Ein kleiner Hoffnungsschimmer

Ich war jetzt schon seit drei Wochen im Bunker. Deans Haltung mir gegenüber war immer noch kühl, aber das konnte ich angesichts der Situation verstehen. Ich hatte kein Recht, mich zu beschweren. Immerhin hatte ich ihm ziemlich harten Tobak aufgetischt. Das musste er erst einmal verdauen.
Ich hätte es ihm ganz einfach sagen müssen. Gleich und nicht erst fünf Monate später und vor allem hätte ich ihm nicht sagen dürfen, dass ich ihm meine Schwangerschaft ganz verschwiegen hätte, wenn es die Umstände nicht notwendig gemacht hätten ihn einzubeziehen. Vielleicht wäre es dann anders gekommen. Das konnte ich nur nicht wissen, weil ich es nicht hatte soweit kommen lassen. Ich hatte mich dagegen entschied, es ihm von Anfang an zu sagen und deshalb musste ich jetzt damit leben, dass er mich ausschloss. Aus allem.

Inzwischen ärgerte ich mich nicht mehr über mich selbst. Ich hatte diese Entscheidung getroffen und das aus einem Grund. Sich jetzt deshalb fertig zu machen, hatte absolut keinen Zweck.
Und trotzdem konnte ich in dieser Nacht nicht schlafen. Ich warf mich in meinem Bett hin und her, aber nichts wollte helfen. Kein Schwelgen in schönen Gedanken, kein Schäfchen zählen, nichts.
Außerdem fror ich unheimlich. Deshalb entschied ich, mir einen Tee zu kochen.
Ich stand auf und zog mir meine Decke um den Körper. Vielleicht wurde mir auch beim Laufen schon etwas wärmer. Bewegung konnte schließlich auch helfen.

Ein Grund für meine schlaflosen Nächte war auch, dass Dean nur noch selten hier gewesen war, seit ich im Bunker war. Sam sagte, er würde wie ein wahnsinniger versuchen, eine Lösung zu finden. Dean war sich sicher, dass die Engel nicht einfach aufhören würden, unseren Sohn zu jagen. Und dessen war ich mir sehr bewusst.
Ich verstand nur nicht, warum Dean mich nicht mit einbezog. Hier zu sitzen und nichts tun zu können, half mir nicht und machte meine Situation nur noch schlimmer. Tagsüber ging ich im Bunker die Wände hoch. Ich konnte nichts weiter tun, als herumzusitzen und auf Sam und Dean zu warten.

Als ich jetzt auf den Flur trat, konnte ich schon den leichten Lichtschein aus der Küche sehen. Vermutlich war Sam noch wach und recherchierte für einen neuen Fall. Dean schloss nämlich nicht nur mich aus. Sam arbeitete deshalb meist allein an kleineren Fällen, die hier in der Nähe waren. Wobei er eigentlich mehr Zeit damit verbrachte, sich um mich zu kümmern.

Langsam schlich ich bis zur Tür der Küche. Als ich um die Ecke sah, schaute ich erstaunt auf Deans Rücken. Er trug das gleiche sehr abgetragene Flanellhemd wie vor drei Tagen und saß dort mit hängendem Kopf.
Er hatte also heute noch keine Sekunde geschlafen, so wie ich das einschätzte. Vielleicht hatte er sogar seit mehreren Tagen nicht geschlafen. Immerhin hatte ich ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen. Hier hatte er sich also nicht ausgeruht.
Ich wollte ihn nicht erschrecken, deshalb räusperte ich mich kurz, ehe ich eintrat.

Es erzielte die gewünschte Wirkung, denn Dean drehte sich in meine Richtung.
Er stellte des Bier ab, dass er hielt und rieb sich die Augen.
»Hey Kleine, was machst du denn hier?« Deans Stimme klang matt und erschöpft.
Seit dem Moment im Diner hatte er mich nicht mehr Cherry genannt, sondern war auf den neuen Spitznamen ausgewichen. Ob es eine Art Bestrafung sein sollte? Es fühlte sich jedenfalls so an. Jedes Mal versetzte es mir einen Stich, wenn er 'Kleine' zu mir sagte. Es war als hätte er mir einen Titel entzogen, der mir eigentlich zustehen sollte.

»Ich kann nicht schlafen. Deshalb wollte ich mir einen Tee machen. Tut mir leid, ich wollte dich nicht stören.« Entschuldigend senkte ich den Kopf.
»Du störst doch nicht«, seufzte Dean und stand auf. Er musterte mich kurz und hob dann eine Ecke der Decke an. »Frierst du?«
Er sah mir kurz dabei zu, wie ich umständlich versuchte mit der Decke um meine Schultern das Teewasser aufzusetzen.
Ich nickte und stellte den Wasserkocher an. »Es ist irgendwie ziemlich kalt hier drin. Wo ist Castiel?«
Ich hatte den Engel auch schon eine ganze Weile nicht gesehen und das bereitete mir Unbehagen.

»Er versucht sich im Himmel ein wenig umzuhören. Ich habe ihn jetzt aber auch zwei Tage schon nicht gesehen.«
Ich nickte und holte eine Tasse aus dem oberen Schrank, wobei mir die Decke von den Schultern glitt.
Ich hörte wieder ein Seufzen von Dean und dann spürte ich, wie mir zwei warme Hände die Decke wieder um die Schulten legten.
»Geh wieder ins Bett. Ich bringe dir gleich den Tee. Wenn du hier stehen bleibst, bist du in ein paar Minuten ein Eiszapfen.« Dean war mir so nahe, dass ich eine Gänsehaut bekam. Seine Hände lagen noch immer auf meinen Schultern und ich bemühte mich, mich nicht einfach in seine Arme zu werfen und zu hoffen, dass er meine Umklammerung erwiderte.
Um das zu vermeiden, drehte ich mich langsam um und sah ihn aus großen Augen an. Dean entfernte sich zu meiner Überraschung noch nicht von mir. Sollte das etwa ein Schritt auf mich zu sein? Eine Art Waffenstillstand vielleicht. Dem wollte ich natürlich um nichts in der Welt im Wege stehen.
Deshalb nickte ich wieder, zog mir die Decke enger um den Körper.
»Ich bin gleich bei dir«, raunte er und griff an mir vorbei nach der Tasse.
Ich schluckte ehe ich wieder nickte und schließlich dicht neben ihm vorbeiging, um die Küche zu verlassen.

Eingerollt in meine Decke legte ich mich auf mein Bett und schloss für einen Moment die Augen. Auf einmal war mir nicht mehr so kalt und mit einem Lächeln im Gesicht spürte ich die bleierne Müdigkeit heranrollen. Aber ich hielt krampfhaft daran fest, dass Dean gleich zu mir kommen wollte, um mir den Tee zu bringen.

Irgendwie musste ich doch eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen öffnete, empfing mich ein Duft, der mein Herz aufgehen ließ.
Es war nicht der Tee, der dampfenden auf meinem Nachtschrank stand. Sondern Dean, der hinter mir lag und seine Arme fest um mich geschlungen hatte. Mir war auch überhaupt nicht mehr kalt, denn seine wohlige Wärme umschloss mich, während mein Herz ein wenig schneller schlug.
Lächelnd schmiegte ich mich vorsichtig noch etwas näher an ihn.
Ich wagte es nicht, Hoffnung darauf zu schöpfen, dass wir uns annähern würden, aber ich genoss den Augenblick. Vielleicht ein wenig mehr, als gut für mich war. Das würde sich aber schon noch früh genug herausstellen.

҉

Dean spürte, wie Sherin sich in seinen Armen bewegte. Er hatte gehofft, sie nicht geweckt zu haben, als er sich zu ihr gelegt hatte. Das war wohl nach hinten losgegangen. Aber wenn er einfach so tat, als würde er schlafen, konnte er einem Gespräch darüber, was er eigentlich hier tat, eventuell entkommen. Er wusste immerhin selbst nicht, warum ihn bei ihrem schlafenden Anblick das Bedürfnis übernommen hatte, sich eng an sie zu schmiegen und sie einfach nur festzuhalten. Fest genug, damit ihr nichts geschehen konnte.
Deshalb wollte er es ihr nicht auch noch erklären müssen. Immerhin hätte er das gar nicht gekonnt. Im Moment war alles was er brauchte, genau das hier.

Kurz hatte er damit gerechnet, dass sie sich umwandte und ihn ansah. Und auf absurde Weise hatte er es sich für den Bruchteil einer Sekunde sogar gewünscht. Aber stattdessen hatte sie sich nur noch näher an ihn gedrückt und zufrieden geseufzt.
Es war also doch die richtige Entscheidung gewesen, sich zu ihr zu legen. Auch wenn es sich komisch anfühlte, ihren Bauch ohne ihr Einverständnis zu berühren, konnte er die Bewegungen seines Sohnes spüren. Das glaubte er zumindest und das durchströmte seinen Körper mit einem nie gekannten Glücksgefühl.

Er lächelte und war versucht, Sherins Haar aus ihrem Nacken zu streichen, um ihren Hals zu küssen. Aber Dean ließ es bleiben.
Zu gern hätte er ihr einfach vergeben. Als sie auf seine Frage, dass er seinen Sohn niemals kennengelernt hätte, wenn es das Dilemma mit den Engeln nicht gegeben hätte, genickt hatte, war die Chance auf ein schnelles Verzeihen zerbrochen.

Jetzt da sie so in seinen Armen lag, wurde ihm bewusst, dass er ihr dennoch schon sehr bald vergeben würde.
In der Küche hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, wie er weiter mit ihr umgehen sollte.
Es fiel ihm so schwer, sie nicht unentwegt über seinen Sohn auszufragen. Er wollte am liebsten alles wissen. Jedes Detail der letzten fünf Monate und nicht nur die Dinge, die die Engel von ihr gewollt hatten.
Aber das Wichtigste war, dass sie in Sicherheit waren - und bei ihm.

Bisher hatte er noch keine Lösung gefunden, wie er die Engel davon abbringen konnte, seinen Sohn in ihre Finger bekommen zu wollen.
Dean war bei vielen ehemaligen Kontakten gewesen, hatte versucht, Informationen aus ein paar Engeln zu bekommen und war bereits versucht, die Hilfe der Dämonen zu suchen. Allerdings wollte er ihnen nicht unbedingt unter die Nase reiben, dass er einen Sohn bekam. Das wäre wahrscheinlich alles andere als förderlich. So lange die Hölle die Füße still hielt, ging er einfach davon aus, dass sie noch nichts von Sherins Schwangerschaft wussten.

Dean schloss die Augen und versuchte sich nur auf die zierliche Frau in seinen Armen zu konzentrieren. Ihr Duft in Kombination mit ihrer Körperwärme ließen ihn träge werden und nur Minuten später spürte er wie ihm die Augen zufielen.

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