Logan's Lippen

"Nick, warte doch mal!", Logan blieb ruckartig stehen, wodurch ich seinen Ärmel los ließ.
"Ich hol die Nummer, du brauchst sie wirklich.", zum ersten Mal, seit ich Logan vorhin im Arztzimmer ins Wort gefallen war, sah ich ihn an.
Seine grünen Augen glänzten besorgt, ehe er sich umdrehte und in den eben verlassen Raum zurück joggte.
Vor Wut schnaubend drehte ich mich um und lief los.
Der konnte mich mal!
Wenn er diese beschissene Nummer wollte, dann sollte der doch selbst anrufen und sich über seine unnötigen Alltagspobleme auskotzen!
Wütend lief ich durch die Tür, welche sich automatisch öffnete.
"Nick, warte!", hörte ich Logan rufen, was mich dazu veranlasste trotz Kopfschmerzen und Schwindel schneller zu laufen.
"Nick!", rief er nochmals, ehe er mich am Ärmel am Weitergehen hinderte.
"Was verdammt?!", schrie ich ihn etwas heißer an, was ihn sichtlich überraschte.
"Ich hab das für dich gemacht! Du brauchst die Nummer dringend!"
"Du hast das für mich gemacht?! Einen Scheiß hast du, ich will diese beschissene Nummer nicht! Mir geht es super!", schnautzte ich ihn an und wollte mich schon umdrehen um meinen Weg fortzusetzen, doch als er dies merkte, griff er nach meinem Ärmel.
"Dir geht es überhaupt nicht super, oder auch nur ansatzweise gut!", entgegnete er mindestens genauso wütend wie ich.
"Was weißt du denn schon!"
"Anscheinend mehr als du!"
Wütend riss ich mich los. So einen Scheiß musste ich mir nicht geben!
Er platzte einfach so in mein Leben, stellte sich gegen Tyler, Devin und Zac, riskierte verprügelt zu werden, erpresste mich, damit ich heute nach der Schule zu ihm komme, schleppte mich ins Krankenhaus und versuchte mir jetzt auch noch die Nummer einer Psychotante anzudrehen!
Es stimmte, mein Leben war Scheiße, doch ich hatte es immerhin unter Kontrolle, bis er dahergelaufen kam!
"Nick, warte."
Seine Stimme klang mit einem Mal gar nicht mehr wütend, eher rücksichtsvoll, oder etwas in dieser Richtung. Ich spürte, wie er nach meiner Hand griff, wobei ich die Wärme und das angenehme Kribbeln ignorierte. Was ich jedoch nicht ignorieren konnte war, dass ich mich allein durch seine Worte und die Berührung beruhigte und auch mein Atem Sekunden später wieder regelmäßig ging.
So ein Scheiß!
Ich spürte, wie er meinen Blick suchte und nach einiger Zeit wurde es immer schwerer seinen grau grünen Augen auszuweichen.
"Warum tust du mir das an?", kam es leise, fast heiser, über meine Lippen. Ich wusste nicht warum, doch plötzlich war mir zum heulen zu mute.
"Weil du das alles nicht verdient hast.", murmelte er ebenso leise wie ich, wobei ich mich wortlos in seine Arme ziehen ließ.
Ich wusste nicht, wie lange wir so da standen. Seine Hand, die langsam über meiner Rücken strich, sein Kinn, welches an meiner Schulter lehnte und mein Kopf, welcher an seiner Brust lag. Doch nach gefühlten Jahren löste er sich von mir.
"Wir gehen jetzt zu mir, ich pass auf dich auf und ich koch uns was, in Ordnung?"
Langsam nickte ich. Ein Wiederspruch kam nicht wirklich in frage, immerhin hatte ich ihm gestern, wenn auch unfreiwillig versprochen, dass ich zu ihm kommen würde.

Gedankenverloren musterte ich Logan, welcher mit dem Rücken zu mir vor dem Herd stand. Ich war seit der Umarmung ungemein ruhig geworden. Doch irgendwie genoss ich die Stille, nur das Radio, welches Logan angemacht hatte, hörte man leise zu Logans Summen und dem Brutzeln der Pfanne. Endlich keine lästernden Schülerstimmen oder die aufbrausende Stimme meines 'Vaters'.
Die Minuten verstrichen in denen ich Logan einfach von oben bis unter musterte, ehe er sich mit einem Mal, wie vom Blitz getroffen, zum Radio drehte und schnurstracks auf dieses zulief. Er drehte das Lied laut auf und begann mitzusingen. Ein Schmunzeln konnte ich mir dabei nicht verkneifen.
"Mein Lieblingslied.", gab mir Logan kurz bescheid, ehe er wieder singend in der Pfanne herumrührte.
Auch ich fand das Lied nicht schlecht, sodass auch ich automatisch mitzusummen begann. Es stand in meiner Playlist ziemlich weit oben, weshalb ich es beinahe komplett auswendig konnte.
Als Logan dies bemerkte, grinste er nur und forderte mich mit hektischen Handbewegungen auf richtig mitzusingen. Zögerlich tat ich dies, wobei meine Stimme im Laufe des Liedes an Lautstärke gewann. Doch wie jedes Lied fand auch dieses ein Ende, weshalb Logan zufrieden seufzend das Radio wieder leiser drehte. Durch die Lautstärke hatten sich meine Kopfschmerzen zwar wieder bemerkbar gemacht, dennoch fühlte ich mich gut. Eigentlich so gut wie schon lange nicht mehr. Das seltsame Gefühl der Zufriedenheit breitete sich in mir aus. Doch statt es wie so üblich zu hinterfragen, oder besser gesagt in Frage zu stellen, genoss ich es. So welche Gefühle empfand ich nie und wer weiß, wann oder ob ich sie noch einmal erleben würde. Wohlig seufzte ich auf, lehnte mich an die Lehne des Stuhls und schloss die Augen. Erst Logans Stimme ließ sie mich wieder öffnen.
"Warst du mal in einem Chor oder so? Du kannst echt gut singen."
Er hatte sich kurz zu mir umgedreht, wodurch ich das Glänzen in seinen Augen wahrnahm. Seine Augen waren einfach so außergewöhnlich, noch immer sah ich sie vor mir. Dieses kräftige Grün, welches einen leichten Graustich hatte.
"Erde am Nick, bist du noch da?", hörte ich ihn mit einem Mal lachen, was mich daran erinnerte, dass ich ihm noch gar nicht geantwortet hatte.
"Ne, war ich nicht.", antwortete ich schnell auf Logans Frage, worauf er zu schmunzeln begann.
"Ein Natutalent also.", erwiederte er mit hochgezogener Augenbraue, weshalb ich aus welchem Grund auch immer, rot anlief. Den Rest der Zeit verbrachten wir schweigend, nur Logan summte ab und zu bei dem ein oder anderen Lied mit. Auch das Esssn verlief ohne großartige Konversation, er fragte nur, ob es mir schmeckte, was es allerdigs tat, da er ein ausgezeichneter Koch war. Die Gemüsepfanne, mit Hähnchenbruststreifen und Reis waren wirklich mit dem Essen eines 5 Sterne Kochs zu messen. Warum er allerdings so gut kochen konnte, traute ich mich nicht wirklich zu fragen.
Nachdem wir aufgegessen und abgeräumt hatten, standen wir auf.
"Lust mein Zimmer zu sehen?", fragte er, worauf ich freudig und zugleich ein wenig schüchtern nickte.
"Tada!", lächelte er und öffnete seine Zimmertür.
Gegen meine Erwartungen war sein Zimmer bis auf den Schreibtisch recht aufgeräumt. Die linke Seite seines Zimmers war durch ein großes Bett ausgefüllt. Zwar war es größer als ein Einzelbett, aber dennoch kleiner als ein Doppelbett. An der gegenüberliegenden Wand hing ein großer Fernseher, unter ihm befanden sich zwei hellgraue Komoden. Auf der rechten Seite seines Zimmer befand sich ein großer, weißer Schrank, der einen Spalt weit offen stand. Etwas weiter daneben lag ein dunkelgrauer, ziemlich bequem aussehender Sitzsack, über dem einige Bilder an die Wand gepinnt wurden.
Für dieses Zimmer gab es nur ein Wort: Perfekt!
Während ich noch staunend in der Tür stand, hatte Logan sich schon längst auf sein Bett geschmissen.
"Kommst du jetzt auch mal, oder willst du draußen stehen bleiben?", grinste er mich an, worauf ich langsam ins Zimmer trat und die Tür hinter mir schloss. Nach kurzem überlegen, wo ich mich hinsetzen sollte, entschied ich mich für das Bett, auf dessen Bettkante ich mich auch zögernd setzte.
"Ein Wunder, dass du nicht vom Bett fällst, wenn man bemerkt, dass du nicht einmal mit der Hälfte deines Hinterns draufsitzt.", schmunzelte er, worauf ich mich nun wie ein normal Sterblicher auf das Bett setzte und an die dahinterliegende Wand lehnte.
Logan musterte mich von der Seite, wobei er leicht schmunzelte. Ich schaute stur geradeaus und versuchte meine Nervosität zu ignorieren. Ich wusste nicht einmal, warum mich sein Blick nervös machte, doch eins stand fest: Er machte mich nervös!
"Kannst du bitte aufhören mich so anzustarren.", murmelte ich nach einiger Zeit, in der ich mich versucht hatte abzulenken.
"Warum?"
Weil es mich nervös macht verdammt!
"Darum.", nuschelte ich daraufhin nur und begann mit meinen Fingern zu spielen.
"Der Arzt hat aber gesagt, dass ich auf dich aufpassen soll.", erwiederte er nur schmunzelnd.
"Aber doch nichts so.", murmelte ich daraufhin leise.
Mit einem Mal rutschte er näher, sodass sich unsere Beine schon berührten. Ich schaute zu dieser Stelle, doch nicht lange, denn er hob mein Kinn an, sodass ich ihn anschauen musste. Seine grünen Augen erfassten meine sofort und ließen sie nicht mehr los. Ohne es überhaupt zu bemerken hielt ich die Luft an.
"Aber was ist, wenn ich genauso auf dich aufpassen will?", wisperte er leise. Dabei glitt sein Blick von meinen Augen immer wieder runter zu meinen Lippen.
Und dann passierte es. Er küsste mich. Vorsichtig, fast als würde ich an einer zu festen Berührung zerspringen. Unfähig die Situation klar wahrzunehmen, saß ich einfach nur da. Mit dem Rücken an die Wand gelehnt, die Augen wie automatisiert zugefallen und meine Hand, welche aus unerklärlichen Gründen zu seiner Wange glitt. Im nachhinein konnte man nicht genau sagen, ob ich den Kuss erwiederte, oder es einfach geschehen ließ, doch eins konnte man sagen: Ich drückte ihn nicht weg. Ich drückte ihn nicht weg, obwohl ich genau das hätte tun sollen. Ich sollte ihn wegstoßen, ihn anschreien und ihm sagen, dass er dadurch sein Leben zerstörte, doch ich tat es nicht. Vielleicht lag es an meinen Ohren in welchen es nur so rauschte, meinem Bauch in dem es wärmer zu werden schien, meiner Brust welche sich angenehm zusammenzog, oder an meinen Lippen, welche zu kribbeln und zu pochen schien. Doch vielleicht lag es auch an allem zusammen.
Mit einem Mal fühlte ich mich vollkommen, so als hätte immer ein Teil gefehlt, als hätte er gefehlt. Fast bemerkte ich es nicht, wie er mich sanft an der Schulter packte und in eine liegende Position drückte. Erst als er sich von mir lößte, wurde es mir bewusst. Langsam stand er auf und legte eine Decke über mich.
"Du solltest dich ausruhen. Ich geh in der Apotheke die Medikamente holen. Bis nachher.", lächelte er mich noch an, eher aus dem Zimmer lief, die Tür leise schloss und mich zurückließ.
Alleine, überfordert und immer noch mit dem Gefühl seine Lippen würden auf meinen liegen.

Awww der erste Kuss, was sagt ihr dazu?😏

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