Kein Weg zurück

Hallo, zusammen :) So, ich melde mich auch in London zurück und die Reise unseres Ermittlerduos geht weiter. Unser armer Adrian sitzt ja nun hinter Gittern, aber das bedeutet natürlich noch lange nicht das Ende der Geschichte. Denn es gilt noch so manche Dinge aufzuklären ;) Deshalb...viel Spaß beim Weiterlesen.

Liebe Grüße,
eure Hela

                                                                                             ~~~

                                                                             Kein Weg zurück

Es herrschte gespenstige Stille in der Gefängniszelle von London, während Adrian Montgomery auf seinem Bett lag und gedankenverloren an die kahle Decke starrte. Ihm war nicht bewusst, wie spät es war und ohnehin hatte er in den vergangenen Monaten jegliches Zeitgefühl seit seiner Verurteilung gänzlich verloren. Allerdings wusste er zumindest, dass es mittlerweile ein halbes Jahr her war, seit man ihn wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt hatte.
Zwei Morde und keinen davon hatte er begangen. Nur brachte ihm dieses Wissen gar nichts, denn sämtliche Beweise sprachen gegen ihn und daher hatten die Geschworenen überhaupt keine andere Wahl gehabt, als ihn für schuldig zu befinden und zu verurteilen.
Mittlerweile hatte Adrian seine Lage restlos akzeptiert und fragte sich eigentlich nur, wie er den Rest seines Lebens hinter Gittern am besten durchstehen konnte. Immerhin war ein Gefängnis nicht gerade ein Ort, wo man die Zeit gut totschlagen konnte und diese schien sich wie Kaugummi unendlich in die Länge zu ziehen. Und das von Tag zu Tag immer mehr.
Jacinda hatte er seit dem Tag seiner Verurteilung nicht mehr gesehen und obwohl er es ihr keineswegs verübeln konnte, keinen Fuß in das Gefängnis setzen zu wollen, so kam er nicht umhin sich einzugestehen, dass er die junge Detektivin vermisste. Ihre verrückte Art und Weise, ihre herausragenden Deduktionen und die aufregenden Fälle mit ihr fehlten ihm entsetzlich, sodass er sogar alles dafür geben würde, eins ihrer schrägen Experimente auf sich zu nehmen, wenn er dadurch nur dieser trostlosen Situation entfliehen konnte. Und sei es nur für einen kurzen Augenblick.
Von Lizzie wusste Adrian allerdings, dass Jacinda nach seiner Verurteilung doch tatsächlich die Zusammenarbeit mit dem Scotland Yard beendet hatte. Zwar konnte er ihre Beweggründe verstehen, doch Adrian fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken daran, dass Jacinda diesen Schritt aufgrund seiner Verurteilung gegangen war. Immerhin war sie brillant und mit ihrer Hilfe hatte die Polizei schon so manche Verbrechen aufdecken können.
Aber nun ermittelte Hardin Lestrade ohne die Beratung von Jacinda und es schien fast so, als würde das Universum dadurch gewissermaßen aus dem Gleichgewicht geraten. Zumindest kam es Adrian so vor und er hatte ein ungutes Gefühl dabei, dass Jacinda sich allem Anschein nach in der Baker Street verschanzte.
Annabelle, die ihm auch ab und zu mal einen Besuch abstattete, hielt ihn zumindest im Bezug auf den neuen Moriarty auf dem Laufenden. Wobei dieser sich derzeit erstaunlich ruhig verhielt und Adrian sich deshalb nicht sicher war, ob man dies als gutes oder schlechtes Zeichen deuten sollte. Denn er bezweifelte doch stark, dass Moriarty sein Spiel mit den bisherigen Eskapaden bereits vollendet hatte.
Adrian hatte in den vergangenen 6 Monaten so viel gegrübelt wie niemals zuvor und es war deprimierend für ihn, nichts für Jacinda und die anderen tun zu können. Noch nie hatte er sich so nutzlos und abgestoßen gefühlt wie seit seiner Inhaftierung, aber sein Schicksal war unabänderlich. Und er konnte nur inständig hoffen, dass das seiner Freunde nicht so ein düsteres Ende nehmen würde.

Der Regen fiel vom Himmel und eine graue Decke aus dichten Wolken hatte sich über ganz London zusammengezogen, als Lizzie Watson aus ihrem Taxi stieg und vor der Haustür der Baker Street stand. Den Regenschirm aufgespannt, riskierte sie einen Blick in den düsteren Himmel und es hatte nicht den Anschein, als würde sich das Wetter in nächster Zeit verbessern. Allerdings passte es auch irgendwie wunderbar zu der gegenwärtigen Stimmung, die sie alle derzeit hatten. Denn auch diese bestand zum größten Teil aus Niedergeschlagenheit, Frust und einem Anflug von Verzweiflung. Wobei man es vielleicht auch als Hilflosigkeit bezeichnen konnte.
Ein Seufzen verließ die Lippen von Lizzie, als sie sich schließlich dazu durchrang, die deprimierenden Gedanken von sich zu schieben und dem nachzukommen, weshalb sie in die Baker Street gekommen war. Sie würde einen weiteren Versuch wagen, um Jacinda endlich aus ihrem Schneckenhaus zu holen, in welches sich ihre Freundin seit jenem Tag verkrochen hatte, als Adrian verurteilt worden war. Immerhin wurde es höchste Zeit, dass Jacinda nach vorne blickte und wenigstens wieder ihrer Tätigkeit als Detektivin nachgehen sollte.
Die junge Blondine zog den Schlüssel aus ihrer Handtasche, den ihr Vater John ihr gegeben hatte. Selbst nach all den Jahren besaß John noch einen Schlüssel zu der Wohnung, die er einst mit Sherlock Holmes geteilt hatte und die so viele Erinnerungen für sie alle bereit hielt.
Lizzie schloss die Tür auf, trat ein und schüttelte den Regenschirm etwas aus, ehe sie die Tür schloss und den Schirm an die Wand lehnte. Sie zog sich den feuchten Mantel aus und hing diesen an die Garderobe im Treppenhaus, als auf einmal die Tür der unteren Wohnung aufging und Mrs Hudson samt bunter Schürze ihren Kopf herausstreckte.
,,Oh, Lizzie. Welch eine schöne Überraschung. Wollen Sie Jacinda besuchen?", grüßte die ältere Dame und Lizzie rang sich zu einem Lächeln durch.
,,Naja, zumindest will ich es auf einen Versuch ankommen lassen. Wobei ich mir nur wenig Hoffnung mache, denn immerhin kann sie ein gewaltiger Sturkopf sein."
,,In der Tat. Ganz ihr Vater, wobei Evelyn auch ziemlich hartnäckig sein konnte. Ach, die arme Jacinda. Erst die Eltern verloren und nun auch noch die Sache mit Adrian. Das hat sie nun wirklich nicht verdient und es nimmt sie so sehr mit."
Mrs Hudson wirkte mächtig besorgt und Lizzie teilte die Ansicht der Vermieterin. Das Verhalten von Jacinda hatte sich seit der Verurteilung von Adrian ziemlich gewandelt und das nicht zum Positiven. Sie ignorierte Anrufe, bearbeitete keine Fälle und begegnete jedem Besucher mit Distanzierung oder gar Argwohn. Lizzie hatte jedes Mal die Befürchtung, dass bei ihrem nächsten Besuch ein Reagenzglas oder andere Gegenstände fliegen würden, sobald sie ihren Kopf durch die Türe steckte. Bisher war dies zum Glück ja noch nicht eingetreten.
,,Gibt's denn etwas Neues?", fragte Lizzie, woraufhin Mrs. Hudson nur den Kopf etwas hängen ließ.
,,Ihr Onkel war gestern hier, aber sie hat ihn hochkant rausgeworfen. Hat wohl versucht, sie zu einem Fall zu überreden. Ich habe ihm davon abgeraten, aber er wollte ja mal wieder nicht hören."
Mrs. Hudson schüttelte tadelnd den Kopf und Lizzie konnte sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen.
,,Typisch Holmes. Die legen doch niemals Wert auf die Meinung anderer Persönlichkeiten. Und Mycroft Holmes ist immerhin unsere Queen in Person, also würde er wohl eher einen Hofknicks als einen Ratschlag hinnehmen. Naja, vielleicht habe ich ja mehr Glück. Falls es gleich Radau gibt, zerlegt Jacinda entweder die Wohnung oder begeht einen Mord an mich. Wir sehen uns, Mrs. Hudson."

Ohne eine Antwort der Vermieterin abzuwarten, passierte Lizzie die Treppe und marschierte die Stufen nach oben. Ihr Herz schlug ein wenig schneller, was ohne Zweifel der Anspannung und Nervosität geschuldet war. Immerhin begab sie sich hier gewissermaßen in die Höhle des Löwen und von ihrem Vater wusste Lizzie nur zu gut, welche Ausmaße ein emotionaler Ausbruch der Familie Holmes annehmen konnte. Schließlich hatte Sherlock Holmes mehr als einmal zum Revolver gegriffen und die Wände der Baker Street mit Einschusslöchern verziert. Sie konnte nur hoffen, dass es bei Jacinda nicht so weit kommen würde.
Schon am Ende der Treppe vernahm Lizzie die Musik eines Geigenstücks und das konnte nur bedeuten, dass Jacinda mal wieder die Stücke ihres Vaters Sherlock anhörte. Zwar spielte die Detektivin nicht selbst Geige, aber wenn sie bei einem Fall gar nicht weiter wusste, dann kam es schon mal vor, dass sie die alten CD's heraus kramte und stundenlang laufen ließ. Eine Angewohnheit, die Jacinda bereits im Teenageralter entwickelt hatte.
Seufzend öffnete Lizzie die Tür zum Wohnzimmer und blieb verdutzt im Türrahmen stehen, denn sie staunte nicht schlecht über den Anblick, der sich ihr darbot. Die gesamten Wände waren voll von Seiten aus den Akten über den Fall von Adrian und sogar auf dem Boden waren einige Zeitungen und andere Papierstücke ausgebreitet. Schildkröte Medusa tapste langsam und gemütlich über das Meer aus Infomaterialien und Jacinda kam in diesem Moment aus der Küche, als sie Lizzie einen völlig überraschten Blick zuwarf.
,,Lizzie! Seit wann bist du hier?", verlangte sie sofort zu wissen, weshalb die Blonde ein wenig überrumpelt war.
,,Seit eben gerade. Jacinda, was ist das alles?"
Zwar hatte Lizzie längst erkannt, dass es zweifellos um den Fall von Adrian gehen musste, doch es überraschte sie dennoch, dass Jacinda sich wohl erneut Hals über Kopf in eben diesen gestürzt hatte. Denn in den letzten Wochen hatte es eher den Anschein gemacht, als hätte die junge Detektivin aufgegeben.
,,Recherchen für meine Ermittlungen.", erklärte die Braunhaarige knapp und Lizzie runzelte nachdenklich die Stirn.
,,Ich dachte, du rührst den Fall nicht mehr an."
,,Adrian hockt unschuldig im Knast und solange er dort ist, kann ich mich ja wohl kaum neuen Fällen von potentiellen Klienten widmen. Denn ich habe keine Lust, mir einen neuen Partner suchen zu müssen. Daher muss ich endlich die Lösung in diesem Chaos hier finden und vielleicht gelingt es mir jetzt, wo ich die dämliche Polizei nicht mehr am Hacken habe."
Lizzie seufzte, denn offenbar war ihre beste Freundin noch immer nicht gut auf Hardin und dessen Kollegen zu sprechen, aber wer könnte es ihr auch schon verübeln? Die Verurteilung von Adrian hatte das geringe Vertrauen von Jacinda, falls sie überhaupt jemals welches gehabt hatte, in die Polizei gänzlich zerstört und sie hatte auch nicht angenommen, dass sich das nun geändert hatte. Jedoch hatte Lizzie gleichzeitig auch Zweifel daran, ob dieser Weg der richtige sein würde.
,,Wo willst du denn ansetzen?", fragte sie, doch Jacinda schnaubte nur verächtlich.
,,Wenn ich das wüsste. Den entscheidenden Hinweis zu finden wird die reinste Suche nach der Nadel im Heuhaufen und ich bin einmal gescheitert. Es darf mir nicht nochmal passieren."

Nun wurde Lizzie eins klar: Jacinda hatte wohl in der Tat Schuldgefühle. Auch, wenn sie das natürlich niemals zugeben würde, so gab sie sich zumindest mit die Schuld daran, dass Adrian nun hinter Gittern saß und nun hatte Jacinda es zum ersten Mal indirekt ausgesprochen. Doch Lizzie wollte nicht, dass sich ihre Freundin Vorwürfe machte und versuchte, ihr wenigstens ein bisschen von der Last abzunehmen.
,,Jacinda, wenn du diesen Fall nicht aufklären konntest, dann hätte es auch sonst niemand geschafft.", meinte sie, als sich der Blick von Jacinda mit einem Mal in der Ferne verlor und sie für einen kurzen Moment leicht abwesend wirkte.
,,Mein Vater hätte es."
,,Was?"
Lizzie war überrascht von dieser Aussage, denn sie hatte damit keinesfalls gerechnet und ohnehin geschah es ja äußerst selten, dass Jacinda ihre Eltern von selbst erwähnte. Meist wurde das Thema tot geschwiegen und nur in den seltensten Fällen äußerte sich die Detektivin in irgendeiner Art und Weise dazu. Doch heute tat sie es und die Sache schien ihr näher zu gehen, als ein jeder von ihnen bisher geahnt hatte.
,,Mein Vater hätte den Fall aufgeklärt...zusammen mit meiner Mutter. Sie haben damals jedes Rätsel gelöst und war es noch so schwierig. Ihnen wäre es gelungen, Adrian vor dem Gefängnis zu bewahren.", brachte Jacinda hervor und Lizzie konnte ihr ansehen, dass das sonst so starke Selbstvertrauen von ihrer Freundin ins Wanken geraten war.
Deshalb packte sie Jacinda bei den Schultern und drehte die Dunkelhaarige zu sich herum, damit diese ihr in die Augen sehen musste.
,,Jacinda, du musst aufhören, dich mit deinem Vater zu vergleichen. Du bist eine hervorragende Detektivin und ich bin mir sicher, dass selbst Sherlock Holmes mal Fälle hatte, die alles andere als einfach waren. Und jemandem vor dem Gefängnis zu bewahren, gegen den die Beweise so eindeutig sprechen...das wäre sicher selbst deinem Vater nicht gelungen."
Sie legte so viel Überzeugung wie möglich in ihre Worte, obgleich Lizzie natürlich dennoch bewusst war, dass es nicht so leicht sein würde, Jacinda dies glaubhaft zu machen. Und die Dunkelhaarige betrachtete ihre Freundin in der Tat ziemlich skeptisch, ehe sie ein wenig genervt brummte.
,,Du klingst schon wie dein Vater John."
,,Umso besser. Denn der war doch auch immer die Stimme des Gewissens, wenn ich mich recht entsinne. Und er hat deinem Vater immer geholfen. Also, wenn du den Fall von Adrian wirklich nochmal neu aufrollen willst...dann helfe ich dir dabei. Vier Augen sehen mehr als zwei und ich werde dich das nicht alleine tun lassen.", versicherte Lizzie ihr, woraufhin Jacinda sie ermahnend von der Seite beäugte.
,,Die ganze Sache könnte kompliziert und obendrein gefährlich werden."
,,Noch ein Grund mehr, warum du das nicht alleine tun solltest. Aber es gibt noch etwas, was du auf jeden Fall nachholen musst."
Der Blick von Lizzie wurde ernst und Jacinda hob eine Augenbraue, während sie die Blonde leicht verwirrt musterte.
,,Und was soll das sein?"
,,Du solltest Adrian mal besuchen. Er fragt jedes Mal nach dir und ich glaube, es würde ihm helfen, dich mal live und in Farbe vor sich zu sehen. Und wenn es nur durch eine Glasscheibe ist.", rief Lizzie ihrer Freundin ins Gedächtnis, die sich jedoch sofort anspannte und stur auf ihren Sessel zusteuerte, wo sie sich kurzer Hand niederließ.
,,Meine Anwesenheit würde seine Lage auch nicht verbessern. Und aus dem Gefängnis holen schon gar nicht. Das kann nur der Beweis seiner Unschuld und den muss ich finden...um jeden Preis."

Auch Dr. John Watson zog es an diesem verregneten Tag nach draußen ins Freie. Allerdings war sein Ziel diesmal keineswegs seine Praxis oder etwas dergleichen, sondern der abgelegene Friedhof. Früher hatte es ihn oft hierher gezogen, doch seit einigen Jahren waren seine Besuche weniger geworden und daher kam es John heute etwas befremdlich vor, diesen Ort seit langem wieder einmal aufzusuchen.
Alicia hatte angeboten ihn zu begleiten, doch John hatte es dankend abgelehnt. Er brauchte den heutigen Tag einfach für sich und vor allem, weil nun das Gefühl der verdrängten Trauer so stark wieder in ihm aufstieg, dass jeder Schritt immer schwerer zu bewältigen war.
Im hinteren Teil des Friedhofs erreichte John schließlich sein Ziel und er blieb vor dem schlichten großen Grabstein stehen, wo in feinen Linien die Namen seiner beiden besten Freunde geschrieben standen.

                                                     Sherlock und Evelyn Holmes

                                          -Von uns gegangen, doch unvergessen.-

Obgleich John sich schon des Öfteren gefragt hatte, ob dieser Spruch nicht ein wenig kitschig klingen mochte, so sprach er dennoch etwas Wahres aus. Natürlich waren Sherlock und Evelyn viel zu außergewöhnlich gewesen und vermutlich hätten sie beim Anblick dieses Grabsteins nur die Köpfe geschüttelt, aber die Stadt hatte damals das Bestmöglichste veranlasst, um die beiden zu ehren und das, obwohl hier im Grunde nur zwei leere Särge verborgen lagen.
Schon einmal hatte John seine beiden Freunde betrauern müssen. Zuerst Sherlock, nachdem dieser scheinbar Selbstmord begangen hatte und anschließend Evelyn, die vor allen Augen allem Anschein nach von Mycroft erschossen worden war. In beiden Fällen hatten sie ihren Tod vorgetäuscht, um einem viel düsteren Schicksal zu entfliehen und in beiden Fällen waren sie nach London zurückgekehrt...doch nicht dieses Mal.
So oft hatte John sich schon gefragt, weshalb seine Freunde damals verschwunden waren und obwohl er die Antwort darauf noch immer nicht kannte, so schien es diesmal für Sherlock und Evelyn keinen Weg zurück gegeben zu haben. Denn sonst wären sie inzwischen sicher längst zurückgekehrt und hätten zumindest ihre Tochter wissen lassen, was der Grund für ihr Verschwinden gewesen war.
John sah voller Wehmut auf den Stein und sämtliche Erinnerungen an alte Zeiten kämpften sich wieder an die Oberfläche. Der Schmerz des Verlustes war allzeit präsent, doch im Alltag konnte John ihn immerhin gut genug verdrängen, um ihn einigermaßen zu ertragen. Und das, obwohl die Zeit manche Wunden leider niemals heilen konnte.
Einen kurzen Moment schwieg John noch und kämpfte gegen die aufkeimenden Tränen an, während er seine Hände knetete und dann seine Worte direkt an den Grabstein richtete.
,,Hey, ihr Zwei. Ich weiß, es ist schon etwas her seit meinem letzten Besuch und vermutlich würdet ihr sogar darüber lachen, wenn ihr mich hören könntet. Vielleicht könnt ihr das ja sogar...wo auch immer ihr jetzt gerade seid. Ich wünschte wirklich, ihr wärt hier. Wisst ihr, Jacinda hat es im Moment wirklich nicht einfach und sie könnte euch jetzt gut gebrauchen. Wir alle könnten das. Erst taucht ein neuer Moriarty auf und dann...wird Adrian auch noch wegen zweifachen Mordes verurteilt. Ich glaube, noch nie waren zwei Fälle schwerer aufzuklären und von eurem brauche ich gar nicht erst anfangen. Warum seid ihr nur gegangen? Wir haben uns doch mal geschworen, in Zukunft alles gemeinsam zu meistern und jetzt? Ihr seid weg, alle Welt hält euch für tot und wir stehen vor den wohl schwierigsten Fällen unseres Lebens."
Es fiel John nicht leicht, all das laut auszusprechen und dennoch wollte er es loswerden. Natürlich erhielt er von dem Grabstein nichts als eisernes Schweigen, aber es gab ihm immerhin ein kleines bisschen das Gefühl von Erleichterung. Dabei würde er jedoch alles dafür geben, noch einmal persönlich mit Sherlock und Evelyn sprechen zu können. Ihm blieb jedoch nichts als die Hoffnung, dass sie von irgendwo anders zu ihm sahen und seine Worte sie irgendwie erreichten.
Er einstige Soldat trat näher an den Grabstein heran und legte seine rechte Hand darauf, wobei ihn nicht einmal die Regentropfen störten. Das kühle Nass bescherte ihm eine leichte Gänsehaut, doch auch die hielt John Watson nicht davon ab, noch ein paar letzte Worte an die Gedenkstätte seiner beiden Freunde zu richten.
,,Ich weiß, dass es wohl kaum Sinn macht, aber...ich bitte euch dennoch...kommt zurück. Und bitte...seid nicht tot."
Nun liefen John die Tränen über die Wangen und vermischten sich mit den Regentropfen auf seiner Haut, als er Evelyn und Sherlock förmlich vor sich sehen konnte. Die Erinnerungen an seine besten Freunde quälten und trösteten ihn zugleich, während John sich einmal mehr schmerzlich bewusst wurde, dass sein Wunsch sich wohl niemals erfüllen würde.
Zu viel Zeit war bereits vergangen und sämtliche Spuren hatten damals ins Nichts geführt. Diesmal würde wohl kaum ein Wunder geschehen und Sherlock gemeinsam mit Evelyn von den Toten auferstehen lassen. Es führte kein Weg zurück und diesmal schienen seine beiden besten Freunde wahrhaftig für immer verloren zu sein.

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