Kapitel 33
HANNAH
„Du hättest es mir vorher sagen sollen.". Thomas fuhr mit einem Finger meine Wirbelsäule entlang und ich erschauderte ein wenig.
„Wieso?"
Ich lag mit dem Kopf auf seiner Brust und strich gedankenverloren über seinen Bauch. Unsere Beine waren miteinander verschlungen und wir hatten uns mittlerweile beide wieder Unterhosen und ich mir sein T-Shirt angezogen, auch wenn Thomas die Decke über uns ausgebreitet hatte. Ich legte meinen Kopf in den Nacken und sah ihn an.
„Weil ich dann sanfter gewesen wäre. Vorsichtiger.", murmelte er erklärend. Empört setzte ich mich auf. Für den Bruchteil einer Sekunde landete Thomas Blick auf meinen Brüsten, danach sah er mir aber sofort wieder ins Gesicht.
„Ich wollte es aber nicht sanft und vorsichtig. Ich wollte es genau so." Einer seiner Mundwinkel hob sich leicht und in seine Augen trat für den Bruchteil einer Sekunde ein dunkles Funkeln. Doch es verschwand ebenso schnell, wie es gekommen war. „Außerdem war das nicht mein erstes Mal, sondern nur das erste Mal seit langer Zeit." Er schüttelte lächelnd den Kopf. Im nächsten Moment umfasste er meine Ellenbogen und zog mich nach vorne, bis ich auf ihn fiel. Er schlang die Arme um mich und drückte mich fest an seinen warmen Körper. Das, was zwischen uns war, war etwas Besonderes. Seit heute wusste ich das und in der Art und Weise, wie er mich ansah und mich berührte, spürte ich, das er das Gleiche empfand. Wir würden es schaffen. Noch nie war ich mir einer Sache so sicher gewesen.
„Das ist kein Muttermal, oder?", fragte er nun plötzlich. Ich blickte auf seinen Bauch und versuchte mich krampfhaft auf das Muster, das ich mit meinem Finger auf seinen Bauch zeichnete, zu konzentrieren. Ich schüttelte langsam den Kopf. Er ließ die Luft hörbar entweichen und sein Bauch senkte sich unter mir.
„Hey, guck mich an.", sagte er leise und hob mein Kinn mit einem Finger an. Anschließend zog er mich in eine Umarmung und ich sackte auf seiner Brust zusammen. Seine Hand strich langsam durch mein Haar und mit seinem anderen Arm hielt er mich eng an sich. „Es wird alles gut.", flüsterte er und ich nickte zögerlich. Er lehnte seinen Kopf an meinen und so lagen wir in meinem Bett fest umschlungen und genossen unsere Zweisamkeit. Ich verstand nicht, wieso, aber es fühlte sich komplett normal an, hier so mit ihm zu liegen. Als hätte ich genau an diesen Ort gehört. Seit Monaten hatte ich mich nicht mehr so gut gefühlt.
•••••••
Doch auch die mit Abstand beste Nacht meines Lebens endete leider irgendwann. Der Abschied fiel uns beiden sehr schwer, als Thomas am nächsten Morgen gehen musste. Ich hatte ihn nicht gehen lassen wollen, weil ich tief in mir immer noch Angst hatte, dass wir wieder sechs Wochen lang nicht miteinander reden würden, wenn er einmal gegangen war. Auch er hatte mich immer wieder in Umarmungen und Küsse gezogen, bis er sich schlussendlich doch hatte lösen müssen und die Wohnung verlassen hatte.
Kurz darauf rief ich Chrissy an, fragte sie, ob sie Zeit hatte und saß wenig später auch schon mit ihr und einem Kaffee in der Hand auf einer Parkbank.
Ich schwärmte ihr vor wie schön es gewesen war und sie kriegte sich vor lauter awww gar nicht mehr ein. Immer wieder erwähnte sie, dass sie es von Anfang an gewusst hatte und fragte mich nach jedem noch so kleinen Detail. Während der ganzen Zeit konnte ich nicht aufhören zu Grinsen.
„Ich liebe die Liebe und das Daten und ich liebe es, darüber zu lesen. Es ist auch ganz witzig, darüber zu schreiben.", sagte ich dann leise und Christina sah mich ernst an. „Auch darüber nachzudenken ist schön, aber..."
„Aber?", fragte sie und ich sah verloren durch die Fenster des Cafés auf den belebten Berufsverkehr auf den Straßen.
„Es ist auch irgendwie furchterregend.", gestand ich und Chrissy stimmte mir nickend zu.
„Aber sagt man nicht auch, wer nichts wagt, der nichts gewinnt?" Langsam nickte ich. Sie hatte Recht. Ich konnte nicht auf ewig mit der Angst leben, dass jede Person in meinem Leben so werden würde, wie Jakob und dass ich zwangsläufig von allen verlassen werden würde. Klar, dieses Risiko konnte nicht ausgeschlossen werden, aber ich musste es versuchen, auch wenn es weh tun könnte.
Ich konnte mich nicht richtig auf jemanden einlassen, hatte aber trotzdem totale Sehnsucht nacht Nähe. Wir alle hatten ein riesiges Loch in unserer Seele und wir alle hofften, dass uns irgendetwas irgendwann wieder ganz machen würde. Geld, Aufmerksamkeit, eine Person, irgendeine x-beliebige Sache. Aber vielleicht war das Schwachsinn. Vielleicht müssten wir einfach kapieren, dass wir auf ewig unfertig sein würden. Dann würden wir uns auch nicht gegenseitig noch kaputter machen, sondern könnten zusammen unfertig sein.
Ich tat so, als sei es mir egal. Als könnte mich nichts verletzen. Ich hatte diese riesige Mauer aus Widerstandsfähigkeit um mich herum aufgezogen und tat so, als wäre alles in Ordnung. Als hätte ich keine Zuneigung in irgendeiner Art von irgendjemandem gebraucht, doch in Wirklichkeit hatte ich wohl einfach nur Angst.
Angst, nicht gut genug zu sein. Angst, verletzt zu werden. Angst, jemanden reinzulassen. Angst vor der Tatsache, von jemandem geliebt zu werden, weil ich andauernd befürchtete, dass dieser Jemand mich irgendwann im Stich lassen würde. Angst, dass mein Herz in Millionen Stücke zerspringen würde, weil ich jemandem alles von mir gegeben hatte, der versprochen hatte, mich nicht zu verletzten und zu verlassen. Aber das war die Sache. Man würde das Ergebnis nie erfahren, wenn man kein Risiko einging und Christina hatte Recht. Wer nichts wagte, gewann auch nicht. Aber diesmal wollte ich gewinnen. Und zwar um jeden Preis.
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