Loslassen
"Was hat es noch für einen Sinn?"
Er schüttelt vehement den Kopf, wehrt sich mit Händen und Füssen gegen die eine Idee, die in seinen Kopf hineinschleichen will.
"Es hat immer einen Sinn, auch wenn es nur win paar Tage länger sind. Nur ein paar Tage. Mit uns. Mit mir. Bedeutet dir das denn gar nichts mehr?"
Verzweifelt rauft er sich die Haare und schaut sie bittend an.
Sie zupft an den Schläuchen, die in ihre Nase laufen und blickt auf die weisse, steril aussehende Decke.
"Es ist nicht so einfach, weisst du.
Eigentlich ist es sogar sehr kompliziert.
Natürlich bedeutet ihr mir alle etwas, darum geht es gar nicht. Worum es geht, das verstehst auch du. Ich-"
Er lässt sie nicht ausreden, unterbricht sie.
"Nein, ich versteh's nicht! Warum willst du die kurze Zeit, die wir noch haben wegschmeissen? Du hast doch sowieso nur noch ein paar Wochen."
Er zuckt zusammen, kaum haben die Worte seinen Mund verlassen.
Sie seufzt nur leise auf und blickt aus dem Fenster.
"Mein Leben ist schon lange weg, es ist nicht mehr da. Nur noch ein kleiner Rest. Und der sickert von Tag zu Tag aus mir heraus. Ich bin nicht mehr komplett, ich bin nicht mehr da."
Sie holt tief Luft.
"Ich bin nicht mehr ich. Und die Schmerzen. Warum leiden, wenn ich nicht muss?"
Kurz überlegt er, dann kommt seine Antwort mit leiser Stimme.
"Du weisst nicht, ob es dir besser gehen wird. Du weisst nicht, ob du keine Schmerzen mehr haben wirst.
Das weisst du alles nicht."
Sie lächelt schwach.
"Aber ich hoffe trotzdem. Das kann ich doch, oder?"
Lange Zeit sitzt er da, unbeweglich auf dem harten Besucherstuhl und starrt vor sich hin.
Dann nickt er fast unmerklich, atmet tief durch und steht auf.
Mit langsamen Bewegungen zieht er sich seinen Mantel, die Handschuhe und seine Mütze an, dann läuft er ans Bett.
Mit steinerner Miene beugt er sich hinab und küsst sie auf die Wange.
Etwas verloren murmelt er ein "tschüss" und ein "leb wohl".
Er geht mit langsamen, schweren Schritten aus dem Zimmer und zieht die Tür hinter sich zu, ohne einen letzten Blick auf ihr Krankenbett zu werfen.
Dann steht er verloren im Gang, während die vielen Ärzte und Krankenschwestern geschäftig herumeilen.
Mit einem traurigen Lächeln flüstert er ein "gute Reise!" und verlässt das Gebäude, ohne noch einmal zurück zu schauen.
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