(12) Ablenkung
Markus steht im Hintergrund an der Wand und hält die Arme vor der Brust verschränkt.
Er sieht nur flüchtig zu Gina, als sie den Raum betritt. Sein Blick ist anders als sonst. Irritiert weicht sie ihm aus und setzt sich Hover gegenüber. Sein richtiger Name ist Flynn Harper. Er ist um die Vierzig und arbeitet für einen berüchtigten Kartellboss. Doch darum kümmert sich später die DEA. Gina hat nur Fragen zum Kehelnschlitzer.
Sie öffnet die Akte und verteilt die Fotos der vier Opfer auf dem Tisch. Flynn sieht zur Seite. Ist es Unbehagen oder Desinteresse?
„Ich habe sie nicht getötet", meint er schnell zur Verteidigung.
„Nein, vermutlich nicht. Warum sollten Sie sich selber schaden? Auch wenn Sie kein Motiv haben, bleiben Sie ein Verdächtiger, bis wir mehr wissen. Sie können sich helfen, indem Sie mir alles über ihre Kunden sagen, was sie wissen und wie lange Sie von ihren Morden wissen."
„Was bringt mir das? Ich sitze eh wegen Drogenhandel fest."
„Das interessiert mich nicht", beginnt sie, kommt aber nicht weiter, weil Flynn sie unterbricht.
„Hören Sie, ich will einen Deal, ansonsten sage ich gar nichts."
„Sie sind nicht in der Position für Deals."
„Sie wollen doch Infos von mir, Lady, also besorgen Sie mir Strafminderung. Ansonsten können sie weiter graben."
Er lehnt sich selbstsicher auf seinem Stuhl zurück.
Am liebsten würde Gina ihn durchschütteln, aber sie darf ihn ohne Genehmigung nicht anfassen. Sein Anwalt ist schon auf dem Weg hier her.
„Ich sehe was ich machen kann", gibt sie nach und steht wieder auf. „Doch überlegen Sie gut, was Sie mir dafür geben, Hover. Wenn Ihre Informationen wertlos sind, bekommen Sie gar nichts."
Sie deutet auf die Fotos.
„Diese Menschen hätten nicht sterben müssen. Lassen Sie uns weitere Opfer verhindern."
Sie macht eine kurze Pause und versucht dann an sein Gewissen zu appellieren.
„Sie war erst sechzehn", sagt sie vorwurfsvoll. Damit meint sie das erste Opfer.
Als sie den Raum verlässt, begegnet sie auf dem Flur sofort ein paar kalte braune Augen. Jackson sieht sie wieder so ernst an, als hätte sie erneut einen großen Fehler gemacht.
Mittlerweile fühlt sich Gina klein ihm gegenüber. Der Mann ist nicht nur ein guter Detektiv, sondern ein absolut genialer Mann. Das weiß sie nun über ihn. Auch wenn ein Killer ihm auf den Fersen ist, behält er die Nerven und geht jedem noch so winzigen Detail nach. Sie fühlt sich etwas unbeholfen und auch ein wenig verwirrt.
Doch liegt das nur an seinem niederschmetternden Verhalten ihr gegenüber. Er verunsichert Gina, was sie mehr Fehler machen lässt. Auch wenn sie nicht ganz so intelligent ist wie David Jackson, sie ist nicht ganz auf den Kopf gefallen und könnte viel besser arbeiten, wenn er sie nicht ständig so verunsichern würde. Dazu reicht alleine schon ein Blick von ihm.
Er lehnt in seinem lässig-arroganten Stil und seinem verwegenen Look an der kahlen Wand unter der hellen Lampe und mustert sie ausdruckslos. Gina würde Gold für seine Gedanken bezahlen.
„Wollen Sie?"
Er schüttelt unmerklich den Kopf. Er hat kein Bedürfnis mit Hover zu sprechen. Dabei hat Gina ein ziemliches Bedürfnis mit Jackson zu sprechen. Sie hat ja noch so viele Fragen an ihn. Zum Beispiel wie er das letzte Opfer gefunden hat und vor allem den Tatort. Sie will ihm keine Last sein, allerdings will sie sich auch nicht ausbremsen lassen.
Markus kommt ebenfalls aus dem Raum, bemerkt die angespannte Stimmung zwischen den beiden und räuspert sich so laut, dass Jackson ohne ein Wort abzieht.
Markus klopft ihr aufmunternd auf die Schulter und begleitet sie anschließend zur Staatsanwaltschaft, um über Hovers Bedingungen zu verhandeln.
Doch kann es ein paar Stunden oder sogar einen Tag dauern, bis sie die Unterlagen bekommen, um dem Gefangenen die Strafmilderung zuzusichern. Da reicht es auch nicht mit den Anwälten persönlich zu telefonieren. Gina hat leider bei niemandem ein Stein im Brett.
Also geht sie unverrichteter Dinge nach Hause. Dort füttert sie ihren Kater, der sie wie immer vorwurfsvoll anguckt und sich gegen Acht Uhr auf ihrem Sofa nieder lässt, solange bis es an der Haustür klingelt und er verschreckt in der Küche verschwindet.
Gina hat gerade noch Zeit gefunden sich frisch zu machen und etwas zu essen. Schnell wirft sie im Bad noch einen prüfenden Blick in den Spiegel und kämmt sich die Haare hinter die kleinen Ohren. Sie selbst ist auch nicht gerade groß. Sie gehört zu der zierlichen Sorte Mensch. Das scheint ihren abendlichen Besucher nicht zu stören.
Sie lugt kurz durch den Türspion und lässt anschließend Markus herein. Wieso hat sie eigentlich mit jemand anderem gerechnet? Sie weiß doch, dass Markus vorbei kommt.
Für ein paar Sekunden erinnert sich Gina an die letzte Nacht.
Hatte Jackson sich etwa die ganze Zeit in der Nähe aufgehalten? Hat er überhaupt geschlafen? Warum denkt sie in so einer Situation daran?
Sie lächelt und bittet Markus es sich gemütlich zu machen.
„Hier, falls du mal ein vernünftiges Date haben solltest", sagt er grinsend und drückt ihr eine Flasche Rotwein in die Hand.
„Das wäre nicht nötig gewesen. Es soll doch nicht kompliziert werden."
„Das wird es nicht, keine Sorge. Ich wollte bloß nicht mit leeren Händen kommen."
Sie zieht leicht amüsiert die Augenbraue hoch und bedankt sich für das Gastgeschenk. Markus ist wirklich lieb. Er ist zwar nicht der attraktivste Mann in ihrem Umfeld, aber seine liebe Art und seine Fürsorge haben sie doch schwer beeindruckt. Er ist ein unkomplizierteren direkter Mensch. Er sagt, was er denkt. Das macht ihn umgänglich, aber auch einsam. Nicht jeder kann mit Ehrlichkeit und Offenheit umgehen. Erst recht wenn nicht Adonis vor einem steht.
Gina stellt den Wein in die Küche und sucht nach Knabberzeug, um sich zu revanchieren. Doch Markus ist nicht zum Essen gekommen. Er ist auch nicht gekommen, um den Fall zu besprechen. Er ist aus den abwegigsten und einfachsten Gründen hier. Das zeigt er auch sogleich, als er von hinten seine kräftigen Arme um Ginas Mitte legt und ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange haucht.
„Keine Zeit verlieren, huh?"
Sie lächelt und schmiegt sich an ihn. Er hat irgendwas. Er zieht sie an, obwohl er gleich von Anfang an erklärt hat keine Beziehung zu wünschen. Gina geht es ähnlich. Sie will nichts festes. Trotzdem kann sie Ablenkung bei ihm finden.
Es tut gut sich fallen zu lassen und alles an ihrem Job beiseite zu werfen. Markus weiß wie er sie auf andere Gedanken bringen kann.
Nicht zuletzt mit seinen feurigen Küssen, seinen sanften aber erfahrenen Händen, die sich langsam unter ihre Bluse schleichen, und seinem schelmischen und anziehendem Blick. Er führt sie ins Schlafzimmer, zieht sie dabei aus und drückt sie sogleich in die Kissen auf ihrem Bett.
Gina erwartet ihn voller Spannung und hilft dabei seine Kleider loszuwerden. Sein Körper ist kräftig und ein richtiger Kontrast zu ihrer zierlichen Gestalt. Zudem hat er dank der vielen Überwachungseinsätze und den ständigen Fressattacken zwischendurch ein kleines Bäuchlein angesetzt.
Neckend fährt Gina mit der Hand darüber. Er versteht ihre Gedanken und küsst sie zur Strafe hart auf den Mund, während sie ihm gleichzeitig die Hose öffnet und über seinen runden Hintern streift.
Er liebt ihre mutige und neckende Art seinen Körper immer wieder zu erkunden und ihm dabei zärtliche Liebkosungen zu geben. Gina drückt in näher an sich und Markus findet kaum noch Zurückhaltung. Lust steht in seinen Augen. Er strahlt Vertrauen und Wärme aus und trotzdem weiß Gina, dass sie sich nur für Sex bei ihm fallen lassen darf.
Sie verabschiedet ihre Gedanken für eine Weile und blendet alles außer Markus aus. Seine Hände verwöhnen sie zwischen den Beinen, bringen sie dazu ihn begierig zu wollen und leidenschaftlich zu küssen.
Einen langen Augenblick später nimmt er die Hand weg. Es zieht und pocht zwischen ihren Schenkeln, dann drückt er sich heiß und schwer in sie hinein. Ginas Schoß empfängt ihn, indem sie ihr Becken dem seinen entgegen drückt.
Er gibt ein leises erregtes Stöhnen von sich. Sein warmer Atem prickelt an ihrem Hals. Seine Lippen liebkosen sie dort, während er sich langsam immer wieder tief in sie drückt. Gina schlingt keuchend ihre Arme um seinen Rücken und legt den Kopf in den Nacken. Ihre Lieder schließen sich. So ist das sinnliche Erlebnis noch intensiver. Gina taucht gänzlich in eine vollkommene und intensive Ekstase ein und lässt sich von Markus ungehemmt lieben.
Erst als sie eine Weile später entspannt in seinen Armen liegt und sich den Rücken streicheln lässt, während er neben ihr gedankenversunken an die Decke starrt, kommen ihre wirren Gedanken wieder.
„Was ist?", fragt er. Markus ist völlig entspannt. Ihm scheint es gut zu gehen im Gegensatz zu ihr. Er bemerkt wohl ihre veränderte Stimmung.
„Wie lange machen wir das schon?", antwortet sie mit einer Gegenfrage und drückt sich das Kissen unter ihrem Kinn zurecht.
„Ähm...du meinst den Sex?"
Sie nickt sachte und genießt die verwöhnenden Berührungen seiner warmen Finger.
„Ein paar Monate. Warum, willst du es beenden?"
„Nein, das nicht. Wir profitieren beide davon. Es läuft immer wieder mal was zwischen uns, es sei denn einer findet jemanden für länger. Allerdings sind wir beide momentan so eingespannt, dass etwas Längerfristiges zu suchen keinen Sinn macht."
„Ich merke, dass du verspannt bist, Gina, ich glaube auch den Grund dafür zu kennen. Dieser Fall macht dir zu schaffen. Vielleicht bist du noch nicht bereit für sowas."
Sie dreht den Kopf zu ihm um und schenkt ihm einen kritischen Blick.
Er zuckt unsicher zurück und grinst.
„Du willst das jetzt nicht hören, aber du wirkst leicht damit überfordert."
Nun richtet sie sich auf. So sitzt sie völlig nackt neben ihm und stützt sich auf die angezogenen Beine.
„Jetzt wirklich?", beginnt Gina verärgert. „Ich bin nicht überfordert, ich brauche nur noch etwas länger, um die Beweise zu finden. Ich bin keine Stardetektivin, wie Jackson."
Auch Markus richtet sich auf. Dabei fährt er fort ihr beruhigend über die Haut zu streicheln.
„Jackson ist großartig. Er hat ganz schön was auf dem Kasten und du kannst einiges von ihm lernen, Gina. Trotz seiner Behinderung nichts zu fühlen, sieht er die Dinge mit einem Blick."
„Seine...Behinderung?"
„Ja, Jodie hat es mir erklärt. Seine Nervenstörung hat was mit einem Unfall zu tun. So wie ich dich jetzt berühre, kann er gar nicht spüren."
Gina ist baff. Sie hat es ja schon vermutet, aber es so direkt zu hören, ist noch etwas anderes.
„Er spürt Schmerzen um achtzig bis neunzig Prozent verringert. Kälte und Hitze machen ihm nichts aus. Wer so leben muss ist gestraft fürs Leben. Und stell dir mal vor, wie er sich fühlen muss. Ein Serienmörder hat es auf ihn abgesehen. Wenn er nicht stirbt, sterben andere an seiner Stelle. Trotzdem behält er die Nerven."
Auf dem Revier hat es sich sehr schnell herum gesprochen, dass Jackson zum Ziel geworden ist. Auch wenn er es anfangs nicht an die große Glocke gehängt hat, so weiß es inzwischen fast jeder. Immerhin fehlt Gina nun ein Dienstwagen.
In der Tat hat sie keine Sekunde darüber nachgedacht, wie er sich fühlen muss. Sie ist egoistisch und eingebildet, also genau das, was sie Jackson vorgeworfen hat. Sie schämt sich auf einmal und lässt den Kopf sinken.
„Ich kann verstehen, dass du den Fall nicht aufgeben willst, aber alleine schaffst du das nicht. Jackson braucht jemanden, der ihm hilft, sonst wird er vielleicht wirklich bald..."
Markus führt den Gedanken nicht zu Ende.
Ginas Pflichtgefühl kommt hervor. Sie gibt ihm recht. Sie hat sowohl Jackson falsch eingeschätzt als auch sich selbst. Ihr neuer Partner hat so viel um die Ohren, ist selbst in Gefahr und beschützt sie auch noch dabei.
„Oje...ich habe ihm Unrecht getan. Markus ich war...völlig blöd. Anscheinend habe ich wirklich kein Hirn. Wieso brauche ich erst Sex, um klar denken zu können?"
Das ist eine rhetorische Frage.
„Naja, manche brauchen Energiedrinks, du brauchst eben Sex."
Er küsst sie flüchtig und verlässt das warme Bett.
„Bleibst du heute nicht?"
„Ich denke, du musst mal in Ruhe nachdenken, Gina. Lass dich nicht unterbuttern, aber manchmal ist es auch mal ratsam sich zurück zu halten."
Das ist der letzte Tipp, für den Abend zumindest. Er zieht sich an und lässt sie alleine zurück.
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