Kapitel 13
THOMAS
Wir saßen zu fünft an der Bar und nippten an unserem jeweils dritten Drink an diesem Abend. So langsam spürte ich den Alkohol und dachte mir gerade in dem Moment, in dem Artur eine vierte Runde bestellte, dass ich lieber Schluss machen sollte. Doch wenn ich jetzt ging, würde ich mir das die nächsten paar Wochen bei jeder sich bietenden Gelegenheit wieder anhören dürfen. Deswegen blieb ich sitzen und trank ein weiteres Glas Rum-Cola.
Daniel, ein Freund von Artur und Julian, hatte sich unserer Gruppe heute angeschlossen und erhob nun das Wort. „Geht ihr auf die Party nächsten Freitag?" Anscheinend war das das Gesprächsthema Nummer eins an unserer Schule. Ich war mir sicher, dass auch ein paar Acht-, Neunt-, und Zehntklässler auftauchen würden. Auch wenn ich es nicht verstand, weshalb es so vielen Leuten so unheimlich wichtig war, sich immer in Gesellschaft wildfremder Leute zu betrinken. Ich verstand nicht, was daran denn so cool oder besonders war. Ich wollte es vielleicht auch einfach nicht verstehen. Wenn ich nicht einen gewissen Ruf als Partymensch inne hätte, den ich im Grunde garnicht mehr haben wollte, aber er hielt sich seit drei Jahren stabil, würde ich überhaupt nicht hingehen.
„Yep.", antwortete Artur knapp und Daniel nickte. Sie begannen sich über irgendetwas Belangloses zu unterhalten, doch ich folgte der Diskussion nicht.
Meine Gedanken waren immer noch bei Hannah. Ich fragte mich immer noch, was war vorhin passiert war, dass sie so durch den Wind gewesen war. Sie hatte schon beinahe verstört gewirkt. Vielleicht sollte ich sie später anrufen. Nein, das wäre zu persönlich. Ich könnte ihr schreiben. Aber würde sie mir wirklich erzählen, was los gewesen war, oder würde sie mich nur mit einem nein, alles gut abwimmeln?
Aber selbst wenn, könnte ich ihr das nicht verübeln. Wir kannten uns ja erst seit wenigen Wochen. Seit vier, um genau zu sein. Würde ich ihr wahrheitsgemäß alles sagen, wenn sie mich fragen würde? Wahrscheinlich nicht alles.
Trotz allem fragte ich mich, ob ich ihr trotzdem schreiben sollte, oder ob das zu seltsam wäre. Doch in dem Moment nahm sie mir die Entscheidung ab, als sie mir eine Nachricht schickte. Mein Handy leuchtete auf und ich öffnete ihre Nachricht.
„Is doch ok, wenn Hannah noch eine Freundin mitbringt nächsten Freitag, oder?", fragte ich in die Runde, um mich in irgendeiner Weise am Gespräch zu beteiligen. Natürlich war es ok. Die Feier war ja keine Home bei irgendjemandem Zuhause, sonder einfach auf einem Hügel im Wald. Ich hatte Hannah schon längst mit einem klar geantwortet, als ich die Frage gestellt hatte.
„Wenn sie genauso heiß ist, wie Hannah, dann klar.", sagte Artur und krümmte sich vor Lachen. Julian stimmte mit ein und ich atmete nur laut aus, bevor ich den Kopf schüttelte und den Rest meines Getränks austrank. Wie kleine Kinder. Mehr fiel mir dazu nicht ein. Kleine Kinder.
Ich stand auf und ging nach draußen auf die Terrasse. Sie war leer. Es war zwar schon dunkel und die Sonne war vor mehreren Stunden untergegangen, doch es war immer noch warm.
Heute war eine der wenigen Nächte, in denen man sogar in einer Großstadt wie Berlin vereinzelt einen Stern am Nachthimmel ausmachen konnte. Ich schloss die Augen und genoss für einen Moment die Ruhe und Stille. Abgesehen von den Motorgeräuschen der vorbeifahrenden Autos war es wirklich still.
Manchmal musste man einfach alleine sein. Manchmal brauchte man einfach Ruhe von den ganzen Menschen und dem ganzen Scheiß um einen herum. Ich sah auf mein Handy. 1:38 a.m. leuchtete mir entgegen und ich beschloss, nun doch nach Hause zu gehen. Ich musste schlafen. Ansonsten würde ich am nächsten Morgen nur wieder nicht richtig wach werden.
Als ich mich endlich verabschiedet hatte und mich auf den Weg nach Hause machen konnte, kramte ich mein Handy aus der Hosentasche.
Ich öffnete Hannahs Account und schrieb ihr. Auf meine Frage, wie es ihr ging, antwortete sie fast zeitgleich mit einem gut. Als ich sie fragte, ob es ihr besser ging, als heute Nachmittag, brauchte sie für die Antwort fünf Minuten. Ja klar. Habe nur eine Nachricht bekommen, mit der ich nicht gerechnet hatte. Ich weiß auch nicht, was ich als Antwort auf diese Frage erwartet hatte. Ich ließ es jedoch so auf sich beruhen. Was sollte ich auch großartig dazu sagen.
•••••••
Als Artur, Julian, Mike und ich am kommenden Freitag dann unten vor meinem Haus auf Hannah und ihre Freundin warteten, bevor wir Alkohol und Essen kaufen gingen, konnte ich es irgendwie kaum erwarten, Hannah wieder zu sehen.
Ich hatte sie das letzte mal Montagmorgen im Mathe Kurs gesehen und mit ihr gesprochen. Auf irgendeine Weise vermisste ich ihre sarkastischen Kommentare fast, wenn sie nicht da waren und auf irgendeine Weise, die ich mir beim besten Willen nicht erklären konnte, vermisste ich sie auch in unserer Gruppe. Sie brachte einfach eine gewisse Art mit sich, die die Stimmung von uns vieren irgendwie auflockerte. Wie auch immer sie das anstellte.
„Meine Fresse!", stieß Artur aus und ich drehte mich um. Hannah und eine weitere Person bogen gerade um die Ecke. Ich wollte Hannah nicht nur auf ihr Aussehen reduzieren, ihr standen schon die schlichtesten Sachen, aber in dem Outfit sah sie verdammt gut aus. Es war nichts besonderes. Ein silberfarbenes Top mit schwarzer Jeans, passender Jeansjacke und weißen Sneakern. Aber es sah wirklich atemberaubend aus. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass sie erst sechzehn gewesen wäre, hätte ich sie locker auf einundzwanzig geschätzt. Als die beiden näher kamen, pfiff Artur einmal laut auf, unpassend und ungehobelt wie er war, und Hannah sah ihn mit dem Blick des Todes an.
„Wir sind keine Hunde. Also lass den Scheiß.", sagte sie genervt und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich Arturs bedröppeltes Gesicht daraufhin sah.
„Also, das ist Christina. Christina, das sind Artur, Julian, Mike und Thomas.", stellte sie uns vor und wir nickten zur Begrüßung. Christina musterte mich mit zusammengekniffenen Augen bevor sie kurz lächelte und ihren Blick dann Hannah zuwandte. Es schien fast so, als führten sie eine Unterhaltung, bis dann beide kurz auflachten, bevor wir uns gemeinsam auf den Weg zur U-Bahn machten.
Wenig später im Supermarkt standen wir vor dem bis zur Decke vollgefüllten Alkoholregal. Wir brauchten relativ lange, bis wir uns für eine Flasche Cola, Becks, Whiskey und Vodka entschieden hatten. Anschließend gingen wir zur Kasse und machten uns daraufhin auf den Weg zum Teufelsberg.
Der Weg bis dorthin war uns allen so vertraut, dass wir ihn beinahe intuitiv gingen. Bereits von Weitem konnte man laute Musik aus irgendeiner Box schallen hören und Stimmen, die lauthals durcheinander redeten und lachten. Nach dem steilen Weg auf den Berg hinauf, hatte ich Mühe meine Atmung wieder unter Kontrolle bringen zu können. Als die vielen Leute in unser Blickfeld kamen, die sich hier bereits aufhielten, hatte ich direkt das Gefühl, dass es eine schlechte Idee gewesen war, hierher zu kommen. Neben mir atmete Hannah merklich aus und wurde langsamer. Ihr schien es ebenso schwer zu fallen, wieder zu Atmen zu kommen. Sie sah zu Christina, die ihr ein aufmunterndes Lächeln zu warf und ihre Hand kurz drückte.
„Wer ist denn alles da?", fragte Christina und ich drehte mich schulterzuckend zu Julian um. Keine Ahnung. Ich hatte mich nicht wirklich an den Gesprächen um diese Feier betätigt.
„Unsere Schule und noch ein paar andere Leute, die einfach Bock auf feiern hatten, denke ich. Keine Ahnung.", erklärte er und sie nickte. „Na dann, let's go!", sagte Artur laut und mischte sich unter die Leute. Wir folgten seinem Beispiel und teilten uns, jeder mit einer Flasche Alkohol in der Hand, auf.
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