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„Was hast du denn mit Jenna zu tun?", fragte Rick, als Jenna wieder verschwunden war.

„Sie hat mir heute Morgen den Weg zum Sekretariat gezeigt", erwiderte ich leise. Bloß nichts Falsches sagen.

„Aha", murmelte Jonah und schaute in die Richtung, in der Jenna zwischen den Schülern verschwunden war. „Mit ihr solltest du dich besser nicht sehen lassen, wenn du etwas auf dich hältst." Dieser Satz rief Erinnerungen in mir hervor. Schmerzhafte Erinnerungen. Ich fühlte mich zurückversetzt an den Tag, an dem Robin neu in meine alte Klasse gekommen war. Vor meinem geistigen Auge sah ich, wie John sich zu ihm vorbeugte und ihm genau dieses Satz zu zischte.

Mit dem sollte man sich besser nicht sehen lassen, wenn man etwas auf sich hält.

Jetzt sagte jemand so etwas zu mir? Irgendwas lief hier falsch. Oder richtig? Zumindest sagte niemand über mich so etwas. Was sich ändern konnte. Schneller als mir lieb war, das wusste ich. Daher sagte ich nichts mehr zu dem Thema und entschuldigte mich, ehe ich eilig zum Klo hinübereilte. Ich stieß die Tür auf und verschwand schnell in einer der Kabinen.


Es passierte nicht viel an diesem ersten Schultag, worüber ich unglaublich froh war. Ein paar Leute stellten sich noch vor, unterhielten sich kurz mit mir und ließen mich dann wieder in Ruhe. Der Tag lief besser, als ich es mir erhofft hatte. Kein Hass, keine Anfeindungen und stattdessen nette Leute, die anscheinend mit mir befreundet sein wollten.

Als ich nachmittags das Schulgebäude verließ um nach Hause zu laufen, traf ich Jenna.

„Hey", grüßte sie mich mit einem Lächeln, obwohl ihr Blick von Zurückhaltung sprach. Lag das immer noch an unserem Treffen auf dem Schulhof? Mit Rick und Jonah?

„Hey", erwiderte ich und lief weiter in Richtung meines Zuhauses. Jenna lief neben mir her.

„Rick und Jonah", fing sie an, nachdem wir einige Schritte schweigend nebeneinander hergelaufen waren, „Sind das jetzt deine neuen Freunde?"

„Ich weiß nicht", antwortete ich wahrheitsgemäß.

„Okay." Jenna nickte, den Blick zu Boden gerichtet. Seltsam. Am Morgen war ihre überschäumende Energie und das breite Lächeln mir so vorgekommen, als sei sie immer so. Als sei sie einer dieser Menschen, die einfach immer gut drauf waren. Sollte ich mich getäuscht haben?

„Wieso fragst du?", hakte ich nach. Jenna hob sofort den Blick und plötzlich war das strahlende Lächeln wieder da.

„Nur so", wischte sie meine Frage beiseite, auch wenn mir klar war, dass da mehr dahinter stecken musste. Aber ich fragte nicht, offensichtlich wollte Jenna nicht darüber reden. Vielleicht war es ganz gut, wenn ich mich erstmal von den Problemen anderer fern hielt. Erstmal musste ich mich darum kümmern, selbst hier zurecht zu kommen. „Also dann", verabschiedete Jenna sich auf einmal. Sie hob die Hand und verschwand in einer kleinen Seitengasse. Sie war weg, bevor ich etwas erwidern konnte.

„Tschüß", murmelte ich, obwohl sie mich nicht mehr hören konnte.


Zuhause wartete meine Mutter bereits mit dem Essen auf mich. In ihrem neuen, fliederfarbenen Kleid und mit den glänzenden, zu einem Zopf gebundenen, Haaren erinnerte nichts mehr an die Frau, die sie vor einem halben Jahr noch gewesen war.

„Wie war's in der Schule, mein Schatz?", begrüßte sie mich mit einem breiten Lächeln, als sie mir die Wohnungstür öffnete, noch bevor ich den Schlüssel ins Schloss hatte stecken können. In Momenten wie diesen fragte ich mich, wie viel von dieser Wandlung echt war und wie viel gestellt. Erzwungen.

„Gut", erwiderte ich. Nach allem, was passiert war, wollte ich ihr nicht zu viel erzählen über mich und mein Leben. Wer garantierte mir, dass sie nicht in ihre alten Verhaltensmuster zurückfallen würde? Sie brauchte sich nur wieder mit einem Arschloch wie Kurt einlassen und dann wäre all das hier vergessen, da war ich mir sicher. Also lieber nicht zu viele Angriffspunkte liefern, mit denen sie mich dann treffen konnte.

„Hast du schon Freunde gefunden?", fragte meine Mutter, während sie mir voraus in die Küche ging und die Teller auf den Tisch stellte.

„Ich war grade mal einen Tag dort, was erwartest du?" Ich stellte meinen Rucksack in die Ecke und ließ mich am Tisch nieder, wo meine Mutter gerade das Kartoffelgratin auftrug. Ich sah ihr an, dass meine abweisende Art sie verletzte und es tat mir sogar leid. Aber ich konnte nichts ändern, ich wollte es auch nicht. Zu deutlich hatte sie mir gezeigt, dass sie nicht vertrauenswürdig war.

Ohne weitere Fragen zu stellen gab meine Mutter mir etwas von dem Gratin auf meine Teller, ehe sie sich setzte und sich selbst etwas nahm. Ich bedankte mich und dann schwiegen wir für die Zeit, in der wir aßen.

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