Musik und Bücher

Deans Zimmer war kein großer Raum und genau wie alle anderen hatte er keine Fenster.
Ehrfürchtig trat ich ein. Es war ein komisches Gefühl. Nicht nur, weil es Deans Zimmer war, sondern weil es unheimlich selten war, dass Jäger überhaupt einen festen Wohnsitz hatten.
Es gab welche, die einen hatten, aber ich hatte noch keinen von ihnen getroffen. Und wenn doch, dann war ebendieses Zuhause zerstört. So wie das niedergebrannte Roadhouse.

Ich ließ meinen Blick durch das Zimmer gleiten und blieb an dem Plattenspieler hängen, der auf einem kleinen Tisch an der Wand stand. Besonders die Platte, die danebenstand, zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ohne es zu wollen, schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen.
Ich ging schnurstracks darauf zu und nahm das Cover in die Hand. Es handelte sich um eine Single.

»Foreigner?«, fragte ich schmunzelnd und drehte mich zu Dean um.
»Ja, ich mag den Song«, erwiderte er vollkommen selbstsicher und lässig, aber in seinen Augen konnte ich sehen, dass er innerlich nicht so lässig war.
Ob er sich jetzt noch daran erinnerte, dass er ebendiesen Song gesummt hatte, das letzte Mal als wir uns gesehen hatten?

»Ich weiß«, sagte ich und konnte dabei zusehen, wie Deans Grinsen sich in einen erschrockenen Blick wandelte. Und ob er sich daran erinnern konnte. Aber würde er es auch zugeben?
»Woher willst du das denn wissen?«, fragte er mit hochgezogener Augenbraue.
Die Frage war alles, was ich gebraucht hatte, um mich selbst an eine gewisse Sache zu erinnern, die ich unbedingt ansprechen wollte. Und jetzt war die perfekte Gelegenheit. Mein Schmunzeln wurde nun zu einem hinterlistigen Grinsen.

»Er kam ein paar Mal in irgendwelchen Büchern vor, die ich gelesen habe. Vielleicht kennst du sie ja. Ein gewisser Carver Edlund hat sie geschrieben. Wie war der Name der Reihe noch gleich? Supernatural?« Mein Grinsen wurde breiter, während Deans Gesicht an Farbe verlor.

Die Supernatural Bücher, die das Winchester Evangelium darstellten und von einem Propheten Gottes geschrieben waren, beschrieben sehr detailreich Sams und Deans Leben. Wobei es für mich an der ein oder anderen Stelle schon zu detailreich war. Zu dumm für die beiden, dass dieses Werk Gottes auch noch für kommerzielle Zwecke ausgebeutet wurde.

»Oh verdammt, du hast diese Dinger echt gelesen? Woher weißt du davon?« Dean war offensichtlich nicht gerade begeistert davon, aber ich nickte.
»Ach das war reiner Zufall. Bei einem Fall bin ich auf einen eurer größten Fans getroffen, glaube ich. Sie hatte ihre ganze Wohnung mit Zeichnungen vollgestopft, die sie aus den Beschreibungen der Bücher erstellt hat. Die eine sah dir gar nicht mal so unähnlich so ganz ohne Kleidung. Zumindest vom Hals an abwärts.«

Bei dem Ausdruck des Entsetzens auf Deans Gesicht musste ich laut auflachen.
»Sie hat mir ein paar Bände empfohlen, aber die waren mir dann doch ein wenig zu privat. Ich habe versucht, mir ein zwei herauszusuchen, die nicht ganz so... pikant sind. Dabei habe ich mich kurzzeitig selbst wie ein Supernatural-Fan gefühlt, als ich die Dinger gelesen habe. Aber den Band mit uns habe ich bewusst ausgelassen. Ich meine, wer will schon etwas über sich selbst in dieser... Situation lesen.« Ich verzog das Gesicht und unterdrückte ein Schütteln, dass mich beinahe ergriffen hätte.
Aber diesmal war es Dean, der grinste. »Das ist eins der wenigen lesenswerten Bücher, Sherin. Du hättest ruhig mal reingucken können.«

Jetzt war ich diejenige, die ihn vollkommen entgeistert ansah. »Hast du es gelesen?«
Sofort wirkt er vollkommen erstarrt. Er sah aus, wie ein kleiner Junge, den man bei einer Dummheit erwischt hatte.
»Nein, ich meine... Ja. Also nein, das wäre doch vollkommen verrückt.«
Er hatte es gelesen, da war ich mir sicher und ich meinte sogar eine leichte Rotfärbung seiner Wangen wahrzunehmen. Das brachte mein Grinsen zurück.
»Dean«, säuselte ich und zog seinen Namen ein wenig in die Länge, während ich das Schallplattencover wieder zur Seite legte. »Wolltest du etwa wissen, wie mir die Nacht mit dir gefallen hat und hast versucht, es in dem Buch herauszufinden?«
Diese Frage schien ihn aus seiner Starre herauszureißen und ein siegessicheres Grinsen erschien in seinem Gesicht.

»Dafür musste ich das Buch nicht lesen.«
»Ach nein?«, hakte ich nach. Mir gefiel das Spielchen zwischen uns und deshalb spielte ich es mit.
»Nein, ich kann es in deinen Augen sehen.« Er trat einen Schritt näher und hielt meinen Blick mit seinem gefangen.
»Was kannst du sehen?«, fragte ich, wobei meine Stimme mehr einem Flüstern glich. Ich hoffte nur, dass er das Zittern darin nicht wahrgenommen hatte.

»Du willst mich, Cherry. Und das schon seit dem Moment, als ich dich vor dem Werwolf gerettet habe.«
»Häng dich mal nicht zu weit aus dem Fenster, Mister. Das hätte ich schon noch irgendwie geschafft.« Meine Stimme wurde bereits dünner, obwohl ich versucht hatte, es zu verhindern. Aber die Nervosität wuchs und das konnte ich nicht verstecken, egal wie sehr ich mich anstrengte.

Dean stand jetzt ganz dicht vor mir. Ich hätte nur meine Hand heben müssen, um ihn zu berühren. Aber ich riss mich zusammen. Den Triumph wollte ich ihm nicht gönnen. Jedenfalls noch nicht. Ich würde schon noch früh genug einknicken.
»Natürlich, ohne Revolver und Messer. Das wäre ein Kinderspiel für dich gewesen. Was hättest du gemacht? Ihn auf die Matte geworfen und dann wärst du auf ihn gesprungen? Du hast doch selbst gesagt, dass wir dir den Arsch gerettet haben.«

Ich verdrehte die Augen und wollte gerade einen Schritt von Dean weg machen, um mich weiter umzusehen beziehungsweise um ihm aus dem Weg zu gehen. Doch ich hatte nicht damit gerechnet, dass er seinen Arm um meine Taille würde. Nach einer raschen Bewegung fand ich mich an seine Brust gedrückt wieder.
»Du wirst jetzt nicht schon wieder einfach verschwinden«, raunte er und sein Blick bekam etwas Glasiges.

Mir war klar, worauf er anspielte und am liebsten hätte ich gesagt, dass ich nur aus Selbstschutz gegangen bin, aber das gehörte hier jetzt nicht hin.
»Ich hatte nicht vor, zu gehen«, entgegnete ich stattdessen und hielt seinem Blick stand.
»Jetzt vielleicht nicht, aber ich möchte, dass du morgen früh auch noch hier bist«, entgegnete er.

Weil ich nicht einen Ton mehr hervorbringen konnte, nickte ich und schluckte schwer.
Es war anders als beim letzten Mal. Ich gierte geradezu danach, endlich von ihm berührt zu werden und deshalb blieb mir die Luft weg, als er sich nach vorn lehnte und mich küsste.
Seine Hände strichen an meiner Seite entlang und hielten an meinem Hosenbund.
»Ich bin froh, dass wir uns wieder getroffen haben, Cherry.«

Ein Schauer glitt über meinen gesamten Körper bei seinen Worten. Ich hatte keine Ahnung, ob er die Wahrheit sagte, aber das war mir vollkommen egal. Denn er hatte recht gehabt. Schon seit dem Moment, als er mir in der Blockhütte gegenübergestanden hatte, konnte ich an nichts anderes mehr denken, als an das hier.

Er küsst meinen Hals und öffnet meine Jeans. Unendlich langsam zog er sie herunter, während ich hastig mein Top auszog.
Dean ließ mich aus meiner Hose steigen, warf sie auf den Boden und entledigte sich seines Shirts. Bis zu diesem Moment hatte ich nicht gewusst, dass mir dieser Wahnsinnskörper so gefehlt hatte.
Ich ließ mich auf das Bett direkt hinter mir fallen und sah jeder noch so kleinen Bewegung seinerseits zu.
Als er auch seine Hose öffnete, zog ich scharf die Luft ein.
Nur Sekunden später war er wieder über mir und alles in mir sehnte sich danach, endlich von ihm berührt zu werden. Von diesem verdammt heißen und zu gleich so sanftem Jäger.

҉

Dean hielt sich an mir fest, wie ein Ertrinkender und ich war die letzte Planke, die ihm vor dem tödlichen Wasser rettete.
Es kam mir vor, als brauchte er mich in dem Moment einfach, um ihm Halt zu geben. Er hatte so viel verloren in den letzten Jahren, dass er vermutlich gerade einfach instinktiv handelte und sich deshalb so an mir festhielt.

»Du hast das mit dem Song nicht aus den Büchern, habe ich recht?«, flüsterte er mir ins Ohr.
Eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Er wusste, worauf ich hatte anspielen wollen.
»Nein«, entgegnete ich lächelnd. »Du hast ihn gesummt. Das letzte Mal.«
»Also hast du es doch gehört. Ich war mir nicht ganz sicher, ob du geschlafen hast.«

Einen Moment sagte niemand von uns etwas, aber Dean wirkte so, als würde er über etwas nachdenken.

»War das ernst gemeint, was du zu Sam in der Bibliothek gesagt hast?«, fragte Dean leise an meinem Ohr und holte mich damit aus meinen eigenen Gedanken.
»Was meinst du?« Ich stellte mich absichtlich ein wenig dumm. Mir war es noch unangenehm, dass Dean gehört hatte, was ich seinem kleinen Bruder erzählt hatte.
»Dass ich dir etwas bedeute. Du weißt, dass ich dich gehört habe.«

Ich seufzte und verdrehte die Augen. Allerdings wusste ich, dass ich nicht ohne eine Antwort aus dieser Nummer herauskommen würde. Deshalb nickte ich langsam.
»Ja, ich bedeute dir etwas oder ja, du weißt, dass ich dich gehört habe?« Er legte es wirklich darauf an, es aus meinem Mund zu hören.
Ich seufzte nochmals und zeichnete kleine Kreise mit meinem Finger auf seine nackte Brust.
»Okay, schön. Beides natürlich, du Idiot. Ich muss aber noch herausfinden, wie viel du mir bedeutest.«

Ich konnte sein Grinsen sehr deutlich in seiner Stimme hören, als er mich von sich herunter auf die Matratze warf, um sich halb über mich zu stützen.
»Vielleicht hilft dir eine zweite Runde dabei, es herauszufinden.«
Als er anfing, meinen Hals zu küssen, fiel es mir unglaublich schwer, ihn sanft wegzudrücken. Aber wir waren noch nicht fertig mit dem Gespräch.
»Dean! Stopp.« Das musste ich schließlich noch lachend hinzufügen, weil er mir sonst sicher keine Chance gelassen hätte.
Sein verdutzter Gesichtsausdruck half mir nicht wirklich, das Lachen wieder loszuwerden.

»Was sollte wichtiger sein als das«, fragte er provokant, bevor seine Lippen meine für den Bruchteil einer Sekunde so zart und sanft berührten, dass ich eine Gänsehaut bekam.
»Gleiches Recht für alle, mein Lieber«, schnurrte ich, auch wenn meine Stimme verräterisch zitterte. »Stimmt es denn auch was Sam mir über dich erzählt hat? Und leugne nicht, dass du es nicht auch gehört hast.«
»Scheiße.« Dean ließ sich seufzend auf den Rücken fallen, was mich dazu veranlasste, mich aufzusetzen. Wohlweislich darauf bedacht, die Decke nicht von meinem Körper rutschten zu lassen. Ich schämte mich nicht für meinen Körper, aber er wäre Dean sicher eine willkommene Ablenkung gewesen.

»So schlimm?«, fragte ich und war mir plötzlich gar nicht mehr sicher, die Antwort überhaupt kennen zu wollen.
Gerade als ich überlegte, ihn einfach wieder zu küssen und dieses Thema nie wieder anzuschneiden - zumindest für heute Nacht, denn danach sahen wir uns vermutlich wirklich nicht wieder - antwortete er.
»Natürlich stimmt es, was Sammy gesagt hat. Er hat immer recht, aber wehe du sagst ihm das.« Dean strich sich mit einer Hand über sein Gesicht, während seine Worte eine wohlige Wärme in mir erzeugten. »Wenn es ausgesprochen ist, macht es das so real. Und ich weiß nicht, ob ich das kann.«
Das jedoch versetzte mir einen Stich. Ich wollte es nicht hinterfragen, den Grund dafür nicht kennen, aber Dean wollte es wohl nicht so stehen lassen.
»Wenn ich dich dann verliere - das schaffe ich nicht. Verstehst du? Ich habe so viele Menschen verloren, die mir etwas bedeutet haben. Außerdem möchte ich es dir nicht antun, falls mir etwas zustößt. Was nicht ganz unwahrscheinlich ist. Wie man allein am vergangenen Jahr sehen kann.«
Seine Augen waren glasig und seine Hände zu Fäusten geballt. Es musste ihm wirklich schwergefallen sein, mir das zu gestehen. Aber ich war ihm sehr dankbar dafür. Und ich konnte es verstehen. Wir waren Jäger, uns konnte jederzeit etwas passieren und wir würden nie wieder von einem Fall zurückkehren.

»Ich verstehe«, versicherte ich ihm und war mir eigentlich klar darüber, die Stimmung zwischen uns vermiest zu haben, aber da hatte ich die Rechnung ohne Dean gemacht.
Er stemmte sich auf seinen Unterarm hoch und sah mir direkt in die Augen.
»Eine Sache noch.« Seine Stimme klang fest und vollkommen ernst. »Morgen früh wirst du nicht wieder einfach so verschwinden, klar? Ich will, dass du hier bist, wenn ich aufwache.«

Ich schluckte schwer und nickte.
Dann küsste er mich und ehe ich mich versah, fand ich mich unter ihm wieder. Seine Küsse raubten mir den Verstand und ich schloss genießerisch die Augen.

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