Fragen und Geständnisse
Dean stieg in den Impala und drehte den Schlüssel im Zündschloss herum, damit die Scheinwerfer angingen. Inzwischen war es nämlich stockfinster. Er atmete tief durch und versuchte den Gedanken an das widerliche Zimmer der Hexe zu verdrängen. Überall hatten Knochen gelegen und kleine Fläschchen mit ekligen Inhalten lagen verstreut auf dem Boden. Sie waren einfach das Ekelhafteste, was auf Erden wandelte.
Er wartete, bis Sam endlich auch im Wagen saß und steuerte dann auf die Straße zu.
»Gegen die Aktion mit dem Hexenbeutel war das geradezu ein Kinderspiel«, erklärte Sam und strich sich sein Haar aus dem Gesicht. »Die hatte sich ziemlich überschätzt, würde ich sagen.«
»Du hast gut reden. Du warst ja nicht mal dabei.« Dean nahm es seinem Bruder noch übel, dass er zugelassen hatte, dass er Sherin verletzt hatte. Wäre er nur etwas eher dort gewesen, hätte sie eine Platzwunde und ein paar Würgemahle weniger. Außerdem gab er sich auch selbst die Schuld dafür. Er hätte das Zimmer durchsuchen müssen, als sie dorthin zurückgekehrt waren. Wenn er den Beutel gleich gefunden hätte, dann wären sie gar nicht erst in diese Situation geraten. Außerdem war es genau das, was er von Anfang an hatte vermeiden wollen, aber Sam hatte ja nicht auf ihn hören wollen.
»Ich nehme an, dass es leichter war. Ihr saht beide ziemlich fertig aus«, entgegnete Sam betont locker. »Tut mir leid. Du wolltest doch unbedingt mit ihr dortbleiben und recherchieren, was du sonst nie tust. Dabei wolltest du sie erst gerade nciht dabei haben. Außerdem solltest du lieber deine Finger bei dir behalten. Sie spielt nicht in deiner Liga.« Sam sah aus dem Beifahrerfenster und sagte das alles komplett beiläufig.
Dean dagegen rümpfte die Nase. »So ein Blödsinn. Sie ist klug, stark und hübsch. Was will man mehr? Außerdem wer sagt denn, dass ich das mit ihr vorhabe?« Jetzt legte sich ein anstößiges Lächeln auf seine Lippen und seine Gedanken wanderten automatisch zu dem Moment, als er seine Finger Sherins Hals hatte hinunter streichen lassen.
Eigentlich hatte er gar nicht daran gedacht, als er sie in dem Haus der Davis' gesehen hatte, bis sie in dieser knallengen Jeans und dem weitausgeschnittenen Pullover aus dem kleinen Bad des Motelzimmers herausgekommen war. Sie sah verdammt gut aus und er war sich sicher, dass sie das auch wusste.
»Alter, genau davon spreche ich ja. Und erzähl mir nicht, dass du nicht schon daran gedacht hast. Immerhin konntest du es gar nicht erwarten, mich endlich loszuwerden.« Sam unterbrach seine Gedanken und Dean sah seinen kleinen Bruder mehr als entgeistert an.
»Was willst du damit sagen? Dass sie zu gut für mich ist?«
Sam zog seine Augenbrauen und Schultern gleichzeitig hoch. Genauso wie er es immer tat, wenn er glaubte, dass Dean etwas Dummes gesagt hatte.
»Ja, Dean!? Sie ist definitiv zu gut für dich und du hast sie nicht gerade nett behandelt.«
»Ach so ein Quatsch! Vielleicht sollten wir sie lieber selbst fragen. Ich denke, sie wird dir etwas ganz anderes sagen. Und außerdem wollte ich sie nur schützen, damit genau sowas eben nicht passiert«, brummte Dean beleidigt.
Sam schüttelte den Kopf. »Tu was du nicht lassen kannst, aber verletz sie nicht mehr, als du es durch den Beutel eh schon getan hast.«
»Für wie blöd hältst du mich?«, stellte die Dean eine eigentlich rein rhetorische Frage.
Als Sam zu einer Antwort ansetzte, knurrte er »Sag es nicht!« und lenkte sein Baby auf den Motel-Parkplatz.
Er schaltete den Motor und die Scheinwerfer aus und wollte sich gerade zu Sam umdrehen, als dieser schon das Wort ergriff.
»Ich hole mir was zu essen und nehme mir ein eigenes Zimmer. Dann habt ihr Zeit für - was auch immer.« Diesmal rümpfte sein kleiner Bruder die Nase, während seine Worte Deans Fantasie wieder anregten.
Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Er hatte gespürt, dass sie ihm auch zugetan war, ganz egal, was er zu ihr in dem Haus der Davis' gesagt hatte und genau darauf würde er gleich aufbauen. Vorausgesetzt ihr ging es gut genug für – was auch immer.
҉
Ich trat gerade aus dem kleinen Bad, in dem ich meine Wunden begutachtet hatte, als die Zimmertür von außen aufgeschlossen wurde.
Mit Erleichterung stellte ich fest, dass Dean halbwegs unversehrt hereinkam und sogar recht fröhlich gestimmt wirkte. Abgesehen von ein paar Kratzern im Gesicht und einem aufgerissenen Hemdsärmel wirkte er sehr fit.
»Du hast aufgeräumt?«, fragte er erstaunt und schob den Stuhl an den Tisch heran.
Ich nickte. »So gut es eben ging. Dein Laptop ist vermutlich hinüber.«
Mit einem Finger wies ich auf das kaputte Gerät und irgendwie fühlte ich mich verantwortlich dafür, dass es so beschädigt war. Aber diesen Gedanken trieb Dean mir sofort aus.
»Was soll's. Solche Dinger kann man ersetzen. Hauptsache dir geht es gut.«
Er kam mit schnellen Schritten auf mich zu, bis er nur noch wenige Zentimeter von mir entfernt zum Stehen kam. Ich schluckte schwer, als er seine Hand hob und über meine Wange strich.
»Die Wunde sieht schon besser aus.«
»Sie wurde ja auch gut versorgt«, krächzte ich, sehr darum bemüht, mir nicht anmerken zu lassen, was seine Berührung mit mir anstellte. »Und die Kopfschmerzen haben auch nachgelassen. Ich habe mir das Schmerzmittel aus deiner Tasche genommen. Ich hoffe, das war okay?«
Seine Finger auf meiner Haut schickten kleine Blitze durch meinen Körper und ich konnte mich auf nichts anderes mehr konzentrieren.
»Klar, kein Problem. Hast du sonst noch irgendwo Schmerzen?«, fragte er und ließ seine Hand meinen Arm herunterfahren. Es war eine beiläufige Berührung, aber auch das hinterließ ein Kribbeln auf meiner Haut.
»Ich weiß nicht, mein Bein hat glaube ich etwas abbekommen, als du den Tisch umgestoßen hast, aber das wird sicher nur ein blauer Fleck und das sollte ich überleben, denke ich.« Ich lächelte scheu und wusste nicht, wohin mit mir. Dean stand noch immer so dich vor mir, dass ich nicht an ihn vorbeikam. Geschweige denn, dass ich mich auch nur bewegen konnte, ohne ihn zu berühren.
»Wo ist Sam?«, fragte ich schnell, um meine Gedanken zu ordnen. Denn erst jetzt war mir aufgefallen, dass Deans Bruder gar nicht da war.
»Weg und er wird heute Nacht auch nicht mehr wiederkommen.« Deans Blick hielt meinen die ganze Zeit über gefangen.
Auch wenn ich angesichts dieser Tatsache lieber über etwas ganz anderes gesprochen hätte, musste ich die Frage stellen. »Aber es geht ihm gut, ja?«
Soweit ich das einschätzen konnte, würde Dean keine Scherze machen, was Sam betraf. Trotzdem musste ich es hören.
»Bestens. Und mir geht es jetzt auch sehr gut.« Schmunzelnd sah er auf mich herunter und biss sich dann auf die Unterlippe. So verdammt sexy.
Sollte das eine Anspielung sein? Ich glaubte, dass es genau das war und es erfüllte seinen Zweck sehr gut.
»Ich verstehe«, entgegnete ich und legte von Mut gepackt meine Hände an sein Flanellhemd. »Ich glaube, mir geht es gut genug für das hier.«
Deans Hände schoben sich auf meine Hüften, bevor sich seine Lippen auf meine legten. Ich griff in das Hemd und schob es Dean von den Schultern. Er löste sich von mir, um sich das T-Shirt über den Kopf zu ziehen. Langsam schob er meinen Pullover nach oben und ich genoss die Begierde in seinen Augen. Er zog mir das lästige Ding vollständig über den Kopf und als sein Blick über meinen Oberkörper glitt, veränderte sich etwas darin.
»Du hast so viele Narben.« Langsam und bedächtig fuhr er jeden verheilten Schnitt und jede zackige Narbe nach, die er auf meinem Bauch und an meinen Schultern sah.
»Ich bin eine Jägerin, Dean. Was hast du erwartet?«, fragte ich ihn ernst.
Immerhin hatte er auch genügend Spuren, die bewiesen, dass er kein leichtes Leben hatte. Außerdem war es die unverfänglichste Entgegnung, die ich zu bieten hatte, ohne dass ich über ein Thema sprechen musste, das diese Nacht sprengen würde.
»Ich weiß nicht. Es ist nur – ich glaube, das ist nicht richtig. Du hattest gefragt, warum ich dich nicht dabei haben wollte. Ich wollte dich einfach nicht in unserer Nähe haben.« Dean trat ein paar Schritte zurück und senkte den Blick. Seine Brustmuskulatur zuckte, als er sich am Hinterkopf rieb.
»Was meinst du?« Ich verstand nicht, was er mir damit sagen wollte. Warum hatte er mich nicht in ihrer Nähe gewollt?
»Ich bin nicht gut für dich. Alle mit denen wir arbeiten, werden schwer verletzt oder sterben. Es haftet an uns. Ich meine, sieh doch nur was ich heute Abend getan habe.
Noch bevor er den letzten Satz beendet hatte, konnte ich nur mit dem Kopf schütteln. Was er da sagte, war absoluter Blödsinn und ich war mir sicher, dass er das auch genau wusste. Wie sollte ich als Jägerin je mehr haben können? Wäre mir jemand nahe gewesen, wäre er ein potenzielles Ziel. Also war es unmöglich mehr zu bekommen als diese Nacht.
»Dean, Jäger begeben sich jeden Tag in Gefahr, sobald sie ihren Job machen. Das hat doch nichts mit euch zu tun. Wärt ihr nicht hier gewesen, hätte mich die Hexe mit ihrem Beutel vielleicht sogar umgebracht oder ich wäre bei einem anderen Fall verletzt worden. Das ist Berufsrisiko und wir alle wissen, worauf wir uns einlassen.« Ich versuchte ihm so gut es ging verständlich zu machen, dass die Platzwunde ganz sicher nicht seine Schuld gewesen war, wobei sich in mir die Frage auftat, wo diese sensible Art plötzlich herkam. Ich hatte ihn absolut nicht so eingeschätzt, aber diese Vielfalt gefiel mir.
»Wir erhöhen das Risiko aber für jeden, der mit uns arbeitet.« Er schien nicht verstehen zu wollen. Deshalb versuchte ich auch gar nicht weiter, ihn zu überzeugen, sondern ging die Schritte, die er sich von mir entfernt hatte, wieder auf ihn zu.
»Lass uns doch für einen Moment vergessen, was vorhin passiert ist und vielleicht auch warum wir überhaupt hier sind«, schlage ich lächelnd vor und hoffe sehr, dass er diesmal versteht, was ich ihm sagen will.
»Sherin, du hast mehr verdient als einen One-Night-Stand hier in diesem schäbigen Motel mit einem mehr als kaputten Typen.«
Dieser Mann machte mich fertig! Erst war er der Großkotz schlechthin, dann auf freche Art unheimlich sexy und plötzlich zweifelt er an sich selbst. Ich wusste nicht, ob ich es anziehend fand oder nicht, aber ich wusste, dass uns beiden ein wenig Zuwendung heute Nacht nicht schaden würde. Und genau deshalb entschied ich mich dazu, wieder die Initiative zu ergreifen.
»Das lass mich mal schön selbst entscheiden. Ich bin schon ein großes Mädchen und weiß, worauf ich mich einlasse. Ich erwarte auch nichts weiter von dir, falls du dir deswegen Sorgen machst.« Ich verschränkte meine Hände in seinem Nacken, stellte mich auf Zehenspitzen und lehnte mich leicht gegen ihn.
Dean sah mir direkt in die Augen und ein leichtes Lächeln zierte sein Gesicht. »Aber das wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass wir uns sehen, Cherry.« Das war es, was ich gehofft hatte, wieder herauskitzeln zu können und ich erwiderte sein Lächeln.
»Versprich nichts, was du nicht halten kannst«, raunte ich und erstickte seine Antwort mit einem Kuss. Ich wollte nicht auch nur noch eine weitere Sekunde mit Reden verschwenden und schon gar nicht darüber, was sein würde, wenn die Sonne aufging.
Dean fackelte nicht lang, sondern erwiderte den Kuss in einer Intensität, die den Schwindel zurückbrachte. Nur dieses Mal im guten Sinne.
Ich ließ mich in seine Arme fallen. Er hob mich mit einer Leichtigkeit hoch, als wäre ich nicht schwerer als ein Kissen und bugsierte mich zum Bett. Darauf ließ er mich so plötzlich fallen, dass mir ein spitzer Schrei entfleuchte.
»Du kriegst nur das zurück, was ich vorhin einstecken musste«, erklärte Dean sich grinsend, kaum dass ich ihn protestierend ansah.
»Hey, ich habe mich nur verteidigt«, rechtfertigte ich mein Verhalten von heute Nachmittag.
»Du kämpfst wie eine Löwin. Ich wette, du bist auch eine richtige Raubkatze im -« Weiter ließ ich ihn nicht sprechen, sondern warf mit einem Kissen nach ihm, das ich gerade so an der Ecke zu fassen bekam. Es war nicht gerade das Wurfgeschoss, dass ich mir vorgestellt hatte und streifte Dean auch nur an der Schulter.
»Halt die Klappe!«, rief ich lachend, packte sein Handgelenk und zog ihn aufs Bett. »Küss mich lieber, du Idiot.«
Dean stimmte in mein Lachen mit ein und bescherte mir gleich darauf die beste Nacht meines ganzen Lebens.
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