte in ihr ein Chaos, welches sie nicht zur Außenwelt vordringen ließ. Niemand durfte wissen, dass Moriarty sie für einen Moment erfolgreich aus dem Konzept gebracht hatte und eine vertraute Stimme holte sie zurück in die Realität – heraus aus ihrem aufgewühlten Verstand.
,,Perfektes Timing, werte Nichte. Und ich hatte schon befürchtet, wir würden den ganzen Aufriss umsonst gestartet haben."
Mycroft Holmes steuerte mit seinem Regenschirm auf die Bühne zu, vor der er stehen blieb und war in Begleitung von Annabelle. Die trug einen dunklen Overall und sah darin wahrlich aus wie eine Geheimagentin, während sie Mycroft einen ermahnenden Blick zuwarf und ihn für seinen Tonfall rügte.
,,Halt dich geschlossen, Mycroft. Wir alle wissen, wozu Moriarty fähig ist und wie wir erwartet haben, ist er verschwunden."
,,Natürlich ist er verschwunden. Er wird sich uns kaum auf dem Silbertablett servieren und deine Mahnung ist unnötig. Ich bin sogar stolz darauf, dass Jacinda so klug war sich an uns zu wenden. Ich dachte schon, du würdest einen ebenso törichten Alleingang starten wie unser werter Detective Inspector hier."
Mit der Spitze seines Regenschirms deutete Mycroft anklagend auf Hardin Lestrade, sein Blick war nun jedoch wieder auf Jacinda gerichtet. Die schnaubte nur und sprang von der Bühne.
,,Spar dir deine Lobreden. Wir haben, was wir wollten. Es wurde niemand getötet und ich habe die Aufmerksamkeit von Moriarty. Es ist alles nach Plan gelaufen."
,,Wenn dir dieser Plan nicht das Genick bricht. Dein Vater musste damals von einem Hochhaus springen und für zwei Jahre tot sein, um Moriarty zu bezwingen.", rief Mycroft seiner Nichte ins Gedächtnis, die wutentbrannt zu ihm herumfuhr.
,,ICH BIN NICHT MEIN VATER!!!"
Ihr Stimme erfüllte den gesamtem Saal und alle sahen besorgt zwischen Jacinda und Mycroft hin und her. Adrian, der Lizzie in die Obhut von zwei Sanitätern gegeben hatte, eilte an die Seite der Detektivin und versuchte, eine Eskalation zu verhindern.
,,Ich denke, das reicht für heute. Es war ein harter Tag für uns alle und wir sollten versuchen, die Lage etwas zu entschärfen."
,,Adrian hat Recht. Wir haben das Schlimmste verhindert und sollten uns zurückziehen. Ein bisschen Ruhe kann niemandem von uns schaden.", schloss Annabelle sich seiner Meinung an und Mycroft seufzte.
,,Von mir aus. Hier bin ich jetzt sowieso überflüssig. Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich werde woanders gebraucht."
Der Holmes stolzierte davon und Annabelle rollte mit den Augen, ehe sie Jacinda flüchtig die Schulter tätschelte und ihr versicherte, demnächst in der Baker Street vorbeizuschauen. Die Detektivin nahm es schweigend hin und ihre Großcousine folgte Mycroft nach draußen, während Hardin von seinen Kollegen zu den Ereignissen befragt wurde. Dass er sich mit seinem Alleingang vermutlich ein gewaltiges Eigentor geschossen hatte, stand für Jacinda außer Frage und Adrian runzelte bei dem Anblick des Polizisten ein wenig verwundert die Stirn.
,,Eine Frage hätte ich da noch. Woher wussten Sie, dass Hardin Lestrade in dem Theater hier ist?", wollte er wissen und sie warf ihm einen bedeutsamen Blick zu.
,,Ich sagte doch, bewährte Methoden. Als er Ihnen in seinem Büro an den Kragen gegangen ist, habe ich bereits geahnt, dass Moriarty es wohl drauf anlegt, ihn zu solch einer Dummheit wie dieser hier zu drängen. Zwar hatte ich gehofft, das Rätsel noch rechtzeitig lösen zu können, aber für alle Fälle habe ich ihm einen Peilsender untergejubelt. Man kann ja nie wissen."
Adrian starrte sie ungläubig an, musste dann aber zugeben, dass dieser Gedanke überaus raffiniert war. Wahrscheinlich war eben genau das der Grund, weshalb die Familie Holmes so einzigartig war. Sie dachten an Dinge, die anderen in derartigen Momenten niemals in den Sinn kommen würden und in den Augen von Adrian machte gerade diese Eigenschaft, Jacinda zu einer würdigen Gegnerin von Moriarty. Auch, wenn er sie dennoch niemals alleine in diesen Kampf ziehen lassen würde.
,,Respekt! Sie sind wahrlich gerissen.", meinte er schließlich und Jacinda musterte ihn etwas misstrauisch.
,,Überrascht Sie das etwa?"
,,Keineswegs. Ich habe sogar darauf vertraut, dass Sie mal wieder die Schlauere von uns allen sind. Und als Zeichen meines Respekts habe ich etwas für Sie."
Der Dunkelhaarige zog etwas aus seiner Tasche und reichte es Jacinda. Die nahm es zögerlich entgegen und erkannte ein Stoffarmband, worauf HOLMES gestickt worden war. Sie sah zu Adrian, der sein rechtes Handgelenk anhob, wo ein gleiches Armband prangte und wo man den Schriftzug MONTGOMERY verewigt hatte. Jacinda hob irritiert eine Augenbraue, sichtlich ahnungslos, was sie damit anfangen sollte und Adrian klärte sie auf.
,,Sehen Sie es als eine Art Symbol an, dass Sie nicht alleine diesen Kampf führen müssen. Wir sind ein Team, Jacinda. Holmes und Montgomery. Wir haben es zusammen begonnen und wir werden es auch gemeinsam beenden."
,,Ist das eine Andeutung?", gab die Braunhaarige skeptisch zurück, doch Adrian warf ihr nur einen entschlossenen Blick zu.
,,Nein. Ein Versprechen."
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top