Reden ist Silber, Schweigen ist Gold

„Mich zum Schweigen bringen?", fragte Bleuciel, dem des Gelächters wegen schon die Tränen in den Augen standen. „Mhh, nicht wenn ich Ihnen entkomme, Monsieeeur."

Percevals geschwungene Lippen formten sich zu einem breiten Grinsen. Seine auffallend grünen Augen wurden durch das Flackern der zahlreichen Kerzen noch deutlicher zur Geltung gebracht. Er lehnte sich etwas nach vorn, als gedachte er, sich auf die Lauer zu legen. Dabei behielt er sein Gegenüber permanent im Blick.

„Herausforderung angenommen ..., Monsieur", erwiderte er mit kehliger Stimme.

Die Art des Sprechens löste bei Bleuciel eine Gänsehaut aus, welche vom Nacken ausgehend bis hin zum untersten Wirbel kroch und die sein Herz schlagartig in Wallung brachte. Mit Spannung trat der Dieb etwas zurück, wobei seine Stiefel hörbar über den Steinboden des Gotteshauses schlurften. Das momentane Verlangen nacheinander war so durchdringend, wie der Geruch des Weihrauchs, der sie umgab. Es knisterte förmlich zwischen den beiden.

Plötzlich stolperte Bleuciel zu dem gegenüberliegenden Altar, wobei sein Lachen an den hohen Wänden der Kirche widerhallte. Als er kurz danach die lärmenden Schritte seines Verfolgers vernahm, entkam seiner Kehle ein aufgeregter Schrei. Er flüchtete sich hinter eine der massiven Steinsäulen, um den Blicken seines Jägers zu entgehen. Währenddessen flatterten unzählige Schmetterlinge durch seinen Bauch. Mit angehaltenem Atem lauschte Bleuciel sämtlichen Geräuschen, die auf den derzeitigen Aufenthaltsort von Perceval hindeuten könnten. Seine flachen Hände ruhten derweil auf dem kalten Stein. Vorsichtig lugte er links an der Säule vorbei. Da er dort niemanden ausmachen konnte, wandte er sich zur anderen Seite, um nun direkt mit dem Adeligen zusammenzustoßen.

Innerhalb eines Wimpernschlags wurde Bleuciel mit dem Rücken gegen die Säule gepresst. Anschließend prallten ihre hungrigen Münder im Eifer des Geschehens aufeinander. Es war ein stürmischer Kuss, bei dem Percevals Zunge um sofortigen Einlass bat. Ungeduldig fuhr diese über Bleuciels geschlossene Lippen, bis sich ein Spalt auftat, durch den sie hindurchgleiten konnte.

Mit einem überwältigten Stöhnen empfing der Dieb die samtige Zunge, die sich geschickt um seine eigene schlängelte und damit die Oberhand gewann. Bleuciels Herz machte indes einen gewaltigen Sprung. Noch immer verströmte Perceval den leicht blumigen Duft, der ihm während des Kusses in die Nase stieg. Darüber hinaus schmeckte Bleuciel den Wein. Ihre derzeitige Erregung kompensierte die Schwere des Alkohols.

Als sich der Körper des Adeligen gegen seinen eigenen drückte, musste Dubois ein weiteres Mal stöhnen. Mit geschlossenen Augen neigte er den Kopf, während er beide Hände nutzte, um sich am Rücken von Perceval festzukrallen. Dank des Kusses wirbelten die Gedanken nun wahllos durch seinen dumpfen Kopf.

Zwischenzeitlich versetzten die erotischen Klänge ihrer tüchtigen Münder Perceval in einen regelrechten Rausch. Drum ließ er kurzweilig ab, um sich erneut am Hals seines Gespielen festsaugen zu können. Mit Freuden erntete er einen erstickten Laut, der sein Blut zum Kochen brachte. Bleuciel auf diese Weise hören, schmecken und fühlen zu dürfen, löste einen wahren Freudenflug aus, der Perceval dazu bewog, unentwegt weiterzumachen. Er führte seine Hände unter Dubois' Gehrock, um sie seitlich am Bauch nach unten gleiten zu lassen. Auf Hüfthöhe angelangt, ließ er sie weiter nach hinten wandern, um dort die zarten Rundungen des Diebes zu umfassen.

„M-Monsieur!", japste Bleuciel, als er sein Becken nach vorne schnellen ließ.

Den süßen Ausruf kommentierte Perceval mit einem Schmunzeln. Ein flüchtiger Blick nach unten offenbarte ihm Bleuciels gegenwärtigen Zustand. Obschon er den prallen Po gerne noch ein wenig massiert hätte, ließ er seine rechte Hand nach vorne eilen, um seinem Geliebten jetzt ungeniert zwischen die Beine zu fassen. Es folgte ein lüsterner Schrei, der Perceval zutiefst erregte.

Währenddessen wusste Bleuciel nicht mehr, wie ihm geschah. Wie ein reißender Fluss strömte das Blut durch seine Adern, weshalb diejenige an seinem Hals schon merklich pulsierte. Die kribbelnde Lust, die eine beiläufige Hitze mit sich führte, sammelte sich in Bleuciels Körpermitte, um dort für einen fast schon unerträglichen Druck zu sorgen. Das zunehmende Pochen zwischen den Beinen wurde durch Percevals gezielten Griff noch verstärkt. All die Eindrücke führten zu einer Reizüberflutung, der Dubois nicht länger standhalten konnte. Er spürte, wie seine Beine nachgaben, woraufhin sich Percevals Arm um seine Taille schlang.

„Fühlen Sie das, Monsieur?", raunte Perceval, bevor er den Dieb ruckartig zu sich heranzog. „Ihr Leib, wie auch der meinige, beherbergen ein gewaltiges Feuer."

Passend dazu trafen ihre pulsierenden Erregungen aufeinander. Selbst unter dem Stoff ihrer Kleidung waren diese eindeutig zu fühlen. Mit glasigen Augen blickte Bleuciel in die von Perceval und drohte sich darin zu verlieren.

Ihr gegenseitiges Verlangen ließ sich mit keiner Sprache dieser Welt beschreiben. Woher diese enorme Anziehungskraft rührte, konnten ebenso wenig erwogen werden. Sie schien schon immer da gewesen zu sein. Unscheinbar hatte sie in ihnen geschlummert, geduldig darauf wartend, dass sie sich eines Tages über den Weg laufen würden, um nun – wo es endlich soweit war – nicht davor zurück zu scheuen, ihr ganzes Potential auf einen Schlag zu entfalten.

Sie lehnten sich beide nach vorn, um einen weiteren Kuss in die Wege zu leiten, doch bevor es dazu kommen konnte, ertönte ein aufgebrachter Schrei.

„Blasphemie!", krächzte der Priester, der neben der Kirche wohnte und vor dem Schlafengehen noch einmal nach dem Rechten sehen wollte. „Zwei widerwärtige Sünder, die Schande und Verderben über das Gotteshaus bringen!" Trotz seiner gebrechlichen Erscheinung gelang es diesem, wild mit den Armen zu rudern. „Gottes Strafe wird sie beide ereilen und sie auf Ewig im Fegefeuer büßen lassen!" Mit hochroten Wangen ergriff er einen der zahlreichen Kerzenständer. „Für solch verrufene Wesen existiert kein Obdach in diesen heiligen vier Wänden. Hinaus mit Ihnen! Sofort! Hinaus!"

In den ersten Sekunden waren Bleuciel und Perceval völlig perplex. Sie fragten sich, woher der Mann plötzlich gekommen, und warum er erst jetzt auf sie aufmerksam geworden war. Obwohl der magische Moment durch die Einmischung eingedämmt wurde, ließ sich das Band zwischen ihnen nicht mehr durchtrennen. Sie nahmen sich an die Hand, was bei dem ergrauten Priester für weiteren Unmut sorgte. Unterdessen er sie mit tödlichen Blicken durchbohrte, deutete seine freie Hand auf die gewaltige Eingangstür. Im schleppenden Gang zwangen sich die beiden Männer an ihm vorbei, um der bitteren Kälte ein weiteres Mal entgegenzutreten.

„So ein Spaßverderber", seufzte Perceval, den allmählich die Erschöpfung einholte. Insgeheim war er froh, dass der Priester die Bestrafung in Gottes Hände gelegt hatte. Andernfalls wäre das Ganze vielleicht deutlich schlimmer ausgegangen. „Wohin nun? Haben Sie einen Einfall, Monsieur?"

Auch Bleuciel sehnte sich nur noch danach, endlich ein wenig ruhen zu dürfen. Nachdem die körperliche Lust abgeflaut war, drängte sich die Müdigkeit in den Vordergrund.

„Lassen Sie uns nach einem unscheinbaren Unterschlupf suchen", schlug Dubois vor.

Hand in Hand überquerten sie den Marktplatz, der ohne die Menschenmassen fast schon ein wenig unheimlich erschien. Der Alkohol, der zu Beginn noch aufheiternd und enthemmend gewirkt hatte, zeigte sich nun von seiner unschönen Seite, indem er bei Bleuciel eine plötzliche Übelkeit hervorrief. Schnell löste der Dieb die Verbindung zu Perceval, um gegen die nächstbeste Hauswand zu stolpern. Kurz darauf erbrach sich Bleuciel, wobei sein Körper in ein sichtliches Zittern überging. Hustend suchte Dubois nach einem Halt. Mit seinem Unterarm lehnte er sich gegen die Außenfassade, um nun mehrfach nach Luft zu ringen.

„Alles in Ordnung, Monsieur?", fragte Perceval, dessen Hand in sanfter Manier über den Rücken strich. Flüchtig galt seine Aufmerksamkeit dem Erbrochenen. „Etwas schade um den Wein", fügte er stichelnd hinzu.

Mit dem Handrücken wischte sich Bleuciel über die Lippen. Der ekelhafte Nachgeschmack minderte seine derzeitige Laune.

„Es steht Ihnen frei, den Boden abzulecken, Monsieur."

„Oh, welch bissige Bemerkung", entgegnete der Adelige, bevor er Bleuciel auf die Wange küsste. „Sie sollten häufiger trinken, Monsieur."

Hinsichtlich des eben durchlebten Geschehens konnte Bleuciel durchaus darauf verzichten. Zumindest war nun die Übelkeit weg. Übrigblieb die Müdigkeit, die sich wie ein Gewicht an seine Augenlider heftete, sodass es dem Dieb zunehmend schwerer fiel, die selbigen offenzuhalten.

Da sie seit dem leidenschaftlichen Kuss in der Kirche nur noch Augen füreinander hatten, wankten sie aneinandergeschmiegt und ohne ein Ziel vor Augen durch die Gassen. Völlig unbewusst gelangten sie wenig später zur Steinbrücke, auf die Bleuciel schon am Mittag aufmerksam geworden war. Als er sie sah, kam dem Dieb eine Idee.

„Da drüben ist ein Kloster", sagte Dubois. „Ich vermute, dass wir dort auch einen Stall finden werden, Monsieur."

„Einen Stall? Das weckt schöne Erinnerungen", bemerkte Perceval, womit er auf ihr erstes Aufeinandertreffen anspielte. „Zu schade, dass ich meinen Zeichenblock nicht bei mir trage."

Der Erschöpfung wegen ging Bleuciel nicht weiter darauf ein. Stattdessen passierte er die bevorstehende Brücke, indem sich seine ausgestreckte Hand an dem steinigen Gelände entlanghangelte. Schon auf halbem Wege vernahm er das Muhen einer Kuh, was die Hoffnung auf einen potentiellen Schlafplatz weckte.

„Sie hatten Recht, Monsieur", gestand Perceval, als sie leicht abseits des Klosters einen kleinen Stall entdeckten. „Hier sollte uns niemand so schnell finden."

In dem Stall befanden sich zwei braunweiße Kühe, welche den typischen Geruch von Vieh absonderten und die sich von den unangekündigten Besuchern nicht aus der Ruhe bringen ließen. Ihre Behausung bot den optimalen Schutz vor Wind und Wetter. Zudem lag darin ein wenig Heu, auf dem sich die beiden Männer zu Ruhe legen konnten.

Dankend fiel Bleuciel in das verlockende Heu. „Ein Himmelbett kann ich leider nicht bieten, Monsieur", murmelte er mit geschlossenen Augen, da sich alles in seinem Kopf zu drehen begonnen hatte.

Er spürte noch, wie Perceval halb über ihn stieg. „Das ist mir einerlei", flüsterte der Adelige. „Solange ich Sie an meiner Seite weiß."

Dem verführerischen Flüstern folgten ein paar kleine Küsse, die Perceval auf dem freigelegten Hals seines Begleiters verteilte. Ungeachtet der unromantischen Atmosphäre, schob er die Ränder von Bleuciels Gehrock beiseite, um sich mühelos an der darunterliegenden Weste vergreifen zu können. Geschickt löste Perceval die ersten Knöpfe, bevor er den Kragen des Leinenhemdes nach unten zog. Anschließend glitt seine Zunge über die feinen Konturen des Schlüsselbeins. Da von Bleuciel keinerlei Reaktion erfolgte, wagte der Adelige einen Blick in dessen Gesicht. Wie er enttäuscht feststellen musste, war der hübsche Dieb bereits dem Schlaf anheimgefallen.  

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