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Ich machte es mir auf der Couch gemütlich und Jenna verschwand in der Küche. Zurück kam sie mit zwei Wacken Bechern, zwei Flachen Cola und einer Flasche Captain Morgan.

„Ich hoffe du magst Rum", lachte sie, als sie die Flaschen vor mich auf den Tisch stellte. Dann klappte sie den Laptop auf und fuhr ihn hoch. „Und ich hoffe, du magst Little Britain."

„Machst du Witze?", fragte ich und spürte, wie Jennas gute Laune langsam auf mich abfärbte. „Es gibt keine witzigere Sendung."

„Sehr gut." Während der Laptop hochfuhr, füllte Jenna zwei Finger breit Rum in die Becher und füllte sie dann mit Cola auf. „Cheers", sagte sie und hielt einen Becher in die Luft. Ich griff mir den anderen, stieß mit ihr an und trank die ersten Schlucke. Die Mischung war wirklich gut, das musste ich Jenna lassen.

Als der Laptop hochgefahren war, suchte Jenna die erste Folge Little Britain aus dem Internet und ließ sie laufen. Dann setzte sie sich neben mich auf die Couch.


In der nächsten Stunde entspannte ich mich immer mehr. Es war ein wirklich schöner Abend, der erste seit Jahren. Wir lachten viel, machten Witze und tranken. Ich war froh eine Weile von meinen Gedanken erlöst zu werden und abschalten zu können. Jenna war wirklich gute Gesellschaft und wieder genau so fröhlich und ausgeglichen wie an dem Tag, als sie mich vor der Schule angesprochen hatte.

Als wir keine Lust mehr auf Serie schauen hatten, begannen wir, uns über Musik zu unterhalten. Seit ich die Wacken Becher gesehen hatte, war mir klar, dass Jenna einen ähnlichen Musikgeschmack wie ich haben musste, was auch der Fall war. Ich erzählte ihr von Rise Against, meiner Lieblingsband, und was einige ihrer Lieder für mich bedeuteten. Ich erzählte ihr nicht, dass man mich mal gemobbt hatte oder dass ich vorgehabt hatte, mich umzubringen. Ich erwähnte lediglich eine schwere Zeit in meinem Leben, in der ich mich nur von der Musik verstanden gefühlt hatte. Davon, wie oft sie mir Kraft gegeben hatte, wenn ich das Gefühl gehabt hatte, nicht mehr zu können. Ich zeigte ihr die Lieder Make it stop und Survive. Daraufhin zeigte Jenna mir ein Lied, das ihr sehr am Herzen lag. Es hieß Bully und der Name der Band war Shinedown.

Ich lehnte mich zurück, während der Klang der verzerrten Gitarren meine Ohren erfüllte. Als der Sänger zu singen begann, lauschte ich seinen Worten ganz genau. Er erzählte, dass es in der Hölle, in der er lebte erst acht Uhr morgens war, aber er anscheinend schon wieder die Grenze überschritten hatte, obwohl er nicht mehr als er selbst war. Er forderte seine Gegner auf Steine zu schmeißen und seine Knochen zu brechen und sagte, dass wir alle wüssten, dass das Leben nicht fair sei.

Dann wendete sich plötzlich das Blatt. Der Sänger informierte darüber, dass es mehr von seiner Sorte gab und dass sie überall seien. Dann sang er, dass man sich das nicht gefallen lassen müsste, dass man das alles beenden könnte. Er sagte, dass der Mobber niemals mehr sein würde, als die verblassende Erinnerung an einen Mobber. Dass er immer einsam sein würde und niemand um ihn weinen würde, wenn er eines Tages starb.

So ging der Song weiter. Es war anders, als ich erwartet hatte. Ich hatte eher mit etwas traurigem gerechnet, das von der Ungerechtigkeit der Welt redete. Nicht von einer Aufforderung, sich gegen die Mobber aufzulehnen. Nicht davon, dass der Sänger sich unglaublich sicher zu sein schien, dass man stärker war, als der Mobber.

Doch er hatte Recht. Wer war John für mich? Niemand, außer derjenige, der mein Leben schwer gemacht hatte. Etwas anderes verband ich nicht mit ihm und auf seine Beerdigung würde ich bestimmt nicht gehen. War er für irgendwen etwas anderes, als der coole Typ, der so witzig war und immer alle anderen runter machte?

Ich wusste es nicht. Aber ich wusste, dass der Sänger verdammt Recht hatte mit seinen Worten.

Als ich die Augen wieder öffnete, war Jenna mir plötzlich ganz nah. Ich konnte ihr ansehen, dass sie betrunken war und ich war es auch. Trotzdem merkte ich, dass das hier nicht richtig war.

„Du bist wirklich verdammt süß, David", grinste Jenna und ich konnte den Rum in ihrem Atem riechen. Ich wich etwas zurück, aber sie folgte mir. Krabbelte auf allen vieren über die Couch und beugte sich dann über mich.

„W...was wird das?", stotterte ich verunsichert und drückte mich tiefer in die Kissen in meinem Rücken.

„Das weißt du ganz genau", grinste Jenna verlockend. Verdammt.

„Jenna, ich glaube, das ist keine gute Idee ...", versuchte ich mich rauszuwinden. Ich hatte Angst vor ihrer Reaktion, wenn ich ihr die Wahrheit sagte.

„Wieso denn nicht?" Sie kam meinem Gesicht noch näher. Panik stieg in mir auf, ich spürte wie mir übel wurde. Was sollte ich tun? Die Situation überforderte mich und die Aussicht darauf, mich ein weiteres Mal zu outen, machte mir Angst. Doch Jenna kam mir immer näher und schließlich handelte ich einfach. Bevor sie mich küssen konnte, hielt ich ihr meine Hand auf den Mund. Verwundert schaute sie mich an.

„Das ist keine gute Idee, weil ich schwul bin", teilte ich ihr mit und mein Herz begann zu rasen. Ich spürte wie mir heiß und kalt gleichzeitig wurde, während meine Handflächen zu schwitzen begannen. Schnell löste ich die Rechte von Jennas Mund. Einen Moment schaute sie mich noch irritiert an, dann begab sie sich wieder in eine sitzende Position und begann lauthals zu lachen.

„Mist", brachte sie lachend hervor und umarmte mich dann. Ich hatte mich auch wieder aufgerichtet. „Tut mir Leid!", lachte sie und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel. „Das muss ganz schön scheiße für dich gewesen sein, entschuldige bitte."

„K ... Kein Problem", murmelte ich überrascht. Sie lachte? Lachte sie über mich? Ich hatte nicht das Gefühl, als würde sie mich auslachen.

„Wir sollten ausgehen und uns beiden ein paar hübsche Typen suchen!", lachte Jenna weiter. Dann schaute sie auf die Uhr, die kurz nach Null anzeigte. „Aber zuerst ..." Sie verschwand in der Küche und kam mit zwei Pinnchen und einer Flasche Jägermeister zurück. Sie goss beide voll und drückte mir eines in die Hand.

„Auf mich!", grinste sie, stieß mit mir an und dann kippten wir die Pinnchen hinunter.

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