Erklärungsnot und Sigillen

Dean schwieg eine ganze Weile und als die Bedienung ihn fragte, ob sie ihm etwas bringen solle, schüttelte er mit dem Kopf.
Dann rief er sie zurück und bestellte einen doppelten Whisky, ehe er wieder ins Leere starrte, ohne auch nur die Miene zu verziehen.
»Dean, bitte. Sag doch irgendwas«, forderte ich ihn auf, was ihn kalt auflachen ließ.
»Was soll ich deiner Meinung nach sagen? Du hast fast fünf Monate geschwiegen und jetzt soll ich derjenige sein, der redet? Ich finde, du hast einiges zu erklären.«

Ich nickte geknickt. »Du hast recht, aber dieser Ort ist nicht wirklich dazu geeignet. Es geht noch um viel mehr als meine Schwangerschaft.«
»Also war der Fall nicht nur ein Vorwand?«, fragte er und stürzte den Whisky, den die Bedienung vor ihn gestellt hatte, in einem Zug herunter.
Dean verzog kurz das Gesicht und schüttelte sich, ehe er mich wieder mit seinem Blick fixierte.
»Nein, war er nicht. Es gibt wirklich einen Fall. Er steht allerdings in direktem Zusammenhang mit -« Mein Blick glitt nach unten auf meinen Bauch und ich legte meine Hände darauf. »Uns.«

»Würdest du dir vielleicht nicht alles aus der Nase ziehen lassen? Sherin, was für einen Hammer willst du mir jetzt noch auftischen?« Dean seufzte. Er wurde immer ungehaltener und das machte mich nervös.
Vielleicht hatte ich doch einen Fehler begangen.
Vorsichtig schielte ich an Dean vorbei in Richtung des Engels und Sam. Die beiden waren in ein Gespräch vertieft und hoffentlich war der geflügelte Trenchcoat so gut abgelenkt, dass er mich nicht hörte. Ich wollte es Dean eigentlich nicht in seiner Gegenwart erzählen, aber mir blieb offensichtlich nichts anderes übrig.

»Ich möchte es nicht so genau ausführen solange er in der Nähe ist.« Leicht nickte ich in Castiels Richtung und Dean folgte meiner Geste mit seinem Blick. Daraufhin sah er mich fragend an.

Ich kam wohl wirklich nicht darum herum, an Ort und Stelle ein wenig mehr preiszugeben. Denn Dean zuckte einfach nur verständnislos mit seinen Schultern. War er wirklich so begriffsstutzig, oder stellte er sich jetzt absichtlich so doof, um mir eins auszuwischen? Ich tippte auf letzteres.
»Es geht um die Engel«, flüsterte ich. »Sie denken, weil du Michaels Hülle warst oder immer noch bist, muss dein Kind eine große Bedeutung für sie haben. Aber mehr kann und will ich hier nicht sagen. Nur so viel: Sie haben mich vor die Wahl gestellt. Entweder ich händige ihnen unser Kind aus oder sie vernichten mich und damit auch das Baby. Seit sie mich aufgespürt haben, bin ich auf der Flucht, aber es läuft nicht so gut wie geplant.«

»Die wollen was? Ich glaube, die wissen nicht mit wem sie sich da anlegen! Niemand bekommt mein Kind!« Wütend schlug Dean auf die Tischplatte.
»Vielleicht verstehst du jetzt, dass ich nicht gerade erfreut bin, deinen gefiederten Kollegen dort drüben hier zu haben«, fügte ich leise hinzu und Dean nickte.
»Ich verstehe. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Für Cas halte ich meine Hand ins Feuer. Er hat sich geopfert, damit ich aus dem Fegefeuer entkommen konnte.«
Er wirkte absolut aufrichtig und zu einhundert Prozent sicher. Trotzdem steigerte das mein Vertrauen in den Engel nicht.

Dean musterte mich einen Moment, ehe sein Blick sanfter wurde.
»Weißt du eigentlich, was es wird?«, fragte er und ich meinte beinahe so etwas wie ein Lächeln auf seinen Lippen auszumachen.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich wollte es irgendwie nicht ohne dich herausfinden.«
Diesmal wurde es ein echtes Lächeln und das erwärmte mir mein trauriges Herz. Natürlich war mir klar, dass ich damit nicht wieder alles gut gemacht hatte. Aber es war ein erster sehr kleiner Schritt in die richtige Richtung.

Ich brauchte Dean und das nicht nur, um unser Kind zu retten. Auch wenn ich es mir nicht hatte eingestehen wollen, hätte es mir unheimlich viel bedeutet, wenn er Interesse an dem Kind hätte. Auf verrückte Art und Weise hatte ich mir gewünscht, dass wir eine richtige Familie werden konnten.

»Es ist ein Junge«, erklang die emotionslos Stimme des Engels neben uns und ließ mich zusammenzucken.
Er hatte uns bestimmt die ganze Zeit über gehört und allein der Gedanke daran, jagte mir einen Schauer der Angst über den Rücken. Dabei realisierte ich erst, was Castiel gesagt hatte, als Dean loswetterte.
»Danke Cas! Kannst du uns vielleicht auch ein Ultraschallbild zeigen?« Er war anscheinend alles andere als begeistert davon, dass der Engel uns da einfach so ein nicht ganz unwichtiges Detail offenbart hatte.
Offensichtlich verstand Castiel den Sarkasmus in Deans Stimme nicht, was seine Frage deutlich zeigte. »Nein, aber soll ich ihn dir vielleicht beschreiben?«
»Nein!«, antworteten Sam und Dean wie aus einem Munde.

Deans Bruder hatte sie ebenfalls wieder zu uns an den Tisch gesellt.
Allerdings fühlte ich mich nicht so wohl wie sonst bei den Winchesters. Und das lag nicht nur an Deans noch immer recht kühlen Haltung mir gegenüber.
Ich vertraute dem Engel nicht und daran konnten Deans Schwüre und Beteuerungen für ihn auch nicht ändern.

»Ein Junge also«, stellte Dean selbst noch einmal fest und seine Augen leuchteten, als er mich ansah.
Ein Junge. Unser Junge und jetzt galt es, ihn zu schützen. Kostete es was es wollte.
»Am Besten wir bringen euch erstmal in den Bunker. Dort solltet ihr vorerst in Sicherheit sein«, ließ Dean verlauten, warf ein paar Dollar auf den Tisch und stand auf.
Auch ich erhob mich und zog mir etwas umständlich meine Jacke wieder über.
»Okay, dann mal los«, entgegnete ich und folgte Dean und dem Engel nach draußen vor das Diner, wo unsere Autos nebeneinander parkten. Sam ging nicht weit hinter mir.

»Bevor wir fahren, gibt es noch eine Sache. Cas, kannst du ihr die gleichen Sigillen verpassen wie uns? Ich meine, geht das in ihrem – Zustand?«
Scheinbar hatte Dean ein kleines Problem damit, Worte wie Schwangerschaft oder schwanger zu verwenden.
»Es sollte dem Kind nicht schaden, falls es das ist, was du wissen willst.« Die Antwort kam prompt und genauso emotionslos wie alles andere was der Engel bisher von sich gegeben hatte.
»Gut, dann mach es.« Dean nickte in meine Richtung und als der Engel mit ausgestreckter Hand auf mich zu trat, schrak ich ein Stück zurück.
»Was genau soll er machen?«, fragte ich ängstlich und machte mich bereit für die Flucht.
»Keine Sorge, es tut nur kurz weh«, beteuerte Castiel.

Bevor ich auch nur mit der Wimper zucken konnte, lagen zwei seiner Finger an meiner Stirn und nur Sekunden später durchzog mich ein sengender Schmerz.

»Verdammte Scheiße, was war das denn?«, keuchte ich, als der Schmerz halbwegs abgeebbt war.
»Was mein Bruder wohl vergessen hat, zu erwähnen ist, dass Castiel dir gerade Schutz-Symbole in die Rippen geritzt hat.« Sam sah Dean strafend an, allerdings hatte auch er nicht eingegriffen, um mich zu warnen.
Ob sie Angst hatten, dass ich es nicht zugelassen hätte, wenn sie es mir gesagt hätten?
»Okay, das heißt?«, hakte ich genauer nach.
»So können die Engel dich nicht finden«, sagte Dean knapp und ging schnurstracks weiter auf unsere Autos zu.
»Danke für die Erklärung«, murmelte ich und folgte ihm.
Uns stand noch ein langer und sehr steiniger Weg bevor. Ich hoffte nur, dass er überhaupt begehbar war.

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