Prolog
Die Nacht ist so klar, dass man viele Sterne sehen kann. Sie werden nur vereinzelt von den Hochhäusern verdeckt, die wie schwarze Giganten in den Himmel ragen.
Doch zwischen ihnen sind die Straßen hell erleuchtet. Autos quetschen sich auf den drei Spuren zusammen und werden bloß von den roten Ampeln aufgehalten.
Der Asphalt ist nass vom starken Dauerregen. Es plätschert schon seit Stunden. Dort in einer Nebenstraße hält der gelbe Wagen. Das Wasser tropft von der Stoßstange über die Reifen. Pfützen reflektieren die Rücklichter.
Dann treten die durchgeweichten Lederschuhe auf den Boden. Der Saum der dunklen Hose weist schon schlammige Spritzer auf.
Seine Füße sind unruhig, während der Motor leise vor sich hin brummt.
Man hört ihn unregelmäßig atmen. Seine Frisur ist durch den Wind und seine Hände zittern.
Dann kommen Schritte auf ihn zu. Ein Klicken und noch eine Person atmet hörbar laut. Es klingt wie ein Ächzen.
Der Mann will zurückweichen, doch irgendetwas hält ihn dort vor dem Auto. Er sieht auf das glänzende Metall und schluckt angespannt.
Er weiß was sein Schicksal ihm vorherbestimmt hat. Er weiß wie es enden wird. So einfach und so abscheulich, wie es niemand für möglich gehalten hat.
Er denkt an Susan. Die liebe und gutherzige Susan.
Er sieht sie vor sich auf der Bank. Dort wo er sie kennen gelernt hat. Seine schöne Susan. Ihre Locken leicht im Wind. Ihr Lächeln in seiner Erinnerung und ihre glänzenden, Glück aussprechenden Augen, die ihn voller Erwartung und Wärme anstrahlen.
Es war nur ein Urlaub an der See gewesen. Dort hat es ihn in der Seele immer wieder hin verschlagen. Noch Jahre später zehrt er von dieser Begegnung. Sie hat ihn umarmt und ihn sofort für sich erklärt.
Auch er wollte sie um keinen Preis wieder verlieren.
Niemand kann diese Gefühle, diese innige Zuneigung verstehen, wer sie nicht einmal selbst erlebt hat. Beide haben es vom ersten Moment an gewusst, dass sie zusammen gehören.
Wo ist sie jetzt, seine treue Gefährtin? Sie wartet auf ihn und wird sich um ihn sorgen. Doch er hat keine Wahl. Er muss sie an diesem Abend alleine lassen. Seine letzten Gedanken gelten ihr. Sein Herz, so voller Angst, schlägt für sie und seine Seele läuft heimlich zu ihr nach Hause.
Im selben Moment reflektiert die silberne Klinge das Licht der Scheinwerfer und saust mit einem leisen Summen durch die Luft. Dann ist alles leer in seinem Kopf. Er fühlt nur den Schmerz, er fühlt die heiße, glitschige Flüssigkeit in seinen Kragen hinein laufen. Sie vermischt sich mit dem eiskalten Regen, der ihm die Haare am Kopf kleben lässt und seine Kleidung einweicht. Dann geben seine Beine nach und er sinkt mit einem lauten Platschen in die große Pfütze.
Er würgt und zittert am ganzen Körper. Seine Hände fühlen die winzigen Steine im Wasser.
Als nächstes sieht er die blasse und verschwommene Gestalt, die sich röchelnd über ihn beugt. Es sind nur Sekunden, in denen er in die glasigen Pupillen starrt und die kräftige Hand sieht, die sich über seinem Brustkorb hält. Im nächsten Moment saust diese hernieder und rammt die Klinge in sein Fleisch.
Dann schwindet sein Bewusstsein in die vielen Regentropen. Sie fallen unaufhörlich auf sein erschrockenes Gesicht. Bis nichts mehr von ihm bleibt, als ein letzter langer Atemzug. Sein Körper singt schlaff in sich zusammen. Er fühlt es nicht mehr, als die schwarze Klinge sich zwischen seine Rippen drückt. So tief, bis der Griff sich an seinen leblosen noch warmen Körper drückt.
Nur die Sterne sind Zeuge von dieser verregneten kalten Nacht, in welcher nicht nur der Regen fließt. Ein roter Himmel hat diese Bluttat angekündigt. Niemand sieht es, niemand hört es.
Ganz unbemerkt fährt der Wagen weiter und verschwindet in der Dunkelheit.
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