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Ich fühlte mich gut, als ich am Montag auf dem Weg zur Schule war. Gefühlt zum ersten Mal in meinem Leben, zum ersten Mal seit einer Ewigkeit. Meine Mutter hatte keinen Stress gemacht, als ich nach Hause gekommen war. Hatte mich nicht angemeckert oder mir Vorwürfe gemacht. Vielleicht war ihr genau so klar wie mir, dass sie dazu kein Recht hatte.
Heute freute ich mich nach diesem schönen Wochenende darauf Jenna wiederzusehen. Egal, welche negativen Gedanken ich zuvor mit ihr verbunden hatte – sie war der erste echte Freund, den ich wahrscheinlich je gehabt hatte. Außerdem hatte sie mir gezeigt, dass ich ein wenig mutiger werden musste. Mich nicht mehr auf dem Klo vor allen Problemen verstecken, sondern für mich selbst einstehen. Mit ihr an meiner Seite würde ich nicht mehr einsam vor den anderen dastehen, während sie mich auslachten. Zumal hier an der neuen Schule niemand etwas gegen mich zu haben schien.
Nur gegen Jenna, fiel mir ein, als ich in den Klassenraum trat und Jonah und Rick bereits an Jennas Tisch standen. Das Herz rutschte mir in die Hose, als ich ihr fieses Lachen und die gehässigen Kommentare vernahm. Das altbekannte Ziehen breitete sich wieder in meiner Magengegend aus, aber diesmal würde ich anders handeln. Ich ballte meine Hände zu Fäusten und verscheuchte die Übelkeit. Ich nahm ein paar tiefe Atemzüge.
Diesmal würde ich nicht den Schwanz einziehen, wie der feige Hund, der ich eigentlich war. Jenna hatte es nicht verdient so behandelt zu werden. Schon das letzte Mal hatte ich mich dafür gehasst ihr nicht geholfen zu haben und ich wollte lieber dafür gehasst werden, mich für sie eingesetzt zu haben. Denn dann hatte ich wenigstens ein reines Gewissen.
Ich nahm noch ein paar tiefe Atemzüge und dachte an das Lied, das Jenna mir gezeigt hatte. Ich musste gegen meine Feinde aufstehen, denn sie würden nichts weiter sein, als eine schlechte Erinnerung.
„Hey!", sagte ich mit fester Stimme, als ich über die Türschwelle trat. Jonah und Rick blickten auf.
„Hey David, du kommst gerade richtig." Auch Jenna sah mich an.
„Ich weiß." Ich stellte mich zwischen die beiden und Jennas Tisch, von dem Jonah wieder eines ihrer Gedichte geklaut hatte. Ich riss ihm das Blatt aus der Hand und er war zu überrascht um zu reagieren. „Lass Jenna in Ruhe! Was ist denn los mit dir? Hast du so wenig Selbstwertgefühl, dass du andere runter machen musst? Bist du dir selbst denn überhaupt nichts wert?" Ich merkte, dass alle mich anstarrten. Ausnahmslos alle im Raum. Meine Handflächen wurde feucht, aber diesmal fühlte ich mich gut. Mein Herz pochte so stark, als wolle es mir den Brustkorb sprengen, aber ich blieb aufrecht stehen.
„Was?", brachte Jonah hervor, als er seine Sprache wiedergefunden hatte. „Was ist denn mit dir kaputt?"
„Das solltest du lieber dich selbst fragen. Was bringt es dir, wenn du Jenna fertig machst? Fühlst dich wie der Größte, aber in ein paar Jahren wirst du allen nur als der Mobber im Gedächtnis bleiben. Keiner wird sich an dich erinnern, Jonah, und niemand wird zu deiner Beerdigung kommen, wenn du so weiter machst und die Leute wie Dreck behandelst."
Jonah lachte plötzlich. Laut und gehässig. Sein Lachen traf mich wie ein Schlag ins Gesicht, aber ich ließ mir nichts anmerken. Ich hielt seinem Blick stand.
„Übertreib mal nicht so, du Spinner. Redest von 'nem einsamen Leben und meiner Beerdigung, während wir nicht mal unseren Abschluss haben. Was ist denn los mit dir?"
„Aus dir wird nie was werden!", konterte ich und dachte an all die Kunstwerke, die Jennas winzige Wohnung schmückten. An ihre Texte und ihren Gesang. „Aber Jenna kann alles erreichen. Also lass sie gefälligst in Ruhe und hör auf ihr das Leben schwer zu machen!"
Jonah trat einen Schritt vor, bis sein Gesicht meinem ganz nah war.
„Willst du mir etwa drohen?", flüsterte er fast. Im Augenwinkel sah ich seine geballten Fäuste. Ich spürte, wie die Angst mir die Kehle zuschnürte und schluckte. Als ich nichts sagte, holte Jonah aus. „So redet keiner mit mir! Wird Zeit dir 'ne Lektion zu erteilen!"
Bevor Jonah zuschlagen konnte, wurde er plötzlich zurück geschleudert und landete zusammen gekrümmt am Boden. Überrascht blickte ich nach rechts, wo Jenna neben mir stand. Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und Jonah soeben in den Magen getreten.
„Behalt' deine Drohungen für dich und sprich nicht so mit David! Im Gegensatz zu dir ist er ein vernünftiger Kerl. Schon peinlich wenn man sich immer so aufspielen muss um überhaupt etwas zu sein!"
Ich lächelte Jenna an. Wahre Freundschaft. Ich hatte mich für sie eingesetzt und sie war mir zu Hilfe gekommen, als Jonah auf mich losgehen wollte. Genau so musste das sein. Ich fühlte mich gut und stark, spürte, wie das Leben in meinen Adern pulsierte. Ich würde mich nicht mehr verstecken, diese Zeiten waren vorbei. Von nun an würde ich leben, mit allem, was dazugehörte.
Ende
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