Was jetzt?
Dean sah die Sorge in ihren Augen und er verstand ihren Gedanken. Es war kein Wunder, dass sie Angst vor Cas hatte. Sie kannte ihn nicht und ihre bisherigen Erfahrungen mit Engeln waren alles andere als gut. Außerdem hatte sie das gesunde Misstrauen einer starken und erfahrenen Jägerin.
Sie so besorgt und ängstlich zu sehen, tat Dean fast körperlich weh. Vor wenigen Monaten noch hatte sie immer einen lockeren Spruch auf den Lippen gehabt und ihre jetzt so stumpf wirkenden Augen hatten gestrahlt als sie das letzte Mal mit ihm allein in einem Raum gewesen war. Jetzt war da nur noch Sorge und Kontrollverlust zu sehen. Wie sehr eine so simple Sache doch alles verändern konnte.
Aber Castiel hatte schon so viel für ihn getan. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Engel seinen Sohn gefährden würde. Das was sie inzwischen hatten, ging über eine normale Freundschaft weit hinaus. Er dachte gar nicht daran, ihn auszuschließen. Das würde auch Sherin noch früh genug einsehen. Immerhin hatte er ihr auch ohne weitere Diskussionen die Sigillen eingeritzt. Warum hätte er das tun sollen, wenn er sie hätte dem Himmel aushändigen wollen?
Endlich schaffte Dean es, sich vom Anblick ihres leicht gewölbten Bauches loszureißen und zog seine Hand zurück. Er musste zugeben, dass Sherin gut aussah. Ziemlich gut sogar für ihren - Zustand. Er wollte sich nicht eingestehen, dass er sie immer noch sehr anziehend fand, aber leider reagierte er trotz allem noch auf sie.
Dennoch wollte er ihr nicht einfach so verzeihen, dass sie ihn komplett im Dunkeln gelassen hätte, wenn sie nicht so in der Klemme gesteckt hätte. Diese Tatsache schmerzte noch mehr als ihre Angst. Er wäre Vater geworden, ohne es jemals gewusst zu haben und das ist etwas, das er nicht so leicht vergessen konnte. Familie stand über allem und der Kleine war nun ein Teil davon. Er würde ihn mit allem schützen, was er hatte und wenn er sein Leben für ihn geben musste, hätte er es ohne mit der Wimper zu zucken getan.
»Also schön.« Dean räusperte sich, zog seine Hand zurück und stand auf. »Trink deinen Tee und ruh dich aus. Vielleicht kannst du ein bisschen schlafen. Wir sehen uns dann morgen.«
Mit diesen Worten wandte er sich zur Tür um und drückte die Klinke herunter, als Sherin tief Luft holte.
»Danke, dass ich hier sein darf«, sagte sie und er konnte hören, dass sie vermutlich gleich wieder weinen würde.
Trotzdem drehte er sich nicht zurück, auch wenn sich sein Herz schmerzhaft zusammenzog.
»Klar, kein Problem«, entgegnete er leichthin und wusste, dass er ihre Qual damit nicht milderte. Dann schlüpfte er durch die Tür, schloss sie hinter sich ehe er seine Hand hob und seufzend über sein Gesicht wischte.
Mit gesenktem Kopf und Händen in den Hosentaschen schlich er zu Sam und ließ sich auf einen der Stühle an dem großen Tisch in der Bibliothek fallen.
»Bier?«, fragte der jüngere und hielt ihm eine Flasche des kühlen Gebräus entgegen.
Er nickt, nahm Sam die Flasche aus der Hand, öffnete klickend den Verschluss und warf den Kronkorken auf den Tisch.
»Wie geht's dir?« Die Stimme seines Bruders ließ ihn wieder aufblicken.
Dean zuckte mit den Schultern. Wie sollte es ihm schon gehen?
Vor ein paar Monaten hatte er tatsächlich geglaubt, dass jemand wie Sherin die richtige Frau für ihn sein könnte. Bis sie ihm mit dem Ausbleiben ihrer Antworten auf seine Nachrichten unmissverständlich klar gemacht hatte, dass Jäger keine Beziehungen eingingen. Eigentlich war ihm das auch immer klar gewesen, aber er hatte sich einer romantischen Vorstellung hingegeben, was normalerweise ganz und gar untypisch für ihn war.
Und der Grund dafür, dass Jäger keine Beziehungen eingingen, hatte sich nochmals bestätigt, als er erfahren hatte, dass er Vater wurde und im nächsten Moment klar war, dass auch sein Sohn von diesen verdammten Mistkerlen bedroht wurde.
»Keine Ahnung. Ich weiß nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll. Ich wünschte, ich hätte sie nie getroffen«, seufzte Dean und trank einen großen Schluck Bier, während Sam den Kopf schüttelte.
»Glaubst du nicht, dass du ein wenig zu hart zu ihr bist?«, fragte der jüngere mit hochgezogener Augenbraue und setzte sich seinem Bruder gegenüber an den Tisch.
»Zu hart? Wären die Engel nicht gewesen, wüsste ich überhaupt nichts von - ihrem Zustand. Vielleicht sollte ich diesen fliegenden Bastarden sogar Dankbar sein, anstatt jetzt schon zu überlegen, wie ich jeden einzelnen von ihnen auslöschen kann.«
»Dean, sei nicht so kindisch. Sie ist schwanger. Das kann man ruhig aussprechen. Es nicht laut zu sagen, lässt das Kind nicht einfach wieder verschwinden.« Sam verdrehte theatralisch die Augen, was Dean schnauben ließ.
Natürlich machte es ihre Schwangerschaft nicht rückgängig, aber wie sie selbst gesagt hatte, fühlte es sich weniger real an, wenn er es nicht laut aussprach.
»Ich würde es liebend gern rückgängig machen«, brummelte er, aber sein kleiner Bruder schüttelte bereits den Kopf.
»Hör auf das zu sagen. Es stimmt nicht. Eigentlich bedeutet dir Sherin immer noch mehr als andere Frauen. Du hast einfach nur Angst. Aber sie ist nicht Lisa. Sie kann auf sich aufpassen und kennt die Dinger, mit denen wir es zu tun haben. Du musst nicht auf diese Weise für sie sorgen.«
Erschrocken hob Dean den Kopf und sah seinen Bruder wütend an.
»Natürlich ist sie nicht Lisa. Mit ihr war es was ganz anderes. Du kannst Sherin nicht mit Lisa vergleichen«, brauste er auf.
Ihm war jetzt schon alles zu viel, da musste Sam nicht auch noch Lisa ins Spiel bringen.
»Eben das meine ich doch Dean! Sherin kann auf sich aufpassen. Sie kennt unsere Welt und sie braucht jetzt unsere Hilfe. Schluck deinen Ärger herunter und hilf ihr! Du magst sie, also hör auf, euch beide zu bestrafen.« Sam saß locker an die Lehne des Stuhls gelehnt und hatte sein typisches Predigergesicht aufgesetzt. Allein diese Tatsache ließ Dean schon schnauben.
Und natürlich mochte er Sherin, aber das würde er jetzt ganz sicher nicht zugeben und damit bestätigen, dass Sam recht hatte. Schon wieder.
Außerdem fand er, dass Sherin sich ruhig noch ein wenig schlecht fühlen konnte. Immerhin war es unglaublich, dass sie ihm eigentlich gar nicht hatte erzählen wollen, dass sie schwanger war.
Wenigstens konnte er das Wort jetzt in Gedanken aussprechen. Bis es seine Lippen verlassen würde, würde es allerdings noch deutlich länger dauern.
Außerdem lag die Priorität jetzt darauf, herauszufinden wie er seinen Sohn schützen konnte.
Er zog Sams Laptop zu sich heran und begann zu recherchieren. Es musste doch einen Grund dafür geben, dass die Engel glaubten, sein Kind wäre etwas Besonderes. Allerdings machte er sich schon innerlich bereit, in den Impala zu steigen und ein wenig herumzufragen. Vielleicht konnte er mit einem Medium sprechen oder ein paar andere Jäger befragen. Vielleicht hatte irgendjemand etwas gehört oder wusste etwas, dass das Internet und die alten Bücher dieser Bibliothek nicht verrieten.
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